Zoe ♡

Dunkelheit umgab mich, eine schöne Dunkelheit, aus der ich nicht wieder wegwollte. Ich drehte mich und blendete das Radio, das sich irgendwo neben meinem Kopf eingeschaltet hatte, aus. Ich kuschelte mich wieder in meine Kissen und versuchte einen Fetzen meines Traumes wieder einzufangen, was allerdings nicht funktionierte. Ich hatte von schneeweißen Skipisten geträumt und dort war etwas passiert.

Moment mal, Skipisten? Verdammt, der Urlaub, der Skiurlaub. Hektisch versuchte ich mich aus dem Schlaf zu befreien, aber er war so überwältigend, dass ich mich ernsthaft zusammenreißen musste. Doch schließlich öffnete ich die Augen und mein erster Blick fiel auf meinen Wecker, auf dem die weißen Zahlen verkündeten, dass es schon viel zu spät war.

Wir wollten eigentlich schon um 5 Uhr losfahren und ich hatte jetzt gerade mal eine Viertelstunde Zeit, das war fast gar nichts. Die fröhliche Radiomusik von R.P.R.1 riss mich nun endgültig aus der Schläfrigkeit. Auch wenn ich kaum geschlafen hatte, raffte ich mich auf und streckte den Finger aus, um das Radio auszuschalten. Ein leises Klick ertönte und die Stimme des Radiosprechers verstummte. Ich ließ mich zurück in meine Kissen fallen und versank wieder in meinem Traum, bis ich eine hohe Stimme in meinem Kopf hörte, die sagte, ich solle aufstehen. Ich schlug die Augen auf, kniff mir einmal ins Bein und setzte den ersten Fuß auf den Boden. Sofort fielen meine Lider wieder nach unten und mein Bein baumelte leblos auf der Bettkante. Mein Körper besaß kein einziges Energiebündel.

Ich schaute auf die Uhr, schon zehn vor. Okay, jetzt musste ich wirklich aufstehen. Mit letzter Kraft zog ich beide Beine auf den Boden und taumelte ins Bad. Ich schaute in den Spiegel und fuhr mit den Fingern durch meine zerzausten hellblonden Strähnen. Wie gerne würde ich Locken haben, stattdessen hatte ich extrem glattes hellblondes Stroh, was mir über die Schultern fiel.

Ich griff nach der Bürste und versuchte damit meine Haare zu entknoten. Sie waren fettig, aber Lust, sie zu waschen hatte ich jetzt auch nicht. Abgesehen davon hatte ich dazu auch keine Zeit. Schnell griff ich nach meiner Zahnbürste und putzte mir die Zähne. Der herrliche Minzgeschmack der Zahnpasta versetzte meinem Körper neue Energie und allmählich freute ich mich auf den Urlaub. Ich würde wieder Skifahren und meine Schlittschuhe endlich wieder auspacken können. Ob ich überhaupt noch Schlittschuhfahren konnte? Ich wusste, dass ich sehr lange gebraucht hatte, um sicher auf den zwei Kufen zu stehen. Hoffentlich hatte ich es nicht verlernt.

„Zoe, wir wollen los." Die genervte Stimme meines älteren Bruders drang vom Flur zu mir hinauf. Der sollte nicht so einen Stress machen, schließlich war es gerade mal fünf vor. „Jaja, ich komme ja." Ich verdrehte die Augen, streifte mir Jeans und Pullover über und hastete die Treppe hinunter. Ein Blick in den Flur verriet mir, dass Dad gerade den letzten Koffer in den Kofferraum hievte. Mit schnellen Sprüngen sprang ich auf das Auto zu, stieg ein und schlug die Tür hinter mir zu.

Und wenig später rollte das Auto auch schon vom Hof und auf die Autobahn. Die Landschaft zog an mir vorbei und wir ließen die Stadt hinter uns. Ich zog den Reißverschluss meiner Tasche auf und kramte nach meinem Handy. Als ich es gefunden hatte, schaltete ich den Bildschirm ein und klickte ein Spiel an. Die nächsten Stunden verbrachte ich mit Handy spielen, lesen und aus dem Fenster schauen. Als mein Blick zu der Welt nach draußen schweifte, bemerkte ich, dass das Wetter augenblicklich umgeschlagen hatte. Der Himmel wurde immer dunkler und dicke Regentropfen klatschten gegen die Fensterscheibe. Ich beobachtete, wie sie an das Fenster prallten, hinunterliefen und auf dem Weg andere Wassertropfen mitnahmen. So waren sie ungefähr doppelt so groß, bis sie von dem Glas auf das Blech darunter tropften.

Ich lauschte dem gleichmäßigen Prasseln, das mal leiser und mal lauter wurde. Und ich hörte die vorbeifahrenden Autos, die meinen Blick wieder zum Fenster locken wollten. Ich ließ meine Augen über den Himmel huschen und konnte ganz leicht hinter einer Wolke einen Regenbogen erkennen.

Eine kurze Zeit starrte ich noch auf den grauen Himmel, auf dem gerade die Sonne aufging. Das dunkle grau verlief in ein sanftes helllila und tauchte den Himmel in eine herrliche Morgenröte. Der lilafarbene Himmel und die roten Wolken versetzten mich in eine Trance und ich schlief schließlich ein. Das leichte Prasseln der Regentropfen begleitete meine Gedanken zu einem seltsamen und doch irgendwie coolen Traum.

Ich sah ein blondhaariges Mädchen vor mir. Sie saß auf einem Felsen an einem Bach, im Hintergrund konnte ich die mit Schnee bepuderten Berge erkennen. Das Mädchen hatte ein Buch in der Hand, dessen Titel ich nicht lesen konnte und blätterte darin herum. Sie sah glücklich aus, mit ihrer hellen Haut, dem süßen runden Gesicht und den tausend Sommersprossen darauf. Ihre Mundwinkel bewegten sich nach oben und ihre blauen Augen wanderten von dem kleinen Büchlein direkt auf mich zu. Sie winkte mir zu und das Lächeln wurde noch runder. Ihre Lippen waren in einem herrlichen zartrosa gefärbt und ihre Haut war so rein, wie ich es mir nicht vorstellen konnte. Ich klebte an ihrem Lächeln und sie an meinem. Wir hätten stundenlang so sitzen bleiben können, doch plötzlich hörte ich ein heftiges Donnergrollen, das von den Bergen zurückzuhallen schien. Wie vom Donner gerührt sprang das Mädchen auf und war von einer Sekunde auf die andere verschwunden. Ich sah mich um, doch ich konnte sie nirgendwo erblicken. Als es dann schließlich auch noch anfing wie aus Eimern zu schütten, sprang ich ebenfalls auf und stellte mich unter einen Baum. Was war das denn gerade? Ich konnte es mir nicht erklären.

Wenig später schlug ich die Augen auf und sah mich im Auto um. Regentropfen klatschten an das Fenster und ein Donner schallte von den Bergen zu der kleinen Landstraße wider, auf der wir gerade fuhren. Wir waren schon in Österreich und würden bald an unserem Ziel ankommen, wenn man der Stimme des Navigationsgerätes glauben konnte. Das Mädchen ging mir nicht aus dem Kopf, wie sie mich angelächelt hatte, so vertraut. Allerdings war sie dann weggerannt, nur wegen einem Donnergrollen? Das war schon irgendwie merkwürdig. Ich spinkste zu meinem Bruder hinüber. Julian schlief natürlich, er hatte gestern Abend wahrscheinlich noch bis spät in die Nacht sein dämliches Computerspiel gespielt und demnach kaum geschlafen, was er jetzt hier nachholen musste. Typisch!

Ich spitzte die Ohren und lauschte der Radiostimme, die soeben aus dem kleinen Autoradio in meine Ohren sprach. „Wir warnen daher, die Skipisten in der Berggegend der Mühlendorfer Hütte zu benutzen. Die Verbindung von den anderen Routen werden in nächster Zeit gesperrt. Sehen sie sich also vor und wählen sie ihre Routen mit Bedacht. Wir wünschen ihnen viel Spaß und Vergnügen. Und nun weitere R.P.R.1 Nachrichten." Den Rest bekam ich nicht mehr mit, Mum hatte das Radio wieder leiser gedreht und sich entsetzt zu ihrem Mann gedreht. Das Skigebiet der Mühlendorfer Hütte? Das war meine Lieblingsroute. Das konnte ja ein toller Skiurlaub werden.  

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