Hannah ☆

Draußen war es mittlerweile stockdunkel geworden, als hätte sich plötzlich jemand dazu entschieden, das Licht auszuschalten. Die Kerze hatte nicht mehr viel Wachs übrig, den sie schmelzen konnte, was sie wahrscheinlich in ein paar Minuten ausgehen lassen würde. Allmählich musste es auch schon tief in der Nacht sein, aber geschlafen hatte ich noch keine einzige Sekunde. Ich glaube, ich hatte tatsächlich noch für keinen Moment meine Augen geschlossen.

Ich hatte gar keine Lust und auch keine Ruhe zu schlafen. Die Gedanken, dass Zoe dort unten irgendwo rumlag und nichts weiter tun konnte, und dass ich auch nichts weiter tun konnte und jetzt nicht mal im Dunkeln weiterlaufen konnte, machten mich noch ganz verrückt.

Bei jedem Blick aus dem Fenster hoffte ich, es würde endlich ein wenig Licht dazu kommen, aber jedes Mal wurde ich aufs Neue enttäuscht.

Es hatte mich schon extrem viel Überwindung gekostet, mich in den verstaubten Schlafsack zu legen. Davor hatte ich ihn bestimmt zehn Minuten lang ausgeschüttelt.

Ich hatte mir aber auch nicht vorstellen können, mich auf den Boden oder auf zwei Stühle zu legen. Das war wahrscheinlich auch nicht viel sauberer, aber deutlich unbequemer.

Wenn ich jetzt mal so darüber nachdenke, hätte ich mich gar nicht erst hinlegen müssen, schlafen würde ich wahrscheinlich eh nicht mehr. Seufzend setzte ich mich auf und fand mich wenig später an der Tür der Hütte, die ich öffnete und schließlich hinaustrat. Die herrlich kühle Luft wehte mir durch meine Haare. Ich wusste, dass ich nicht lange draußen stehen bleiben sollte, aber für ein paar Minuten würde es schon genügen.

Ich richtete meinen Blick nach oben in den von Sternen übersäten Himmel.

Im Stillen dachte ich mir, dass ein Stern, der hellste dort hinten, Zoes Stern war und schickte ihm einen Segen und die Hoffnung, dass es ihr wirklich gut ging und dass sie schnell genug gefunden wurde.

Ich blinzelte, ich musste wohl doch eingeschlafen sein. Ich war noch relativ lange draußen stehen geblieben, bis ich mich zurückgelegt hatte und wahrscheinlich endlich eingeschlafen war. Mein erster Blick nach draußen zeigte mir, dass es bereits hell war, der Nacht war ein Licht aufgegangen.

Ich grinste über diesen Gedanken, packte blitzschnell meine Sachen zusammen, nahm das Fernglas mit und schlüpfte durch die Tür ins Freie. Die kalte Luft schoss mir ins Gesicht und ich zog instinktiv meine Jacke etwas höher. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse und entschied mich einfach blind für irgendeine Richtung, in der es bergab zu gehen schien.

Langsam und lustlos trottete ich den Berg hinunter. Es war egal, wie sehr ich mich beeilte, meine Hilfe würde so oder so zu spät sein, ich spürte es. Ich zog meine Tasche etwas höher und nahm das Fernglas in beide Hände. Ich umklammerte die zwei runden Gläser, als könnten sie mir irgendwie Halt geben, was natürlich völliger Schwachsinn war.

Ich blinzelte, der Himmel war in einem hübschen hellblau gefärbt, keine einzige Wolke war daran zu sehen. Immerhin würde ich dann von keinem Unwetter überrascht werden. Die Sonne brannte, obwohl es vielleicht gerade mal 8 Uhr war. Oder 10? Verdammt, es konnte auch schon 12 Uhr sein und ich würde hier rumlaufen mit dem Gedanken, es wäre 8 Uhr.

Ich schüttelte mich und versuchte den Gedanken und die aufkommende Panik damit zu vertreiben. Ich durfte jetzt nicht aufgeben! In der Hoffnung, dass mein Handy doch wieder funktionieren würde, zog ich es aus der Tasche, aber überaschenderweise blieb der Bildschirm schwarz. Stöhnend und schimpfend zugleich drückte ich meine Fingernägel in das gerissene Display, nur um den Drang zu unterdrücken, es ganz weit weg zu schmeißen, was auch einigermaßen funktionierte. Ich versuchte mich zu beruhigen, indem ich meinen verkrampften Griff lockerte, meine Hand allerdings das ganze Handy umklammerte.

Irgendwann hatte ich angefangen zu rennen, um meiner Wut diesen Ausgang zu gewähren und als ich dann die ersten Bäume in sehr weiter Entfernung gesehen habe, habe ich nochmal einen Zahn zugelegt, bis ich schließlich am allerersten Baum angekommen war.

Ich lehnte mich gegen das vermutlich sehr alte Holz und machte eine kurze Pause. Ich scannte mit meinen Augen den Weg ab, den ich gleich gehen musste. Es war quasi schon vorprogrammiert, dass ich irgendwann mit Schnee in Berührung kommen würde, ich war eigentlich auch schon viel zu lange hier draußen unterwegs. Ich musste eigentlich immer regelmäßig Pausen im Warmen machen, damit mein Körper nicht allzu lange gegen die Kälte ankämpfen musste. Seufzend betrachtete ich die Baumkrone über mir. Sie war von oben bis unten gefüllt mit weißem funkelndem Schnee und spiegelte das Sonnenlicht direkt in meine Augen, so wie es mir vorkam.

Ein starkes Vibrieren in meiner rechten Hand ließ mich zusammenzucken und ich erschreckte mich so sehr, dass das Handy, von dem das Vibrieren gekommen war, samt meinem Handschuh in hohem Bogen nach rechts flog, dort wo es runter ging. Kurz blieb es noch auf einem Felsen liegen, rutschte allerdings dann einen steilen Hang hinunter und nahm meinen Handschuh natürlich mit. Perplex starrte ich auf meine nun nackte und dem Schnee vollkommen ausgelieferte Hand. 

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