17 Beförderung
Zwei Monate später
Justin war gerade dabei, seinen Marketingvorschlag für Hannans Nuts zu schreiben, als sein Blick vom Computer abgelenkt wurde. Trotz der Tatsache, dass er in diesen Tagen mit Arbeit überlastet war - seine Art sicherzustellen, dass er nicht Gefahr lief, im Wettbewerb um die Beförderung nach hinten zu fallen -, war er sich immer bewusst, wo Abby war, was sie tat und mit wem sie sprach. In diesem Moment kam sie, mit einem sanften Lächeln im Gesicht, auf ihn zu.
"Hey.", sagte sie und blieb vor seinem Schreibtisch stehen. "Isst du heute mit uns zu Mittag?"
Er blickte wieder auf den kleinen, sehr vollen Kalender, der oben rechts auf seinem Computerbildschirm geöffnet war. "Ich werde versuchen, in ein paar Minuten nachzukommen."
"Okay.", sagte sie, ihr hoffnungsvoller Ausdruck verschwand, ihre Enttäuschung war offensichtlich. "Soll ich dir ein Sandwich mitbringen?"
Vor vier Monaten hätte er niemals geglaubt, dass Abby diejenige sein würde, die beim Mittagessen mit dem Team zusammensitzen würde, während er an seinem Schreibtisch saß und sich abrackerte. Die zusätzlichen Kunden, die er übernommen hatte, bedeuteten jedoch, dass er wenig Zeit für soziale Kontakte hatte.
Und selbst wenn er nicht so viel zu tun gehabt hätte, wäre es ihm schwergefallen, Zeit mit Abby und seinen Kollegen. Seine Hände bei sich zu behalten, wenn Abby in der Nähe war, war sein zweiter Vollzeitjob.
Einfach gesagt, sie war so verdammt ablenkend. Heute trug sie eine sehr vernünftige schwarze Jacke und einen Bleistiftrock, aber das weiße Satin-Camisole, der weiße Spitze G-String und der weiße BH, den sie darunter trug, waren exquisit und so verdammt sexy, dass er nicht aufhören konnte, daran zu denken, sie auszuziehen.
Die Tatsache, dass sie ihn ständig erregte, stellte seine Willenskraft auf die Probe, und wenn man bedenkt, dass sie ihre Affäre eigentlich geheim halten sollten, war es für sie beide sicherer, hinter seinen Schreibtisch zu bleiben.
Denn wenn er nicht gerade einen Steifen bekam, weil er Abby dabei zusah, wie sie in ihrer neuen Garderobe durch das Büro tanzte, spielte er in seinem Kopf die jüngsten sexuellen Abenteuer der beiden immer wieder ab.
Zum Beispiel konnte er den Anblick von Abby nicht vergessen, wie sie heute Morgen vor ihm kniete und zu ihm aufblickte, während sie seine ganze Länge in den Mund genommen hatte und an ihm gelutscht hatte, als wäre er ein Lutscher, von dem sie nicht genug bekommen konnte.
"Hör auf damit.", flüsterte Abby heiser, ihre Augen verdunkelten sich und ihre Wangen erröteten.
"Was?", fragte er, wohl wissend, dass er sie mit seinen Augen auszog.
"Ich habe dich gefragt, ob ich dir ein Sandwich mitbringen soll, und du siehst mich an, als wolltest du mich stattdessen essen."
"Ich will dich essen."
Justin sprach leise, aber Abby konnte seinen kehligen Ton unmöglich für etwas anderes halten als für das, was es war - pure und einfache Lust. Die Vorstellung, seinen Kopf zwischen ihren Beinen zu vergraben und an ihr zu schlemmen, machte ihn so hart, dass er sich zurückhalten musste, nach ihr zu greifen und sie über seinen Schreibtisch zu ziehen.
"Du spielst nicht fair.", schimpfte sie leise.
"Wenn das Leben fair wäre, würd eich nicht hinter diesem Schreibtisch festsitzen, weil ich an nichts anderes denken kann als an dich."
Sie lächelte ihn an, obwohl ihr Gesichtsausdruck mehr wehmütig als alles andere war. "Du musst nicht so hart arbeiten, weißt du."
Und da war sie. Die andere unterschwellige Spannung zwischen ihnen. Diejenige, die nicht sexueller Natur war.
Keiner der Beiden hatte die Beförderung in den letzten Monaten wirklich erwähnt, aber das bedeutete nicht, dass sie sich nicht beide der Tatsache bewusst waren, dass sie im Wettbewerb standen. Abby verbrachte vielleicht nicht jede Minute hinter ihrem Schreibtisch, aber sie war immer noch die produktive Mitarbeiterin, die sie immer gewesen war. Und sie wollte immer noch die Beförderung. Das hatte sie ihm in der Nacht der Party gesagt.
Der Gedanke, dass sie gehen könnte, krempelte sein Innerstes um. Er wollte nicht zu Abbys Schreibtisch hinüberschauen und dort jemand anderen sehen. Er wollte nicht daran denken, abends zur Tür hineinzukommen und Abby nicht in der Küche zu sehen, wo sie ihm Abendessen kochte - etwas, das sie in letzter Zeit oft getan hatte. Und er wollte nicht daran denken, einen neuen Mitbewohner zu finden. Deshalb musste er die Beförderung gewinnen.
Er wusste, dass sein Weggang sich auch auf Abby auswirken würde, aber die Alternative zu bleiben, während sie ging - wäre einfach zu hart gewesen. Egal wie gut die Dinge zwischen ihnen beiden liefen und wie sehr er es mochte, mit ihr zu leben, mit ihr zu schlafen ... alles mit ihr zu tun, er musste sich daran erinnern, er musste sich daran erinnern, dass sie seine Konkurrentin war. In dem Moment, in dem er das vergaß, würde sie im Vorteil sein.
"Du weißt, dass heute der letzte Tag für die Bewerbung ist, oder?", fragte sie.
Er nickte. Sein Kalender war mit einem riesigen X markiert, denn das bedeutete, dass Kale & Wells bald ihre Entscheidung treffen würden.
Und was passierte, wenn sie sie bekannt gaben, fragte er sich. Was würde es für ihre Beziehung bedeuten, wenn einer von ihnen befördert und der andere abgelehnt wurde?
"Wir haben bis März Zeit.", sagte Abby. "Wir schaffen das schon."
Sie konnte ihn so gut lesen, dass es so aussah, als hätte er seine Frage laut ausgesprochen. Aber ihre Worte klangen, als wollte sie sich selbst überzeugen, und nicht ihn.
"Ich weiß.", erwiderte Justin, aber er fühlte sich unsicher.
Wenn er gewinnen würde, würde Abby dann immer noch mit ihm zusammen sein wollen? Würde sie ihn immer noch mitten in der Nacht wecken, ihn küssen und ihren Körper an seinen pressen, als könnte sie nicht genug von ihm bekommen?
"Vergiss die Arbeit für ein paar Minuten, J.D.. Komm und iss mit mir. Sei bei deinem Team. Bitte."
Abbys Wunsch, mehr Zeit mit ihm zu verbringen, war in ihren braunen Augen deutlich zu erkennen, und es war ein Wunsch, den er nur zu gut kannte. Aber sie verstand einfach nicht, wie verheerend es für ihn sein würde, sie zu verlieren, wenn sie gewann.
Er schaute auf seinen Computer - auf all die Dinge, die er heute noch zu erledigen hatte. Dann dachte er daran, was passieren würde, wenn er nicht weiterarbeitete.
"Ich muss das hier fertigkriegen.", teilte er ihr mit.
Sie nickte und lächelte, aber konnte den Schmerz sehen, den seine Ablehnung verursachte. Das drehte das Messer in seinem Herzen nur noch ein wenig mehr.
"Dann lasse ich dich jetzt in Ruhe."
Als sie wegging, wollte er sie zurückrufen. Aber was konnte er sagen, dass all das wieder gut machen würde?
Die Antwort war: nichts.
*****
"Wein?"
"Check."
"Baguette?"
"Check."
"Schokolade?"
"Abs, ich glaube, wir haben alles. Können wir einfach gehen, bitte? Wir werden sonst zu spät kommen."
Abby nickte und folgte Justin aus dem Haus.
Sie wusste nicht, warum sie sich heute so komisch fühlte. Normalerweise war das Haus von Tony und Yvette ihr liebster Ort, um mit Justin Zeit außerhalb ihres Hauses zu verbringen. Die anderen beiden waren die einzigen, die wussten, dass Justin und Abby mehr als nur Freunde waren. Das hieß, wenn sie zusammen abhingen, brauchten sie ihre Beziehung nicht zu verstecken.
Zeit mit Tony, Yvette und Justin zu verbringen, war wie ein Doppeldate - eine Neuheit in Abbys Welt. Allerdings würden sie heute Abend nicht nur zu viert sein.
Yvette hatte sie etwas früher an diesem Tag angerufen und ihr von dem improvisierten Treffen erzählt, das sie veranstaltete. Jetzt war sich Abby nicht sicher, wie sie sich in Gegenwart von Justin verhalten sollte.
Nachdem sie ihm die ganze Woche über zugesehen hatte, wie er sich abrackerte, hatte sie sich darauf gefreut, an diesem Wochenende Zeit mit ihm zu verbringen. Das Letzte, was sie wollte, war, eine emotionale Distanz zu ihm zu halten.
Die Zeit drängte, und es würde nicht mehr lange dauern, bis Justin erfuhr, dass er befördert werden würde. Vielleicht war das der Grund, warum ihre Nerven heute so angespannt waren. Sie wartete darauf, dass Justin beschloss, dass er nicht mehr mit ihr zusammen sein wollte, weil er bald nach Sydney zu Sarah ziehen würde.
Als Justin die Tür hinter ihnen schloss, öffnete Abby ihr Auto und beide stiegen ein. In dem Moment, in dem sie den Motor anließ, begann ihre Jessica-Mauboy CD zu spielen und machte genau da weiter, wo sie aufgehört hatte, der Refrain dröhnte laut.
"I know that without him I wouldn't feel like this. Nothing makes me feel like this. Wouldn't be the same if he went away." (Ich weiß, dass ich mich ohne ihn nicht so fühlen würde. Nichts bringt mich dazu, mich so zu fühlen. Es wäre nicht dasselbe, wenn er weg wäre.)
Sie hatte das Lied die ganze Woche über immer wieder gespielt, während sie an Justin dachte. Jetzt konnte er nicht anders, als die Worte zu hören, und sie fühlte sich, als wären ihre Gefühle offengelegt worden.
Als sie zum nächsten Song überging, stellte Abby fest, dass dieser auch nicht besser war. Das ganze Album ließ sie an Justin denken, und als die Texte das Auto erfüllten, wurde ihr klar, dass sie sich keinen Teil davon anhören konnte, ohne sich bloßgestellt zu fühlen.
"I'll fight for you. I'll do what I gotta do. Yeah I'll fight for you. I'd fight for your heart, for your love. Go to war just to be next to you. And, no, I won't stop till you're mine. Boy, I'll fight for you." (Ich werde für dich kämpfen. Ich werde tun, was ich tun muss. Ja, ich werde um dich kämpfen. Ich kämpfe um dein Herz, um deine Liebe. Ich würde in den Krieg ziehen, nur um bei dir zu sein. Und nein, ich werde nicht aufhören, bist du mein bist. Junge, ich werde um dich kämpfen.)
Hitze stieg ihr in die Wangen, als sie das Lied hörte, das sie diese Woche schon eine Million Mal gesungen hatte. Sie streckte die Hand aus und schaltete das Radio ein, wodurch Jessicas Stimme abrupt verstummte.
Als sie spürte, dass Justin sie beobachtete, zuckte sie mit den Schultern und versuchte, ruhig und gelassen zu wirken. "Du hörst lieber Radio."
"Es ist dein Auto, Abs, du kannst hören, was du willst."
"Seit wann?", scherzte sie. "Du hasst meine Popmusik.
Jetzt war es an Justin, mit den Schultern zu zucken.
Sie suchte verzweifelt nach einem anderen Gesprächsthema und sprach das Erste an, was ihr in den Sinn kam. "Ich habe nächsten Monat Geburtstag."
"Ich weiß.", erwiderte er ohne zu zögern, oder ihren absichtlichen Themenwechsel zu bemerken.
"Woher weißt du das?", fragte sie.
"Jedes Jahr ist dein Geburtstag der erste, den wir feiern. Du bekommst immer einen Schokoladen-Orangen-Kuchen, und ich freue mich darauf, weil ..."
"Es auch dein Lieblingskuchen ist.", beendete sie seinen Satz.
"Ja. Du hast am sechzehnten Januar Geburtstag, stimmts?"
"Siebzehnter.", korrigierte sie.
"Verdammt, dann bin ich froh, dass ich es noch einmal überprüft habe."
Hatte Justin etwas für sie geplant? Der Gedanke daran ließ sie aufgeregt aufschrecken.
"Es ist drei Tage vor dem Geburtstag von Sarahs Mutter.", überlegte Justin laut.
Okay. Vielleicht hatte er gar nichts für sie geplant. Vielleicht wollte er zur Party von Sarahs Mutter gehen.
Der Gedanke daran verdrehte ihr den Magen.
"Also, wie feierst du normalerweise?", fragte er nach einem Moment.
Normalerweise feierte sie allein, mit einem Essen vom Lieferdienst und ihrem Lieblingsfilm. Jedenfalls hatte sie das getan, seit sie von Tasmania nach Melbourne gezogen war. Aber es klang so erbärmlich, dass sie sich nicht dazu durchringen konnte, ihm das zu sagen.
"Ich mache eigentlich gar nichts.", sagte sie stattdessen. "Ich meine, Geburtstage sind doch nur eine große Sache, wenn man klein ist."
"Geburtstage sind in meiner Familie immer eine große Sache.", sagte er. "Ich muss dir zeigen, wie wir auf D'Marco Art feiern."
Sie lächelte und stimmte laut zu, aber im Stillen glaubte sie, dass er keine Gelegenheit dazu haben würde. Ihr Geburtstag fiel auf einem Donnerstag und Justin arbeitete sich jeden Abend und an den meisten Wochenenden den Arsch ab. Sobald er von seiner Beförderung erfuhr, würde alles anders werden.
Selbst wenn sie ihre Affäre fortsetzten, würde sie sich auf die Suche nach einer neuen Wohnung konzentrieren müssen, und Justin würde ein paar Mal nach Sydney fliegen müssen, um das Team zu treffen, bevor er dort anfing. Ganz zu schweigen davon, dass er seine Energie in die Organisation seines bevorstehenden Umzugs stecken müsste.
Ahnungslos von ihrem inneren Aufruhr erzählte Justin von den großen Geburtstagen, die sie in seiner Familie gefeiert hatten, und von den aufwendigen Partys, bis sie bei Tony und Yvette ankamen.
Kein Wunder, dass er so gut darin war, Partys zu schmeißen, überlegte sie, als sie aus dem Auto stiegen.
Yvette öffnete die Tür in dem Moment, als sie klopften. "Ihr seid da." Sie zog Abby zu einer riesigen Umarmung heran.
Als Yvette sie losließ, um Justin zu umarmen, sah Abby ihn - den großen Diamantring am Ringfinger ihrer Freundin.
Abby ergriff Yvettes Hand, um ihn besser sehen zu können. "Oh mein Gott, ihr seid verlobt. Herzlichen Glückwunsch."
Abby wusste genau, wie sehr Yvette sich einen Heiratsantrag von Tony gewünscht hatte. Jetzt strahlte Yvette, und das offensichtliche Glück ihrer Freundin rührte Abby ein wenig zu Tränen.
"Heilige Scheiße.", rief Justin und betrachtete den Diamantring an Yvettes Hand.
"Wir werden heiraten.", verkündete Tony, trat hinter Yvette und legte seinen Arm um sie. Nachdem er seine zukünftige Braut auf die Wange geküsst hatte, ließ er sie los und erlaubte Abby, ihn zu umarmen.
"Gratuliere, Mann.", sagte Justin danach und gab Tony eine Knochenbrechende Umarmung, wobei sie sich gegenseitig so fest auf den Rücken klopften, dass Abby zusammenzuckte. "Ich freue mich für euch."
"Ich wette, du hättest nie gedacht, dass du den Tag erleben würdest.", erwiderte ihm Tony lachend.
"Das ist schon lange her. Seit du Yvette getroffen hast, bist du ein Weichei."
Yvette warf Justin einen bösen Blick zu. Tony hingegen lächelt nur und zuckte mit den Schultern. "Ja, das bin ich."
"Wie auch immer, wir müssen euch aus der Tür kriegen. Wir erwarten noch ein paar Leute.", erklärte Yvette ihnen. "Ich habe einfach spontan beschlossen, ein festliches Abendessen zu veranstalten."
"Ihr macht aber trotzdem eine Verlobungsfeier, oder?", fragte Abby.
"Natürlich."
Abby winkt den Leuten zu, die sie kannte und lächelte denen zu, die sie nicht kannte, und folgte Yvette in die Küche. "Habt ihr schon ein Datum im Kopf?"
"Wir denken an März. Natürlich nicht diesen, sondern nächsten."
"Okay."
Yvette drehte sich zu ihr um. "Und jetzt die große Frage: Willst du eine meiner Brautjungfern sein?"
"Ernsthaft?", quietschte Abby. Noch nie hatte sie jemand gefragt, ob sie Teil einer Hochzeitsgesellschaft sein wollte. "Natürlich will ich."
"Tony wird Justin heute Abend bitten, sein Trauzeuge zu sein. Ihr werdet zwar nicht zusammen sein, aber ihr werdet beide bei der Feier dabei sein."
Abby nickte, ihr Enthusiasmus ließ nach, als sie die nächsten fünfzehn Monate in ihrem Kopf vorspulte. Justin würde sich in seinem neuen Job eingelebt haben. Wahrscheinlich würde er auch wieder mit Sarah zusammen sein. Vielleicht würde er sie sogar mit zur Hochzeit bringen.
Oder er würde jemand anderen mitbringen.
Gott, ihr wurde schlecht bei dem Gedanken. Sie hatte sich in die Affäre gestürzt und alles gegeben, weil sie sich nicht zurückhalten wollte, aber sie hatte kein Sicherheitsnetz, dass sie jetzt auffangen würde.
Sie hatte sich so gut wie möglich darauf vorbereitet, dass Justin sie verlassen würde, aber sie war nicht darauf vorbereitet, ihm mit jemand anderen zu sehen.
Abby hatte keine Ahnung, was passieren würde, sobald er Melbourne verlasen würde. Würde er im Kontakt bleiben? Würden sie noch Freunde sein? Würde er ihr sagen, wenn er weitergezogen wäre, oder würde er sich nicht die Mühe machen, es zu erwähnen, da sie in den letzten Monaten nur miteinander geschlafen hatten?
"Was ist los, Abby?", fragte Yvette.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie die Stirn runzelte und Abby tat ihr Bestes, um die aufregenden Gedanken, die sie hatte, wegzuschieben. "Nichts. Wirklich. Mir ist nur durch den Kopf gegangen, dass Justin und ich auf eurer Hochzeit nicht zusammen sein werden. Er könnte mit jemand andern zusammen sein. Wie Sarah."
Yvette drückte ihren Arm und warf ihr einen Blick voller Mitgefühl und Verständnis zu, als Justin und Tony zu ihnen in die Küche kamen.
Abby sah zu, wie Justin die mitgebrachten Sachen auf die Bank legte. Sie sehnte sich danach, zu ihm zu gehen, wollte, dass er seine Arme um sie schlang. Sie musste hören, wie er sagte, dass alles in Ordnung war.
Denn ausnahmsweise konnte sie sich nicht mit dem Gedanken trösten, dass sie dieser Affäre zugestimmt hatte und dass sie endlich lebte, anstatt sich nur abzuschotten. Sie konnte sich auch nicht mit dem Wissen trösten, dass es besser war, für eine kurze Zeit mit Justin zusammen gewesen zu sein, als überhaupt nicht mit ihm zusammen gewesen zu sein.
Sie hatte sich eingeredet, dass sie noch viel Zeit haben würde, sich nach einer Beziehung wie die von Tony und Yvette umzusehen, sobald Justin weggezogen war, aber sie hatte sich in der Annahme getäuscht, dass sie sich nicht wünschen würde, er würde bleiben und ihr einen Ring an den Finger stecken. Denn sie wollte das alles, wurde ihr klar. Sie wollte das alles, und sie wollte es mit Justin.
Als Justin ihren Blick auf sich spürte, sah er zu ihr hinüber und warf ihr einen fragenden Blick zu. Abby lächelte, aber ihr Herz fühlte sich an, als würde es gleich in zwei Teile zerspringen.
War sie in ihn verliebt? Möglicherweise. Sie war noch nie verliebt gewesen, aber was sie für Justin empfand, war so intensiv. Es musste doch Liebe sein, oder nicht? Oh Gott. Was würde er tun, wenn sie jetzt ihre Arme um ihn schlang und ihn anflehte zu bleiben?
"Warum gehen du und Tony nicht zurück zur Party?", sagte sie stattdessen zu Yvette. "Ich kann dich Sachen für dich zu Ende schneiden."
"Ich werde helfen", fügte Justin hinzu, als Yvette zögernd dreinschaute.
"Rede mit ihm.", formte Yvette mit den Lippen, als Tony seinen Arm um ihre Taille legte und sie aus der Küche führte.
In dem Moment, in dem Tony und Yvette verschwunden waren, kam Justin auf sie zu. Ohne den Puffer der anderen Leute fühlte sie sich viel zu verletzlich. Abby spürte, wie sich ihre Kehle mit den Tränen, die sich versuchte zurückzuhalten zuschnürte, drehte sich um und begann Karotten zu schneiden.
"Abs?", sagte Justin leise. "Was ist los?"
Ein anderes Mal hätte sie ihn vielleicht anlügen können, aber der fürsorgliche, zärtliche Ton, den er angeschlagen hatte, ließ ihr die Tränen erneut in die Augen steigen. Unfähig zu sprechen und unwillig, ihn ihre Tränen sehen zu lassen, schnippelte sie hektisch das Gemüse.
"Abby.", wiederholte er mit Nachdruck.
Mit verschwommenen Blick verfehlte sie die Karotte, die sie gerade schnitt und spürte, wie die Klinge ihre Haut aufschlitzte. Keuchend ließ sie das Messer sofort fallen und rannte zum Waschbecken, um das Blut abzuwaschen.
Hinter ihr hörte sie, wie Justin die Schubladen durchsuchte. Plötzlich beugte er sich über sie, drehte den Wasserhahn zu, nahm ihre Hand in seine und wickelte sie in ein sauberes Geschirrtuch. Dann hob er ihr Kinn an und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.
Frustriert stellte sie fest, dass es für ihn unmöglich sein würde, nicht zu sehen, dass sie kurz vor dem Schluchzen war. Vielleicht konnte sie ihn irgendwie davon überzeugen, dass ihre Tränen von der Verletzung herrührten, die sie sich gerade selbst zugefügt hatte.
"Sagst du mir jetzt, was los ist?", fragte er sanft.
Sie schüttelte den Kopf, doch bevor sie sie stoppen konnte, purzelten die unbeständigen Worte aus ihrem Mund und verrieten ihre Absichten. "Ich will nicht, dass du gehst.", flüsterte sie.
Ich glaube, ich bin in dich verliebt.
Er schlang seine Arme um sie und zog sie an sich, und während sie ihren Kopf an seine Brust legte und er sie festhielt, wartete sie. Sie wartete darauf, dass er sagte, dass er bleiben wollte, dass er nicht gehen wollte, dass er sie vielleicht, nur vielleicht, liebte. Aber keines dieser Worte kam.
Keines von ihnen.
"Abby, ich ..."
Als sie hörte, dass er kurz innehielt, wich sie so weit zurück, dass sie in sein Gesicht sehen konnte. Dort sah sie die Bestätigung dessen, was sie schon immer gewusst hatte. Es spielte keine Rolle, was sie für ihn empfand oder was er für sie empfand, er würde niemals bleiben. Sie dachte, sie hätte sich mit dieser Erkenntnis abgefunden, aber die zermalmende Enttäuschung, die sie überkam, bewies das Gegenteil.
"Würdest du bleiben?", fragte er, und seine Augen trafen die ihren. "Wenn sie dir die Beförderung anbiete würden, würdest du dann bleiben wollen?
In diesem Moment wollte sie ihm sagen, dass sie nicht gehen würde - dass die Beförderung ihm gehörte, genauso wie die Entscheidung zu gehen oder zu bleiben. Aber bevor sie ein einziges Wort herausbringen konnte, kam Brett in die Küche. Er grinste wie ein Idiot, als er die beiden mit den Armen umschlungen stehen sah.
"Na ist das nicht intim?", bemerkte er, lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und starrte sie an.
Als Abby versuchte, sich von Justin zu lösen, hielt Brett seine Hand hoch. "Oh, nein, lasst euch nicht stören. Ich könnte nicht glücklicher über diese Entwicklung sein. Justin, du warst dumm genug, Sarah gehen zu lassen. Du sollst wissen, dass mich nichts davon abhalten wird, ihr nachzugehen."
"Viel Glück dabei.", erwiderte Justin.
Seine lässigen Worte standen im Widerspruch zu der plötzlichen Anspannung, die von ihm ausging. Er war starr in Abbys Armen.
Sie versuchte nicht daran zu denken, was das bedeutete, und befreite sich aus seinem Griff.
"Ich werde Yvette um ein Pflaster bitten.", sagte sie und hielt ihre Hand mit dem immer noch um sie gewickelten Geschirrtuch hoch. "Ein Vergnügen wie immer, Brett."
"Das Vergnügen ist ganz meinerseits, Abby.", rief er ihr nach.
Schade, dass es kein Pflaster gab, mit dem sie ihr zerrissenes Herz wieder zusammenflicken konnte, dachte sie, als sie die Küche verließ. Sie konnt es nicht ertragen, sich vorzustellen, dass Justin mit Sarah als Partnerin auf Tonys und Yvettes Hochzeit auftauchte. Wie sollte sie das überleben?
Sie wusste es nicht. Aber ihre Freundschaft mit Yvette und Tony war einer der Hauptgründe, warum sie in Melbourne blieb, und das bedeutete, dass sie einfach mit den Folgen dessen fertig werden musste, was zwischen ihr und Justin passierte.
Egal, wen er zur Hochzeit mitbrachte, sie würde versuchen, sich für ihn zu freuen. Schließlich war sie diejenige, die ihn davon überzeugt hatte, dass eine Affäre für sie in Ordnung war. Es war nicht seine Schuld, dass sie, sie beide belogen hatte, als sie versprochen hatte, sie käme damit klar.
Und obwohl sie wusste, dass der Schmerz unerträglich sein würde, wenn Justin nach Sydney ging und weiterzog, würde sie die Uhr nicht zurückdrehen, selbst wenn sie es könnte. Die glücklichen Momente, die sie mit Justin geteilt hatte, überwogen all die Einsamkeit, die sie empfunden hatte, bevor sie ihn in ihr Leben gelassen hatte. Sie konnte es nicht bereuen. Nicht jetzt. Niemals.
*****
"Weiß Abby es schon?"
Das waren die ersten Worte aus Justins Mund, als Kale ihm mitteilte, dass er zum Kreativ-Direktor in Sydney befördert worden war. Nicht 'Danke' oder 'Ich werde sie nicht enttäuschen, Sir', oder gar 'Ich kann es kaum erwarten anzufangen'. Seine ersten Gedanken galten Abby.
Die Genugtuung und das Hochgefühl, die Justin in diesen Moment zu spüren erwartet hatte, fehlten völlig, als er vor seinem Chef saß. Er wollte würdigen, was er erreicht hatte, aber im Moment konnte er nur daran denken, wie Abby sich fühlen würde.
"Ja.", bestätigte James. "Das tut sie."
Es war Montagmorgen, was bedeutete, dass Abby das ganze Wochenende über Bescheid gewusst haben musste. Ihre Unterhaltung bei Yvette und Tony am Samstagabend ergab plötzlich vielmehr Sinn. Als sie gegangen waren, hatte er versucht, sie darauf anzusprechen, aber sie hatte es abgetan, als wäre es nichts gewesen. Aber es war nicht nichts gewesen.
Abby hatte gewusst, dass dieser Moment kommen würde und deshalb hatte sie gesagt, dass sie ihn vermissen würde. Jetzt verstand er die Verzweiflung, die er in ihr gespürt hatte, und die verzweifelte Art, wie sie in den letzten Nächten miteinander geschlafen hatten. Sie hatte gewusst, dass es mit ihnen vorbei war, und sie hatte sich auf diesen Moment vorbereitet. Auch er hätte darauf vorbereitet sein müssen. Aber das war er nicht.
"J.D?"
Justin sah auf und bemerkte, dass sein Chef ihn musterte.
"Entschuldigung. Ich habe mich nur gefragt, wie Abby es aufgenommen hat. Ich weiß, wie sehr sie die Stelle wollte."
Kales Gesichtsausdruck wurde weicher. "Sie dachte, es wäre die richtige Entscheidung für die Firma."
"Das hat sie gesagt?"
"Ihrer Meinung nach, bist du die bessere Wahl."
Die Vorstellung, dass Abby das zu James gesagt hatte, ließ sein Herz rasen. Begierig darauf, mit ihr zu sprechen, stand er auf. Aber als er darüber nachdachte, was er über ihre derzeitige missliche Lage sagen könnte, stockte er. Wie sollte er mit ihr zusammen sein, geschweige denn Sex mit ihr haben, wenn er wusste, dass ihre Tage gezählt waren?
Natürlich hatte es schon immer eine zeitliche Begrenzung für ihre Affäre gegeben, aber jetzt war ihr Ende offiziell. Er ging. James musste seinen Job ankündigen und Justin musste jemanden vorbereiten, der ihn hier ablösen würde. Er musste das Sydney Team besuchen, und Abby musste nach einem neuen Mitbewohner suchen.
Der Gedanke, dass jemand in das Haus einziehen könnte, dass er mit Abby teilte, verursachte ihm ein mulmiges Gefühl. Er wollte sich nicht vorstellen, dass sie mit einem oder für einen anderen kochte, oder mit einem anderen fernsah. Und der Gedanke, dass sie mit jemand anderen auf gegenüberliegenden Seiten des Flurs schlafen würde, gab ihm das Gefühl, dass seine Welt aus den Fugen geraten war.
Aber das war es, was du wolltest, oder nicht? Du wolltest derjenige sein, der geht. Auf diese Weise, wärst du nicht derjenige, der zurückgelassen wurde. Schon wieder.
"Setz dich, J.D."
Als er merkte, dass James noch nicht bereit war, ihn gehen zu lassen, setzte sich Justin noch einmal und versuchte, sich auf seine Beförderung zu konzentrieren. "Tut mir leid."
"Weißt du, Abby hat gesagt, du warst derjenige, der ihr geholfen hat, eine Verbindung zu ihren Kollegen aufzubauen.", sagte James. "Sie glaubt, dass du für das Team in Sydney Großes leisten wirst. Sie hält sehr viel von dir."
"Vielleicht, aber ich hoffe, dass sie ihre Rolle dabei nicht heruntergespielt hat. Sie hat hart daran gearbeitet, aus ihrer Komfortzone herauszutreten. Sie hat sich ihren Ängsten gestellt und -"
"Und das ist lobenswert, da stimme ich zu. Sie gibt dir die Lorbeeren dafür, dass du ihr geholfen hast, aber ich habe gesehen, wie hart sie daran gearbeitet hat."
"Und du glaubst immer noch, dass ich die beste Person für den Job bin?"
James lächelte nur. "Der Job gehört dir, wenn du ihn willst. Die Frage ist nur: Willst du? Willst du nach Sydney gehen? Oder nicht?"
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top