16 Affäre
Justin wachte am nächsten Morgen auf und hatte einen Arm besitzergreifend auf Abbys Bauch gelegt. Sie regte sich und rückte näher an ihn heran, sodass er zusammenzuckte, als sie gegen seine morgendliche Erektion stieß.
Ein kurzer Blick unter die Decke verriet ihm, dass sie beide nackt waren, und mit einem heißen Rauschen kamen die Erinnerungen an den letzten Abend in ihm hoch: Sex mit Abby, die Erkenntnis, dass er Sarah nicht mehr so liebte wie früher, ihr genau das zu sagen und schließlich der Entschluss, mit Abby eine Affäre zu haben.
Er wusste, dass eine Affäre der Traum vieler Männer war - eine lockere, unverbindliche Affäre - aber das war nie sein Traum gewesen. Wann immer er sich in der Vergangenheit dem Gelegenheitssex hingegeben hatte, hatte er dies getan, weil er gewusst hatte, dass sein Herz Sarah gehörte und er einer Frau nichts anderes bieten konnte.
Noch nie hatte die Gefahr bestanden, sich in die Frauen zu verlieben, mit denen er schlief. Doch mit Abby war alles anders.
Er konnte sich in Abby verlieben. Das wusste er. Trotz des Wissens, dass er oder Abby in ein paar Monaten nach Sydney gehen würden. Mit Abby zu schlafen, mit Abby zusammenzuwohnen und mit Abby befreundet zu sein, würde ihn ziemlich fertig machen. Und doch hörte Tonys Warnung nicht auf, sich in seinen Kopf immer wieder abzuspielen. Weggehen war keine Option. Gott allein wusste, dass er es schon mehr als einmal versucht hatte und gescheitert war.
Abbys Augen öffneten sich flatternd und sie streckte sich ein wenig, ihre Nähe und ihre Bewegungen ließen seine Libido auf Hochtouren laufen.
Alles sie merkte, dass sie nicht allein im Bett lag, erschrak sie leicht und lächelte ihn dann an. "Morgen."
Offensichtlich machte es sie glücklich, neben ihn aufzuwachen. Er machte einen Höhenflug bei diesem Gedanken, bevor er wieder auf die Erde zurückfiel. Er wusste bereits, dass er mit dieser Affäre, auf die sie sich geeinigt hatten, nur schwer zurechtkommen würde - dass er sich zu tief hineinsteigern könnte, aber er hatte nicht wirklich darüber nachgedacht, wie Abby mit ihrer Vereinbarung umgehen würde.
Wie sollte sie damit fertig werden, wenn einer von ihnen gehen musste? Sie hatte noch nie eine Beziehung gehabt. Es war doch nicht richtig, dass ihre erste Beziehung nur eine Affäre war, oder?
Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und sie runzelte die Stirn, als sie sein Gesicht musterte. "Was ist los?"
"Nichts.", antwortete er, nicht bereit, ihr die gute Laune oder den Morgen zu verderben, indem er seine Bedenken äußerte.
Stattdessen zog er sie an sich, damit er sie festhalten konnte. Sie keuchte auf und schnurrte dann praktisch, als sie spürte, wie seine Erregung gegen sie drückte.
Er senkte seinen Kopf, um sie zu küssen, aber sie bedeckte ihren Mund mit ihrer Hand, bevor er es tun konnte. "Morgenatem.", erklärte sie, bevor sie sich ein wenig an seinem Körper hinunter schlängelte und einen Kuss auf seinen Hals, seine Schulter und seine Brust drückte.
"Abby."
"Ich mag es, mit dir aufzuwachen.", teilte sie ihm mit, während sie ihn weiter küsste.
Sie nahm seine harte Länge in ihre Hand, drückte sanft zu, bevor sie ihre Hand auf und ab gleiten ließ, was ihm zum Stöhnen brachte.
Ihre Augen waren dunkel, als sie aufhörte ihn zu streicheln und ihn auf den Rücken rollte. Ihr Gesichtsausdruck, als sie auf ihn kletterte, verriet, dass sie nicht nur ihn, sondern auch sich selbst überrascht hatte.
Er liebte das.
Er liebte ihr offensichtliches Verlangen, ihn zu erforschen und zu berühren.
Die Zweifel und Befürchtungen, die er hatte, als sie sich auf die von ihr vorgeschlagene Affäre einließen, waren immer noch da, aber als sie ihren Kopf senkte und mit ihrer Zunge einer seiner Brustwarzen nachzeichnete, verschwanden sie in den hintersten Winkeln seiner Gedanken.
"Kondom?", fragte Abby heiser.
Er schob seine Hand zwischen ihre Schenkel, um sie zu streicheln, und war überrascht, dass sie schon so bereit für ihn war. Als er mit zwei Fingern in ihr eindrang, stöhne sie auf und bewegte ihre Hüften, worauf sein Körper zuckte. Sie murmelte, er solle sich beeilen, und er kam ihr gerne entgegen, griff in die Schublade neben sich und holte ein Kondom heraus.
Er riss die Packung mit den Zähnen auf und zog es dann über. Kaum hatte er das Kondom übergestreift, richtete sich Abby auf und ließ sich auf ihn sinken. Ihre enge, nasse Hitze verschlang ihn und die Lust pulsierte durch seinen ganzen Körper, als sie ihn tief in sich aufnahm.
"Die beste Art aufzuwachen.", sagte sie.
Dagegen konnte er nichts einwenden. Es war Jahre her, dass er Morgensex wie diesen gehabt hatte. Abby hatte eine rohe Sexualität, die unglaublich anziehend war. Ihre Neugierde, ihr Hunger und ihre Unschuld zogen ihn an wie nichts zuvor.
Sie ließ ihre Hüften kreisen, sobald sie ihn aufgenommen hatte und betrachtete aufmerksam sein Gesicht, um zu sehen, wie er reagierte. er legte seine Hände auf ihre Hüften und forderte sie auf, weiterzumachen. Er wollte immer und immer wieder in sie eindringen, aber sie war oben und hatte das Sagen. Sie ritt ihn zunächst quälend langsam, bevor sie schließlich nachgab und ihnen beiden gab, was sie wollten, indem sie das Tempo beschleunigte.
Er ließ seine Hände über ihren Körper gleiten, umfasste und liebkoste ihre Brüste. Und als sie sich nach vorne beugte und ihn auf den Mund küsste, und dabei vergaß, dass sie sich Sorgen um ihren Morgenatem machte, war er zufrieden, dass sie genau so weit war wie er.
Er griff zwischen sie, um das Nervenbündel zwischen ihren Beinen zu reiben, und wartete darauf, dass sie zum Höhepunkt kam, bevor er dem Orgasmus nachgab, der ihn von Anfang an gejagt hatte.
Danach lag Abby neben ihn. Gesättigt. Sie lagen nebeneinander, sahen sich an und lächelten, bevor Abby sich ihre Haare aus dem Gesicht strich und sich von ihm entfernte.
"Ich glaube, ich brauche einen Kaffee.", sagte sie.
"Ich gehe duschen. Warum kommst du nicht mit?"
Sie sah versucht aus, schüttelte aber den Kopf. "Ich werde nach dem Frühstück duschen. Rührei und Speck heute Morgen?"
"Das wäre toll.", sagte er, beugte sich zu ihr und küsste sie zärtlich, bevor er aufstand. Als sich ihre Lippen unter seinen teilten und ihre Zunge sich an seine rieb, wurde er wieder hart.
"Ja.", sagte sie, als er sich zwischen ihre Beine legte. "Noch mal."
Es blieb kaum genug Zeit, ein Kondom zu finden und sich über zurollen, bevor er an ihrem Eingang war, seine Hüfte bewegte und in sie eindrang. Wenn Abby so unersättlich blieb wie jetzt, würden sie in den nächsten vier Monaten nicht viel Zeit außerhalb des Bettes verbringen. Er konnte sich nicht vorstellen, ihr einen Korb zu geben - das hier abzulehnen. Nicht, wenn diese Affäre, auf die sie sich geeinigt hatten, nicht lange andauern würde.
Diesmal war nichts Langsames und Süßes an ihrer Paarung. Stattdessen bewegten sie sich mit einer Verzweiflung, die alles verzehrte.
*****
Nachdem er sich geduscht, rasiert, sich die Zähne geputzt und sich angezogen hatte, fand Justin Abby in der Küche, wo sie ihr Handy betrachtete und die Stirn kraus zog.
"Ist alles in Ordnung?", fragte er, während er sich eine Tasse Kaffee einschenkte.
Sie zuckte zusammen, sichtlich erschrocken über seine Anwesenheit.
Schnell legte sie das Handy auf die Bank, sah ihn an und lächelte. "Es ist alles in Ordnung. Bist du bereit für das Frühstück?"
"Ja. Danke."
Wohl wissend, dass er die Grenze ihrer Privatsphäre überschritt, ging er an ihrem Handy vorbei, in der Hoffnung, einen Blick auf das zu erhaschen, was sie zum Stirnrunzeln gebracht hatte. Das Display leuchtete noch immer, und als er die Schlagzeile sah, die sie betrachtet hatte, konnte er nicht anders, als ihr Handy in die Hand zu nehmen, um einen genaueren Blick darauf zu werfen.
"Sieben Regeln für eine Affäre.", überlegte er laut.
Mehrere Utensilien fielen nacheinander auf den Boden, klapperten auf dem Holz und lenkten seine Aufmerksamkeit vom Handy weg.
Er beobachtete, wie Hitze in Abbys Nacken und Gesicht stieg, als sie Messer und Gabel vom Boden aufhob und in die Spüle legte. Nachdem sie sauberes Besteck aus der Schublade geholt hatte, stellte sie seinen Teller neben ihm und legte das Besteck daneben, bevor sie ihm das Handy aus der Hand riss.
"Ich war nur neugierig auf etwas.", sagte sie abwehrend. "Du solltest das gar nicht sehen. Du solltest definitiv nicht auf mein Handy schauen."
Ihre Verlegenheit war bezaubernd, aber all die Zweifel, die er zuvor gehabt hatte, kamen wieder hoch. Vielleicht hatte er sie zuvor unter den Teppich kehren können, aber jetzt konnte er das nicht mehr - nicht jetzt, wo er wusste, dass sie nach den Regeln für eine Affäre gegoogelt hatte.
Abbys Unerfahrenheit war noch nie so offensichtlich gewesen. Sie war unglaublich unschuldig für eine siebenundzwanzigjährige Nicht-Jungfrau, und er musste sicherstellen, dass sie sich einig waren, was eine Affäre für sie beide bedeuten würde.
"Abby, ich denke, wir sollten über diese ... Affäre reden."
Abby schüttelte den Kopf. "Das brauche ich nicht. Ich weiß, was ich tue und ich weiß, was ich will. Ich war mir noch nie in einer Sache so sicher."
Ihre Gewissheit schockierte ihn.
"Du bist der erste Mensch überhaupt, für den ich so etwas empfinde.", fügte sie schüchtern hinzu. "Ich weiß, dass es nicht von Dauer sein kann, aber ich möchte es einfach genießen, solange ich kann. Nachdem ich in den letzten neun Jahren jeden in meinem Leben weggestoßen habe, bin ich damit fertig. Ich finde es gut zu wissen, dass ich mutig genug bin, das zu fühlen, was ich für dich fühle und dieses Risiko einzugehen. Bitte verlange nicht, dass ich es nicht tue."
Bei ihrem flehenden Tonfall schlossen sich seine Augen. Wie konnte er ihr verweigern, was sie wollte?
Er konnte es nicht.
Sie kam auf ihn zu, schlang ihre Arme um seine Taille und vergrub ihr Gesicht in seinem Hemd. Er hielt sie fest und fragte sich, wie um alles in der Welt er sein Herz vor dieser schönen, wunderbaren Frau zurückhalten sollte. Vor allem, wenn es klar war, dass sie nicht die Absicht hatte, dass ihre von ihm zurückzuhalten.
*****
Sie frühstückten zusammen, unterhielten sich, lachten und spielten zusammen, und spülten dann gemeinsam das Geschirr ab. Erst als Abby ihn verließ, um zu duschen, ging Justin zurück in sein Zimmer und hörte sein Telefon klingeln.
Als er Sarahs Namen sah, kämpften Erleichterung und Angst in ihm - Erleichterung, weil sie endlich bereit war, mit ihm zu reden, und Angst vor dem, worüber sie reden mussten.
Nach einigem Zögern nahm er den Anruf entgegen. "Sarah."
"Ich glaube, du machst einen Fehler mit Abby."
Offensichtlich wollte sie gleich zur Sache kommen. Zumindest klang sie heute Morgen viel ruhiger.
"Vielleicht tue ich das.", erwiderte er. "Aber das muss ich selbst herausfinden. Ich kann nicht daran denken, dass wir wieder zusammenkommen, wenn ich nicht weiß, was ich für jemand anderen empfinde."
Sie seufzte. "Ich habe dir das nie erzählt, aber vor einer Weile habe ich angefangen, mich mit jemanden zu treffen, von dem ich dachte, dass ich ihn genauso lieben könnte wie dich. Aber ich habe mich geirrt, Justin. Was ich mit ihm hatte, ist nichts im Vergleich zu dem, was ich mit dir habe."
Die Vorstellung, dass sie eine Beziehung mit jemanden hatte - einem Mann, der ihr offensichtlich etwas bedeutete - schockierte ihn. Er hatte sich schuldig gefühlt, weil er seine Gefühle für Abby verleugnet hatte und Sarah vorenthalten hatte, aber er war nicht der Einzige, der schuldig war Geheimnisse zu haben.
"Warum hast du mir zuvor nie von ihm erzählt?", fragte er.
"Es schien nicht relevant zu sein."
"Aber jetzt schon?"
"Wenn ich nie versucht hätte, es mit Cooper zu versuchen, wäre ich mir vielleicht nicht so sicher wie jetzt, dass du und ich ... die beste Wahl füreinander sind."
Die beste Wahl für den anderen? Das war wohl kaum das romantischste Gefühl, das Justin je gehört hatte. Er hatte gedacht, dass Sarah wieder mit ihm zusammenkommen wollte, weil sie ihn so sehr vermisst hatte wie er sie. Zumindest, bis Abby eingezogen war. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher, ob er und Sarah überhaupt noch auf derselben Wellenlänge waren.
"Vielleicht musst du also mit Abby tun, was immer es ist.", fuhr Sarah fort. "Bevor du zu demselben Schluss kommst wie ich. Ich hoffe nur, dass es eher früher als später passiert. Und tu mir einen Gefallen, okay? Gib die Beförderung noch nicht auf. Teste das Wasser mit Abby, bevor du dich für ein Leben in Sydney entscheidest."
Er hatte vor, genau das zu tun, aber es ärgerte ihn, dass Sarah ihm das sagte. Es war, als ob sie dachte, sie hätte so viel mehr Erfahrung mit dem Leben und Beziehungen als er.
"Übrigens.", hörte er erneut ihre Stimme. "Ich habe immer noch vor, zu Mamas sechzigstem Geburtstag im Januar nach Melbourne zu kommen. Mum wird dich dort sehen wollen."
Er war schon so lange mit Sarah zusammen, dass er eine enge Beziehung zu ihrer gesamten Familie aufgebaut hatte. Aber wenn er ein Verhältnis mit einer anderen Frau hatte, wäre er dann noch willkommen?
"Ich weiß wirklich nicht, Sar."
"Bitte komm. Mama wird am Boden zerstört sein, wenn du nicht kommst."
"Ich werde darüber nachdenken."
"Wir sprechen uns dann bald, denke ich."
"Pass auf dich auf, Sarah."
"Du auch. Machs gut, Justin."
"Tschüss, Sarah."
*****
"Wo willst du hin?"
Abby hatte keine Zeit, auf Justins Frage zu antworten, denn er hatte sie an sich gezogen und sie zwischen seinem Körper und ihrem Auto eingeklemmt.
Nach zwei weiteren Mal Sex in der letzten Nacht und einem Quickie heute Morgen unter der Dusche - nicht gerade die Wassersparausübung, die Justin versprochen hatte, aber dennoch ein Riesenspaß - wusste Abby, dass sie sich gesättigt fühlen sollte. Stattdessen sehnte sie sich nach mehr. Es war, als hätte sie die Schleusen für das Bedürfnis zu lieben und geliebt zu werden geöffnet, und sie konnte sie nicht wieder schließen.
Was im Moment ein großes Problem war. Sie waren gerade auf der Arbeit angekommen, und beide hatten gestern Abend und auch heute Morgen vereinbart, dass ihre Kollegen nicht von ihrem Zusammensein erfahren sollten. Dennoch hatte sie Justin auf dem Parkplatz von Kale & Wells an ihr Auto gepresst, und sein harter Körper drückte gegen ihren Bauch, um ihr zu zeigen, wie sehr er das genoss.
Und ihr gefiel es auch. Sobald seine Lippen auf ihren lagen, öffneten sie sich, um ihn einzulassen, und ihre Zungen tanzten miteinander, während ihre Hände sich gegenseitig befummelten.
"Justin, die Leute werden uns sehen.", sagte sie und versuchte sich zurückzuziehen.
Es sollte wie eine Beschwerde klingen, aber ihre atemlosen Worte klangen eher wie ein Flehen.
"Mmm, du hast recht.", antwortete er. Sein verschleierter, lustvoller Blick wanderte von ihr zu ihrem Auto. "Und ich glaube, der Rücksitz ist zu klein, um die Dinge zu tun, die ich mit dir tun möchte."
Sie lachte, freute sich und war froh, dass sie nicht die einzige war, die vor Verlangen fast aus ihrer Haut platzte.
"Lach nicht.", sagte Justin und schaute auf seine Uhr. "Es wird noch acht Stunden dauern, bis ich dich wieder berühren kann."
Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und drückte ihm Küsse mit offenem Mund auf den Hals. "Komm zu mir in der Mittagspause. Ich glaube, ich könnte etwas Übung in Sachen Quickie gebrauchen.", murmelte sie gegen seinen Hals.
Sie spürte, wie sein Puls gegen ihre Lippen hämmerte und seine Erektion zuckte.
"Abby ..."
Die Art, wie er ihren Namen aussprach, machte sie so heiß. Sie war kurz davor ihren Rock hochzuziehen, denn das Bedürfnis, ihn näher bei sich zu haben, ihn noch einmal in sich zu spüren, verdrängte alle anderen logischen Gedanken.
"Das ist verrückt.", sagte er. "Das weißt du doch, oder?"
"Oh, und wie sie das wusste. Sie wusste, dass diese ganze Sache zwischen ihnen verrückt war, und doch konnte sie nicht widerstehen, ins kalte Wasser zu springen. Ihre Google-Suche darüber, wie man sich bei einer Affäre verhalten sollte, war ihr letzter verzweifelter Versuch gewesen, sich eine Schwimmweste anzulegen. Zu wissen, dass Justin gesehen hatte, was sie gelesen hatte, hatte sie in Verlegenheit gebracht, aber sie war auf unbekannten Terrain unterwegs und konnte ein wenig Anleitung gebrauchen. Und es war ja nicht so, dass sie einen Elternteil oder einen anderen Freund hatte, der ihr Ratschläge geben konnte.
Im ersten Blog, den sie sich angesehen hatte, war die Rede davon, wie wichtig es sei, ein Datum für das Ende der Affäre festzulegen. Andere Ratschläge lauteten, es zwanglos zu halten, es nicht anderen Leuten zu erzählen und das Herz zu schützen.
Sie wusste bereits, dass der letzte Punkt ein Problem sein würde. Sie hatte Jahre damit verbracht, ihre Gefühle zu schützen. Jetzt befand sie sich in einer Situation, in der sie wirklich versuchen sollte, ihr Herz vor Justin zu schützen - aber das wollte sie eigentlich nicht.
"Ich weiß, es ist verrückt. Komm, lass uns hineingehen."
Abby hätte eigentlich nervös sein müssen, denn sie wusste, dass sie heute Morgen zu James Kale gehen würde, um ihre Bewerbung zurückzuziehen, aber sie war kein bisschen besorgt. Sie hatte vollstes Vertrauen in ihre Entscheidung. Es war das Beste für sie, in Melbourne zu bleiben, und das Team in Sydney würde von Justins Fähigkeiten sehr profitieren.
Schuldgefühle beschlichen sie, als sie darüber nachdachte, dass sie Justin diese Entscheidung vorenthielt, aber sie verflüchtigten sich schnell, als sie sich versicherte, dass es ihm auf lange Sicht nicht schaden würde. Wenn überhaupt, könnte es sogar besser für ihn sein. Er würde sich nicht so schuldig wegen der Affäre fühlen, auf die sie sich eingelassen hatten, wenn er es nicht wusste.
Ja, und deine Entscheidung, es vor ihm geheim zu halten, hat nichts mit deiner Angst, dass er die Affäre beendet, sobald er merkt, dass sein Wiedersehen mit Sarah unmittelbar bevorsteht, zu tun, nicht wahr? Er hat vielleicht gesagt, dass er verwirrende Gefühle für dich hat, aber er liebt sie.
Sie ignorierte die gehässigen Bemerkungen ihres Gewissens und ging Seite an Seite mit Justin ins Gebäude.
Fast jeder, mit dem sie arbeitete, blieb stehen, um guten Morgen zu sagen und über die Party am Wochenende zu reden, und sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies einer der besten Montagmorgen war, den sie je erlebt hatte. Sie war stolz auf alles, was sie erreicht hatte, und als sie sah, wie Justin sie anlächelte, wusste sie, dass auch er stolz auf sie war.
Der Gedanke wärmte sie. Er hatte ihr bei all dem geholfen, trotz des Risikos für seine Beförderung. Er war definitiv der Richtige für diese Aufgabe.
Im Vertrauen auf ihre Entscheidung schrieb sie eine E-Mail an James Kale und fragte ihn, ob er heute Zeit für sie hätte. Sie war erleichtert, als sie seine Antwort erhielt, in der er ihr mitteilte, dass er sie um elf Uhr dreißig empfangen könnte. Zufrieden blickte sie zu Justin hinüber. Als sie sah, dass er sie beobachtete, schenkte sie ihm ein heimliches Lächeln. Ja, sie tat definitiv das Richtige. Das wusste sie im Grunde ihres Herzens.
*****
"Bist du dir absolut sicher, dass du das tun willst, Abby?"
"Ja, Sir. Es ist das, was ich will."
James seufzte und schob seine Brille auf den Nasenrücken. "Nun, wenn du dir sicher bist, dass du deine Entscheidung getroffen hast. Ich sollte dir das wahrscheinlich nicht sagen, aber inoffiziell? Wir haben entschieden, dass du der beste Kandidat für die Stelle in Sydney bist."
Abby konnte es nicht glauben. Sie hatte gedacht, sie hätte keine Chance bei einer Konkurrenz wie Justin.
"Die Veränderungen, die du vorgenommen hast, sind nicht unbemerkt geblieben. Ich habe gesehen, wie du dich in letzter Zeit bemüht hast, dich in das Team einzufügen. Sie haben dich akzeptiert und du bist jetzt einer von ihnen. Du hast dich verändert. Du hast die konstruktive Kritik, die ich dir gegeben habe, angenommen und umgesetzt. Das zeugt von echter Führungsstärke, und wir wären froh, dich in Sydney zu haben."
Hatte sie ihm richtig verstanden? Hatte James ihr die Stelle angeboten? "Sie wollen mich nach Sydney schicken?"
James lächelte. "Inoffiziell, ja."
Inoffiziell? Hatten sie Justin vor ein paar Wochen nicht genau das Gleiche gesagt? Bevor er sich entschlossen hatte, seine eigenen Interessen zurückzustellen und ihr zu helfen, Brücken zu reparieren. Sie konnte sich Justins Gesichtsausdruck von Verrat und Enttäuschung genau vorstellten, wenn er erfahren würde, dass er nicht nach Sydney gehen würde. Sofort fühlte sie sich schuldig, weil sie überhaupt in Erwägung gezogen hatte, den Job anzunehmen.
"Danke, James, aber ich muss dir sagen, dass es Justin war, der mir geholfen hat, mich mit dem Team zu versöhnen. Er hat mich gecoacht, und zwar in dem Wissen, dass er sich selbst zurückwerfen könnte. Er hat meine Bedürfnisse und die Bedürfnisse des Teams über seine eigenen gestellt. Und ich denke, er ist die richtige Person - die beste Person - für diese Aufgabe. Ich denke, die Firma würde einen großen Fehler begehen, wenn sie ihn nicht befördern würde."
James lächelte, als sie ihre Rede beendet hatte. "Das war eine tolle Rede, Abby. Hat diese plötzliche Liebe zu Justin irgendwas mit der Tatsache zu tun, dass du bei ihm eingezogen bist?"
Offensichtlich machte die Gerüchteküche Überstunden. Obwohl ihr Herz bei dem Wort "Liebe" einen Schlag aussetzte, bot ihr James Frage den perfekten Einstieg. "Ja, Sir. Das Zusammenwohnen mit Justin hat mich viel gelehrt ... und viel darüber, wie ich mit anderen Menschen umgehen möchte. Ich habe jedoch das Gefühl, dass ich noch mehr lernen muss, was es heißt, Teil eines Teams zu sein, und ich würde gerne hier bleiben und lernen, meine Bindung weiter zu festigen."
James nickte. "Der Termin für die Einreichung von Bewerbungen ist erst am zwanzigsten Dezember. Wenn sich bis dahin niemand bewirbt, den ich für besser geeignet halte, werde ich Justin D'Marco die Stelle in Sydney anbieten."
Abby lächelte.
James zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen und fügte dann hinzu: "Ich denke es ist das Beste, wenn wir dieses Gespräch für uns behalten, Abby. Meinst du nicht auch?"
"Natürlich."
James wollte nicht, dass sie Justin erzählte, dass er den Job hatte. Ihr Chef wusste nicht, dass sie ohnehin nicht vorhatte, es Justin zu sagen.
"Ich sollte wieder an die Arbeit gehen.", sagte sie.
"Danke, dass du mir deine Gedanken zu all dem mitgeteilt hast. Dieses Gespräch war sehr aufschlussreich."
Abby war sich nicht ganz sicher, was ihr Chef damit meinte, aber sie beschloss, dass es nicht wirklich wichtig war. Ohne einen weiteren Kommentar lächelte sie, bedankte sich noch einmal und verließ dann James Büro, während sie versuchte, die Schuldgefühle zu ignorieren, die in ihr aufstiegen, weil sie Justin über diese wichtige und lebensverändernde Information im Unklaren ließ.
*****
"Wo ist Abby?", fragte Justin, als er den Pausenraum betrat und feststellte, dass sie nicht da war.
"Ich glaube, sie hat ein Treffen mit James.", antwortete Jane.
"Oh."
Abby hatte ihn gegenüber vorhin nichts von einem Treffen erwähnt, und er wusste, dass sie an nichts arbeitete, was ein Treffen mit dem Chef erforderte.
"Da ist sie ja.", sagte Jane und deutete hinter ihn. "Das Partygirl persönlich."
Als er Abby mit leicht geröteten Wangen in die Küche kommen sah, musste er an diesen Morgen zurückdenken. Er wünschte, er könnte zu ihr gehen und sie küssen und berühren, aber im Moment konnte er das nicht. War da ein Hauch von Schuld in ihrem Gesichtsausdruck? Sie schien seinen Blick nicht zu erwidern.
"Du hast dich mit James getroffen?", fragte er sie und hasste es, wie misstrauisch er klang.
Immer noch weigerte sie sich, seinen Blick zu erwidern und nickte. "Ich musste schnell ein paar Dinge mit ihm besprechen."
Justin war sich nicht sicher, was sie mit James zu besprechen hatte, und plötzlich stellte er sich vor, wie Abby und James über die Beförderung sprachen. War das überhaupt zur Sprache gekommen, während sie in seinem Büro gewesen war? War das der Grund, warum sie ihn jetzt nicht in die Augen sehen konnte?
Sarahs Warnung von gestern begann in seinem Kopf zu klingen, wie eine alte Glocke. Es spielte keine Rolle, wie sehr er sich um Abby sorgte, er musste sein Herz schützen. Einer von ihnen würde Melbourne verlassen, und wenn er nicht aufpasste, würde es Abby sein.
Auch wenn sie es nicht absichtlich tat, war sie eine Ablenkung. Während sie ihn mit ihrer Lust und ihrem Verlangen in den Wahnsinn trieb, hatte sie in der Firma einen großen Schritt nach vorne gemacht. Ihr Verhältnis zum Team war schon viel besser geworden, und sie war eine unglaublich garte Arbeiterin. Das war sie schon immer gewesen.
Abby war zielstrebig und konzentriert, und ohne dass sie sich wirklich anstrengen musste, wurde sie zu seinem Hauptfokus. Sie lenkte ihn bereits ab. Wenn sie so weitermachten, würde sie befördert werden, und er würde ... nun ja, mit einem leeren Haus dastehen.
Wäre das nicht etwas? Wenn er sich in diesem Leben in zwei Frauen verlieben würde und sie ihn beide für Sydney verlassen würden?
Es wäre furchtbar. Das konnte er nicht zulassen.
Und das würde er auch nicht.
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