12 Eifersucht
Justin fluchte laut, als er in seine Einfahrt fuhr und sah, dass Abbys Auto nicht da war. Er hatte damit gerechnet, heute Abend mit ihr sprechen zu können, damit er die Dinge nach dem Gespräch, dass sie in der Mittagspause geführt hatten, wieder ins Lot bringen konnte.
Es war nicht so sehr das, was er gesagt hatte, was er bedauerte, sondern wie er es gesagt hatte. Er wusste, dass Abby wütend auf ihn war, und deshalb hatte er ihre Lieblingsspeisen, Pizza und Schokolade mitgebracht, in der Hoffnung, dass er ihr ein wenig Honig ums Maul schmieren konnte, bevor er ihr sagte, warum er sie nicht mit seinen Freunden verkuppeln wollte.
Mit seinen Schlüsseln, seiner Brieftasche und der Pizza in der Hand stieg er aus dem Auto und schaute die Straße hinunter nach Abbys Auto. Sie hätte schon längst zurück sein müssen. Obwohl er meistens lange auf der Arbeit blieb, kam er immer noch rechtzeitig nach Hause, um mit Abby zu kochen und mit ihr Abend zu essen. Es war zur Gewohnheit geworden, gemeinsam auf der Couch zu essen, während sie über ihren Tag sprachen und fernsahen.
Den Pizzakarton in der einen Hand, schloss er die Haustür auf. Das Haus erschien ihm zu dunkel und zu kalt, wenn Abby nicht im Haus war. Normalerweise kam er in ein warmes Haus und konnte ihr Parfüm riechen, sobald er zur Tür hereinkam.
Sobald er die Küche betrat, begann sein Telefon zu klingeln und er ließ fast alles fallen, um dran zu gehen. Ihm war nicht klar, wie sehr er gehofft hatte, dass es Abby war, bis er Tonys Namen auf dem Display sah.
"Was ist los?", fragte er und hielt das Handy an sein Ohr.
"Das wollte ich dich auch gerade fragen.", erwiderte Tony.
"Was meinst du?"
"Abby kam vorbei und ..."
"Warte, Abby ist da?"
"Ist sie. Sie will, dass Yvette und ich ihr helfen, indem wir sie mit einem unserer Freunde verkuppeln. Sie hat gesagt, dass du das nicht machen willst, oder irgend so einen Mist."
Justin fluchte. Abby hätte mit ihm reden sollen, bevor sie beschloss, jemand anderen um Hilfe zu bitten.
"Was zum Teufel ist zwischen euch beiden los, J.D.?", fragte Tony.
Justin fuhr sich mit den Fingern durch sein hoch gegeltes Haar und überlegte, wie viel er Tony erzählen sollte. Soweit er wusste, stand Tony nahe genug bei Yvette und Abby, um sie zu belauschen.
Er beäugte die Pizza auf dem Küchentisch. "Willst du vorbeikommen? Ich habe Bier und Pizza, und ich könnte wahrscheinlich einen Rat gebrauchen."
"Ich bin in vierzig Minuten da.", sagte Tony und klang erfreut. "Ich muss hier weg, bevor Yvette anfängt, eine Liste mit allen Namen in meinem Handy zu erstellen. Du weißt, dass einige unserer Freunde ihren Junggesellenstatus zu sehr schätzen, um daran interessiert zu sein, mit Abby verkuppelt zu werden."
"Ja.", stimmte Justin angespannt zu und versuchte, nicht an Abby und einem Date mit einem der Jungs, die sie kannten, zu denken. "Wir sehen uns dann gleich."
*****
"Abby hat mich geküsst."
Justin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als Tony sich an seinem Bissen Pizza verschluckte.
Tony schluckte sein Essen hinunter und nahm einen Schluck Bier. "Das hast du mit Absicht gemacht, du Mistkerl."
Das hatte er, ja. Tony wartete immer, bis Justin einen Bissen im Mund hatte, bevor er ihm etwas Schockierendes erzählte. Es war ein schönes Gefühl, sich zu revanchieren. Sie saßen auf der Couch im Wohnzimmer und sahen fern, während sie aßen.
Jetzt war Tony an der Reihe zu fluchen. "Wann zum Teufel ist das passiert?"
"Vor ein paar Wochen."
"Und du hast das vorher nicht erwähnt, weil ...?"
"Es war nur einmal, und ich habe nicht vor, es noch einmal zu tun. Einer von uns zieht bald nach Sydney, und Abby weiß bereits, dass Sarah der Grund ist, warum ich dorthin will."
"Was ist also das Problem, wenn sie mit jemand anderen ausgeht?", fragte Tony.
"Wo soll ich anfangen?"
Tony sah ihn nur an und hob eine Augenbraue angesichts Justins offensichtlicher Missbilligung. "Wie wäre es, wenn du mit dem Gespräch beginnst, dass du heute mit Abby geführt hast? Du weißt schon, das, das sie dazu gebracht hat, zu uns zu kommen und um Hilfe zu bitten?"
Justin seufzte und warf sein halb gegessenes Stück Pizza zurück in die Schachtel, weil er doch nicht so hungrig war. "Kennst du Chris Bradshaw? Der Typ, mit dem ich arbeite?"
"Ja."
"Er wollte sich mit Abby verabreden."
"Und?"
"Also habe ich ihm gesagt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es mit ihnen klappt, weil sie Kollegen sind und ich nicht glaube, dass sie so viel gemeinsam haben. Er geht jedes Wochenende ins Football-Stadium. Abby würde das hassen. Und das ist bei den meisten Jungs, die wir kennen, genauso. Ich glaube nicht, dass sie sich mit ihnen verstehen würde. Außerdem wird Abby vielleicht wegziehen, wenn sie befördert wird."
"Komm schon, J.D., nach allem, was du gesagt hast, ist es unwahrscheinlich, dass Abby die Beförderung bekommt."
"Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen."
"Und was du jetzt sagst, hat nichts damit zu tun, dass Abby dich geküsst hat?"
"Das ist nur ein weiterer Grund. Ich finde es nicht fair, dass sie sich mit jemanden verabredet, den sie nicht wirklich mag."
"Machst du dir Sorgen, dass sie in dich verknallt ist oder so?"
Justin zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht, aber sie hat mich geküsst."
"Hmm.", dachte Tony laut nach. "Abby hat Yvette und mir erzählt, dass sie schon lange kein Date mehr hatte."
Justin wusste genau, wie lange es her war, dass Abby ein Date hatte, aber er teilte es nicht mit.
"Und du weißt, dass es eine absurd lange Zeit her ist, seit Abby Freunde hatte.", fuhr Tony fort. "Vielleicht verwechselt sie die Freundschaft, die ihr habt, mit etwas anderem, und wenn sie anfängt, mit jemanden auszugehen, wird sie das merken und ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken. Problem gelöst."
Anstatt ihn zu beruhigen, fühlte sich Justin bei diesem Gedanken, als hätte man ihn gerade einen Football in den Magen gejagt. Er nahm an, dass es mehr als möglich war, dass Abby ihre Freundschaft mit etwas anderem verwechselt hatte
"Also, was denkst du, mit wem sollten wir sie verkuppeln?", fragte Tony.
Niemanden. Das war sein erster Gedanke. Ehrlich gesagt, verdrehte sich bei der Vorstellung, Abby mit jemand anderen - mit wem auch immer - zu sehen, der Magen, seine Handflächen schwitzten und sein Herz raste.
Adrenalin schoss durch ihn hindurch und machte ihn nervös und reizbar. Er wusste, dass sie eigentlich nur eine Freundin sein sollte, aber er konnte nicht aufhören, an den Kuss zu denken. Er konnte auch nicht aufhören, sich vorzustellen, was passiert wäre, wenn ihr Kuss nicht unterbrochen worden wäre.
Als sie ihn heute Mittag gebeten hatte, sie mit einem seiner Freunde zu verkuppeln, war seine Reaktion ein klares Nein gewesen. Er war sauer auf sie gewesen, weil sie es überhaupt vorgeschlagen hatte. Sie war diejenige, die ihre Freundschaft auf den Kopf gestellt hatte, indem sie ihn überhaupt erst geküsst hatte und ihn Dinge fühlen ließ, die er nicht fühlen wollte.
"J.D.?"
"Ich habe ihren Kuss erwidert.", war Justin impulsiv ein.
"Was?"
"Als Abby mich geküsst hat, habe ich ihren Kuss erwidert. Wir waren am Strand, als es passierte. Die Dinge wurden hitzig. Zum Glück wurden wir unterbrochen.", vertraute er Tony an.
"Ich will verdammt sein.", murmelte Tony und beobachtete ihn aufmerksam. "Du magst das Mädchen wirklich."
"Sie ist eine Freundin, und ich habe dir bereits gesagt, dass ich mich zu ihr hingezogen fühle."
"Ist das der wahre Grund, warum du dich so aufregst, weil du sie mit jemanden verkuppeln sollst? Bist du eifersüchtig?"
Eifersüchtig? Das konnte er nicht sein. Das war er noch nie zuvor gewesen, nicht einmal bei Sarah. Aber der Anflug von Neid, den er verspürte, wenn er daran dachte, dass Abby einen anderen küsste oder mit einem anderen zusammen war, ließ ihn glauben, dass es nicht die Ungeheuerlichste war, was Tony je vorgeschlagen hatte.
Sie hatte eine beschissene sexuelle Erfahrung gemacht, mit einem absoluten Verlierer, und Justin beneidete den Mann, der die Möglichkeit hatte, alles wieder gutzumachen. Seine Brust wurde eng, weil er wusste, dass er es nicht sein konnte.
"Ich schätze, ich könnte ein bisschen eifersüchtig sein.", gab Justin vorsichtig zu. "Aber es spielt keine Rolle, was ich fühle. Einer von uns beiden wird bald den Staat verlassen. Es wäre eine fruchtlose und sinnlose Übung, irgendwas mit ihr zu verfolgen. Außerdem will ich wieder mit Sarah zusammenkommen. Ich kann nicht erwarten, dass wir da weitermachen, wo wir aufgehört haben, wenn ich zulasse, dass aus meinen Gefühlen zu Abby mehr wird."
"Weiß Sarah, dass du und Abby euch geküsst habt?", fragte Tony.
"Noch nicht."
So wie Tony ihn ansah, fühlte sich Justin noch schuldiger, als er es ohnehin schon tat. Es war nur ein Kuss gewesen, und gemäß der Vereinbarung, die er mit Sarah getroffen hatte, war es sein gutes Recht, ihn für sich zu behalten. Er hatte vor, es ihr irgendwann zu sagen, er war nur noch nicht ganz so weit.
"Ich schätze, es ist nie einfach, einer Frau zu sagen, dass man auf jemand anderen scharf ist."
"Ich mag Abby, das tue ich. Aber ich liebe Sarah."
"Wenn das der Fall ist, musst du deine Eifersucht überwinden und dich hinter Abbys Entscheidung stellen, die Dating-Welt im Sturm zu erobern.", teilte Tony ihm mit. "Es ist nicht richtig, einen Wutanfall zu bekommen, nur weil es dir nicht gefällt."
Justin stimmte zu, aber er war sich nicht sicher, wie er so tun sollte, als ob er damit einverstanden wäre. Die Vorstellung, sie mit jemanden zu sehen, gab ihm das Gefühl, als wäre er zu einem Mord fähig. Aber wenn er so tun musste, als ob es ihm nichts ausmachte, damit sein Leben so unkompliziert wie möglich blieb, dann würde er es versuchen.
Er schätzte die Freundschaft, die er mit Abby in so kurzer Zeit aufgebaut hatte. Er wollte sie wirklich nicht zerstören, indem er sich wie ein eifersüchtiger Arsch verhielt. Und es gab einfach zu viele Gründe, um der Anziehungskraft, die er für seine Mitbewohnerin empfand, nicht nachzugehen.
"Ich werde mein Bestes geben, um das grünäugige Monster in Schach zu halten.", sagte er resigniert.
"Gut.", erwiderte Tony. "Du solltest Abby wissen lassen, dass du voll hinter dem stehst, was sie tut, und ihr sagen, dass du ihr helfen wirst. Sobald sie sich mit jemanden trifft, könnt ihr beide weitermachen, und diese Sache zwischen euch wird sich in Luft auflösen."
"Und was, wenn nicht?"
Tony schenkte ihm ein böses Grinsen. "Dann bist du am Arsch."
*****
Als Abby zu Hause ankam, saß sie noch ein paar Minuten im Auto und versuchte, die Kraft aufzubringen, ins Haus zu gehen und Justin gegenüberzutreten. Seit ihrem Gespräch beim Mittagessen hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen, und sie war immer noch verletzt über die Dinge, die er gesagt hatte.
Aber sie hatte ihre Gefühle jetzt besser im Griff. Sie war bereit, ihm zur Rede zu stellen, ohne wütend auf ihn zu sein. Sie musste herausfinden, ob er es wirklich so hart klingen wollte, oder ob sie seine Worte nur falsch verstanden hatte.
Abby atmete ein paar Mal tief durch und stieg dann aus dem Auto. Laut Yvette hatte Tony Justin vor einer Stunde verlassen. Abby war auf dem Heimweg mehr als wahrscheinlich an ihm vorbeigefahren. Sie bezweifelte nicht, dass Tony Justin darüber aufgeklärt hatte, warum sie zu Yvette gegangen war, um mit ihr zu sprechen.
Es war gut möglich, dass Justin sauer auf sie sein würde, weil sie ihn hintergangen hatte, aber sie bereute nicht, es getan zu haben. Es war ihr plötzlich sehr ernst damit, zum ersten Mal in ihrem Erwachsenenleben die Welt des Datings zu erkunden, und das musste er wissen.
Die Haustüre war nicht verschlossen, als sie sie öffnete. Sie ging hinein und schloss sie laut hinter sich, um ihn wissen zu lassen, dass sie zu Hause war. Sie konnte den Fernseher im Wohnzimmer hören. Justin schaute jedoch nicht auf den Kasten.
Sie wollte gerade das Haus nach ihm absuchen, als er aus seinem Schlafzimmer in den Flur trat. Seine warmen blauen Augen trafen sofort auf ihre und er kam auf sie zu.
"Du bist wieder da.", sagte er und lehnte sich neben ihr an die Wand.
Er trug eine verblichene Jeans und ein weiß gestreiftes Shirt, und doch fühlte sie eine Welle der Sehnsucht durch sie hindurch schwappen, als sie ihn ansah.
"Äh, ja, ich war bei Yvette. Ich bin sicher, Tony hat dir das bereits erzählt."
"Hat er. Ich habe Pizza und Schokolade mit nach Hause gebracht, in der Hoffnung, dass wir uns beim Essen unterhalten können. Als Tony mir sagte, dass du da bist, schlug ich ihm vor, rüberzukommen und mir mit der Pizza zu helfen."
"Tut mir leid, dass ich nicht da war."
"Ich habe dich vermisst.", sagte er leise. Seine Worte ließen ihr Herz höher schlagen. "Aber ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss."
"Oh?" Sie stimmte ihn voll und ganz zu, aber sie wollte wissen, wofür er meinte, sich entschuldigen zu müssen.
"Ich stehe immer noch zu dem, was ich gesagt habe. Ich glaube nicht, dass du und Chris gut zusammenpassen würdet." Er schenkte ihr ein schiefes Grinsen. "Er ist besessen von Football. Ich weiß nicht, worüber ihr reden würdet, wenn ihr zusammen ausgeht."
"Aber?"
"Ich habe ihn das alles nicht erzählt, nur weil ich Angst hatte, dass ihr euch nicht versteht."
Ihr Herz begann noch heftiger zu schlagen. "Was willst du damit sagen?"
Er bewegte sich unbehaglich. "Mir gefiel der Gedanke nicht, euch beide zusammen zu sehen."
"Warum?"
"Ich war eifersüchtig."
Ihr Herz schlug so schnell, dass sie es in ihren Ohren hören konnte. Hatte Justin sich deshalb heute beim Mittagessen so verhalten, wie er es getan hatte? Hatten die Mädels auf der Arbeit die ganze Zeit recht gehabt? Und wenn er eifersüchtig war, was bedeutete das genau?
"Ist das der Grund, warum du mich nicht mit deinen Freunden verkuppeln willst?"
"Ja. Ich war ein Idiot und es tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen."
"Wird es nicht?"
Er schüttelte den Kopf. "Nein, es ist nicht fair, dass ich eifersüchtig bin, wenn ich ein Mädchen habe, für das ich hoffentlich nach Sydney ziehe, und die Wahrheit ist, dass ich ein paar anständige Jungs kenne, an denen du interessiert sein könntest. Sie werden alle Samstag auf der Party sein. Ich kann sie dir zeigen und dich mit ihnen bekannt machen, wenn du willst."
Sie wollte etwas nach ihm werfen. Seine Entschuldigung und sein Angebot hätten sie wahrscheinlich beschwichtigen sollen, aber das taten sie nicht. Sie wollte nicht, dass er fair oder vernünftig war. Sie wollte nicht, dass er sie mit seinen Freunden verkuppelte.
Nein, sie wollte, dass er so verrückt vor Eifersucht war, dass er sie so wollte, wie sie ihn. Sie wollte, dass er die gleiche Sehnsucht verspürte wie sie.
Abby wusste, dass sie unvernünftig und ungerecht war, und das machte sie nur noch wütender. Die Mädels hatten heute den Nagel auf den Kopf getroffen. Justin war perfekt. Zu perfekt. Er war sensibel, loyal und vernünftig, und sie wünschte sich wirklich, er würde einfach die Kontrolle verlieren und etwas völlig Unüberlegtes tun, am besten mit ihr unter ihm oder auf ihn.
"Das wäre großartig, Justin.", sagte sie angespannt und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie verärgert sie darüber war, dass er seine Eifersucht so einfach abgetan hatte. Ihre Freundschaft würde wieder peinlich werden, wenn er es wüsste. "Danke."
"Kein Problem.", antwortete er und sah erleichtert aus. "Willst du eine Folge von How I Met Your Mother oder so sehen?"
Sie schüttelte den Kopf. "Es war ein langer Tag. Ich sollte ins Bett gehen."
Er sah ein wenig enttäuscht über ihre Antwort aus, aber sie nahm seine Reaktion schweigend hin. Morgen würde sie so tun, als wäre alles in Ordnung, aber heute Abend konnte sie das nicht.
"Wir sehen uns dann morgen.", sagte er.
"Ja. Nacht."
Sie ging schnell in ihr Schlafzimmer, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Wann würde sie es endlich kapieren? Es spielte keine Rolle, ob er ihren Kuss erwidert hatte. Es war egal, ob er eifersüchtig darauf war, dass ein anderer Kerl mit ihr ausgehen wollte.
Wichtig war nur, dass Justin seine Gefühle für sie nie ausleben würde, und da er das nicht tun würde, musste sie ihre Energie darauf konzentrieren, jemanden zu finden, der es tun würde. Der Samstag konnte gar nicht schnell genug kommen.
*****
"Es ist fast sieben Uhr, Abby. Du musst dich langsam fertig machen."
Abby hörte auf, die Muffins zu glasieren, die sie vorhin gebacken hatte und schaute hinter sich. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie Justin dort in einer schwarzen Jeans und einem schwarz-grau karierten Langarmhemd stehen sah.
Er hatte sich am Donnerstag die Haare schneiden lassen, aber er hatte sie lang genug gelassen, um sie in Spitzen zu frisieren. Der süße und moschusartige Duft seines Rasierwassers lag in der Luft und betörte ihre Sinne.
"Die Leute werden wahrscheinlich ab acht Uhr eintreffen.", teilte er ihr mit.
Als sie merkte, dass sie ihn anstarrte, nickte sie und wandte sich wieder ihren Muffins zu. Sie hatte den ganzen Tag damit verbracht, für die Party zu backen, denn das Gebäck war das einzige, was Justin ihr zugestehen wollte.
Alles andere hatte er bezahlt: das Bier, den Wein, den Champagner und eine große Menge an Party-Essen. Tony und Yvette waren am frühen Nachmittag vorbeigekommen, und die vier hatten die letzte Stunde damit verbracht, die Wohnung herzurichten.
Tony und Yvette waren noch dabei, die Weihnachtsbeleuchtung aufzuhängen, als Abby das letzte Mal aus dem hinteren Fenster geschaut hatte. Der Hof sah fantastisch aus, mit den verstreuten Tiki-Fackeln und den blinkenden Weihnachtslichtern, die überall aufgehängt waren. Holzbänke waren wahllos um eine Grube aufgestellt worden - eine Grube, in der Justin später ein Feuer entzünden würde. Musik lief von seinem iPod über ihre Lautsprecher im Garten.
Sie wollte ihren iPod benutzen, aber Justin hatte ihr gesagt, dass seine Freunde gehen würden, wenn sie die ganze Nacht ihre 'beschissene' Popmusik hören mussten. Sie hatte ihre Argumente vorgebracht, aber am Ende hatte er gewonnen. Zum Glück hatte er zugestimmt, einige ihrer Songs in seine Playlist aufzunehmen.
Jetzt lief gerade einer seiner Lieblingsrocksongs. Bei der lauten Musik und den Hunderten von Lichtern im Hof wusste wahrscheinlich jeder im Umkreis von fünf Kilometern, dass eine Party im Gange war.
"Bist du sicher, dass die Nachbarn damit einverstanden sind?", fragte sie ihn.
Er ging auf sie zu. "Sie sind eingeladen. Sie wissen wie laut diese Dinge sind. Und sie wissen auch, wie fantastisch meine Partys sind. Sie würden sich das nicht entgehen lassen. Es wird alles gut gehen. Hör auf, in Panik zu geraten."
"Ich bin nicht in Panik."
Die Verleugnung kam ihr automatisch über die Lippen, aber er hatte recht, sie war in Panik. Sie hatte sich seit Wochen hier drauf gefreut. Doch jetzt, wo es endlich soweit war, war sie so nervös, dass ihre Hände jeden Moment zu zittern anfangen würden.
Sie hatte bereits viele von Justins Freunden kennengelernt, aber was, wenn die anderen sie nicht mochten? Was, wenn die Jungs, denen er sie vorstellen würde, sie nicht mochten? Und sie war es auch nicht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen. Als sie jünger war, hatte sie nur ein paar Partys gehabt, und das waren alles Geburtstagsfeiern in den Jahren, in denen ihre Mutter nüchtern war.
"Abby.", sagte Justin sanft und griff nach ihrem Arm, um sie zu sich heranzuziehen. "Du schaffst das schon."
"Ich weiß.", erwiderte sie.
Plötzlich strich er mit dem Daumen über ihren Wangenknochen, ihr Atem stockte und ihr Puls beschleunigte sich augenblicklich.
"Du hattest da einen Kakao-Fleck.", erklärte er.
"Danke.", flüstere sie, als sie merkte, wie nahe er ihr stand.
Als hätte er gerade dasselbe bemerkt, glühte sein Blick auf und fiel auf ihre Lippen. Einen Moment lang fragte sie sich, ob er daran dachte, sie zu küssen. Dann wich er zurück und erinnerte sie erneut daran, dass er, selbst wenn er in Versuchung gewesen wäre, er nicht darauf eingehen würde.
Sie zwang sich, ihre Aufmerksamkeit von Justin abzuwenden und schaute auf die Törtchen, die sei noch nicht fertig bestrichen hatte.
"Ich mache das für dich fertig.", sagte er und las ihre Gedanken. "Und jetzt geh dich umziehen."
Abby beschloss, dass Justin ihre Törtchen nicht ruinieren konnte, wenn er sie nur mit der Glasur bestrich und ging aus der Küche und ins Bad. Nachdem sie eine schnelle, heiße Dusche genommen hatte, zog sie sich das Outfit an, dass sie für sich selbst ausgesucht hatte. Yvette hatte ihr ein wunderschönes Kleid geliehen, und sie konnte es kaum erwarten, es anzuziehen.
Das Oberteil war aus Samt und schwarzer Spitze, und der lilafarbene Rock bauschte sich ab der Taille und fiel knapp über die Knie. Anstatt gestern Abend mit Justin zu O'Reillys zu gehen, war sie mit Yvette einkaufen gegangen und hatte ein paar schwarze, gemusterte spitzen Stiefel gefunden, die perfekt zu dem Kleid passten.
Sobald sie mit dem Anziehen fertig war, machte Abby mit ihren Haaren und Make-up weiter. Die Hochsteckfrisur, für die sie sich entschieden hatte, nahm mehr Zeit in Anspruch, als sie gedacht hatte, aber sie sah fabelhaft aus, als sie mit dem ganzen Schnickschnack fertig war. Nachdem sie mit ihrem Haar zufrieden war, trug sie dunklen Eyeliner, Wimperntusche, sowie lila Glitzerlidschatten auf.
Justin, Yvette und Tony standen in der Küche, als sie wieder aus ihrem Zimmer kam. Sie lachten und scherzten, während sie ihre Törtchen glasierten, und Abby spürte, wie ihr Herz vor Zuneigung anschwoll, als sie sie beobachtete.
Die drei hatten ihren Nachmittag geopfert, um bei den Vorbereitungen für die Party zu helfen und diesen Aben zu etwas Besonderem für sie zu machen. Yvette war schnell zu einer Freundin geworden, Tony ein sofortiger Verbündeter. Und Justin? Er war ihr zu wichtig geworden.
Als sie sie dort stehen sahen, drehten sich die drei gemeinsam um.
Tony sprach zuerst: "Wow."
Sie belohnte ihn mit einem breiten Lächeln. "Danke."
"Die Jungs werden nicht wissen, wie ihnen geschieht.", murmelte er.
"Das Kleid sieht unglaublich an dir aus.", stimmte Yvette zu.
"Vielen Dank, dass du es mir geliehen hast."
"Behalte es.", erwiderte Yvette. "Du füllst es viel besser aus, als ich. Du siehst aus wie eine Göttin, stimmts, Justin?"
Justins blaue Augen waren wie eine heiße Liebkosung, als sie ihren Körper hinaufglitten. Ihre Brustwarzen kribbelten und verhärteten sich, als seine Aufmerksamkeit dort länger als nötig verweilte, und als sein dunkler Blick schließlich den ihren traf, spürte sie, wie sich das Verlangen tief in ihrem Bauch zusammenzog.
"Ja.", antwortete Justin heiser, bevor er sich wieder der Küchentheke zuwandte, eine Flasche Champagner holte und den Korken knallen ließ.
Er goss ihn in zwei Sektflöten und reichte dann eine an Yvette und eine an sie. In diesem Moment bemerkte sie, dass er und Tony bereits ein Bier geöffnet hatten.
Justin hob sein Bier. "Auf meine neue Mitbewohnerin."
"Auf meine neue Freundin.", sagte Yvette und hob ihr Glas.
"Auf meinen neuen Kumpel.", schloss sich Tony an.
Abby stieß mit ihrem Glas auf die ihr dargereichten Getränke an. Justins Blick verließ den ihren nicht, als sie einen Schluck von ihrem Champagner nahm. Ein lautes Klopfen veranlasste die vier, sich in Richtung Eingangstür umzudrehen.
"Und so beginnt es.", sagte Justin, bevor er sich auf den Weg machte, die Tür zu öffnen.
****
"Yo, meinst du nicht, dass es an der Zeit ist, etwas langsamer zu machen?"
Justin ignorierte Tony und ploppte den Deckel von dem Bier, dass er gerade aus dem Kübel gefüllt mit Eis genommen hatte, ohne dabei den Blick von Abby zu nehmen. Nein, er glaubte nicht, dass es an der Zeit war langsamer zu machen. Nicht, wenn jeder seiner Single-Freunde seiner Mitbewohnerin hinterher sabberte. Sie ließen ihr keinen Raum, sich zu bewegen oder zu atmen.
"Du bist dran, J.D.", sagte jemand.
"Trink weiter, J.D.", sagte Max. "Du verlierst."
Alle um den Billardtisch herum lachten. Max war ein notorisch schlechter Billardspieler, aber heute Abend schaffte es Justin tatsächlich, den Kerl gut aussehen zu lassen. Offensichtlich dachte Max, dass Justins mangelnde Koordination damit zusammenhing, wie viel er getrunken hatte. Justin wusste es besser.
Er hatte ein wenig getrunken, ja, und normalerweise konnte er sich besser beherrschen, aber heute Abend war es seine Unfähigkeit, seinen Blick von Abby abzuwenden, die ihn in Schwierigkeiten brachte. Er konnte nicht aufhören, sie zu beobachten - konnte nicht aufhören, sie mit seinen Kumpels flirten zu sehen. Seine Brust fühlte sich wieder ganz eng an. Diesmal wusste er, dass es Eifersucht war, die ihn nervös und schlecht gelaunt machte.
"Für mich sieht es so aus, als ob Justins Aufmerksamkeit auf etwas anderes gerichtet ist, oder viel mehr jemand anderen."
Justins Augen flackerten zu Chloe Smythe. Chloe war eine von Sarahs besten Freundinnen und eine der Personen, die er mit Brett Henderson auf eine Stufe stellte. Er duldete ihre Anwesenheit nur, wegen ihrer Freundschaft mit seiner Ex und weil sie die Partnerin seines Freundes Max war.
Die Tatsache, dass Chloe bemerkt hatte, dass er Abby nicht aus den Augen ließ, hätte eigentlich ausreichen müssen, um seine Aufmerksamkeit wieder auf das Spiel zu lenken. Aber das tat es nicht. Er konnte nicht aufhören, sich zu wünschen, Abby würde seinen Freunden sagen, sie sollen aufhören, ihr hinterher zu sabbern, und dann ihren Hintern zu ihm hinüberbewegen, um stattdessen Zeit mit ihm zu verbringen.
Donnerstagabend hatte er Besorgungen machen müssen, und Freitagabend war sie mit Yvette einkaufen gegangen, anstatt mit ihm zu O'Reillys zu gehen. Und heute waren sie damit beschäftigt gewesen, das Haus für die Party vorzubereiten und mit Tony und Yvette abzuhängen.
In den letzten Tagen hatten er und Abby nicht viel zusammen unternommen, und er vermisste sie. Er wollte mit ihr reden, mit ihr lachen und sie necken, so wie er es sonst immer tat. Und er konnte nicht leugnen, dass er sie unbedingt berühren und auch ihr Parfüm riechen wollte.
Sie sah heute absolut umwerfend aus. Er war sich ziemlich sicher, dass ihm die Augen aus dem Kopf gefallen waren, als Abby vorhin in die Küche gekommen war. Er wusste, dass er sie dabei unterstützen sollte, Zeit mit anderen Männern zu verbringen, aber er wollte sie heute Abend nur an seiner Seite haben.
Er hatte ihr ein paar Stunden Zeit gegeben, um mit seinen Freunden zu plaudern. War das nicht lange genug? Sie sollte doch längst fertig sein.
"Willst du ein paar Schädel einschlagen?", fragte Tony ihn leise.
Er brauchte nicht zu fragen, was sein Freund meinte. Er machte sich auch nicht die Mühe, zu leugnen, dass er das tun wollte. Tony kannte ihn zu gut und war sich der Situation bereits voll bewusst.
"Beende einfach zuerst das Spiel.", sagte Tony.
"Ja.", mischte sich Max ein. "Dann kann ich gegen die nächste Person spielen, die verlieren will."Auf Max prahlerische Aussage folgte weiteres schallendes Gelächter, und Justin wandte seine Aufmerksamkeit widerwillig wieder dem Tisch zu.
Nachdem er ein paar Stöße vermasselt hatte, gewann Max das Spiel. Traditionell behielt der Gewinner den Tisch, bis er besiegt wurde, und dann spielte der neue Gewinner weiter, bis er geschlagen wurde, und so weiter. Doch heute Abend sollte alles anders werden. Dies war sein Haus und seine Regeln.
"Tut mir leid, Max, der Verlierer bekommt heute Abend den Tisch."
Max fluchte laut und beschwerte sich bei allen, die zuhörten, aber Justin ignorierte ihn und begann sich für das nächste Spiel vorzubereiten.
Als er fertig war, hielt er sich die Hand an den Mund und versuchte sich so lauter zu machen, als er den Namen seiner Mitbewohnerin rief.
"Was machst du?", fragte Tony.
"Ein Versprechen einhalten.", teilte ihn Justin mit, bevor er erneut Abbys Namen schrie, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
Als sie sich schließlich umdrehte, deutete er mit dem Finger auf sie. Ihr Blick war misstrauisch und unsicher, als sie merkte, dass er sie zu sich holen wollte. Aber sie willigte schließlich ein und bahnte sich ihren Weg durch die Menge.
"Was ist los?", fragte sie ihn, als sie ihn erreichte.
"Heute Abend bringe ich dir bei, wie man Billard spielt."
Verwirrung füllte ihre Augen, als sie seinen Blick suchte. "Heute Abend?"
"Ja, heute Abend."
Seine Hose fühlte sich plötzlich viel zu eng an, als er an all die Möglichkeiten dachte, wie er sie anfassen konnte, während er ihr zeigte, wie man spielt. Und als er daran dachte, wie sie sich über den Billardtisch beugte, musste er sich fast ein Stöhnen verkneifen.
Er wusste, dass sie die Richtung seiner Gedanken aufgeschnappt haben musste, denn ihre ohnehin schon feurigen Augen, wurden noch eine Nuance dunkler.
Er ignorierte die Verwirrung, die noch immer in diesen braunen Tiefen lag und legte seinen Arm um sie. "Abby spielt mit mir, wer fordert uns heraus?"
Chloe warf ihm einen bösen Blick zu, und andere schauten mit offensichtlichen Interesse zwischen ihm und Abby hin und her, aber Justin war das egal. Die neugierigen Blicke der Leute waren ihm egal. Er kümmerte sich nicht um Tonys Kopfschütteln und seine offensichtliche Missbilligung.
Es war ihm einfach alles egal. Abby war neben ihm. Er atmete wieder ihr Parfüm ein, und sie fühlte sich so gut an seiner Seite an, dass er sie die ganze Nacht dort behalten wollte, wenn sie ihn ließ.
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