08 Brett

"Ihr beide wohnt zusammen?", fragte Jane und hob eine perfekt gezupfte Augenbraue.

Justin nickte. "Ja, Abby hat mir total den Arsch gerettet."

"Das habe ich nicht wirklich, ich ..." Abby brach ab, als sie sah, wie Justin leicht den Kopf schüttelte. "Ich brauchte eine Bleibe und Justin einen Mitbewohner. Ich schätze, man könnte sagen, es war ein Gewinn für uns beide."

Jane versuchte zu lächeln, sagte aber nichts mehr. Wieder senkte sich eine peinliche Stille über den Mittagstisch. Obwohl Justin sie gebeten hatte, heute mit ihm zu essen, hatte Abby das Gefühl, dass sie die Party gestört hatte. Er hatte immer wieder versucht, sie in die Gruppe zu holen und sie in die Diskussion einzubeziehen, aber sie war so viele Jahre für sich geblieben, dass sie das Gefühl hatte, zu bestimmten Themen nicht viel beitragen zu können. Die Unterhaltung war bestenfalls gestelzt.

"Nun, ich bin froh, dass du meinen Rat befolgt hast.", sagte Chris und brach das Schweigen. "Ich habe dir ja gesagt, dass es ein genialer Plan ist."

"Genial?", spottete Jane. "Sie wollen beide der neue Kreativdirektor werden. Einer von beiden wird wahrscheinlich vergiftet werden."

Der warnende Blick, den Jane Justin zuwarf, zeigte deutlich, dass sie dachte, Justin sei derjenige, der sich Sorgen machen müsse.

Justin lächelte Jane leicht an und schüttelte den Kopf. "Ich muss zugeben, dass ich anfangs etwas skeptisch war, aber es ist gar nicht so schlecht. Sie backt fantastische Muffins und wir können eine Fahrgemeinschaft bilden, was uns beiden Benzin spart, nicht wahr Abby?"

"Äh, ja. Die Fahrgemeinschaft heute Morgen hat Spaß gemacht."

Abby spürte, wie sich ihr Gesicht erhitzte, als sie sich an die Fahrt zur Arbeit erinnerte. Ihr Auto war viel zu klein für Justins große Statur und sie hatte sein Knie mehrmals versehentlich berührt, als sie den Gang einlegte. Sie hatte es geschafft, ihre Hand nicht wegzuziehen, als sie spürte, wie Elektrizität über ihre Haut tanzte, aber sie hatte nicht verhindern können, dass sie rot wurde. Es hatte sicher auch nicht geholfen, dass sie das Bild von ihm, nur im Handtuch gekleidet, nicht vergessen konnte. Jedes Mal, wenn sie sich daran erinnerte, fühlte sie sich heiß und prickelnd - wie genau in diesem Augenblick.

Gott sei Dank schien Justin keine Ahnung zu haben, was ihr durch den Kopf ging. Es war eine große Erleichterung gewesen, als er ihr sagte, sie könnte den Vorfall im Flur vergessen. Er schien überhaupt nicht sauer auf sie zu sein und war auf der Fahrt zur Arbeit wie immer zu Scherzen aufgelegt. Das Gespräch zwischen ihnen war einfach verlaufen. Zumindest nachdem sie damit fertig waren darüber zu streiten, was sie auf dem Weg hören sollten. Sie lächelte jedes Mal, wenn sie an den entsetzten Blick dachte, den er aufgesetzt hatte, als sie ihre N'Sync CD einlegen wollte. Er hatte ihr gesagt, ihn zu zwingen, eine Boyband zu hören, käme dem Versuch gleich, ihn zu kastrieren.

Justin war lustig. Er brachte sie zum Lachen. Als sie schließlich nachgab und die Nova-Frühstückssendung einschaltete, teilte er all seine dummen Gedanken zu jedem Thema. Er war wirklich gut darin, die lustigen Seiten der Dinge aufzuzeigen. Als sie bei der Arbeit ankamen, war sie in bester Laune. Sie genoss es wirklich, Zeit mit ihm zu verbringen. Er war warmherzig und aufrichtig und ... und völlig unerreichbar. Warum fiel es ihr so schwer, sich daran zu erinnern? Ihre Schwärmerei hätte zerbrechen sollen, als sie von Sarah gehört hatte.

Warum fühlte es sich dann nicht so an?

"Nun, ich sollte wieder an die Arbeit gehen.", sagte Jane.

Abby stand auf. "Ich auch." Sie brauchte Arbeit, um sich vom Tagträumen abzulenken.

"Hey, bist du immer noch bereit, mich heute Abend von O'Reillys nach Hause zu fahren?", fragte Justin und trat neben sie, als sie sich auf den Weg zu ihrem Platz machte. 

"Na klar."

"Gut." Er wartete, bis sie hinter ihrem Schreibtisch saß, bevor er sich ihr gegenüber setzte. "Ich dachte, das Mittagessen lief heute ganz gut."

Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln. "Äh, ja. Ich schätze, du hast dich während der langen Stille nicht so unwohl gefühlt wie ich."

"Du musst dem Ganzen  etwas Zeit geben, Abby."

"Ich weiß. Es ist nur so, dass ich mich in den letzten neun Jahren buchstäblich isoliert habe. Ich mache mir Sorgen, dass ich vergessen habe, wie man mit Menschen umgeht."

"Das hast du nicht. Ich habe gesehen, wie du mit Kunden umgehst, und du bist großartig. Außerdem kommst du gut mit Tony und Yvette aus, also mach dir nichts draus."

"Ich scheine keine Probleme zu haben, mit den Kunden zu reden, oder mit dir, oder mit Tony und Yvette. Nur mit allen anderen habe ich Probleme. Ich muss mir ein Leben zulegen, damit ich den Leuten auch wirklich etwas zu erzählen habe."

"Nun, wir arbeiten daran."

Es war nicht zu überhören, dass er 'wir' gesagt hatte, als ob er sich ihr Problem zu eigen gemacht hätte - als ob es ihm egal wäre, wie viel es ihm kosten würde, dies zu tun. Er war auf ihrer Seite und ihr fehlten die Worte, um ihn zu sagen, wie dankbar sie dafür war.

"Danke.", sagte sie zu ihm, als er aufstand.

Ihr Herz flatterte in ihrer Brust, als sein warmer und fester Blick den ihren traf. "Keine Ursache."

"Du weißt, dass es nicht nur um die Beförderung geht, oder?", fragte sie ihm impulsiv. "Ich meine, natürlich spielt das eine Rolle, aber ich möchte wirklich keine Leute mehr wegstoßen. Ich will nicht einsam sein. Es geht nicht nur darum, dass ich weiterkommen will."

Er nickte. "Ich war noch nie einsam, aber ich kann mir vorstellen, dass es scheiße ist."

"Das ist es."

Das Mitgefühl in seinen Augen war zu viel für sie und sie musste wegsehen.

"Weißt du, wie du von hier zu Tony und Yvette kommst?", fragte er nach einem Moment.

"Ich habe vorhin auf Google Maps nachgesehen. Ich denke, ich schaffe das schon."

"Cool. Ruf mich an, falls du dich verfährst."

Sie nickte und war wieder einmal beeindruckt, dass er so gewillt war ihr zu helfen. "Das werde ich."

"Nun, ich schätze, ich sollte zurück an meinem Schreibtisch. Wir sehen uns später?"

"Ja.", grinste sie. "Bis später."

Er schenkte ihr ein letztes Lächeln, bevor er ging und sie kam nicht umhin zu denken, dass fünf Monate eine wirklich kurze Zeit waren. Wäre sie auf Justins Freundschaftsangebote eingegangen, als sie bei Kale & Wells angefangen hatte, wären die letzten sechs Jahre wahrscheinlich ganz anders verlaufen. Sie hätte Jahre gehabt, um ihn kennenzulernen und seine Freundschaft zu genießen. Jetzt hatte sie nur noch Monate.

                                                                              *****

Abby kam mit einer Flasche Wein und einem Baguette vor der Tür von Tony und Yvette an. Nachdem sie geklingelt hatte, öffnete Yvette die Tür und umarmte sie.

"Meine Freundin Emily und ihr Freund Steve sind bereits da.", sagte Yvette, als sie Abby ins Haus zog.

"Cool."

Als Yvette vorhin erwähnt hatte, dass sie sechs Personen zum Abendessen erwartete, war Abby innerlich erst ausgeflippt, bevor sie sich daran erinnert hatte, dass es eine Gelegenheit war, Leute zu treffen und mit ihnen zu reden. Die musste sie ergreifen.

"Ich bin mit Emily seit der fünften Klasse befreundet.", fuhr Yvette fort.

Abby nickte und folgte Yvette in einen großen Wohnbereich mit einem Esstisch, der mit wunderschönen rot-goldenen Geschirr gedeckt war. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes befanden sich ein langes Sofa und ein Fernseher.

"Hi, ich bin Emily.", sagte eine attraktive Rothaarige und stand vom Sofa auf. "Freut mich dich kennenzulernen."

Abby schüttelte Emilys Hand und schätzte ihr warmes Lächeln.

"Und ich bin Steve."

Ein sehr großer Mann kam herüber und baute sich neben seiner Freundin auf. Der Mann war ein Riese, aber nach der Wärme in seinen Augen zu urteilen, war er ein freundlicher Riese.

"Komm und bring den Wein in die Küche, Abby.", wies Yvette sie an.

Tony, der eine Kochschürze trug, rührte gerade etwas um, als Abby hereinkam. Er grinste als er sie sah. "Hey, Abby."

"Hi. Das Essen riecht toll. Kann ich dir bei irgendwas helfen?"

Tony schüttelte den Kopf. "Nein, es ist alles fertig. Wir warten nur noch auf unseren letzten Gast."

Yvette verzog das Gesicht. "Er ist immer zu spät. Ich weiß nicht, warum du ihn einladen musstest, Tony."

"Er hat sich praktisch selbst eingeladen."

"Weil du ihm gesagt hast, dass wir mit Justins neuer Mitbewohnerin zu Abend essen und Brett sie kennenlernen wollte."

"Er wollte mich kennenlernen?", fragte Abby. "Warum?"

"Anscheinend ist er immer hinter den Mädchen her, mit denen Justin ausgeht.", erklärte Yvette weiter.

"Aber ich bin nicht mit Justin zusammen."

"Das habe ich ihm gesagt.", sagte Tony. "Aber er war trotzdem neugierig auf dich."

"Er wird Ärger machen.", sagte Yvette entschieden.

"Er hat ein Nein nicht akzeptiert. Sieh es doch mal so: Brett ist eine weitere Person, die wir Abby vorstellen können."

"Ich wollte sie nie -"

"Sie hätte ihn wahrscheinlich sowieso irgendwann kennengelernt."

"Hallo?", rief eine Stimme aus dem Eingangsbereich des Hauses.

"Da ist er.", sagte Tony und verließ die Küche.

"Sei vorsichtig in seiner Nähe, Abby.", warnte Yvette. "Er ist immer noch verbittert, dass Justin bei Sarah gelandet ist."

Es blieb keine Zeit, um nachzufragen, denn in diesem Moment kamen Tony und ein Mann, bei dem es sich vermutlich um Brett handelte, zurück in die Küche.

"Na hallo, meine Hübsche.", sagte Brett und stieß einen leisen Pfiff aus, als er Abby sah.

Abby hätte nicht gedacht, dass sie die Art von Frau war, die darauf reagierte, wenn man ihr nach pfiff, aber sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht und in den Nacken stieg. Andererseits wurde ihr nicht jeden Tag von einem Mann nach gepfiffen, der aussah, als käme er vom Cover Bad Boys 'R' Us. Yvette hätte ihr ruhig sagen können, dass Brett ein attraktiver Mann war. Mit seinen dunkelbraunen Augen, dem gewellten schwarzen Haar, dem olivfarbenen Teint und der Lederjacke, sah er dunkel, sexy und ein bisschen gefährlich aus.

Als sein Blick über sie glitt, war sie froh, dass sie sich heute Abend etwas Mühe mit ihrem Aussehen gegeben hatte. Sie trug einen grauen Faltenrock mit rosafarbenen Streifen, ein ärmelloses Oberteil, das in der Taille geschnürt war, und glitzernde grau-schwarz karierte Highheels. Mit einem Lockenstab hatte sie sich ein paar Wellen ins Haar gezaubert und sich für den Abend geschminkt.

Brett sah aus, als wäre er von ihrem Aussehen mehr als nur ein wenig beeindruckt, und ein Schauer durchfuhr sie. Es war nicht das erste Mal, dass ein Mann sie anerkennend ansah, seit sie nach Melbourne gezogen war, aber es war das erste Mal, dass sie zurücklächelte.

"Du kannst dich schon hinsetzen Brett. Das Essen ist fertig -  wir haben nur auf dich gewartet.", sagte Yvette forsch.

"Hallo auch an dich, Yvette.", sagte Brett, bevor er sich wieder Abby zuwandte.

"Sollen wir?", fragte er und deutete auf die Tür, die sie ins Esszimmer führte.

"Sie nickte. "Ja."

"Nach dir, Abby." Sein Grinsen bedeutete Ärger, als er sagte: "Ich halte mich immer an die Regeln: Ladys First."

                                                                    *****

"Die Nacht ist noch jung.", sagte Brett, als das Abendessen beendet war und der Nachtisch serviert wurde. "Wie wäre es, wenn wir alle ausgehen und uns einen Ort zum Tanzen suchen?"

Steve streckte sich und legte seinen Arm auf die Rückenlehne von Emilys Stuhl. "Ich bin müde. Ich glaube, wir machen Schluss für heute, obwohl das Abendessen wirklich fantastisch war. Danke Leute."

Emily nickte. "Das Essen war fantastisch. Die Gerichte, die ihr beide zusammen kocht, sind einfach umwerfend.", sagte sie zu Tony und Yvette. "Aber jetzt bin ich so satt, dass ich mich wohl nicht mehr vom Tisch rühren kann."

"Da muss ich zustimmen.", mischte sich Abby ein. "Das Essen war fantastisch."

"Es war eine Gemeinschaftsarbeit.", sagte Yvette und sah Tony bewundert an.

"Nee, Babe. Du warst heute Abend der Chefkoch. Ich war nur dein bescheidener Helfer.", antwortete Tony und zwickte Yvette in die Nase.

Es fühlte sich fast ein wenig voyeuristisch an, ein Paar zu beobachten, das so ineinander verstrickt war. Abby konnte sich nicht vorstellen, jemals von jemandem so gefesselt zu sein, und bis vor kurzem hatte sie auch nicht gedacht, dass sie das jemals sein wollte. Aber als sie Tony und Yvette so zusammen sah, sehnte sie sich nach dieser Art von intensiver Verbindung. Unvermittelt kamen ihr Bilder von Justin in den Sinn, wie er sie so ansah. Ihr Herz setzte einen Schlag aus und ihr Magen senkte sich, als Reaktion darauf. Zu schade, dass das nie passieren würde.

"Was denkst du, Abby?", fragte Brett. "Sollen wir die vier sich selbst überlassen und die Stadt unsicher machen?"

Wenn Brett an etwas anderem interessiert gewesen wäre als an Sex, wäre Abby vielleicht in Versuchung gekommen. Der Kerl hatte die ganze Nacht dick aufgetragen. Er hatte ihr Drinks eingeschenkt, hatte ihr Fragen über ihren Job gestellt und wie es ihr gefiel, mit Justin zusammenzuwohnen, und hatte keine Gelegenheit ausgelassen, sie zu berühren.

Sie war nicht sehr erfahren, was Männer anging, aber sie war sich ziemlich sicher, dass Brett nur mit ihr schlafen wollte. Und er kam so plump rüber, dass es unmöglich war Yvettes Warnung von vorhin zu vergessen.

"Sie kann nicht.", antwortete Yvette für sie. "Sie holt Justin ab, stimmts Abby?"

"Ja, das tue ich."

"Wo holst du ihn ab?", fragte Brett.

"O'Reillys.", antwortete Abby ihm. "Das ist der Pub gegenüber von unserer Arbeit."

"Warst du schon mal da?", fragte Brett und wandte sich an Tony.

"War ich. Da gibt es Billardtische und eine Jukebox. Kein Tanzen."

"Es ist schon eine Weile her, dass ich mich mit Justin getroffen habe, und ich könnte eine Runde Billard vertagen. Hast du etwas dagegen, wenn ich mitkomme, Abby?"

Sie war sich nicht sicher, ob Justin sich freuen würde, wenn sie mit Brett im Schlepptau bei O'Reillys auftauchte. Sie konnte immer noch nicht herausfinden, ob Brett und Justin Freunde oder Feinde waren. Auf jeden Fall war sie sich sicher, dass sie mit Brett nicht für längere Zeit alleine bleiben wollte, und sie hatte siech darauf gefreut, ihren Mitbewohner heute Abend etwas mehr unter vier Augen kennenzulernen. Sie wollte sich die Chance nicht verbauen, indem sie Justin verärgerte.

"Äh ... ich hatte nicht vor lange zu bleiben. Ich wollte Justin abholen und gehen."

"Das ist okay. Ich kann einen anderen Weg nach Hause finden, oder ich komme mit dir nach Hause."

Abby beobachtete, wie Yvette Tony einen Ellbogenstoß in die Rippen versetzte.

"Weißt du, ich hätte auch nichts gegen eine Partie Billard.", meldete sich Tony.

"Ja, ich auch nicht.", stimmte Yvette zu.

"Toll", sagte Abby und atmete erleichtert auf.

"Warum räumen wir dann nicht auf.", bot Emily an. "Dann kannst du jetzt gehen."

"Auf keinen Fall.", erwiderte Yvette. "Ihr seid Gäste. Tony und ich werden morgen aufräumen."

"Ausgezeichnet.", sagte Brett. "Ich kann es kaum erwarten Justins Gesicht zu sehen, wenn er mich sieht."

Da sie nicht wusste, wie sie diese Bemerkung deuten sollte, sah Abby zu Tony.

"Du magst jetzt Justins Erzfeindin sein, aber Brett war es in der Highschool.", erklärte Tony.

Brett grinste. "Justin war eifersüchtig, weil ich mehr Mädchen geküsst habe als er."

"Ihm war es egal, wie viele Mädchen du 'geküsst' hast, weil er mit Sarah zusammen war.", erinnerte Tony ihn.

Bretts Gesicht verfinstere sich. "Ich verstehe immer noch nicht, warum sie sich für Justin und nicht für mich entschieden hat."

Oberflächlich betrachtet waren Justin und Brett beide verdammt gut aussehende Männer, aber nach dem wenigen, was sie über sie wusste, konnte Abby verstehen, warum Sarah sich für Justin entschieden hatte. Er war ein toller Kerl.

"Weil Justin besser im Football war als du.", scherzte Tony.

"Sie hat ihren Football geliebt.", sagte Brett liebevoll.

"Sollen wir gehen?", fragte Abby.

Sie war sich sicher, dass Sarah eine sehr nette Person war, aber dieses ganze Gerede darüber, wie wunderbar sie war, machte Abby ein wenig gereizt.

"Ich fahre mit dir, Abby.", verkündete Brett. "Yvette und Tony können uns folgen."

Sie wusste, dass sie wie ein Reh in Scheinwerferlicht aussah, aber Tony zeigte nur mit einem Finger auf Brett. "Sei nett zu Abby."

Brett schnitt ihm eine Grimasse. "Ich habe vor, sehr nett zu Abby zu sein."

"Justin könnte dir wieder die Nase brechen, wenn du zu nett bist."

"Er kann es versuchen.", erwiderte Brett.

Abby bezweifelte stark, dass Justin Brett ihretwegen schlagen würde. Allerdings konnte sie nicht leugnen, dass sie wissen wollte, warum Justin Brett beim letzten Mal die Nase gebrochen hatte. Es hatte wahrscheinlich etwas mit Sarah zu tun.

"Dann machen wir uns auf den Weg.", sagte Emily.

Abby schloss sich Yvette, Tony und Brett an, um sich von Emily und Steve zu verabschieden, und dann eilten die vier zur Tür hinaus.

"Ich habe da drüben geparkt." sagte Abby und zeigte Brett ihr Auto.

Er legte seine Hand auf ihren unteren Rücken und sie zuckte zusammen.

"Du kannst dich entspannen, Abby.", sagte er zu ihr, als sie zusammen über die Straße gingen. "Ich werde dich nicht anspringen. Es sei denn du willst es ..."

Sie schloss das Auto auf. "Äh ..."

"Ich möchte nur ein bisschen reden, dich kennenlernen.", sagte er und setzte sich neben sie auf den Beifahrersitz. "Also erzähl mir alles über dich, Abby Gillis."

                                                                    *****

"Du hast was getan?"

Justin hielt sein Telefon so fest umklammert, dass er befürchtete, es könnte jeden Moment in Stücke brechen. Verzweifelt wollte er Tonys Begründung hören, warum er Abby mit Brett Henderson allein gelassen hatte, und verließ das O'Reillys. Zwischen der Jukebox, die drinnen spielte, und den Autos auf dem Highway, die draußen vorbeirauschten, war es immer noch schwierig ein Gespräch zu führen, aber wenigstens konnte er seinen Freund - möglicherweise Ex-Freund - jetzt ein bisschen besser verstehen.

"Ich habe Brett gewarnt, dass du ihn noch einmal die Nase brichst, wenn er irgendwelche komischen Dinge anstellt.", teilte Tony ihn mit.        

"Verzeih mir, wenn ich nicht im Geringsten erleichtert bin."

"Wenn ich gewusst hätte, dass du so ein Problem damit hast, hätte ich darauf bestanden, dass wir alle in einem Auto fahren."

"Du weißt doch, wie er mit Frauen umgeht. Was ist, wenn er diesen Scheiß bei Abby abzieht?"

Nach dem Gespräch, dass sie heute Morgen geführt hatten, war Justin sich ziemlich sicher, dass Abby nicht gerade eine Jungfrau war, aber sie kam ihn auch nicht übermäßig erfahren vor.

"Er hat es versucht.", sagte Tony. "Aber Abby ist nicht drauf angesprungen. Ich schätze, sie wird ihm auf dem Weg im Auto abschießen, sein Ego wird enttäuscht sein und er wird mit eingezogenem Schwanz nach Hause fahren."

"Ja, genau.", murmelte Justin. "Niemand hat je eine Delle in sein Ego gemacht."

"Außer Sarah."

"Außer Sarah.", wiederholte er. "Wann seit ihr hier?"

"Ich weiß nicht, wie schnell Abby fährt, aber ich sitze in Yvettes Auto, und sie fährt in diesem Moment etwa 30KM/H unter dem Limit. Autsch. Sie hat mir gerade in die Rippen gestochen."

"Ich habe Tony gesagt, er hätte Brett nicht zum Essen einladen sollen.", hörte Justin Yvette schreien. "Aber er hat nicht gehört."

"Schön zu wissen, dass Yvette mir wenigstens den Rücken stärkt.", sagte Justin.

Tony war in der Highschool nie mit Brett befreundet gewesen, aber als Bretts Vater ihn als Lehrling in seinem Landschaftsbauunternehmen aufgenommen hatte, hatten sich die Dinge geändert.

"Wir sollten in zwanzig Minuten da sein.", beantwortete Tony dann doch noch Justins Frage.

"Bis dann.", sagte Justin, legte auf und ging zurück in den Pub.

Er vermutete, dass Abby und Brett vor Tony und Yvette ankommen würden. Abby hatte einen ziemlichen Bleifuß. Im Besprechungsraum mochte sie gründlich und präzise sein, aber hinter dem Steuer war sie unerbittlich und kühn. Dieser Widerspruch in ihren Wesen war nur ein weiterer Punkt auf der Liste der Dinge, die er in letzter Zeit über Abby Gillis gelernt hatte.

Sie war nicht ganz so geradlinig und unkompliziert, wie er gedacht hatte. Sie hatte diese kleinen Ungereimtheiten und Macken, die er aufdeckte, und jede einzelne war eine Überraschung, die ihm gefiel. Er hatte die Fahrt zur Arbeit mit ihr heute Morgen genossen. Abby war eine gute Gesellschaft. Eine wirklich gute Gesellschaft. Und er hatte sich den ganzen Tag auf ihre gemeinsame Heimfahrt gefreut. Bis jetzt. Er war wirklich nicht erfreut zu hören, dass Brett sie angemacht hatte.

Tony hatte zwar erwähnt, dass Abby nicht auf Bretts 'Captain-Charming' Masche hereinfiel, aber die dreißig Minuten Fahrt zu O'Reillys waren mehr als genug Zeit für ihn, seinen Zauber wirken zu lassen. Justin war immer wieder überrascht, wie viele Frauen auf Bretts dämlichen Tricks hereingefallen waren. Wenn Abby so unschuldig war, wie sie schien, und so einsam, wie sie sich gab, bestand eine gute Chance, dass sie auf seine Aufmerksamkeit hereinfiel. Der Gedanke verdrehte ihn den Magen.

Was sollte er zu ihr sagen, wenn sie völlig verknallt in seinen alten Rivalen ins O'Reillys kam? Vor ein paar Wochen hätte Justin sich vielleicht noch einreden können, dass es ihn nichts anginge, mit wem Abby ausging. Es hätte ihn zwar immer noch gestört, dass sie von Brett hinter Licht geführt wurde, aber er hätte es dabei belassen können. Jetzt wo sie Freunde waren, störte ihm der Gedanke, dass Brett seinen Charme auf sie ausübte, mehr als nur ein wenig. Er kümmerte sich um seine Freunde. Er hatte Abby unter seine Fittiche genommen, und er wollte nicht, dass sie verletzt wurde.  

"Wann kommt Abby?", fragte Chris, als Justin an den Tisch zurückkehrte.

"Irgendwann jetzt, denke ich.", antwortete Justin, der nicht wusste, warum Chris aufgeregter Gesichtsausdruck ihn so sehr ärgerte.

"Eigentlich ...", sagte Chris, und lehnte sich an ihm vorbei, um den Eingang des Pubs zu sehen. "Ist sie hier. Und sie ist mit jemanden hier. Wer ist das?"

"Ja, wer ist das?", fragte Renee. "Hallo McSteamy."

Justin drehte sich um und sah Abby und Brett in ihre Richtung kommen. Sie trug heute Abend zwar nicht ihre hautengen Jeans und ihr enges T-Shirt, aber der Rock und das ärmellose Top, das sie trug, betonte jede Kurve. Und wenn die Zurschaustellung jeder Kurve nicht reichte, um seinen Mund auszutrocknen und gleichzeitig seinen Speichelfluss anregte, dann waren es definitiv ihre Beine.

Er bewunderte gerade, wie lang und schlank sie aussahen, als eine Bewegung über ihnen seine Aufmerksamkeit erregte. Bretts Hand ruhte besitzergreifend auf Abbys Hüfte. Adrenalin schoss durch ihn hindurch, und sein Herz klopfte so schnell, dass er das Gefühl hatte, ihm würde schlecht werden. Der Anblick von Brett und Abby zusammen erschreckte ihn so sehr, dass sein Körper alles tat, um es zu verdrängen.

Doch als Abbys Blick seinen traf, lang eine Wärme und ein Licht in ihren Augen, die ihn sofort beruhigten. Sie freute sich, ihn zu sehen, stellte er fest. Wenn er sich nicht irrte, war sie sogar erleichter. Er ertappte sich dabei, wie er zu ihr hinüberging, um sie zu begrüßen.

"Hi.", sagte sie, als sie ihn erreichte.

Ihr Lächeln war schmal und ein wenig unsicher, als wäre sie nicht ganz sicher, ob er sich freute, sie zu sehen. Um ihre unausgesprochene Frage zu beantworten, senkte er den Kopf und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. So begrüßte er oft seine weiblichen Freunde, aber er konnte nicht leugnen, dass er sie berühren wollte, um ihr auf die einzige Weise, die er kannte, zu zeigen, dass er sich freute sie zu sehen.

Der Duft ihres Parfüms umhüllte ihn sofort, und als er zurücktrat, sah er, dass ihre Augen dunkel und heiß, und ihre Wangen leicht gerötet waren. Die Lust trat ihn hart in den Magen. Sie zu berühren war wahrscheinlich ein Fehler gewesen, aber er konnte sich nicht dazu durchringen, es zu bereuen.

"Begrüßt du so alle deine Freunde?", fragte Brett und lächelte ihn süffisant an.

Justin wusste nicht genau, warum Brett dort war, aber er würde verdammt sein, wenn er zuließ, dass er Abby noch mehr von seinem Scheiß erzählte. Brett würde auf keinen Fall mit Abby da hinausgehen, und je eher er das begriff, desto besser.


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