•·.· TWENTY-ONE ·.·•
• fühl mal was du denkst, anstatt zu denken was du fühlst •
1148 Words
Kein wirkliches Interesse daran, übers Küssen hinauszugehen. Tja, da wurde ich wohl eines Besseren belehrt.
Ich sah Harry noch für einen Moment hinterher, dann ließ ich mich auf eine der Bänke nieder und fuhr mir mit meinem Zeigefinger über die Lippen. Lippen, die noch immer prickelten und nach mehr verlangten, so intensiv, dass ich versuchte, das pulsieren in meiner Hose irgendwie zu ignorieren. Das sich der Film von dem was gerade eben passiert ist ununterbrochen vor meinen Augen abgespielt hatte, merke ich erst, sobald ich blinzelte und erkannte, wie trocken sie geworden waren.
Ich merkte, wie mir das Blut in die Wangen schoss, räusperte mich einmal peinlich berührt und packte dann den Rest meiner Sachen zusammen, ehe ich mir meine Trainingsjacke überzog und nach draußen trat. Die Luft war ein wenig abgekühlt und für einen Moment schloss ich meine Augen, während ich tief durchatmete und mein Handy aus der Tasche holte.
Schneller als mein Kopf diesen Gedanken zu Ende denken konnte, hatte ich bereits auf Kim's Kontakt gedrückt und hielt mir das Telefon ans Ohr. Es klingelte lediglich drei Mal, bevor meine Stiefmutter ranging und ich kurz nicht wusste, was ich eigentlich wollte, bevor mein Mund sich nach ihrer Begrüßung selbstständig machte.
"Hey Kim. Ich weiß, das kommt jetzt plötzlich und es ist auch vollkommen okay, wenn du Nein sagst, aber... können wir zum Friedhof fahren?"
"Natürlich, Louis." Ihre Stimme war warm und ich konnte ihr Lächeln förmlich vor mir sehen, als ich aufgrund der Überforderung emotional wurde und Tränen in meinen Augen spürte. "Bist du fertig mit dem Schwimmen? Dann komme ich dich abholen."
Ich bejahte und bedankte mich unzählige Male bei ihr, bevor ich auflegte und mich vor der Schule auf den Bürgersteig setzte. Wie von selbst trugen mich meine Gedanken auf Instagram und ich gab Harry's Namen in der Suchleiste ein. Es dauerte nicht lange, bis er mir angezeigt wurde und mein Daumen über sein Profil scrollte.
Er hatte mich tatsächlich geküsst. Ein kleiner Teil in mir hatte sich seit dem Lager einreden wollen, dass ich doch zu viel in die Situation rein interpretiert hatte, doch nein. Er hatte mich wirklich geküsst.
Du solltest einfach froh sein, dass ich mich zurückgehalten habe.
Hatte er mit diesem Satz auf den Fast-Kuss angespielt? Das er sich im Lager davor zurückgehalten hatte, mich zu küssen? Fiel es ihm schwer, sich zurückzuhalten?
Mein Kopf platzte und ich seufzte genervt auf, bevor ich mein Handy beiseite legte und mein Blick in die Ferne fand. Er konnte mich nicht leiden, und ich ihn genauso wenig. Trotzdem konnte ich nicht leugnen, dass mir der Kuss gefallen hatte. Und ihm offensichtlich auch.
Ja, mit seinem 'Fuck' lag er gar nicht so falsch.
Kim's Wagen blieb genau vor mir stehen und holte mich somit aus meinem Gedankenchaos, woraufhin ich mich nach oben stemmte und wenig später auf den Beifahrersitz rutschte. Sie hatte im Hintergrund leise das Radio laufen, sah mich mit einem warmen Lächeln an und hatte bereits den Navi gestartet, als ich mich anschnallte und sie kurz darauf losfuhr.
"Danke das du mich abholst und zum Friedhof bringst. Ich weiß, wir hatten da gar nicht drüber gesprochen, aber..." - Ich brauche das heute einfach. Ich musste meiner Mutter davon erzählen und auch wenn es mir sonst schon half, nur daran zu denken, dass sie irgendwie immer bei mir war, so brauchte ich gerade mehr Nähe. Dies zeigte mir wieder, dass Friedhöfe viel mehr für die Angehörigen waren, als den toten Menschen.
"Ich mache das gerne, Louis. Immer wenn ich kann, das habe ich dir doch gesagt." Sie legte ihre Hand auf meinen Unterarm und drückte kurz liebevoll zu, bevor sie den Blick wieder zur Straße wandte. "Möchtest du mir erzählen, wie das Schwimmen gelaufen ist?"
"Ich hab gewonnen." Bei dem Gedanken trat ein ehrliches Lächeln auf meine Lippen und mein Herz klopfte schneller, als ich an jenen Moment zurückdachte, wo mir dies bewusst geworden war. "Es war unglaublich knapp, so etwas knappes habe ich noch nie erlebt, aber ich habe gewonnen."
"Herzlichen Glückwunsch, Louis. Irgendwie hatte ich das im Gefühl. El hatte mich darauf angesetzt, dich zu fragen, ob es für dich okay ist, wenn wir mit zu dem Wettkampf fahren? Ich soll auch sagen, dass wir auf keinen Fall peinlich sind und uns zusammenreißen können. Wir würden dich aber gerne unterstützen."
"Das wäre schön", beantwortete ich ihre Frage ehrlich und hatte für einen Moment sogar das Bedürfnis, ihr von dem zu erzählen, was eben passiert war. Doch so warm ich auch mit ihr geworden war, dies wäre noch ein Schritt zu viel. Und sie kannte Harry und soweit ich weiß, hatte bisher noch niemand erwähnt, dass er auch auf Jungs steht.
Was er ja offensichtlich tat, oder?
Den Rest der Fahrt verbrachte ich in meinen Gedanken, doch Kim schien dies nicht zu stören und sie ließ mich in Ruhe träumen, bis wir schließlich auf dem Friedhof ankamen und sie sich einen Parkplatz in der Nähe des Eingangs suchte.
"Ich habe noch einen Halt beim Blumenladen gemacht, ich hoffe, das ist okay." Kim lehnte sich nach hinten und holte ein Gedeck hervor, dass ich bisher noch gar nicht gesehen hatte. "Ich weiß zwar nicht, was deine Mutter so gemocht hat, aber ich dachte, es ist schlicht."
"Danke." Bevor sie sich noch mehr in Unsicherheit reden konnte, unterbrach ich sie mit diesem ehrlichen Wort, welches heute nun schon unzählige Male meinen Mund verlassen hatte. "Ich wünschte, ich könnte mehr sagen, aber ... Danke. Für alles."
Sie nickte, gab mir das Gedeck und traute sich, mir kurz über die Wange zu streichen, bevor sie mir sagte, dass sie hier auf mich warten würde und ich mir ruhig Zeit lassen sollte. Als Bestätigung holte sie ein Buch aus ihrer Handtasche, welche die Fahrt über neben meinen Füßen verbracht hatte und ich bedankte mich erneut, bevor ich die Beifahrertür schloss und dann den Friedhof betrat.
Es dauerte nicht lange, bis ich den Grabstein gefunden hatte und sogleich das Gedeck hinlegte. Für einen Moment war mein Mund noch wie zugeklebt, als ich mich auf den Boden setzte und in den Himmel blickte. Da der Wind ging, schwebten die Wolken in einem gehetzteren Tempo durch das helle blau, als es sonst oft der Fall war. Ich schloss meine Augen, nahm einen tiefen Atemzug und begann laut zu denken.
Ich erzählte ihr davon, dass Kim ihr das Gedeck besorgt hatte und ich wirklich damit begann, diese Frau zu mögen. Das ich mich anstrengte, nicht mehr ganz so abweisend zu sein und diese Gefühle sich tatsächlich zu ändern schienen. Ich berichtete von dem Trainingscamp, von dem Fast-Kuss und Harrys verändertem Verhalten mir gegenüber. Natürlich berichtete ich auch von dem Wettschwimmen und dem knappen Endergebnis. Und dann von dem Kuss.
"Ich weiß nicht was ich tun soll, Mum."
Ich weiß nicht, was ich fühle. Und das ich niemanden hatte, mit dem ich darüber sprechen konnte, machte alles einfach nur noch schlimmer.
[...]
Mit wem sprich man, wenn man nicht aus Versehen jemanden outen möchte?🥹
Vielen Dank für eure Kommentare und das lesen ♥️
Lots of Love xx
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top