Chapter 9: Unendlichkeit


//Wo bleibt der.// dachte Deria seufzend, als sie auf die Uhr schaute: 17:10 Uhr.
Ihr „Privatunterricht" hätte schon vor zehn Minuten begonnen, doch von Gojo war noch keine Spur. Sie knetete ungeduldig ihre Hände, als ihr die Konversation mit Mish heute Morgen in den Kopf kam.

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„DERI! WENN DU NICHT SOFORT AUS DEINEM BETT KOMMST UND DIE TÜR AUFMACHST, TRET ICH SIE EIN!" hörte sie Mish an ihrer Tür rufen und rütteln, während sie sich noch im Halbschlaf befand. „Ugh." Sie gähnte laut und kroch aus dem Bett, um langsam an die Tür zu taumeln, denn ihr wurde während dem Aufstehen immer kurz schwindelig. Seufzend öffnete sie die Tür und erblickte eine verstört aussehende Mish, die gerade die Hand gehoben hatte, um erneut gegen ihre Tür zu hämmern. „Ist was?" sagte sie ein wenig sauer, denn es gab nichts dass sie mehr hasste, als aus ihrem Schlaf gerissen zu werden.
„Sag du es mir!" sagte sie empört und lief an Deria vorbei in ihr Zimmer. Deria schloss seufzend ihre Tür und stämmte ihre Hände in die Hüfte. „In welchem Film lebst du denn? Träumst du noch? Denn ich hab' absolut keine Ahnung; was du meinst." Sie lehnte sich mit finsterem Blick an die Wand.
„Na, du! Du und Megumi! Wieso hast du mir das nicht erzählt, ich dachte wir-" fing Mish an loszuprusten, doch Deria unterbrach sie mit schallendem Gelächter.
„Ich- und- MEGUMI?! Moment ich fang mich gleich wieder ein." Sie atmete tief ein und aus, um zu verhindern, dass sie erneut lachen musste, doch sie gluckste trotzdem.
„Du musst gar nicht so tun! Ich hab' euch gestern gesehen!" sagte Mish fassungslos und zweifelte nun an ihrem eigenen geistigen Zustand. Sie hatte sich das ja wohl kaum eingebildet.
„Du meinst gestern nach dem Ausflug? Ja, er war bei mir, aber nicht aus dem Grund, den du in deinem Kopf hast." Sie ließ sich kopfschüttelnd und grinsend auf ihr Bett plumpsen. „Aber...Deri bist du dir sicher?" fragte Mish nun ruhiger. „Ja Mish. Absolut." sagte sie beschwichtigend, während sie ihre Augenbrauen in die Höhe zog.
„Aber...warum war er dann bei dir?" fragte Mish neugierig und nahm sich eines von Derias Kissen, auf das sie sich stützte.
„Oh...das ist...naja, es war nichts Wichtiges. Er wollte sich einfach bedanken. Dass ich seine Eule geheilt habe, weißt du."
Deria hasste das Lügen über alles, doch sie wollte nicht, dass Misheru sich unnötig Gedanken um sie machen würde, wenn es ihr doch gut ging. Manche Dinge sollte man einfach für sich behalten.
„Oh. Und da kommt er extra vorbei? Wieso hat er es nicht gestern beim Ausflug gemacht?" fragte sie irritiert und Deria musste erneut lügen, wobei es diesmal sogar wirklich stimmen könnte. „Ich denke er wollte es nicht vor Gojo machen, hätte sonst bestimmt seinen Stolz verletzt."
„Ja, wahrscheinlich." rätselte Mish mit diabolischem Blick ins Nirgendwo, was Deria dazu veranlasste, vor ihrem Gesicht herum zu wedeln. „Noch auf der Erde oder schon auf Planet Yuji 2700?"
„Oh- äh...Yuji?! Ach, das wollte ich dir ja auch noch erzählen!" Sie fing an, breit zu grinsen, doch gleich darauf wandelte sich ihr Ausdruck auch in etwas...trauriges?
„Was guckst du denn so? Solltest du nicht eigentlich glücklicher als ein Honigkuchenpferd sein? Ja ja, ich hab' schon gesehen, ihr habt Händchen gehalten." Nun grinste Deria breit.
„JA, ich dachte ich sterbe, als er meine Hand nehmen wollte..." Sie atmete träumerisch aus.
„Aber das Problem ist.." Das Grinsen sich von ihrem Gesicht, als sie weitersprach: „Er hat gefragt, ob wir Freunde sein wollen. FREUNDE."
„Und deshalb ziehst du so ein Gesicht? Meine Güte Mish, das ist ein Fortschritt! Aus Freunden können auch Geliebte werden, also sieh das doch nicht als Ende, denn das ist es nicht! Schau mal, wenn ihr jetzt Freunde seid, werdet ihr automatisch mehr Zeit miteinander verbringen und dann krallst du ihn dir." Sie lächelte diabolisch, während Mishs Gesicht wieder langsam erstrahlte.
„Ja...du hast ja recht...aber was wenn-"
„NEIN. Nichts was wenn, und jetzt verpiss dich oder leg' dich neben mich, aber ich schlafe jetzt definitiv weiter." Müde ließ sie sich mit dem Gesicht nach vorne in die Kissen fallen.
„Deri es ist schon 7:50!" Rief Mish und rüttelte an Derias Rücken.
„SIEWEN UA WASCH?!" rief Deria in ihr Kissen, bevor sie schlagartig aufsprang und zu ihrem Kleiderschrank rannte, um in ihre Uniform zu schlüpfen. Während sie in ihre Hose rutschte, torkelte sie ins Badezimmer um sich gleichzeitig Haare zu kämmen und die Zähne zu putzen - fürs Schminken würde es wahrscheinlich nicht mehr reichen, doch was sollte es schon, sie sah sowieso aus wie ein wandelnder Zombie, da würde der Concealer unter den Augen auch nicht viel ausmachen.
„DERI! DERI! DERI! DERI! DERI!" feuerte Misheru ihre Freundin an, die nun atemlos vor ihr auftauchte. „Los geht's."

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In ihrer Starre zurückzuckend sah Deria auf, als sie hörte, wie jemand die Tür öffnete. Es war tatsächlich Gojo, der wieder mit Gewand, Augenbinde und seinem üblichen Schmunzeln auf den Lippen eintrat. „Entschuldige die Verspätung, ich hatte noch etwas Wichtiges zu erledigen."
Deria antwortete nichts, sondern verschränkte nur die Arme. Sie fand, es wäre zu viel, wenn sie „Ach ja?" geantwortet hätte. Immerhin war er immer noch ihr Lehrer und kein Junge in ihrem Alter. „Na, wo bleibst du denn?" fragte er, als er sich umdrehte und sie mit einer Handbewegung zu sich lotste. „Ich dachte mir, wir üben heute draußen, aber wir müssen uns ein wenig sputen, immerhin ist es schon 17 Uhr und es wird bald dunkel."
„Draußen.. da bin ich gespannt." sagte sie nachdenklich und folgte ihm hinaus auf die gigantische Gartenanlage der Schule.
„Was werden wir tun?" fragte sie, als sie auf das feuchte Gras trat.
„Lass dich überraschen." grinste er mit erhobenem Finger und im nächsten Augenblick blieb Deria nichts anderes übrig als zu reagieren - denn dieser Spinner warf gerade tatsächlich einen riesigen Stein auf sie!
Blitzschnell kreuzte sie die Unterarme vor ihrer Brust; denn es war zu spät, um auszuweichen. Der Stein hatte die Größe ihres Kopfes und flog mit einer Geschwindigkeit, die die irdischen Gesetze vollkommen umging, auf sie zu. Sie dachte, er würde sie gleich mit voller Wucht treffen, doch so weit kam es nicht: Er zerbröckelte einen Zentimeter vor ihr in Hunderte kleine Stücke. „Gar nicht schlecht für den Anfang!" rief Gojo. Deria ließ fassungslos die Arme sinken. Meinte er das jetzt ernst? Was, wenn sie ihn nicht hätte abwehren können? Sie wäre mit Sicherheit draufgegangen. „Was hat dich so sicher gemacht, dass ich es schaffen würde, ihn abzuwehren?" fragte sie und blickte mit klopfendem Herzen auf den Steinhaufen vor ihr. „Das ist ein Schutzreflex, den hat jeder Jujuzist. Die Angst, vom Stein getroffen zu werden, hat ihn abgeblockt. Du hast ein Schutzschild erschaffen, um genau zu sein." erklärte er ihr munter.
„Im letzten Unterricht hast du Megumis Shikigami mit Fluchkraft angegriffen, doch du solltest auch eine Fluchtechnik erlernen, die dir verhilft, deine Fluchkraft effektiver einzusetzen - nicht, dass sie das nötig hätte."
„Okay und...wie mache ich das?" fragte Deria, während sie ihre Hände streckte.
„Aber, aber! Nicht alles auf einmal. Vorab- hast du Erfahrungen im Nahkampf? Ich denke nicht, denn du wirkst nicht besonders, als könntest du-"
Bam.
Gojos Kopf wurde von ihrem Boxangriff auf seine Wange zur Seite gestoßen. „Also gut." er grinste, als er sich die Wange rieb und in Kampfposition ging. Er holte mit seiner Faust nach Deria aus, doch diese wich nur nach hinten aus. //Verdammt.// dachte sie. Er war ihr nicht nur in Sachen Fluchkraft, sondern auch im Nahkampf meilenweit überlegen, das musste sie einsehen. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als einen geschickten Plan zu entwickeln. Plötzlich lachte er. „Was ist? Schon müde?"
„Das wünschst du dir wohl." konterte sie und zielte mit ihrem Fuß auf seine Beine, was ihr jedoch nicht gelang - er hielt ihr Fußgelenk in der Bewegung fest und wirbelte sie um ihn herum. „Arrgh.." Mit grimmigem Blick riss sie sich los und zielte mit dem flachen Handrücken auf seinen Nacken, um ihn niederzuschlagen, doch wieder wandte er sich in Sekundenschnelle um und packte grinsend ihr Handgelenk. Ohne über die Konsequenzen nachzudenken hob sie diabolisch grinsend ihr Knie und rammte es ihm direkt in den Schritt.
Gojo taumelte einige Schritte zurück und stützte sich auf seinen Oberschenkeln ab. „Der hat gegessen, aber du wirst damit wohl kaum gegen Flüche ankommen." Sein übliches Grinsen platzierte nun wieder sein Gesicht und er lief mit einer beinahe unmenschlichen Geschwindigkeit an ihr vorbei, während er bei ihr angekommen mit einer Hand ausholte und sie an ihrem Hals ein Stück mitnahm, und sie so zu Boden warf.
Deria sah einige Sekunden lang bloß Schwärze - der Aufprall auf dem Hinterkopf war immerhin nicht ohne gewesen, selbst wenn sich unter ihr nur Gras befand. Halt- ihr kam eine Taktik in den Sinn. Wenn sie jetzt weiterhin so tun würde, als wäre sie ohnmächtig, würde er sich ihr bestimmt nähern und den Augenblick seiner Unachtsamkeit würde sie ausnutzen!
„Huch?" Gojo blickte besorgt auf Deria, die am Boden lag und sich nicht regte. Hatte er es etwa übertrieben? Nachdenklich kniete er sich neben sie und fühlte den Puls an ihrer Halsschlagader, was sie unwillentlich dazu brachte, zu schlucken. Jetzt oder nie - sie holte mit ihrer rechten Faust aus und schlug direkt auf seine Brust. Als sie sich wieder aufrichtete, drehte sich die Welt, doch dieser Zustand verflog zumindest nach einigen Sekunden. „Huh?" Wo war er denn jetzt? Sie hatte ihn doch eben geboxt? Doch halt-
Sie musste sich erst gar nicht umdrehen, sie konnte spüren, dass er direkt hinter ihr stand.
Was würde er tun? Was sollte sie tun? Sie musste es herausfinden, aber sie wollte sich auch aus irgend einem Grund nicht umdrehen. Es war die Ungewissheit, die sie sorgte, denn er könnte bereits bereit zum Schlag vor ihr stehen.
Um die Distanz zu vergrößern, machte sie einen Schritt nach vorne, bevor sie sich blitzschnell zu ihm umdrehte. Er stand mit dem Rücken zu ihr und regte sich nicht.
War das jetzt etwa wieder ein Test?
Plötzlich drehte er sich auf dem Absatz zu ihr um und hielt Ausschau, doch nach was?
„Gojo?"
Ohne zu antworten legte er seine Hand auf ihren Mund und zog sie zu sich. Als er ihr bedeutet hatte, still zu sein, entfernte er seine Hand und hielt inne. Im nächsten Moment flogen auch schon brennende Klumpen...moment, waren das etwa...Steine? Auf die beiden zu. Sie hielt schützend die Hände vor sich, doch das, was sie befürchtete, trat nicht ein: Sie prallten einen Zentimeter vor ihnen ab. War das etwa wieder Gojos „Unendlichkeit?"
„Scheint als werden wir angegriffen, nur keine Sorge." sprach er und blickte in die Höhe. Der brennende Steinbeschuss stoppte augenblicklich, doch eine riesige, dämonisch aussehende Kreatur mit Klauen landete und einem grässlichen Kreischen einige Meter vor ihnen. Mit krächzender Stimme fing es an, zu sprechen:
„Satoru Gojo. Wir hatten lange nicht mehr das Vergnügen. Oh~" Das Ding Schritt näher auf die beiden zu, als Gojo antwortete: „Mhm, wirklich? Ich kenne dich nicht, also kannst du nicht besonders sein." Deria starrte nur ein wenig verstört auf das Wesen, von dem sie nun angestarrt wurde. Seine stechenden, roten Augen bohrten sich nur so in die ihre.
„Eine deiner Schülerinnen, nehme ich an? Sie ist hübsch...ihr Körper würde mir sicherlich gefallen." Es grinste, als es zähnefletschend mit Deria Blickkontakt hielt, die nur emotionslos zurück starrte. „Er kann sprechen?" fragte sie verstört. Sie wusste nicht, dass es Flüche gab, die tatsächlich Intelligenz besaßen und sprechen konnten.
Plötzlich lachte Gojo.
„Wer auch immer du bist, du-
„Ich bin eine Frau!" rief es bösartig, während seine Augen aufblitzten.
„Du bist keine Frau, du bist ein hässlicher Fluch, und mehr nicht." Gojo schmunzelte.
„Verschwende deine armseligen Kräfte nicht an mir, denn du wirst sowieso scheitern."
„Du bist wohl sehr von dir überzeugt Satoru Gojo, doch sag mir, was würdest du tun, wenn ich-"
Und plötzlich war es weg. „Wo ist es hin?" fragte Deria während sie sich umblickte.

//Das ist sehr eigenartig. Flüche kommen nicht einfach an eine Jujutsu-Schule mitten im Nirgendwo, es muss also gewusst haben, wo ich arbeite, denn das wäre Selbstmord. Aber wenn es mich von früher kannte, woher wusste es dies dann? Es könnte womöglich auch eine Falle oder nur Bluff gewesen sein, oder ein...Ablenkungsmanöver für etwas viel Größeres. Zu viele Möglichkeiten...was trifft am ehesten zu...// rätselte Gojo in Gedanken, als er sich übers Kinn streichte.
„Was denkst du?" fragte Deria. Sie war sehr gut darin, menschliches Verhalten zu analysieren, und Gojo machte es ihr ziemlich leicht, ihn zu durchschauen. „Das war echt...weird. Denke ich." Sie wusste nicht, wie sie es anders formulieren sollte.
„Wir sollten auf der Hut sein, denn es ist definitiv nicht normal, dass hier aus dem Nichts ein Fluchgeist aufkreuzt. Womöglich sind es in Wahrheit mehrere Fluchgeister oder Personen, die darin verwickelt sind. Bleib also immer wachsam, und gib es auch den anderen weiter, denn wir werden die Spur verfolgen. Tust du das für mich, bitte?"
„Ja, natürlich. Aber sag mir, was war das für ein Ding? Es konnte sprechen und es schien mir auch, als hätte es Intelligenz, wobei ich das Wort bei diesem Ding ungerne in den Mund nehme." Deria verschränkte die Arme.
„Öh, das war einfach ein Fluchgeist, ich schätze mal Kategorie 2 oder 3, nichts Besonderes also."
„Bist du dir da sicher?" fragte sie lauernd.
Schmunzelnd ignorierte er ihre Frage.

„Du musst mir außerdem unbedingt noch diese verschiedenen Arten von Flüchen und so weiter beibringen." bemerkte sie, als sie sich wieder auf den Weg in Richtung der Wohnhäuser machten.
„Immer mit der Ruhe du Streberin, wirst mir noch wie Megumi." Er grinste, doch Deria fand das weniger witzig. „Ich bin keine Streberin. Unwissen führt bekanntlich zum Tod."
antwortete sie kühl. „Ich geh' dann zu den anderen." fügte sie hinzu, ließ Gojo stehen und lief in das Wohnhaus der Schüler.
Sie gab es ungerne zu, aber sein kleiner Kommentar hatte sie stärker getroffen, als es sollte. Sie war keine Streberin, sie wollte einfach besser als alle anderen sein und auf alles gefasst sein. Unantastbar zu sein...das war er doch auch, wieso tat er also so, als wäre das etwas Schlechtes? Oder wollte er sie nur necken?

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