Chapter 1: Die Begegnung

Japan, Tokio, 2018.

Benommen räusperte sich etwas - nein jemand. Nicht irgendein jemand, es war Misheru Langley. Seufzend lehnte sie sich nun erschöpft an das Fenster ihres Zuges, der sie nach Tokio bringen sollte. Hochhäuser, Bäume, Geschäfte. Alles zog weit unter ihr vorbei, dem Ziel immer näher kommend. Wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie Angst. Misheru war zum ersten Mal alleine unterwegs - und das auch noch in einem anderen Land, sogar einem anderen Kontinent, tausende Kilometer von ihrer Heimat Deutschland entfernt. Doch sie musste sich zusammenreißen, immerhin war sie nicht rein aus Vergnügen hier, und vielleicht war das insgeheim auch das, was ihr am meisten Angst einjagte. Ihre Gedanken wollten gerade zu besagtem Grund abschweifen, als sie eine monotone Frauenstimme unterbrach. „We will reach Tokyo Central Station shortly. We hope that the drive was pleasant and we wish you a good trip. The train ends here. Mamonaku Tōkyō Chūō-eki ni tōchaku shimasu. Kono tabi ga kaitekideatta koto o negatte orimasu. Densha wa koko de owarimasu."
Misheru verwarf ihre Gedanken, streckte sich und sammelte ihr Gepäck, das aus einem Koffer und einer Tasche bestand, ein. Sie spürte, wie der Zug seine Geschwindigkeit verringerte, und stand zum ersten Mal seit Stunden wieder auf. Es war erst Nachmittag in Japan, doch sie könnte hier und sofort einschlafen, wäre da nicht ihre innerliche Unruhe. Wie Schuppen fiel ihr es von den Augen, als ihr wieder in den Kopf kam, dass sie ja abgeholt werden würde! Schnell sprintete sie an der Menschenmenge die sich an den Ausgängen des Zuges tummelte vorbei, um aus dem Zug zu gelangen, der soeben mit einem unangenehmen Quietschen zum Stehen kam. //Nächstes Problem.// dachte sie sich verzweifelt, als sie realisierte, dass sie keine Ahnung hatte wer sie denn überhaupt abholen würde und wie dieser jemand aussah. //Beruhig dich Mish, du hast es bis hierher geschafft, das kriegst du auch noch gebacken.// sprach sie sich innerlich Mut zu, als sie den ersten Schritt aus dem Zug trat und sich nun im riesigen Bahnhofsgebäude Tokios befand. Sie entschied sich, erstmal etwas aus dem Treiben und Hetzen der Menschen vor Ort, in den Hintergrund zu stellen, um nicht noch irgend jemanden aus Versehen anzurempeln, denn das hätte ihr gerade noch gefehlt. Aufmerksam blickte sie sich um. Sie war tatsächlich in Japan. In Tokio. Insgeheim war es ja irgendwie schon immer ihr Traum gewesen, dieses Land zu besuchen. Vielleicht war dies ja ein Neuanfang, ein neues Leben. Wer weiß, womöglich könnte sie es hier sogar sehr gut aushalten. Doch nun zuerst zum Grund ihres Aufenthaltes: Die städtische Fachoberschule für Magie. Würde das ein normaler Mensch hören, würde er sicherlich losprusten vor Lachen, doch Michelle Langley war ganz und gar nicht normal. Sie ist eine Jujuzistin. Mit der Fähigkeit ausgestattet, Energie in sich aufzunehmen und sie wiederzugeben. Ob das ein Segen oder ein Fluch ist, entscheidet jeder für sich selbst, schätze ich. Doch spätestens, wenn es darum geht, Flüche zu zerstören, ist sie eine Rettung, die nur sehr wenigen Menschen zur Verfügung steht. Heute, an diesem Tag ist Michelle Langley hier, um an der städtischen Fachoberschule für Magie ihre Fähigkeit zu erweitern und zu kontrollieren. Dieser Austausch geschah in Absprache mit ihrem Vater, dem Rektor der einzigen Jujutsu-Schule in Deutschland. Er ist ein alter Freund des Rektors der neuen Schule, die sie fortan besuchen wird, sowie der Patenonkel von Misheru. Das ist das einzige, was die 16-jährige weiß. Sie wusste gar nicht, weshalb es sie überhaupt hierher verschlagen hatte. War es die aufdringliche Bitte ihres Vaters, oder tat sie es doch für sich selbst? An jenem Tag vor einer Woche, als sie erfuhr, dass sie das Land, ja sogar den Kontinent verlassen würde, kam es ihr vor wie ein Wink des Schicksals. Ja, sie tat es für sich. Sie fühlte einfach, dass das hier ihr ganzes Leben verändern würde, und danach sehnte sie sich. Sie hatte genug vom trüben Deutschland, die hatte genug davon, jeden Tag dasselbe zu tun. Sie war etwas Besonderes, und sie würde ihrer Bestimmung Folge leisten.
Als sie gerade die Umgebung näher betrachten wollte, wurde sie - schon wieder - unterbrochen. Diesmal war es keine monotone Frauenstimme, es war ein Junge. Sie schätzte ihn nicht viel älter als sie selbst, und ihr fiel auf, dass sie ihn sogar ziemlich attraktiv fand. Er war größer als sie, hatte einen pinken Undercut und braune Augen, in denen sie versinken könnte, denn es schien, als wären sie aus flüssiger Schokolade. Als ihr bewusst wurde, worüber sie gerade nachdachte, errötete sie ertappt und sah für einen Augenblick zu Boden. „Du musst Misheru Langley sein. Hey, ich bin Yuji Itadori, freut mich dich kennenzulernen." stellte sich ihr Gegenüber vor, und streckte ihr höflich lächelnd die Hand zu. Misheru nickte kurz, nahm zögernd seine Hand und ließ sie dann auch schnell wieder los. „Uhm, wie hast du mich eigentlich erkannt?" versuchte Mish ihre Nervosität zu überwinden. „Nun ja, du bist wohl das einzige Mädchen hier, das kein japanisches Äußeres hat." lachte er leicht.

POV: Yuji Itadori
„Ach Opa, wenn du mich jetzt sehen könntest...ich weiß nicht ob es das war, was ich wollte." sprach der am Grab seines Großvaters sitzende Yuji, während er ein Blütenblatt, dass von seinem Strauß abgefallen war, vom Stein entfernte. Seufzend stand er auf, als ihm bewusst wurde, dass er schon viel zu spät dran war, und sich schleunigst wieder auf den Weg in die Schule machen sollte.
„Warst du etwa wieder beim Grab deines Großvaters?" schmunzelte sein Lehrer Satoru Gojo, der Yuji kräftig auf die Schulter klopfte.
Yuji setzte gerade zu einer Antwort an, als Rektor Yaga ihnen entgegen kam, und zu Gojo sprach: „Gojo, wie du ja bereits weißt kommt heute die neue Schülerin Misheru Langley an. Ich würde dich bitten, sie gleich vom Bahnhof abzuholen."
„Eine neue Schülerin?" fragte Yuji irritiert. Nicht nur die Schüleranzahl, die man hier an einer Hand abzählen konnte, sondern auch, dass es so plötzlich kam, machte die Tatsache, dass es eine neue Schülerin geben würde, seltsam. Nun - was sollte er auch schon sagen, er selbst kam von heute auf morgen auf diese Schule.
„Richtig Sportsfreund. Eine Austauschschülerin aus Deutschland. Ich hoffe sie spricht Japanisch, sonst musst du deine Deutschkenntnisse ausgraben." grinste er zu Yuji, der ihn verdattert anblickte.
„Was- ich? Ich dachte du sollst sie abholen!" gab Yuji verwirrt von sich und verschränkte die Arme. „Tut mir leid Kumpel, ich habe heute leider noch etwas sehr Wichtiges zu erledigen." antwortete ihm Gojo mit einem selbstgefälligen Lächeln, während er langsam von dannen zog.

„Nun, es scheint so, als bliebe uns keine andere Wahl. Stell dich bloß nicht blöd an, Knirps." richtete sich das Wort des Rektors an Yuji, der immer noch mit offenem Mund Gojo nachstarrte.
„Sie können sich auf mich verlassen!" versicherte ihm Yuji dennoch etwas unsicher, und machte sich sogleich auf den Weg, nachdem er sich noch einmal im Spiegel betrachtet hatte.

Die Luft der vorbei gleitenden Züge wischte ihm seine pinken Haare ins Gesicht, die er sich schnell zurückstrich. „Ugh...bin ich blöd." murmelte er mehr zu sich selbst als zu irgend jemand anderem, als ihm auffiel, dass er gar nicht wusste, wen er suchte. Er schaute sich also genau um, versuchte, in der Menschenmenge irgendetwas Ungewöhnliches auszumachen und hatte sogar Glück: Ein blondes Mädchen europäischer Herkunft, dass gedankenversunken auf dem gegenüberliegenden Gleis neben der Anzeigetafel stand. Das musste sie sein. Irgendwie erinnerte sie ihn ein wenig an...Jennifer Lawrence? Okay stopp. Er unterbrach sich selbst und machte sich auf zum gegenüberliegenden Gleis. Nur noch ein paar Schritte, dann wäre er bei ihr. Eigentlich war Yuji nicht schüchtern, doch aus irgendeinem Grund war er jetzt doch gespannt, wie es werden würde. Innerlich betete er, dass sie Japanisch konnte, sonst würde das alles ziemlich...komisch werden.
//Jetzt oder nie Yuji.// dachte er und blieb vor ihr stehen.
„Du musst Misheru Langley sein. Hey, bin Yuji Itadori, freut mich dich kennenzulernen." stellte er sich vor, und streckte ihr höflich lächelnd die Hand zu. Sie nickte kurz, nahm zögernd seine Hand und ließ sie dann auch schnell wieder los. Hatte er irgendetwas falsch gemacht?
„Uhm, wie hast du mich eigentlich erkannt?" änderte sie das Thema.
Perplex lachend antwortete er: „Nun ja, du bist wohl das einzige Mädchen hier, das kein japanisches Äußeres hat."

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