Dreiundzwanzig
Der klang eines Märchens,
der klang nach Freiheit und Liebe
Ich erwache.
Erwache und sehe bloße Dunkelheit.
Ich erwachte in der Stille der Nacht, umgeben von einer erdrückenden Dunkelheit. Es war, als hätte die Welt um mich herum alle Farben und Geräusche verschluckt. Mein Herz schlug schnell, während ich versuchte, die Umrisse meiner Umgebung zu erfassen. Die Luft war kühl und trug den Duft von frischem Holz und feuchtem Gras mit sich, der aus dem Teehaus strömte, in dem ich mich befand.
Langsam richtete ich mich auf, fühlte das raue Holz des Bodens unter meinen Füßen. Jede Bewegung schien die Stille zu durchbrechen, und ich konnte das leise Knarren der Dielen hören, während ich mich auf den Weg zur Tür machte. Ein sanfter Windhauch strich mir über die Haut und mit ihm kam ein Hauch von Freiheit. Die Tür stand offen, ein einladender Spalt zwischen drinnen und draußen, und ich trat hinaus in die Nacht.
Die Dunkelheit umhüllte mich wie ein schwerer Mantel, doch der Mond, hell und strahlend, war mein Leitstern. Sein silbernes Licht fiel durch die Bäume und tanzte auf dem Boden, während ich die ersten Stufen hinunterging. Die frische Abendluft umschloss mich, und ich schloss für einen Moment die Augen, um das Zusammenspiel von Kühle und Wärme zu genießen.
Als ich die letzte Stufe erreicht hatte, bemerkte ich eine Gestalt, die auf der ersten Stufe saß. Jemand, der mir den Rücken zugewandt hatte. Ein kurzer Schauer überlief mich, als ich näher trat. Der Mondschein fiel auf die Person und beleuchtete einen Teil ihres Gesichts, doch ich konnte die Züge nicht erkennen. Fragend trat ich über die Schwelle, als würde ich ein Geheimnis lüften wollen.
»Suo?«, flüsterte ich, unsicher, ob ich die Stille brechen sollte. Er drehte sich langsam zu mir um, und unser Blick traf sich. In diesem Moment schien die Zeit stillzustehen. Seine Augen leuchteten wie zwei Sterne im Dunkeln, und ich spürte ein intensives Kribbeln, das sich in meiner Brust ausbreitete. Es war, als könnten wir ohne Worte kommunizieren, als würde unser Augenkontakt all das sagen, was uns beiden auf der Seele brannte.
Wir saßen nebeneinander, und die Dunkelheit schien uns zu umarmen. Ich konnte die Gedanken und Fragen in meinem Kopf spüren, die wie Wellen über mich hinausschwappten. Doch in diesem Moment war alles andere unwichtig. Nur wir beide, umgeben von der Nacht, der Mond über uns und die Stille, die mehr sagte als jede Sprache. Sein Kimono hatte die Farbe seiner Augen. Dunkel, mit einem stechenden rot, das doch plötzlich so hell wirkt.
Suo lächelte sanft, und in diesem Moment fühlte ich eine Welle der Beruhigung, die über mich hinwegrollte. Es war, als könnte ich in seiner Ruhe versinken, und für einen kurzen Augenblick schien die Welt außerhalb unseres kleinen Gartens nicht mehr zu existieren. Die Geräusche der Stadt, das Hupen der Autos und das Murmeln der Passanten schienen zu verblassen, während ich mich auf das konzentrierte, was direkt vor mir war. Dann gestand ich mir selbst ein, dass ich Gefühle für ihn entwickelt hatte – Gefühle, die ich bei niemand anderem spürte. Ich verengte die Augen und wich seinem Blick aus, als ob ich versuchte, diese aufkeimenden Emotionen zu ignorieren.
»Bist du nervös?« fragte er, seine Stimme sanft, aber direkt.
Wenn er nur wüsste, dachte ich. Ich schloss kurz die Augen und atmete tief ein, um meine Gedanken zu sammeln. »Wir stehen das gemeinsam durch,« fügte er hinzu, und ich erkannte, dass er an den Fall meines Bruders dachte, an das Karaoke, an den Ort, wo er gestorben war. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, und ich nickte nur stumm.
Die Stille zwischen uns wurde fast greifbar, und ich spürte, wie sie sich um uns legte wie ein warmer, schwerer Mantel. Schließlich brach ich die Stille. »Ich habe mich öfter mal gefragt, ob du einen chinesischen Lehrmeister hattest... woher kommen die kulturellen Umstände, die du benutzt?«
Suo lächelte leicht, und ich sah, wie seine Augen aufblitzten. »Eigentlich ist es ein Geheimnis,« antwortete er geheimnisvoll.
Ich verdrehte die Augen, als ob ich das nicht schon oft genug gehört hätte. »So mysteriös,« murmelte ich schauspielhaft und stützte meine Arme auf dem Boden, während ich meinen Blick in den Himmel richtete. Die Sterne funkelten über uns, und ich fühlte mich für einen Moment klein und unbedeutend.
Nun grinste er, ein Ausdruck, der mir das Herz höher schlagen ließ. »Bist du neugierig?«
Ich konnte nicht anders, als ihm direkt in die Augen zu sehen, während ich antwortete. »Da du mich gestalkt hast und mir immer nahezu auf die Pelle gerückt bist... und mich schließlich dazu gebracht hast, hierher zu kommen... zu den Wind Breakern und Umemiya... ja, bin ich,« gab ich zu und ließ den Blick von dem funkelnden Sternenhimmel ab und richtete ihn auf seine schmalen Augen, die mich aufmerksam musterten.
Er schloss die Augen für einen Moment, als ob er einen stillen Seufzer ausstieß, und dann wandte er seinen Blick wieder in den Garten. Das sanfte Flüstern des kleinen Teiches klang für mich wie eine Melodie, die meinen Geist säuberte und beruhigte. Es war, als ob die Natur selbst uns einen Raum für unsere Gedanken und Gefühle gab.
»Ich habe es gemocht, dich zu stalken. Und ich denke, du bist enttäuscht, dass ich damit nachgelassen habe,« sagte er mit einem schelmischen Grinsen.
Ich zuckte zusammen, überrascht von seiner Offenheit. Mein Körper reagierte impulsiv; ich reckte mich und hob das Kinn in die Höhe, während ich ihn erstarrt anblickte. »Wie kommst du drauf?!« fragte ich, die Verwirrung und eine prickelnde Wut in meiner Stimme.
Mein Gesichtsausdruck ließ ihn nur noch breiter grinsen, und ich konnte nicht anders, als mich daran zu stören, wie leicht er mich mit seinen Worten aus der Fassung brachte. Er schlug das eine Bein über das andere und ließ es bei einem einfachen Grinsen bewenden. Seine Unbeschwertheit führte mich in die Irre und machte mich gleichzeitig wütend und neugierig.
Ich zischte leise und wollte aufstehen. Ich fühlte mich auf eine Art beleidigt, als ob er mit mir spielte, und ich wollte gehen, doch gleichzeitig hielt mich etwas zurück. Ich wusste, dass er mich nur weiterhin in ein Gespräch verwickeln würde, das zu nichts führen würde. In einem Anfall von Entschlossenheit zwang ich mich schließlich, aufzustehen.
Mit einem letzten Blick auf ihn, der noch immer mit diesem schelmischen Grinsen dastand, drehte ich mich um und machte mich auf den Weg zurück in die Realität, die ich so oft zu vermeiden versuchte. Doch in meinem Inneren wusste ich, dass ich bald zurückkehren würde – zu diesem seltsamen, faszinierenden Jungen mit seinen Geheimnissen und seiner unerschütterlichen Ruhe, die mich so sehr anziehend fand.
»Ich hatte einen ausgesprochenen Meister. Er beherrschte die chinesische Kunst in allen Formen.«
Suo hatte seine Worte mit einer solchen Ruhe ausgesprochen, dass ich für einen Moment den Eindruck hatte, die Zeit um uns herum stand still. Das sanfte Plätschern des Wassers im Bambuswasserspiel erzeugte eine beruhigende Melodie, die den Garten mit einer fast magischen Atmosphäre erfüllte. Ich fühlte mich, als würde ich in eine andere Welt eintauchen, in der die Sorgen und der Lärm des Alltags nicht existierten.
Ich war wie am Boden versteinert. Ich drehte den Kopf unsicher zu ihm, er sieht zum Garten hinaus, der wie ein Traum aussieht, wie aus einem alten japanischen Märchenbuch. Ich blinzelte mehrere Male. Dann herrschte Stille. Dann bewegt sich Suos Hand. Sie klopft auf die Stufe neben ihm. Dort, wo ich bis eben gesessen hatte. Ich setzte mich. »Jetzt erzähl mir etwas über dich.«Seine stimme war verblüffend sanft. Sehr sanft. Ich bleibe still. Er will etwas über mich wissen? Der Gedanke, dass ihm wie mir fragen im Kopf des jeweiligen anderen loderten, macht mich nervös. Ein kleiner Wind haucht uns an, kühl, doch noch recht angenehm. Suos Ohrringe klimperten im gleich klang mit dem Windspiel aus Holz über uns. Ich lauschte dieser Melodie, schloss die Augen für einen Moment, bis der Klang nachliess. »Erzähle mir etwas über deine Familie. Warum ziehst du ganz alleine um die Städte, schmuggelst dich in Gangs hinein...Sorgen sie sich denn nicht um dich?« Ich stieß ein Lachen über meine Lippen. »Du hast mir nur eine kleine Frage beantwortet, und jetzt fragst du mich gleich so viel? Wenn ich sie dir beantworte, dann darf ich dich noch mal zwei mal was fragen.« Er grinst erneut, diesmal wieder etwas spielerischer. »Ist in Ordnung.« Seine Zustimmung überrascht mich. Er überrascht mich immer wieder aufs Neue. »Wo ist deine mysteriöse Aura bloß hin?« »Zählt das zu deiner Frage?« »Um Himmels Willen, nein. Das wäre eine Verschwendung, und das ist dir bewusst.« Er schmunzelt. »Du bist hinterhältig und Link, wie ein Fuchs.« »Also?«,fragt er und es klingt wie ein verlangen. Ein Verlangen nach meinen Antworten.
Ich räusperte mich, ein Kloß in meinem Hals. Ich weiche seinem Blick aus, der mich durchbohrt. »Ich wurde rausgeschmissen. So wie mein Bruder. Sie verachteten meinen Bruder als er starb, sie sagten, er habe den Tod verdient durch seine kriminellen Taten, die er uns verschwieg. Ich stimme zu, dass er ein Doppelleben führte, und anlog und er ein zweites Gesicht haben musste, eine dunkle Seite, er log mir ins Gesicht uns allen.«,sage ich, etwas zu schnell, als wolle ich es schnell hinter mich haben. »Er log und log und log. Immer wieder. Doch dann als ich vor seinem Grab stand, meine Eltern ihn verspotteten, statt zu trauern, dachte ich, dass es vielleicht einen Grund hatte, warum er der Gang beigetreten ist. An diesem Tag kam auch Rio. Es offenbarte mir etwas. Rio war sein bester Freund. Es stellte sich heraus, dass diese Gang wichtig für ihn war, sie waren nichts weiter als kleine Jungs, die Gangster spielen wollten, meinte Rio ein Mal, doch dann geschah etwas, dass sie in etwas kriminelles verwickelte.«
Stille.
»Seit dem war es nicht mehr dasselbe meinte er. Sie führten Bandenkriege, sie wurden ständig angegriffen von einer Gang mit einem Falken Zeichen als Symbol.«
Stille.
Ich ballte die Hände. Meine Knöchel wurden bereits weiß. Ich sah aus meinen Schoß hinab. Auf meine Hände. Schluckte.
»Meine Eltern warfen mich raus, als ich mich für Rio am Friedhof einsetzte. Ich sagte, ich wolle ihm helfen, den Mörder zu finden.«
Ich presste die Lippen aufeinander. Dann sehe ich hinauf, um sein Gesicht zu sehen. Er sieht ernst auf den Garten hinab.
Als ich nicht weiter spreche, sagt er:»Danke.«
Ein hauchender Wind. »Für dein Vertrauen.«,haucht er.
Mein Herz hämmerte wie wild.
Ich neige den Kopf und folge seinem blick dann.
Ich überlege mir abrupt etwas, dass ich ihn fragen könnte.
Ich erinnere mich an ihn. An seine Einstellung, seine Art, die mich so derart in den Bann zog. Oft genug hatte ich diese Seite an ihn hinterfragt. Suo hat neben seiner fröhlichen Seite offensichtlich auch eine gewalttätige Seite. Er hat definitiv eine tragische Hintergrundgeschichte, denn niemand würde ohne Grund so handeln... oder? Doch plötzlich war ich mir unsicher, nachzufragen. Ich wollte diese entspannte Atmosphäre nicht brechen. Außerdem hat er über die gesamte Zeit nicht einmal einen Kratzer abbekommen, in der ich ihn kenne. Er hat nie verloren. Er ist höchstwahrscheinlich wirklich stark, er hat nur gegen schwächere Gegner angetreten. Er ist unglaublich gut in der Manipulation. Wahrscheinlich musste er davon leben. Wo sonst hätte er es so gut und in so jungen Jahren lernen sollen?
Er ist übermäßig auf das Erwachsensein fixiert und hat wahrscheinlich schon Erfahrungen mit Erwachsenen gemacht, die sich wie »Kinder« benehmen, da er ihnen ständig eine Lektion erteilen möchte.
Er bewundert Sakura, weil er in Kämpfen besonnen bleibt, sich selbst aber nicht beherrschen kann. Es muss einen Grund dafür geben. Psychologisch.
Er macht sich Sorgen um die Schwächeren. Vielleicht, weil er jemanden verloren hat, den er nicht beschützen konnte?
Außerdem musste er höchstwahrscheinlich sein Zuhause freiwillig oder gezwungenermaßen verlassen, da es einen Grund für ihn geben muss, am Furin teilzunehmen.
»Was magst du?«,schoss es aus mir hinaus. Eigentlich überhaupt nicht das, was mir eigentlich durch den Kopf raste... trotzdem sah ich auf, um sein Gesicht zu begutachten, und Interesse strömt durch mich hindurch. Ich sehe in seinem Gesicht, dass er verwundert ist. Vielleicht hätte er jetzt erwartet, dass ich etwas derselben wie er frage.
Ein breites grinsen umringt seine schmalen Lippen, auf die das Mond Licht strahlt.
»Ich liebe es Tee aus verschiedenen Ländern vorzubereiten, und zu trinken.«
Überrascht öffneten sich meine Lippen. »Oh, wirklich?« Suo nickte still, sein Blick wich meinem aus und ich konnte die Schüchternheit in seiner Haltung spüren. Es war faszinierend, wie er in einem Moment so selbstsicher und im nächsten so verletzlich sein konnte.
»Ich mag es auch, Menschen zu beobachten,« sagte er mit einem breiten Grinsen, das mir ein kleines Lächeln entlockte. Ich verdrehte die Augen, halb amüsiert, halb fasziniert von seiner Offenheit. Es war seltsam, wie leicht er über solche Dinge sprach, als wäre es das Natürlichste der Welt. Dann, als ob er auf meine nächste Frage wartete, weichte er erneut meinem Blick aus und schien in Gedanken versunken.
»Was magst du nicht?« fragte ich schließlich, und kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, antwortete er wie aus der Kanone geschossen: »Natto.«
Ich zog die Augenbrauen hinauf, ungläubig. »Natto?« wiederholte ich, als könnte ich es nicht fassen. »Ich mochte es tatsächlich auch noch nie.« Ein leises Lachen entglitt meinen Lippen, und ich bemerkte, wie Suos Gesicht aufleuchtete. Es war schön, einen gemeinsamen Nenner zu finden, auch wenn es sich um etwas so Banales wie fermentierte Sojabohnen handelte.
Ein angenehmes Schweigen legte sich über uns, während wir den Garten betrachteten
Der Duft der Blumen erfüllte die Luft. Ich fragte mich, wie lange wir schon hier saßen, und spürte, dass ich allmählich müde wurde. Die Gespräche mit Suo hatten eine Art von Intimität geschaffen, die mich sowohl emotional als auch körperlich erschöpfte.
»Warst du schon ein Mal verleibt?«
Mir stockt der Atem. Ich sehe ihn wie vom Blitz getroffen an. »Warum dieses Themen Wechsel?!«
Er zuckt amüsiert mit den Schultern. »Das ist eine einfache Frage mit ‚Ja' oder ‚Nein'«,grinst er, dabei streifen sich unsere Blicke. »Oder noch viel besser, wurdest du schon ein Mal geküsst? Ich schätze, so kühl du bist, nicht, aber ich weiß, dass du mich magst.«
Mein Herz hämmert. »W-Was geht bloß in deinem Kopf vor?!« Er lacht laut. »Ich erinnere mich noch ganz genau an deine Worte damals. Du findest mich interessant, nicht wahr? Inzwischen hat sich das bestimmt geändert. Du magst mich, nicht wahr?«
Ich seufzte, während er amüsiert schmunzelt. Ich gähne.
»Sag mal, hattest du eigentlich einen Albtraum?«
Damit kam ich wieder in der Realität an. Ich stockte, als ich mich an meinen Traum erinnere. Eine Gänsehaut strich über meine Arme.
Doch ich bin ehrlich, nickte. Dann sehen wir uns an. Eine lange Zeit. Dann plötzlich steht er auf. Ich richtete mich ebenfalls auf. »Du solltest jetzt schlafen gehen.«,sagt er dann und sieht mich erneut an. Mein Herz raste. Meine Hände schwitzen. Ich nickte. »Du auch.«,sage ich, wir laufen beide auf die geöffnete Türe zu. Wir laufen zusammen die Treppen hinauf, unsere Zimmer stehen nebeneinander. Wir bleiben stehen, in der Dunkelheit sah ich nur seine bloßen Umrisse, spüre seinen Blick auf mir. Ich sehe seinen Edelstein funkeln.
»Gute Nacht, Lisa- chan.«
Dann öffnete ich die Türe. »Gute Nacht, Hayato.«
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