Achtundzwanzig

Der schwarze Falke

Ich war nach draußen getreten, um frische Luft zu tanken. Es wurde bereits dunkel. Die Luft wird frischer. Tau legt sich auf die grünen Blätter. Ich schloss für einen Moment die Augen und atme, atme, atme, wie es ein Mensch tun musste.
Dann höre ich, wie jemand neben mir stehen bleibt.
»Ist alles in Ordnung mir dir, Lisa- chan?«
Ich drehte mich zu ihm um und spürte, wie der Wind mir einige Haarsträhnen ins Gesicht wehte. Ich strich sie sanft zurück und sah in seine warmen, tiefen Augen, die mir Trost und Sicherheit gaben. »Suo«, flüsterte ich, und in diesem Moment fühlte ich mich, als ob die Welt um uns herum stillstand.

Die Straße war fast leer, nur noch einige Passanten hasteten vorbei, während die Marktstände langsam abgebaut wurden. Die letzten Verkäufer klärten ihre Waren und die Luft war erfüllt von den sanften Geräuschen des Alltags, die nun in der Dämmerung verklangen. Ich fühlte mich ein wenig verloren in dieser Stille, und das Gefühl verstärkte sich, als ich sah, wie die Laternen auf der Straße zu glühen begannen, ihre warmen Lichter wie kleine Sterne in der Dunkelheit.

»Ja?«, fragte Suo zart, als ich zögerte. Ich konnte seine Neugier und Besorgnis spüren, und es schien, als würde er jede meiner Bewegungen aufmerksam verfolgen.

In diesem Moment wurde mir klar, dass ich mehr als nur frische Luft brauchte. Ich sehnte mich nach seiner Nähe, nach seiner Unterstützung. »Bringst du mich nach Hause?« Meine Stimme klang fester, als ich es erwartet hatte, und ich spürte, wie mein Herz schneller schlug. Es war nicht nur der Wunsch, nach Hause zu kommen; es war der Wunsch, dass er bei mir war, dass er mich begleitete.
Er schien verwirrt. Überrascht. Perplex. Doch er faste sich schnell.
Ein Lächeln breitete sich auf Suos Gesicht aus.
»Ist das eine Art racheplan, weil ich dich beim letzten Mal etwas zu sehr erschreckt habe?«
Ich grinse leicht.
»Ich kann es mir noch anders überlegen, wenn du weiterhin so frech bist.«
Er hebt die Hände unschuldig in die Luft, sacken jedoch wieder schnell an seinem Körper hinab. Unsere Blicke streifen sich.
»Du möchtest über etwas sprechen?«
Ich nickte still. Er nickt. »Okay. Gehen wir.«
Ich sehe einen Moment zurück. »Ich sage ihnen, dass du zu müde warst und nach Hause gegangen bist. Dann machen sie sich vielleicht nicht zu viele Sorgen, als wenn du ihnen mit diesem Gesicht entgegen trittst.«
»Mache ich etwa so ein schlechtes Gesicht?«
Wir beginnen nebeneinander her zulaufen. »Könnte man meinen.«,sagt er. »Es Belastet es dich schon den ganzen Tag, nicht wahr? Heute warst du ziemlich ruhig, ruhiger als sonst.«
Ich grinse leicht. »Ich habe mich entschieden, es als erstes mit dir zu teilen, bevor ich es vor allen sage. Ich will sicher gehen, dass es nicht zu dumm ist, zu leichtsinnig..«
Wie laufen unter en beleuchteten Laternen.
»Ist es zu dumm, den Falken ein Besuch abzustatten?«
Ich sehe ihn aus dem Augenwinkel an.
Ein seufzen. Ich sehe ihn nun an.
Er erwiderte den Blick. »Nun...«
»Ich weiß...es ist absurd, oder? Völlig ungeplant und rücksichtslos... vergiss es.«Ich bekam plötzlich kalte Füße.
»Es ist auch komplett falsch von mir, dich.. euch alle darin mit hinein zu ziehen. Sie sind Mörder und ihr... das ist vollkommen absurd, dass ich euch-«
»Dafür sind wir doch da.«,unterbrach er mich.
Unsere Blicke streifen sich. Ich schwieg, weiche seinem Blick aus.

»Wir können sicher Umemiya- san fragen, denkst du nicht?«

Ich nickte. »Ja...«Dann brach längeres schweigen aus, doch es war keineswegs unangenehme, bis ich stehen bleibe und ihn ansehe. »Danke«
Er grinst, sieht sich um. Er hob die brauen. »Nun, du kannst mich auch ruhig wieder bei meinem Vornamen nennen. Ich schätze, das hat mir besser gefallen.«
Ich schlug ihm gegen die Schulter. Er schmunzelt. Ich laufe weiter. Die Schritte auf dem Asphalt zu vernehmen.
»Ich habe einen Grund gehabt, dich Prinzessin Kaguya zu nennen, meine kleine Lisa.«
Ich hebe die brauen, sehe ihn nicht sehr glaubwürdig entgegen.
»Die Geschichte von Prinzessin Kaguya behandelt Themen wie die Vergänglichkeit der Schönheit, die unerreichbaren Wünsche des Menschen und die bittersüße Natur der Liebe.«
Diesmal holte ich fester zum Schlag aus, doch diesmal ergriff er mein Handgelenk. Ich erstarrte, als ich hinauf sehe und sein durchdringender Blick mich durchbohrt.

Er ließ mein Handgelenk nicht los, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Sein Blick war intensiv, als würde er hinter die Fassade meiner Worte schauen, um die Gedanken und Gefühle zu ergründen, die ich selbst noch nicht ganz verstand.
»Du weißt, dass die Vergänglichkeit der Schönheit nur ein Teil der Geschichte ist«, sagte er leise, seine Stimme fast ein Flüstern. »Was ist mit der inneren Schönheit, die bleibt, selbst wenn die äußere vergeht?«

Ich wollte ihm antworten, aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Stattdessen schüttelte ich den Kopf und versuchte, die Ernsthaftigkeit des Moments zu vertreiben. »Du und deine philosophischen Gedanken!«

Er lachte, ein warmes, tiefes Lachen, das mir ein Gefühl von Geborgenheit gab. »Manchmal sind die besten Scherze die, die uns zum Nachdenken anregen. Aber ich nehme an, du hast recht. Lass uns das Spiel weiterspielen, Lisa.«

Mit einem plötzlichen Schwung zog er mich sanft näher zu sich, und ich fühlte mein Herz schneller schlagen. »Wie wäre es mit einer neuen Herausforderung? Denkst du, ich weiß nicht, dass du noch immer gerne wie damals gegen mich kämpfen willst? Die Herausforderung jetzt aber... Du musst mir etwas über deine unerreichbaren Wünsche erzählen – und ich werde dir dazu eine Geschichte erzählen, die du noch nie gehört hast.«

Ich zögerte, suchte nach den richtigen Worten, aber die Neugier in mir war stärker als die Angst. »In Ordnung, aber nur, wenn du zuerst anfängst.«

Er grinste schelmisch, und lässt mich los. »Einverstanden. Also, mein unerreichbarer Wunsch...« Er machte eine dramatische Pause, als ob er überlegte, ob er mir die Wahrheit sagen sollte. »Ich wünsche mir, die Sterne zu berühren. Sie scheinen so nah, aber doch so unerreichbar.«

»Lügner.«,sang ich kühl. Er grinst breit. »Die Befreiung der Sklaven... das ist mein Wunsch.«

Ich lache. »Genau so ironisch von dir, wie deine Geschichte mit der Versieglung mit deinem rechten Auge, dass kurz davor ist auszubrechen.«

»Das hast du dir gemerkt?«

Ich presste die Lippen aufeinander. »Das war höchst interessant.«,gab ich lächerlich zu, grinse leicht. Braunrote Augen fixieren meinen Blick mit einem schmalen grinsen auf den Lippen. Seine Ohrringe klimperten leicht. »Interessant...«,grinst er amüsiert. »Aber mein Traum ist wirklich die Wahrheit.«
Ich erstarrte. »Wirklich?«
Er nickt.
»Das überrascht mich ein wenig.«, gab ich zu.
»Mein unerreichbarer Wunsch ist es jeden Kontinent zu bereisen, exotische Länder zu erkunden und verschiedene Kulturen kennenzulernen. Mein zweiter ist es jemanden zu finden, bei dem ich immer ehrlich sein kann. Ein Mensch, ohne lügen. Der Wunsch, eine perfekte Beziehung oder die »eine« Person zu finden,... die einen bedingungslos liebt, davon rede ich nicht. Damit kann jeder Mensch gemeint sein.«Ich zuckte mit den Schultern.
»Damals liebte ich Kunst. Der Traum, ein Meisterwerk in Kunst, Musik oder Literatur zu schaffen, das die Zeit überdauert und viele Menschen berührt kommt für mich auf eine To- do Liste.«
Ich wagte nun einen Blick zu meinen Begleiter, während wir in eine Straße einbogen. »Natürlich könnte ich auch dazu den Weltfrieden mit hinein beziehen. Der Traum von einer Welt ohne Konflikte, Kriege und Leid, was oft als utopisch angesehen wird.«

Er hob eine Augenbraue und lächelte schelmisch. »Wow, du bist ja ganz schön ambitioniert, Lisa- chan. Vielleicht sollten wir ein gemeinsames Projekt starten: eine Weltreise, bei der wir gleichzeitig versuchen, den Weltfrieden zu finden. Das klingt nach einem Bestseller!« Ich grinse, weiche seinem Blick aus und richtete sie auf den Abflusskanal neben mich. Koi Fische schwimmen in leuchtenden Farben im Wasser.  Dann stoppte ich. Er bleibt stehen, spüre seinen Blick auf mich, dann sieht er sich um. Ich zeige mit dem Zeigefinger hinter mich. »Ich wohne dort.«,sage ich dann ruhiger.
Ich mustere seinen Ausdruck. Er mustert das Apartment einen Moment, dann sieht er mich an.
Er hebt den einen Mundwinkel.

»Aber bevor wir uns auf die nächste Etappe unserer Reise begeben, muss ich dir etwas gestehen.«

Er ließ eine dramatische Pause entstehen, als ob er die Worte sorgfältig abwägen würde. »Ich habe gehört, dass die besten Abenteuer nicht nur in fernen Ländern stattfinden, sondern auch in den kleinen Momenten, die uns den Atem rauben. Und dieser hier...« Er deutete zwischen uns hin und her, »ist einer dieser Momente.«
Mit einem schelmischen Grinsen beugte er sich leicht vor, als ob er mir ins Ohr flüstern wollte. Ich verharrte. »Ich könnte dir jetzt ein großes Versprechen machen, dass ich dich auf den Mond bringen werde oder die Sterne für dich pflücke, aber ich denke, wir wissen beide, dass ich nur ein einfacher Junge bin, der sich in ein außergewöhnliches Mädchen verliebt hat.«

Er trat noch einen Schritt näher, so nah, dass ich den warmen Atem des jungen vor mir spüren konnte. »Und ich würde alles dafür geben, um diesen Moment festzuhalten. Aber für jetzt...«

Er neigte den Kopf, schloss die Augen und hielt den Atem an, als ich ihm einen sanften Kuss auf die Wange gab. Der Moment schien zu verharren, als ob die Welt um uns herum stillstand. Ein elektrisches Kribbeln durchfuhr ihn, und er öffnete die Augen wieder, die von einer Mischung aus Überraschung und Freude leuchteten.
» Wow, das war... unerwartet«, murmelte er, als er sich leicht zurücklehnte und mich mit einem bewunderten Blick musterte. »Ich glaube, ich kann jetzt nicht mehr aufhören zu grinsen. Du hast mir gerade das Herz gestohlen, aber keine Sorge, ich werde es gut behandeln.«
Ich grinse ihn leicht an. »Du wirst es bitter bereuen, wenn du mich jemals anlügst, Hayato.«Und ich meine es bitter ernst. Er schließt die Augen, grinst.

Mit einem letzten, verspielten Funkeln in seinen Augen fügte er hinzu: »Bis zum nächsten Abenteuer, meine Prinzessin Kaguya. Ich kann es kaum erwarten, die Welt mit dir zu erobern.«

Er winkte mir zu, während er sich umdrehte und in die Nacht verschwand, ein Gefühl von Spannung und Vorfreude in der Luft hinterlassend. Und ich trat in mein Apartment mit einem rasenden Herzen, laufe dem Flur entlang und schaltete das kleine Licht an, ehe ich den Schlüssel auf die Kommode schmiss. Sie klimperten. Mein Windspiel klimpert und singt. Ich erstarrte. Sehe auf. Die Balkontüre war geöffnet. Und plötzlich trat jemand direkt vor mir aus der Dunkelheit eines Raumes und schlug mir inmitten meines Magens. Ich sackte zu Boden.

Der Zug blättert an mir vorbei, ein schneidender Wind zieht durch die Brücke, und ich schrecke auf, als würde ich aus einem Albtraum gerissen. Das stechende Gefühl in meinem Kopf pulsiert, und ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen. Wo bin ich? Der Ort um mich herum ist fremd und beunruhigend. Die Brücke, auf der ich stehe, ist mit chaotischem Graffiti bedeckt, die Farben scheinen zu schreien, während sie mir ins Auge stechen. Ich lehne mich stützend an die kalte, raue Wand und versuche, meine Gedanken zu sortieren, als ich plötzlich ein schallendes Lachen höre.

Ich bin allein. Wo sind die anderen? Der Geruch von Blut schleicht sich in meine Nase, und ich wische mit zitternden Fingern über meinen Kopf. Mein Handrücken ist blutverschmiert, und ein Schauer der Panik überkommt mich. Der Boden unter meinen Füßen ist schmutzig, und die Gleise, die hier verlaufen, sind von leichtem, verwildertem Gras umgeben. Ich sehe nach links und rechts, mein Herz schlägt wild in meiner Brust, während ich über die unebenen Steine und das Gras laufe, um die andere Seite zu erreichen, wo eine Treppe nach oben führt.

Mit jedem Schritt, den ich mache, fühle ich mich unsicherer, aber der Drang, hier wegzukommen, ist stärker. Ich eile die Treppe hinauf, meine Gedanken wirbeln durcheinander. Kaum bin ich oben angekommen, wird ich von dem Geräusch der vorbeirauschenden Autos überwältigt. In diesem Moment tritt jemand durch eine Tür, und ein Mann in einer übergroßen Lederjacke betritt den Raum.

Mein Herz bleibt stehen. Ich verenge die Augen und betrachte ihn misstrauisch. »Wer bist du?«, frage ich, meine Stimme zittert vor Angst und Anspannung. Er lacht, ein hämisches, verspottenes Lachen, das in der kalten Luft widerhallt. Der Klang treibt mich zurück, und ich trete vorsichtig die klapprigen Metallstufen hinunter, während er langsam auf mich zukommt.

Ich fühle mich, als würde der Boden unter mir wanken, und ich stürze fast, als ich versuche, die Treppen zu überwinden. Plötzlich tauchen aus der Dunkelheit mehrere fremde Personen auf, ihre Gesichter verschwommen und bedrohlich. Ein unheimliches Gefühl der Beklemmung erfasst mich, als ich erkenne, dass ich keinen Ausweg habe. Ich presse die Lippen fest aufeinander, während ich das Zeichen bemerke, das sie tragen. »Der Falken«,denke ich, und ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken.

Der Mann in der Lederjacke hebt die Arme in einer übertriebenen Geste und springt die letzten Stufen hinunter, die Kieselsteine unter seinen Stiefeln zerquetschend.
»Ich kann das kleine Mädchen des Mistkerls endlich kennenlernen.«, ruft er mit einer Stimme, die sowohl herausfordernd als auch drohend klingt.

In diesem Moment wird mir klar, dass ich in etwas hineingeraten bin, das viel größer ist, als ich es mir je hätte vorstellen können. Der Mann und die anderen scheinen nicht nur Fremde zu sein; sie sind Teil einer Welt, die ich nicht verstehe. Eine Welt, in die ich ungewollt hineingezogen wurde, und in der ich um mein Überleben kämpfen muss. Der Gedanke lässt mich frösteln, während ich versuche, einen Ausweg zu finden, bevor es zu spät ist.

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