Der einfache Weg?
Sie sah zwar nicht wie die Sonne draußen aufging, aber auch in Noras Zimmer wurde es heller.
Nacheinander gingen die Strahler an.
Schon eine ganze Zeit lang lag sie wach auf dem Bett und starrte an die Decke.
Was von dem was David ihr gesagt hatte konnte sie glauben?
War Hannah wirklich wieder zurück?
Hatten ihre Freunde sie schon vergessen?
Und auch Phil?
Hatte sie das überhaupt richtig verstanden, oder spann sie sich da nur etwas zusammen?
Hatte David Hannah gefangen gehalten, nur um an sie heran zu kommen?
Wenn ja, hoffte sie sogar darauf, dass ihre Freunde sie schon vergessen hatten.
Lieber wollte sie gar keine Rolle mehr in deren Gedanken spielen, als die Rolle der Schuldigen.
Denn das war sie dann.
Da war es egal, dass sie bei der Suche geholfen hatte.
Es war egal, dass sie eines ihrer Häuser verloren hatte, es war egal, dass sie ihre Freunde verloren hatte, obwohl sie diese erst seit kurzem hatte, es war egal, dass sie nun selbst hier in diesem Zimmer festsaß.
Sie war die Ursache, das Übel, ohne das Hannah nie entführt worden wäre, Thomas keine Höllenqualen hätte durchleiden müssen, Jessy nicht angegriffen worden wäre, Dan keinen Unfall gehabt hätte, Richy nicht markiert worden wäre, Lilly dieses Video nicht hätte machen müssen, Cleo nicht bedroht und Phil nicht verhaftet worden wäre.
Und da war es wieder.
Dieses Loch, in dem sie schon mehrfach festsaß und aus dem sie nur schwer wieder herauskam.
Doch das hineinfallen lassen war einfach.
Das Selbstmitleid, untätig sein, da sie ja ohnehin nichts tun konnte, das Aufgeben jeder Hoffnung, damit sie nicht mehr enttäuscht werden konnte.
Es war so einfach.
Sie war ohnehin alleine.
Niemand suchte nach ihr, niemand vermisste sie, niemand fragte sich, was sie wohl gerade machte, dachte, fühlte.
Es war so einfach.
Hier liegen und ihr Schicksal annehmen.
Mit einem kranken Mann eine Familie gründen.
Immerhin wäre sie dann nicht mehr alleine, da würde es jemanden geben der sie brauchte und sie vielleicht sogar liebte.
Nicht David. Narzissten konnten niemand anderen lieben als sich selbst.
Aber ihr Baby.
Es war so einfach.
Sich selbst aufgeben und hinnehmen, was David für sie geplant hatte.
Es war so einfach.
So einfach...
Let'sSchwätz
Jessy
Online
Hey Phil
Ja klar, ich und Lilly kommen vorbei.
Sie hat schon zugesagt.
So um acht? Ist das okay?
Natürlich.
Ich bin hier, ihr könnt kommen, wann ihr wollt.
Um kurz vor Acht hat es geklingelt und Phil benutzte den Türöffner, ohne zu hören, wer da eigentlich vor der Türe stand.
Wer außer Lilly und Jessy sollte es auch sein?
Tyler vielleicht noch, aber der hätte sich wahrscheinlich angekündigt.
Außerdem war er mit ihm letzte Nacht noch eine Weile zusammengesessen und glaubte nicht, dass er schon wach war.
Er wartete im Türrahmen der Wohnungstüre, bis die beiden Frauen um die Ecke bogen.
„Hi", grüßte er und machte eine einladende Handbewegung.
„Hallo", sagte Lilly im Vorbeilaufen.
„Guten Morgen." Jessy nahm ihn in den Arm.
Sie gingen zusammen hinein und er schloss die Türe.
„Kaffee?"
Er sah fragend von Lilly zu Jessy. Sie beide nickten.
Eine Minute später brachte er zwei volle Tassen zu der Küchentheke, stellte sie den beiden Frauen hin und füllte sich auch seine Tasse noch einmal.
„Also, warum wolltest du, dass wir kommen? Und warum hast du die Nachricht so verschlüsselt?", wollte Jessy wissen.
Phil blieb auf der anderen Seite der Küchentheke stehen und lehnte sich mit dem Hintern gegen die Arbeitsplatte.
„Ich hatte heut früh schon Besuch von Hector. Mittlerweile sitzt er schon im Flugzeug Richtung New York."
„Was? Er ist einfach gegangen? Er wollte doch noch mit allen reden und dabei helfen Nora zu finden", meinte Jessy verärgert.
„Er hilft immer noch, aber die Lage hat sich geändert." Phil fuhr sich mit der einen Hand über die Haare. „Er hat Noras Handy durchsucht, die Chats nachgelesen und so weiter. Er denkt, dieser Jake hängt in dieser Sache mit drin. Und weil..."
„Jake? Niemals", unterbrach Lilly ihn. „Er kann es nicht sein. Nora hat ihm vertraut und ich auch."
Phil hob den Blick und musterte Lilly. „Hat er sich bei dir gemeldet, seit Hannah wieder hier ist und Nora verschwunden? Oder bei jemand anderem?"
Lilly schüttelte den Kopf. „Thomas hat ihm zwar geschrieben, woher er das wusste und hat sich auch bei ihm bedankt, aber er bekam keine Antwort. Ich kann ihm gar nicht schreiben."
„Hector ist sich sicher, dass er dahinter steckt. Er wollte immer, dass Nora dabei bleibt, jetzt ist er verschwunden, wie sie auch", erklärte Phil. „Aber vielleicht überwacht er euch immer noch. Deshalb dürft ihr nicht über Noras Aufenthalt hier oder ihr Verschwinden schreiben. Allerdings solltet ihr Nora direkt schreiben. Wenn Jake euch überwacht und die Chats mitliest, soll er glauben ihr denkt sie wäre untergetaucht. Fragt also nach, ob es ihr gut geht, ob sie sich irgendwann mal wieder meldet, ob sie in Sicherheit ist, solche Sachen eben. Er weiß wahrscheinlich nicht, dass Hector an der Sache dran ist, denn scheinbar wird mein Handy nicht überwacht, zumindest bisher nicht. Also kein Wort über ihn. Er hat mir ein anderes Handy gegeben, ich kann also Kontakt zu ihm aufnehmen, ohne dass Jake davon erfahren wird. Wendet euch an mich, wenn ihr etwas von ihm wollt."
„Und was macht er in New York?", hakte Jessy nach. „Sagte er nicht etwas, dass Noras Ex irgendwo dort ist?"
Phil nickte. „Er will ihn überwachen, ihn wohl verfolgen und hofft so rauszufinden, wo er sie versteckt."
„Aber Jake kann das nicht gewesen sein", beharrte Lilly noch immer. „Er ist mein Halbbruder."
„Was?" Jessy riss überrascht die Augen auf, Phil wirkte ebenfalls irritiert.
Lilly verschränkte nervös ihre Finger ineinander. „Als ich dieses Video veröffentlicht hatte, hat Jake mir angerufen. Er meinte er wäre mein und Hannahs Halbbruder, deshalb wollte er Hannah auch finden. Ich wollte natürlich einen Beweis, aber den konnte er mir nicht geben. Nicht sofort. Also setzte ich ihm eine Frist. Nach einer Weile bekam ich meinen Beweis, nachdem er mir und Nora Rätsel gestellt hatte, wir uns vertrugen und zusammenarbeiteten. Am Ende dieser Rätsel wartete ein Video auf uns, und auf mich ein Foto. Mein Vater und seine Mutter."
„Hast du dieses Foto noch?", wollte Phil wissen.
„Was für ein Video?", hakte Jessy nach.
„Ich hab das Foto noch, ich kann es dir schicken", meinte Lilly.
„Aber nicht übers Handy", erinnerte Phil sie. „Zieh es auf den PC und schick es mir per Email. Dann kann ich es an Hector weiterleiten, sollte er es brauchen."
Lilly nickte und sah dann zu Jessy. „In diesem Video hat er sich bei Nora für ihre Hilfe bedankt und ihr erklärt, dass er Hannahs Halbbruder sei, jetzt aber untertauchen musste oder von seinen Verfolgern geschnappt wurde. Er hatte vor über einem Jahr Kontakt zu Hannah aufgenommen, ich weiß noch, dass sie viele Emails geschrieben haben, aber er hatte Hannah nie gesagt, wer er wirklich war und den Kontakt wieder abgebrochen. Aber kurz vor der Entführung hat sie sich bei ihm gemeldet und meinte sie bräuchte Hilfe. Das Video muss er schon vor meinem Video aufgenommen haben, denn er hatte auch nicht vor mir zu sagen, wer er war."
„Warum wurde er verfolgt?", fragte Phil.
„Er sagte er wurde von der Regierung gesucht. Hat als Hacker Dinge gesehen, die er nicht hätte sehen sollen und sollte wohl aus dem Weg geschafft werden. Willst du das Video auch haben?"
„Ich denke nicht", antwortete er. „Wenn das auch an Nora ging hat Hector es bestimmt auf ihrem Handy gesehen."
Nachdenklich nahm er einen Schluck aus der Kaffeetasse.
Das klang zwar alles irgendwie möglich, aber auch wie aus dem Drehbuch eines Films.
„Mehr als das Foto hast du aber nicht, oder?", überlegte Jessy. „Hast du deinen Vater darauf angesprochen?"
„Nein", gab Lilly zu. „Hannah war da noch verschwunden und ich hab mich auch nicht wirklich getraut."
Jessy griff nach ihrer Hand. „Hätte ich mich bestimmt auch nicht."
„Hat Hector denn sonst noch etwas gesagt?" Jessy sah fragend zu ihrem Bruder.
„Nicht wirklich."
„Und warum ist er ausgerechnet zu dir gekommen?", wollte nun Lilly wissen.
Er rieb sich verlegen den Nacken und sah intensiv in seine Kaffeetasse.
„Bevor Nora verschwand war sie bei mir in der Aurora und hat ausgeholfen. Als wir hier zusammen aufgeräumt haben, haben wir uns geküsst. Hector hat das mitbekommen und meinte Nora hat mir vertraut, sonst wäre das zwischen uns nie passiert. Also will auch er mir vertrauen. Natürlich hat er mich aber auch überprüft. Hannah hat wohl ausgesagt, dass sie sicher ist, ich war nicht der Entführer."
Lilly nickte. „Das hat sie gleich gesagt, als sie nach dir gefragt wurde. Ich durfte beim Verhör mit im Krankenzimmer bleiben. Der Entführer trug immer eine Maske, wenn er zu ihr ins Zimmer kam. Dadurch hat sie seine Stimme nicht richtig erkannt, glaubt aber, sie kennt sie von irgendwoher. Noch ist sie nicht drauf gekommen woher. Der Typ war auch nicht oft bei ihr. Zweimal am Tag schätzt sie, da hat er ihr etwas zu Essen und zu Trinken gebracht. Er hat auch nicht immer etwas gesagt. Als ich dann später mit ihr alleine reden konnte meinte sie, dass sie das Gefühl hatte, der Typ hätte gar kein Interesse an ihr. Sie hatte natürlich zuerst Angst, aber die meiste Zeit über war sie alleine. Sie konnte fernsehen und lesen, hatte ein Badezimmer und neben dem normalen Essen und den Getränken auch Snacks, sodass sie nicht auf den Typ warten musste, wenn sie Hunger hatte. Sie hatte dort sogar Kleidung, einen ganzen Kleiderschrank voll. Einiges war zwar zu eng, aber sie hat schon was gefunden. Der Typ hat dann sogar die Schmutzwäsche gewaschen und den Schrank wieder aufgefüllt."
„Klingt echt komisch", meinte Jessy. „Als wollte er, dass es ihr an nichts fehlte."
„Das hab ich auch gedacht", sagte Lilly. „Hannah konnte sich nicht daran erinnern, wie sie entführt wurde. Das letzte was sie weiß ist, dass sie vom Einkaufen in ihre Wohnung kam. Dann ist sie in diesem Schlafzimmer aufgewacht. So ähnlich war es dann auch, als sie wieder frei kam. Sie war in dem Schlafzimmer, der Typ kam und meinte sie solle sich an den Schreibtisch setzten. Er bezog dann das Bett frisch. Sie hatte Angst was das zu bedeuten hätte, aber dann wachte sie im Krankenhaus aus. Sie weiß nicht wie er sie betäubt hat, hat nichts von der Gartenlaube mitbekommen. Die Ärzte haben sie aber beruhigt und versichert, dass er sich nicht an ihr vergangen hat."
„Es ging ihr also gut dort?", hakte Phil nach. „Sie wurde versorgt, konnte sich in dem Zimmer und im Bad frei bewegen und konnte sich beschäftigen?"
Lilly nickte. „Wenn man das so nennen kann."
„Es wird auch Nora dort gut gehen", sagte Jessy leise. „Wie es aussieht, hat er für sie sogar das Bett neu bezogen."
Phil nickte, war aber nicht vollends überzeugt.
Hannah war nicht das Ziel dieses Psychos gewesen. Nora schon.
Er war sich nicht sicher, ob sie die gleichen Privilegien genießen würde.
Immerhin glaubte Hector fest daran, dass sie noch lebte, dass ihr Ex sie lebend brauchte und das noch längere Zeit.
Allerdings hatte Hector ihm nicht gesagt warum und seine Gedanken hatten schon x Szenarien durchgespielt, was das für Nora bedeuten konnte.
Und keines davon hatte ihm gefallen.
Ob er nun eines ihrer Organe brauchte, sie brauchte um an sein oder ihr Erbe zu kommen, sie zwangsverheiraten wollte oder sie für irgendwelche abartigen Sexpraktiken wollte.
Er schüttelte sich, wollte nicht schon wieder darüber nachdenken.
„Alles gut?", fragte Jessy, die ihn beobachtet hatte.
„Ja, klar", antwortete er. „Ich war nur in Gedanken."
Er stieß sich von der Arbeitsplatte ab.
„Mehr kann ich euch gerade auch nicht sagen. Hector wird sich melden, wenn er in New York gelandet ist, das dauert aber. Er meinte siebeneinhalb Stunden Flugzeit ungefähr. Wenn ihr wollt, könnt ihr ja heute Abend in die Aurora kommen, vielleicht weiß ich dann schon was."
„Apropos Aurora. Deine Idee mit der kleinen Feier für Hannah find ich gar nicht so schlecht", sagte Jessy.
Lilly nickte grinsend. „Es wäre bestimmt toll für sie. Sie darf heute aus dem Krankenhaus, sollen wir dann morgen wirklich etwas für sie machen?"
Phil zuckte mit den Schultern. „Wenn ihr wollt und es ihr nicht zu viel wird."
„Ich glaube es würde ihr gefallen. Aber was ist mit Cleo und Thomas?", hakte Jessy nach.
„Die dürfen natürlich auch kommen", sagte Phil. „Wann dann morgen?"
„So gegen sieben? Da haben alle Feierabend", schlug Lilly vor.
„Okay." Phil war es eigentlich egal. „Dann lass ich die Aurora morgen zu und öffne nur für euch. Essen können wir ja dann bestellen, dann muss Milow nicht extra kommen."
„Dann geb ich den anderen Bescheid", sagte Lilly. „Aber so, dass Hannah nichts davon mitbekommt. Danke Phil."
Er winkte ab.
Sollten sie doch ein wenig mit Hannah feiern.
Auf arbeiten hatte er ohnehin keine Lust.
Er wusste genau, dass zumindest seine Stammkunden nach Anne fragen würden.
Aber er musste weiter machen, durfte sich nichts anmerken lassen und musste damit rechnen, dass ihr Entführer einer seiner Gäste sein könnte.
Darüber nachdenken durfte er allerdings nicht.
Sonst könnte er die Aurora nicht mehr öffnen.
Für Jessy und Lilly war es Zeit zu gehen, sie verabschiedeten sich und Phil war wieder alleine.
Sie hatte sich aufgerafft, stand vor dem Kleiderschrank und suchte sich frische Kleidung zusammen.
Im Badezimmer nahm sie Shampoo und Duschgel und stellte es in die Dusche.
Dann zog sie sich aus.
Ihr Blick fiel auf ihren linken Unterarm.
Auf ihr Tattoo.
Don't lose yourself
In gleichmäßigen Buchstaben, darunter, etwas größer, ihr Name.
Aurora
„Verlier dich nicht", flüstere sie leise vor sich hin.
Schon mit achtzehn hatte sie sich das tätowieren lassen. Es sollte sie daran erinnern, sich immer selbst treu zu bleiben.
Damals, als sie ihren Schulabschluss hatte, das Internat verließ und entgegen aller Vermutungen historische Hilfswissenschaften studierte, satt irgendetwas mit Management oder Hotelwesen.
Sie war sich treu geblieben und hatte sich nicht in etwas hineinzwängen lassen, was nicht zu ihr passte.
Auch wenn es um ihr Unternehmen ging. Sie würde es nie leiten.
Aber sie behielt alles im Blick, hatte fähige Mitarbeiter angestellt, die sie sich auch etwas kosten ließ.
Mitarbeiter wie Constanze.
Für ein monatliches Gehalt im mittleren fünfstelligen Bereich stand sie Nora rund um die Uhr zur Verfügung, hatte Beziehungen die sie für Nora immer wieder spielen ließ, kümmerte sich um ihre Identitäten, Immobilien und Bankkonten.
Alles natürlich stillschweigend und im Hintergrund.
„Verlier dich nicht", wiederholte sie noch einmal, diesmal etwas bestimmter, wenn auch immer noch leise.
Sie würde sich nicht verlieren, sie würde nicht nachgeben, sie würde sich David nicht unterordnen, sie würde kämpfen und versuchen einen Ausweg zu finden.
Auch wenn das bedeutete vorerst Davids krankes Spiel mitzuspielen, wie Hector es ihr geraten hatte.
Lächelnd ging sie in die Dusche und stellte das Wasser an.
„Oh", schrie sie auf.
Unter der Dusche hatte sie gar nicht mitbekommen, dass David in das Schlafzimmer gekommen war.
Grinsend saß er am Schreibtisch, hinter ihm sah sie ein Tablett mit Frenchtoast, Orangensaft und einer roten Rose in einer Vase.
„Guten Morgen", säuselte er. „Ich hab dir Frühstück gebracht."
„Ähm, danke", sagte sie und rubbelte sich mit dem Handtuch weiter die Haare trocken. „Und guten Morgen."
Sie lief an ihm vorbei zum Bett und setzte sich dort auf den Rand.
„Hast du gut geschlafen?", wollte er wissen.
Sie zuckte mit den Schultern. „Nicht sehr lange, trotz deiner Hilfe in der Suppe."
„Hilfe in der Suppe?", fragte er scheinheilig.
„Tu nicht so", gab sie trocken zurück. „Du hast da etwas rein gemischt. Sonst hätte ich wahrscheinlich gar nicht geschlafen."
Sein Grinsen wurde etwas breiter. „Du hast mich erwischt."
Sie sah ihn an und hob skeptisch eine Augenbraue.
Zuerst wollte sie etwas sagen, aber dann ließ sie es bleiben und senkte den Blick wieder.
„Also, hast du Hunger?", unterbrach David das unangenehme Schweigen.
Sie nickte leicht. Sie hatte tatsächlich Hunger und David hatte schon immer einen guten Frenchtoast gemacht.
Außerdem hatte sie sich ja vorgenommen das Spielchen mitzuspielen.
Er stand auf, deutete auf den Stuhl und gab ihr damit zu verstehen, dass sie sich setzten sollte.
„Weißt du was hier fehlt? Ein Sessel, so einer, wie wir früher im Wohnzimmer hatten. Darin bist du stundenlang gesessen und hast gelesen. Ich werde nachher gleich einen besorgen und noch eine Stehlampe, damit du lesen kannst auch wenn es dunkel ist", meinte er gutgelaunt.
Diese Vorlage musste Nora nutzen, um mehr darüber herauszufinden, wo sie hier war.
„Ich schätze ich bin hier in einem Keller. Hast du die Strahler so eingestellt, dass sie an und ausgehen, passend zum Sonnenauf- und Untergang?"
Er nickte. „Leider ist unser Haus noch nicht fertig. Ich hasse es dich hier in diesem Loch unterbringen zu müssen, aber das dauert sicher nicht mehr lange. Ich hoffe Weihnachten können wir bereits in Neuseeland feiern."
„Neuseeland?", fragte sie und verschluckte sich beinahe an ihrem Toast.
„Ja. Neuseeland", bestätigte er. „Ich habe dort ein wirklich tolles Stück Land bekommen, du wirst es lieben. Weit und breit keine Nachbarn, genug Platz für ein paar Pferde, du kannst auch einen Hund haben, das wolltest du doch schon immer."
„Ja... aber... warum Neuseeland?"
„Warum nicht? Wir wären unter uns, wir müssen beide nicht arbeiten, wir könnten endlich neu anfangen. Ohne Altlasten und ohne Gefahr zu laufen irgendwo an etwas Unschönes erinnert zu werden."
Sie schluckte. Ihre Chancen hier rauszukommen waren schon minimal, brachte er sie jetzt nach Neuseeland, irgendwo in der Pampa, wären sie gleich Null.
„Aber ich glaube mein Reisepass ist abgelaufen. Den wollte ich schon lange mal erneuern", warf sie ein.
David lachte auf. „Du Dummerchen. Ich habe bereits alle Unterlagen zusammen. Ausweise, Reisepässe, Geburtsurkunden und die Heiratsurkunde, die Visa und die Anträge auf doppelte Staatsbürgerschaft."
„Heiratsurkunde?" Auf einen Schlag war ihr der Appetit vergangen.
„Natürlich Misses Raider. Es war einfach unkomplizierter schon verheiratet zu sein, aber die Zeremonie werden wir noch nachholen. So wie du sie dir wünschst", erklärte er.
Sie musste sich zusammenreißen, um nicht sarkastisch aufzulachen.
Eine Hochzeit, wie sie sie sich wünschte?
Sollte die jemals stattfinden, wäre er so weit davon entfernt, wie es nur ginge.
Aber sie musste mitspielen und es zu ihrem Vorteil nutzen, dass er jetzt gerade sprach.
Sie kannte ihn, er war nicht immer in Plauderstimmung.
„Klingt gut", meinte sie halbherzig. „Aber bevor wir jetzt schon unsere Zukunft planen hab ich da ein paar Fragen."
„Was willst du denn wissen mein Engel?"
Bisher war er neben dem Schreibtisch gestanden, jetzt machte er einen Schritt in ihre Richtung und fuhr ihr mit der Hand über die Wange.
„Nur ein Krümel", sagte er vergnügt.
Sie hatte es geschafft nicht weg zu zucken, griff nach dem Glas Orangensaft und leerte es zur Hälfte.
Sie brauchte einen Moment, um das ungute Gefühl seiner Berührung abzuschütteln.
Dann stand sie auf, ging zum Bett und setzte sich im Schneidersitz dicht an den Rand, dem Schreibtisch zugewandt.
Er sollte gar nicht auf die Idee kommen sich zu ihr zu setzen.
Und es klappte.
Er setzte sich auf den Stuhl und drehte sich ihr zu.
„Also, was willst du wissen?", fragte er erneut.
„Alles", antwortete sie. „Wenn wir wirklich neu anfangen sollen, dann ohne etwas zu verschweigen."
„Du willst wissen, wie ich dich zu mir gelockt habe?", hakte er nach. „Meinen Masterplan?"
Ohne die Augen zu verdrehen nickte sie.
„Ich würde jetzt ja fragen, ob du Zeit hast, aber die hast du", scherzte er und sie zwang sich dazu leicht zu lächeln. „Allerdings muss ICH zuerst noch etwas erledigen. Es dauert nicht lange. Eine halbe Stunde vielleicht. Danach habe ich den Rest des Tages Zeit für dich. Ist das okay für dich?"
„Klar", sagte sie und spürte eine gewisse Erleichterung.
Nach dem, was er ihr schon erzählt hatte, konnte sie eine Pause zum Durchatmen gut gebrauchen.
Er lächelte. „Ich beeile mich. Versprochen."
Schnell stand er auf und lief aus dem Zimmer.
Trotz der Eile vergas er aber nicht, die Türe abzuschließen.
„Alles okay?", wollte Richy wissen.
„Ja, schon", gab Jessy zurück.
„Warum glaub ich dir das bloß nicht?", hakte er weiter nach und setzte sich ihr gegenüber auf die andere Seite ihres Schreibtischs. „Wegen Nora?"
Jessy nickte knapp.
„Ich kann es ja irgendwie verstehen", meinte er. „Durch Lilly hat sie ihr Haus verloren. Trotzdem wollte sie Hannah weiter helfen. Jetzt ist Hannah wieder da, warum sollte sie weiter in Kontakt zu uns bleiben? Auch wenn wir uns angefreundet haben, es ging doch immer nur darum Hannah zu finden."
„Ich weiß", sagte Jessy. „Wahrscheinlich war es vorprogrammiert, dass sich das wieder verläuft. Aber irgendwie habe ich gedacht, dass wir schon noch eine Weile miteinander schreiben. Wir haben schließlich nicht nur über Hannah geschrieben."
Ihre tatsächlichen Sorgen um Nora, konnte sie ja leider nicht mal ihrem besten Kumpel anvertrauen.
„He, Kopf hoch. Wie kann ich dich ein wenig aufheitern oder wenigstens ablenken?", fragte er.
„Ich weiß nicht", sagte Jessy. „Ein freier Tag vielleicht?"
Sie versuchte dagegen anzukämpfen, aber ihre Lippen verzogen sich doch zu einem Grinsen.
„Gäbe es denn einen Grund dafür?", hakte er nach.
„Eigentlich nicht, es war nur so eine Idee, aber ist unwichtig." Sie winkte schnell ab.
„Jetzt sag schon", bohrt Richy weiter. „Was hast du vor?"
„Phils Aushilfe ist schon wieder weg. Ich hab überlegt ihm heute zu helfen."
„Du willst Phil helfen? In letzter Zeit habt ihr wieder mehr miteinander zu tun, oder?"
„Ja", gab sie zu. „Dass er verhaftet wurde war scheiße, aber es hat uns auch irgendwie näher zusammen gebracht. Und er schließt morgen die Aurora extra, damit wir uns dort in Ruhe mit Hannah einen schönen Abend machen können. Mit Cleo und Thomas. Er ist nicht immer einfach, aber ich ja auch nicht."
„Das kann ich bestätigen", sagte Richy grinsend.
„He, pass auf wie du mit deinem Personal redest, sonst leg ich noch Beschwerde ein."
Sie lachte und Richy stimmte mit ein.
„Also, wann gehst du dann?", fragte er, als sie sich wieder beruhigt hatten.
„Wie, du gibt's mir wirklich frei?", hakte sie überrascht nach.
„Klar. Es gibt ja nichts zu tun gerade und Phil kann deine Hilfe brauchen." Er klatschte mit einer Hand auf den Schreibtisch. „Sieh es als meinen Teil der Familienzusammenführung."
Und als Wiedergutmachung weil auch ich Phil verdächtigt habe, dachte er.
Freudig sprang Jessy von ihrem Stuhl, lief um den Schreibtisch und schlang ihre Arme um Richy.
Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Du bist der beste", sagte sie.
„Ich weiß", entgegnete er ganz cool und grinste frech. „Hau am besten gleich ab, bevor ich es mir anders überlege."
„Zu Befehl Boss", antwortete sie, schnappte ihre Tasche und verließ die Autowerkstatt.
Bis die Aurora öffnete dauerte es noch eine Weile, aber sie wusste schon, wie sie diese Zeit überbrücken würde.
Auf dem Heimweg schrieb sie Phil.
Let'sSchwätz
Phil
Online
Hey, ich hab kurzfristig frei und würde dir heute in der Aurora helfen, wenn du willst.
Klar, ich kann Hilfe gut gebrauchen.
Aber warum auf einmal?
In der Werkstatt ist nichts los und als kleiner Dank, weil du morgen extra zu lässt, damit wir mit Hannah zusammen sein können.
Um zwei dann?
Ja, zwei passt.
Bis dann
Bis später.
Sie steckte das Handy zurück in die Tasche.
Die Sache mit Nora ging Phil näher, als er hatte zeigen wollen als sie mit Lilly bei ihm war, da war sie sich sicher.
Und sie glaubte auch, dass er von Hector mehr erfahren hatte, als er ihnen erzählt hat.
Dass sie den anderen nichts von Nora erzählen durfte störte sie.
Immerhin hatte Nora alles dafür getan Hannah zu finden, jetzt sollten auch alle dabei helfen sie zu finden.
Warum aber wollte Hector, dass sie das nicht taten?
Glaubte er Jake würde ihr etwas antun, wenn er merkte, sie waren hinter ihm her?
Aber sie waren ihm bei Hannah nicht auf die Schliche gekommen, auch jetzt würde sicher niemand vermuten, dass er dahinter steckte.
Immerhin hatte er es geschafft Hannah zu finden.
Hector musste also mehr wissen als sie.
Was hatte er auf Noras Handy gefunden?
Und warum hatte Nora ihre Kameras überklebt.
Sie hatte immer gedacht die Kamera sei kaputt.
Wie gefährlich war Noras Ex? Und war das Jake?
Sicher würde Phil ihr nicht alles erzählen was er von Hector wusste, aber wenn sie bei ihm war in der Aurora, ohne Lilly, vielleicht ein wenig mehr, als bisher.
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