Kapitel 6 Willst du mit mir tanzen?
"Wenn du dich nicht entscheiden kannst, nimm einfach alles." sagte sie mit vollgestopften Wangen. Sogleich hatte ich ein Bild von einem Hamster im Kopf.
Zaghaft nahm ich ein Spießchen mit etwas Undefinierbaren drauf. Fragend drehte ich den Spieß in meinen Fingern und rätselte was es wohl war, nicht das ich mir irgendetwas Ekliges reinhaute.
"Darf ich?" fragte eine bekannte Stimme.
Charmy stand neben mir, ihr Mund war voller Krümel, in der Hand hielt sie einige Buffetspießchen, die wie Igelstacheln aus ihrem geschlossenen Hand ragten.
"Klar." antwortete ich und ging zur Seite, damit sie sich etwas vom Tisch nehmen konnte. Zielstrebig nahm sie sich das gleiche Spießchen, wie ich.
Mit einem großen, mutigen Happs verschwand das Essen ihn ihrem Mund, nur das Holzstäbchen zog sie wieder heraus.
Interessiert beobachtete ich wie sie kaute und schlussendlich schluckte. "Und? Wie schmeckt es?" fragte ich ungeduldig.
Charmy ließ sich mit ihrer Antwort Zeit, was mich verwunderte. Sonst sagte sie doch immer alles frei heraus, besonders, wenn es um Essen ging.
Moment, ist dieses Spießchen etwa so schlecht, dass es selbst Charmy die Sprache verschlug?! Mit einem Schauer schaute ich das Spießchen in meiner Hand an, jetzt sah es für mich noch ekelhafter aus, wie gerade eben. Langsam drehte sich Charmy zu mir und sprang unerwartet in einem Affentempo nach oben, so schnell und unerwartet, dass ich gar nicht richtig reagieren konnte.
Gegen meinen Willen, den ich durch mangelnde Reaktion ihr nicht vermitteln konnte, drückte sie mir meinen Spieß in den Mund.
Ich war bereit zu würgen und dieses Zeug wieder auszuspucken, wurde dann aber angenehm überrascht. Anstatt einen fauligen, widerwärtigen Geschmacks machte sich angenehme Süße in meinem Mund breit.
"Mmhhh, voll lecker." kam es von meinem überraschtem Ich.
"Ja, voll oder?" sagte Charmy und fuchtelte mit ihren Händen in der Luft herum. "Ich habe gesehen, dass du dieses Spießchen nachdem ich nichts gesagt habe, verachtend angeschaut hast. Selbst wenn ich gesagt hätte, dass es mega lecker ist, was es auch ist, hättest du es trotzdem nicht gegessen, deshalb habe ich es dir einfach in den Mund gesteckt. Und wie es ausseht, war das die richtige Entscheidung."
Sah ich denn so unüberzeugbar aus?
"Und was ist das?" fragte ich unsere Essensexpertin neugierig.
"Keine Ahnung, das habe ich nie zuvor gegessen. Schmeckt aber super!"
Stürmisch griff Charmy nach weiteren von diesen merkwürdigen Spießchen, ich hingegen fand sie zwar lecker, hatte trotzdem zu große Angst, dass es doch irgendetwas Komisches wie Schlangenleber oder sowas war, weshalb ich mich für ein normales Traube-Käse Spießchen entschied, die kannte ich wenigstens.
Vanessas Sicht:
Aus einiger Entfernung beobachtete ich Nia, die zusammen mit Charmy die Spießchen vom Buffet wegputzte. Ich schüttelte bei diesem Anblick nur den Kopf.
"Hast du schon eine Idee, was wir als nächstes machen?" fragte ich Noelle, die ein Glas Orangensaft in der Hand hielt, welches ihr bestimmt ein Kellner in die Hand gedrückt hatte, Alkohol durfte sie ja noch nicht trinken.
"Idee für was?" fragte Noelle unwissend, zeigte aber Neugier.
"Na du weißt schon. Natürlich fürs Nia-William-Verkuppeln. Also ich hätte da eine Idee." erzählte ich ihr motiviert und erhoffte mir eine einsatzbereite, wissbegierige Entgegnung, jedoch bekam ich nicht das erhoffe.
"Du willst wirklich noch eins drauf setzen? Merken die Beiden das denn nicht, wenn sie schon wieder eine zufällige Begegnung auf dem gleichen Ball haben?" fragte Noelle skeptisch und drehte ihr Glas am dünnen Stiel zwischen ihren zarten Fingern.
"Keine Sorge, wir sind doch Meisterverkuppler." entgegnete ich lächelnd. Trotz ihrer Bemerkung dachte ich nicht mal daran, mich von meinem Plan abzubringen.
"Na gut, was hast du überhaupt vor?" Endlich neugierig schaute mich Noelle an und nahm gleichzeitig einen großen Schluck ihres angedrehten Orangensafts.
"Das wirst du schon sehen." spannte ich sie weiter auf die Folter. Ach, wie ich es liebt Leute zappeln zu lassen. Mit einer Handbewegung signalisierte ich ihr, mir zu folgen und gemeinsam kämpften wir uns durch die Menge.
Noelle schien sich nicht ganz sicher mit der Sache zu sein und hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit Angst, das ich etwas dummes vor hatte, weshalb sie dauernd leise fragte: "Was hast du vor?"
"Vertrau mir, das klappt schon." flüsterte ich nach hinten, jedoch erkannte ich an ihrem Gesichtsausdruck, das sie damit nicht ganz überzeugt war.
Du wirst schon sehen, ich gebe alles um die Beiden zusammen zu bringen, das bin ich Nia schuldig, dachte ich.
Wir kamen an eine Stelle, wo weniger los war, sie lag direkt neben der Tanzfläche.
"Ah, da haben wir ihn ja." sagte ich entzückt. Noelle folgte meinem Blick und schien nicht ganz so begeistert zu sein wie ich, eher im Gegenteil.
"William Vangeance? Was hast du vor? Willst du diesmal ihn auf Nia schubsen?" fragte sie skeptisch und mit einem Hauch Belustigung.
"Nein, nein, es ist etwas kreativer." versicherte ich sie, obwohl mir ihre Idee auch ganz gut gefiel. Vielleicht nächstes Mal.
"Wegen dem Plan musst du dir keine Sorgen machen, das unangenehmste übernehme ich, du hingegen hast die Aufgabe... ." Ich beugte mich vor und flüsterte ihr meinen Plan ins Ohr.
Noelle hörte aufmerksam zu und nickte hin und wieder leicht mit den Kopf.
"Na gut." sagte sie nachdem ich ihr alles erzählt hatte. "Ich werde mitmachen, aber sollte das schief gehen, geht das nicht auf mein Konto."
Ihre strenge Miene lockerte sich und sie lächelte mich leicht an. "Der Plan könnte klappen und ich bin froh, dass du "Diesen" Teil übernimmst, ich hätte nicht den Mut dazu."
Durch ihr Lob geschmeichelt, lächelte ich nur noch mehr. "Da alles klar ist, fangen wir an!"
Ich drehte mich um und ging auf eine Gruppe magischer Ritter zu, mein Herz pochte bei dem Gedanken was ich jetzt gleich tuen werde, wie wild.
In der Gruppe unterhielten sich viele, mir unbekannten, Gesichter.
Innerlich sprach ich mir selber Mut zu und versuchte mir von außen nichts anmerken zu lassen, doch ich war echt nervös.
Kurz schüttelte ich meinen Kopf und fand so mein Selbstbewusstsein wieder.
Für Nia. Für meine beste Freundin.
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schritt ich weiter auf das Ziel zu, mein Mut hatte endgültig meine Zweifel besiegt.
"Entschuldigung..."
Nias Sicht:
Ein Spießchen nach dem anderen probierte ich mit Charmy und ich musste zugeben, das wer auch immer das Essen auf diesem Ball organisiert hatte, echt etwas auf dem Kasten hatte. Kein einziges Spießchen, Süßigkeiten, kleines Gericht oder sonst was schmeckte auch nur annähernd schlecht.
"Genau so muss das sein."
Fast verschluckte ich mich an meinem Törtchen, als Yami so plötzlich hinter mir auftauchte und sich seelenruhig einen Windbeutel nahm.
"Was muss so sein?" fragte ich nach. Yami stopfte sich den gesamten Windbeutel in den Mund und richtete seinen Blick auf mich.
Er ließ sich beim kauen inklusive Schlucken viel Zeit, was mich nur noch hibbeliger auf die Antwort machte.
"Das da." sagte er wie selbstverständlich und zeigte auf mein angebissenes Törtchen. Verwundert schaute ich mein Essen an, ich verstand nicht was er damit meinte.
"Das Törtchen muss genau so sein? Meinst du damit, das es genau so aussehen sollte?" haute ich meine Vermutung heraus.
"Falsch!" Yami schaute mich mit düsterem Blick von oben herab an. "Mit "Genau so soll es sein" meinte ich, dass fast alle schwarzen Stier Mitglieder am Buffet stehen." erklärte Yami.
Unwissend schaute ich die langen Tische entlang und tatsächlich. Außer Noelle, Vanessa und Finral waren alle Mitglieder am Essen.
"Und was ist daran so toll?" Ich drehte mich wieder zu Yami um. Ist doch peinlich, wenn der schwarze Stier nur am essen ist, dachte ich mir für mich selbst, das vor Yami auszusprechen wäre zu gefährlich für gewesen.
"Ist doch klar." begann Yami und unterbrach sich selber beim reden, indem er sich einen weiteren Windbeutel in den Mund stopfte. Bei diesem Anblick konnte ich nicht widerstehen und nahm mir auch eins dieser Köstlichkeiten, obwohl ich noch mein Törtchen in der Hand hatte.
Aber was sollte ich machen? Gegen diesen wunderbaren Geschmack der Windbeutel war ich machtlos.
"Wenn ein Buffet da steht, soll man so viel essen wie möglich. Schließlich hat das alles Geld gekostet, so etwas sollte man nicht verschwenden. Wäre doch schade, wenn das ganze Essen am Ende weggeschmissen werden würde. Außerdem sollte man auch an die Köche und Köchinnen denken, die das alles gekocht, gebacken und hergerichtet haben. Wenn alles weg kommt, freuen sie sich und wir würdigen ihre Arbeit und ihre Mühen." beendete Yami seine kleine Rede.
Beeindruckt schaute ich zu ihm hoch. Solche ehrenwerte Gedanken hätte ich nicht von Yami erwartet.
Sprachlos richtete ich meinen Blick auf das Törtchen in meiner Hand. Yami hatte recht, irgendwer hatte dieses Törtchen gebacken und verziert, ich sollte es mehr würdigen.
"Außerdem sparen wir eine Menge Geld, wenn ihr euch hier für zwei Tage vollfresst."
"Das ist die wahre Absicht?!" schrie ich.
Unbeeindruckt und sich keiner Schuld anerkennend aß Yami weiter.
Ich seufzte und ließ meine Schultern hängen. Dabei hatte seine Rede mich doch so mitgerissen.
Yami bleibt eben Yami.
"Hey Nia." Noelle kam winkend auf mich zu. "Oh, Hallo Noelle. Wo ist Vanessa? Wart ihr nicht zusammen unterwegs?" fragte ich sie, während ich mich nach Vanessa umschaute, vielleicht war sie hier in der Nähe, nur verdeckt von lauter Männern, was öfter als gedacht passierte. Besonders bei Shoppingtouren war das lästig.
"Sie unterhält sich gerade mit einem alten Bekannten. Ich wollte nicht länger stören und bin gegangen. Vanille-Törtchen mit Erdbeeren?" äußerte sie mit einem Blick auf mein Törtchen.
"Gut erkannt." lobte ich und biss vom besagten Törtchen ab.
"Willst du auch eins? Die gibt es dort drüben." teilte ich Noelle mit vollem Mund mit.
"Nein danke." werte Noelle ab. "Ich habe gerade keine Lust auf Süßes, geschweige denn auf ein Törtchen."
Als Zeichen, dass ich es zur Kenntnis genommen habe, nickte ich und biss noch mal ab.
"Kannst du dich denn nicht etwas schneller essen?" fragte Noelle, als ob sie in Eile währe.
"Warum das denn? Hast du noch etwas vor?" erkundigte ich mich. Noelle schien mit der Antwort zu zögern, was ihr eigentlich nicht ähnlich war. Was war denn mit ihr los?
"Bald ist der Höhepunkt der Party... ." begann Noelle, suchte danach jedoch ihre Stimme.
"Stimmt, es sind voll viele auf der Tanzfläche und die Stimmung ist prächtig. Aber warum erzählst du mir das?"
Gespannt wartete ich darauf, das Noelle endlich weiter redete. Yami hatte sich derzeit zu dem Fleisch gemacht und war nur noch als Punkt zu sehen, dies wunderte aber niemanden, zu mindestens diejenigen, die im schwarzen Stier waren.
Wenn Yami Fleisch oder sonst was erspähte, war er nicht mehr zu halten, wie immer wenn er etwas wollte.
Ein wahrer Dickschädel, dachte ich mir und seufzte innerlich.
"Am Höhepunkt des Balles wird immer der Walzer gespielt und ich wollte dich fragen..." nervös schaute Noelle zur Seite. "Ich wollte dich fragen, ob du mit mir tanzen willst."
"Mit mir?" Verblüfft schaute ich meine Freundin an. "Warum den mit mir? Hast du Asta schon gefragt? Außerdem bin ich doch ein Mädchen." sprudelte es aus mir heraus.
"Willst du etwa nicht mit mir tanzen?" fragte Noelle zickig.
"Das ist es nicht, ich frage mich nur, warum du mich fragst." antwortete ich ehrlich.
"Asta kann ich nicht fragen, der Bauer kann nicht tanzen." Rot schaute sie zu Boden.
Schade, es hätte mich echt gefreut, die Beiden heute tanzen zu sehen, da es auch Noelles heutiges Ziel war.
"Trotzdem will ich unbedingt tanzen und du als meine Freundin bist mir sofort ins Gedächtnis gesprungen. Also, willst du mit mir tanzen?"
"Ja, überhaupt kein Problem." Mittlerweile hatte ich das Törtchen aufgegessen.
Zusammen gingen wir auf die Tanzfläche in der Mitte des Saales. Noelle legte eine Hand an meine Taille, wirkte dabei aber sehr unsicher.
"Du musst dich nicht quälen die Herrenschritte zu machen. Ich habe öfters mit Vanessa getanzt und kenne deshalb den Part der Männer." Behutsam nahm ich ihre Hände und legte eine auf meine Schulter, die andere behielt ich in meiner Hand.
Noelle schaute mich verwundert an, beließ es aber dabei. Ich lächelte sie an und legte meine freie Hand auf ihre Taille.
Sonst hatte ich nur spaßeshalber mit Vanessa getanzt, mit einem anderen Mädchen und dann auch noch in der Öffentlichkeit war für mich war Neues.
Jedoch fühlte ich mich nicht unwohl oder am falschen Platz, Noelle war schließlich eine gute Freundin, daran war absolut nichts verwerfliches.
Gerade als die Walzermusik einsetzte und der Tanz begann, bewegte ich mich nicht. Verwirrt schaute Noelle mich an. "Was ist denn los?" fragte sie sorg voll, ich antwortete ihr jedoch nicht.
Ich war geschockt. Es war unglaublich.
Doch so unglaublich wie ein Finral mit dem schönsten Mädchen des Balles, einem Gauche, der sich mal nicht mit seiner Schwester beschäftigte, sondern sich mit Jemanden unterhielt und einem Luck, der sich ganz normal auf dem Ball verhielt, ohne Fremde nach einem Kampf zu fragen, war es definitiv nicht.
Denn das Unglaubliche war negativ. Negativer als jedes schwarze Loch zusammen, was überhaupt existierte.
Ein Messer aus Schmerz stach erbarmungslos in mein Herz.
Mein Blick war auf ein junges Tanzpaar gerichtet, das gleichmäßig der Musik folgte, völlig perfekt und ohne jeglichen Fehlschritt, im gleichen Takt wie die Musik. Beide lächelten sich an.
Es waren Vanessa und William.
2153 Wörter
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