Kapitel 45 Wenn Entfernung uns trennt

Sie würde mir fehlen.

Keuchend entfernten wir unsere Lippen von einander, auch meine Hand, welche ihr Kinn gehalten hatte, fand den Weg zu mir zurück. Nun hieß es Abschied nehmen, für drei Wochen, in welchen ich eine Mission antreten musste.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht gewusst, dass unser nächstes Treffen etwas in die Wege leiten würde, was unsere Beziehung ganz schön auf den Kopf stellen würde.


Nias Sicht:

Die zwei Wochen, in denen ich William nicht sah, konnte man mit nur einem Wort beschreiben. Grausam. 

Hin und wieder vermisste ich ihn sogar so sehr, dass ich mich einfach in Bett gelegen und starr zur Decke geschaut hatte, mit meinem Kopfkissen unter den Armen, als ob es wenigstens ein Bisschen einen William Ersatz darstellen konnte. 

Doch wie befürchtet machte das Kissen die Sehnsucht nach William nur noch stärker. Dadurch, dass ich schon von ihm geküsst und umarmt wurde, war natürlich das Verlangen nach ihm gestiegen. 

Es war wie eine Sucht, welche ich nicht einfach abstellen konnte. Die Gefühle und Gesten, die mich heimsuchten, glichen jemanden auf Entzug. Und das war ich auch. 

Auf William-Entzug. 

Immer wieder schlich er sich in meine Gedanken, ich träumte von ihm und streckte meine Arme aus, als ob er irgendwie auftauchen würde und mich umarmen würde, als ob ich mein Gesicht in seiner dünnen Schulter vergraben, seinen himmlischen Duft riechen, durch seine weichen Haare fahren und seinen zierlichen Körper gegen meinen drücke könnte.

Nicht zu vergessen der andauernde Wunsch, ihn einfach bei mir zu haben, der sogar so stark war, dass ich überlegte, einfach zu ihm zu fliegen. 

Warum musste den auch König Diamond einfach so ins Königreich Clover eindringen? Wut entfachte sich, ebenso liebevolle Sorge, dass William sich verletzten könnte. 

Aber was denke ich denn da? Er ist ein Ordensführer, ihm wird definitiv nichts passieren, redete ich mir in Gedanken ein und beruhigte mich somit zumindest ein wenig. 

Unruhig wälzte ich mich auch heute auf meinem weichen Bett hin und her, schlafen konnte und wollte ich am Vormittag nicht, etwas zu erledigen hatte ich auch nicht und ruhig ein Buch lesen blieb mir auch verwehrt, da mich die Gedanken an William immer wieder aus der Geschichte rausbrachten. 

Zudem allem fragte ich mich, wann wohl die Zeit gekommen war. Die Zeit, in der ich William danach fragen konnte, woher er diese Narbe hatte. 

Zwar hatte ich das schon einige Male auf unserem ersten Treffen vorgehabt, aber es kam mir nicht richtig vor, in so einem glücklichen Moment, in dem William strahlte, ihn nach so etwas düsteren zu fragen, es hätte zu viel zerstören können. 

Am Besten währe ein ruhiger Moment, in den wir beide ungestört und alleine wären und in dem ich den Mut hätte, ihn dies zu fragen. Ich hoffte inständig, dass ich nicht zu tief bohren würde oder ihn sogar damit verletze. Allerdings währe ich zugegeben auch verletzt, wenn er es mir nicht sagen würde. 

Eine Beziehung beruht auf Vertrauen und ich wünschte mir, dass William mir dies in diesem außergewöhnlichen Fall gab. Andere Paare mussten sich nicht damit beschäftigen.

Dass ich einmal fünf Monate oder mehr ohne ihn geschafft hatte, kam mir jetzt unerreichbar und unglaublich vor, vergleichbar wie bei einer Neunjährigen, die sich an ihre gewonnen Wettläufe bei Sporttunieren erinnerte, als sie noch jung war. 

Still atmete ich den Kirschgeruch einer der Duftkerzen ein, welche ich in meiner Sehnsucht angemacht hatte. Obwohl ich heute noch nicht viel gegangen war, fühlten sich meine Glieder schwer wie Blei an, ebenso meinen Kopf, dabei hatte ich ihn heute gar nicht richtig benutzt.

Die Lustlosigkeit hatte sich in meinen Knochen fest gesetzt, behinderte mich schon seit mehreren Tagen. 

Bei dem Gedanken, dass William erst in ungefähr einer Woche zurück kommt und ich gerade erst mal knapp über die Hälfte überstanden hatte, wich jegliche Freude aus meinem Körper. 

Fühlt es sich etwas so an, wenn man Liebeskummer hat? Empfindet William genau so?, fragte ich mich matt, während ich meine Hand durch meine schweren Haare fahren ließ, so wie es William getan hatte. 

Jede noch so kleine Bewegung, Gesichtszug und Geste, welche William irgendwann einmal getan hatte, hatte sich bei mir eingebrannt und erinnerte mich jedes Mal daran, wenn jemand anderes oder ich diese unwissend machten. 

Ein lautes Klopfen drang in meine düstere Welt, so laut, dass es mir praktisch schon in den Ohren klingelte. 

Mit einem langgezogenem Seufzten stand ich von meinem Bett auf und schlurfte zu meiner Zimmertür, hinter der sich Vanessa befand. 

"Na Niachen? Wie geht's?" fragte sie mit einem Lächeln, allerdings war mir klar, dass sie sich tatsächlich Sorgen um mich machte. Wahrscheinlich lag dies daran, dass ich die letzte Wochen eher Trübsal geblasen hatte, als mich "normal" zu verhalten. 

Schlicht antwortete ich mit einem "Geht schon.", weitere Erklärungen bedurfte es eh nicht, schließlich wusste Vanessa über die Sache bescheid. 

"Also gibt es immer noch eine Verbesserung. Mal sehen, ob ich sie dir hier mit geben kann." meinte sie und holte etwas hinter ihrem Rücken hervor. 

Es handelte sich dabei um einen weißen Briefumschlag, verschlossen und unangetastet, beschriftet mit meinem Namen. 

Fragend hob ich eine Augenbraue hoch und nahm den Briefumschlag vorsichtig entgegen. Kaum hatte ich ihn in der Hand, merkte ich ein unverkennbares Gewicht, welches mir verriet, dass sich in dem Umschlag neben einem Brief auch ein anderer, kleiner Gegenstand sein musste. 

Vanessa, die alte Grinsekatze, beobachtete jede meiner Bewegungen genau, als ich den Briefumschlag öffnete, wie eine Mutter, die gerade zuschaute, wie ihr Kind sein Geburtstagsgeschenk auf machte. 

"Und? Was hat dir William geschrieben?" wollte sie ganz aus dem Häuschen wissen. Das erste, was ich beim Wort "William" tat, war augenblicklich in meiner Bewegung zu stoppen und zu verweilen, dann hob ich meine Augen, um Vanessa anzublicken. Schlussendlich machte ich auf dem Absatz kehrt, verschwand mit dem Brief in meinem Zimmer und schlug Vanessa vor ihren Augen die Tür vor der Nase zu. 

"WAS? W...warte, ich möchte doch auch wissen, was er schreibt!" schrie sie und klopfte wie eine Wilde an die Tür, ohne dass sie damit etwas erreichte. 

Ich wiederum war leicht angesäuert, dass mir Vanessa nicht gleich gesagt hatte, dass William der Absender gewesen war, bestimmt wusste sie, dass ich den Brief sonst alleine gelesen hätte. 

Allerdings verschwand mein hauchzarter Ärger in dem Moment, in dem ich ein lautes Geräusch hörte und danach ein Quietschen.

Augenblicklich musste ich prusten, so gut konnte ich mir vorstellen, wie Vanessa mit beiden offenen Händen gegen die Tür geschlagen hatte, nur um dann dramatisch herunter zu rutschen. 

Dieser betrunkene Quälgeist wusste eben genau, wie sie mich aufmuntern konnte, dies wurde mir jedes mal, wenn ich traurig war, bewusst. 

Doch erst ein mal wollte ich mich um Williams Brief kümmern, welchen ich mit festen Druck festhielt, aus Angst, jemand könnte ihn mir weg nehmen. 

Mit vor Aufregung pochendem Herzen huschte ich durch mein Zimmer und schmiss mich mit rosaroten Wangen auf mein Bett, nur um dann in mein Kopfkissen eine Mischung aus Quietschen und Kreischen loszulassen.   

Schnell hatte ich mich wieder beruhigt, warum auch nicht, wenn mir mein Liebster geschrieben hatte. Den schon von mir unachtsam geöffnete Umschlag entnahm ich ein ordentlich zusammen gefaltetes Papier, welches ich mit zitternden Händen öffnete. Auf diesem war folgendes zu lesen: 


Liebe, über alles geliebte Nia, 

Es ist jetzt schon zwei  Woche her, seit dem wir uns verabschieden mussten. Bestimmt fehle ich dir genau so sehr wie du mir. Deshalb habe ich beschlossen dir, trotz weniger Zeit, einen Brief zu schreiben. Um deine Fragen zu beantworten, welche du wahrscheinlich hast, mir geht es gut. Ich befinde mich mit meinen Mitgliedern gerade in der Stadt Ruikka, nahe der Grenze zu Diamond. Es gab schon einige Schlachten, doch ich kann dir nicht die Angst nehmen, dass nicht noch mehr passieren wird. Wir haben kaum Verletzte, wenn es so weiter geht, werden wir keine Probleme mit Diamond haben, besonders jetzt, wo der König der Magier uns noch den silbernen Adler als Unterstützung geschickt hat. Damit die nächste Woche für dich erträglich wird, habe ich dir etwas mitgeschickt.

Meine Konzentration brach und ich schaute mir den Umschlag an, in welchen ich immer noch das Gewicht spürte. Verunsichert, aber auch voller Spannung, was es war, griff ich in den Umschlag und holte den Gegenstand heraus. 

Es war eine Kette, gehalten in Silber und mit einem Stein als Anhänger. Allerdings nicht irgendein Stein, nein, es war ein ozeanblauer, wasserähnlicher Stein aus Glas, welcher in einem Schutzmantel aus Silber gehalten und umrahmt wurde. 

Ungläubig schaute ich auf die wunderschöne Kette, welche auf meiner Handfläche lag, glänzend und schimmernd im Strahl der Sonne. Wie weggetreten schwenkte ich meine Hand, um das Schmuckstück aus allen Seiten beobachten zu können.

Bedächtig und fasziniert legte ich mir das Schmuckstück um. Ich hatte zwar schon oft gehört, dass Männer von Mode, Accessoires und so weiter keine Ahnung hatten, aber anhand William konnte ich dies voll und ganz wieder legen. 

Zart strichen meine Fingerkuppen über den glatten Sein, während die kalte Kette und Rückseite des Steines auf meiner Haut auflagen. 

Das Gewicht, welches mir im Briefumschlag mehr vorgekommen war, schien sich in Luft aufzulösen, denn die Kette war federleicht, fast kaum spürbar. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich daran dachte, dass es mich an die Sanftheit Williams erinnerte, welche ich so gerne spürte und mitbekam. 

Den Brief, welchen ich auf meine fluffige Bettdecke gelegt hatte, nahm ich nun wieder in die Hand, um Williams geschriebenen Worten weite zu lauschen. 


Wie dir bestimmt aufgefallen ist, ist das eine Kette mit einem Glas Anhänger. Als ich diese in Ruikka, kurz vor dem Angriff Diamonds gesehen habe, musste ich augenblicklich an dich denken, genau wie bei dem Edelstein im Dungeon. Der Edelstein und der Glasstein, welcher in die Kette eingelassen ist, erinnerten mich an deine blauen Augen, auch wenn diese viel schöner sind. Vielleicht hilft dir dieses kleine Geschenk dich immer wieder zu ermutigen und zu erinnern, dass ich immer bei dir bin, auch wenn uns, wie in diesen Fall, mehrere Kilometer trennen. Pass auf dich auf und denke daran, ich bin bald wieder bei dir.

Dein dich liebender William.


Unbewusst hatte ich während dem Lesen nach dem Kettenanhänger gegriffen und den kalten Stein in meine warme Hand geschlossen. Mein Lächeln, ebenso das Rot auf meinen Wangen hatten sich vergrößert.

Gut konnte ich mir vorstellen, wie er den Brief geschrieben hatte, weshalb ich beim Lesen auch seine sanft fließende Stimme gehört hatte. 

Irgendwie fand ich diese Geste das Romantischte was William in dieser Situation hätte tun können. Gott, wie süß kann ein Mensch sein?, quietschte ich in Gedanken und drückte den Brief an meine Brust. 

Am liebsten hätte ich ihn jetzt ganz doll umarmt, doch das musste wohl warten. Die Vorfreude auf unser Treffen in einer Woche wurde nun unerwartet noch größer und ich konnte es kaum erwarten, ihn in meine Arme zu schließen. 

"Ich sterbe vor Niedlichkeit." murmelte ich und rollte mich auf dem Bett hin und her. Er ist so unglaublich süß.


Eine Woche später: 

Heute. Heute war es so weit! Endlich würde ich ihn wieder sehen! 

Aufgeregt stand ich vor meinem geöffneten Schrank, schaute mir jedes Kleidungsstück mindestens zwei mal an, um dann das Richtige für heute zu finden. Neben mir häuften sich meine aussortierten Klamotten, daneben entstand ungewollt ein weiterer Berg, diesmal jedoch für Kleidungsstücke, welche meinen Vorstellungen entsprachen.

Eigentlich war ich niemand der extrem auf sein Aussehen achtete und viel Wert darauf legte, doch kurz vor einem Treffen mit William schien ich zu genau so einem Menschen zu mutieren. 

So gelang es mir leider, für mein Outfit ganze zwanzig Minuten zu brauchen, was ich sonst in unter fünf schaffte. 

Mit jeder Minute die verging stieg meine Aufregung ins Unermessliche, Schweiß bildete sich zu meinen Ungunsten auf meinen Händen, die, bei genaueren Hinschauen, nicht aufhörten zu zittern.

Ruhig, sprach ich mir selbst zu, während ich tief einatmete. Mit meinen Augen fuhr ich mein Zimmer ab, bekannt, vertraut und zeitlos wirkte es auf mich, strahlte eine Stille aus, welche mir sehr half. 

Überlegungen, wie ich ihn begrüßen sollte, schwappten in meinem Hirn herum. Dabei kam auch oft der Gedanke, ihn endlich in die Arme fallen zu können, ebenso seine Lippen wieder auf meinen zu spüren. 

Ein sehnsüchtiges Gefühl erfüllte mit schwerem Druck meinen Körber, meine Lippen bitzelten bei dem Gedanken. Meinem Mund entkam ein Seufzen und ich fuhr mir durch meine frisch gewaschenen Haare. 

Selbst jetzt, wo William nicht da war, verwirrte er mich und ließ mich den Verstand verlieren. Ebenso tat das die leise tickenden Uhr, dessen Zeiger einfach nicht schneller sein wollte und so gefühlt mein Treffen mit William eigenwillig zu verhindern versuchte. 

Zwei Stunden. In zwei Stunden würde ich ihn endlich wiedersehen, im Garten, in welchem wir zusammen gekommen waren, in dem Garten, in dem alles begonnen hatte. 

Die Kette um meinen Hals wippte zusammen mit mir nach oben und unten, unter Nervosität und Anspannung. Fragen, wie unser Wiedersehen wohl aussehen würde, tauchten wie schnellwachsende Frühlingsblumen in meinem Kopf auf. Würden wir uns vor schönem Schock nicht bewegen können oder augenblicklich aufeinander zu laufen? 

Beides währe möglich und nicht zu verachten, aber warum machte ich mir darüber überhaupt Gedanken? Es würde so kommen, wie es kommen sollte und ich war mir sicher, dass unser Wiedersehen egal wie es beginnt, einer der schönsten Momente in meinem Leben werden wird. 

Umso mehr wurde ich bei diesem Gedanken aufgeregter, allein der nächste Schritt des Uhrzeigers, wenn er auf die nächste Minute tickte, brachte mein Herz fast um. 

Ungeordnet atmete ich schlampig ein und aus, meine Herzschläge folgten keinem einheitlichem Muster mehr, waren völlig wild und unvorhersehbar. 

Zudem schlugen sie schon so stark, dass jeder Schlag deutlich in meiner Brust zu spüren war, ja fast schon schmerzte und mir die Angst verlieh, mein Herz könnte jeden Moment die Belastung nicht mehr aushalten und dann einfach stehen bleiben. 

Noch ungefähr ein und halb Stunden. Unendlich lange, wie ich fand. Mit zitternden Gliedern setzte ich mich auf mein Bett, versuchte mich irgendwie zu beruhigen. Zwar roch ich den sonst immer beruhigenden Duft meiner Kerzen, allerdings schien mein Herz nicht auf meinen "Beruhigen!" rufendes Herz zu hören, sondern wirkte so, als ob es sich durch das Setzten noch verschnellerte. 

Obwohl ich dies sonst nie tat, biss ich mir auf die Unterlippe, um irgendeinen Ausgleich zu meinem ausrastenden Herzen zu haben. 

Ein und halb Stunden, was sollte ich in dieser Zeit machen? Lustlos schaute ich mich in meinem Zimmer um, streifte die vielen Bücher, die Duftkerzen, die neuen, weichen Kissen, die an der Wand hängenden Bildern meiner Freunde und Familie und die vielen, weißen Möbel mit hellblauer Deko. 

Mit einem lauten Seufzten ließ ich mich nach hinten auf mein Bett fallen, meine Arme schlapp zu beiden Seiten ausgestreckt. Wie vermutet brachten mich diese normalen, längst vertrauten Gegenstände nur noch mehr um den Verstand. 

Doch dann fiel mein Blick auf die Fotos. Familie und Freunde. Aber kein William. Ob ich ihn fragen kann, ob wir ein Bild zusammen machen?, fragte ich mich. Oder ist das zu früh? 

Wir waren zwar zusammen, allerdings nicht allzu lange, selbst mit diesen vier Wochen war das noch wenig. Deswegen kam es mir manchmal wie in einem Traum vor. Unsere Beziehung...sie war so...perfekt.

Und das freute mich. Welches Paar konnte schon behaupten, zusammen so glücklich zu sein wie wir? Wir, die kindisch und verspielt ihr erstes Date zusammen hatten, ohne den Anderen einfach nicht mehr konnten und bis über beide Ohren verliebt war. 

Ohne den Anderen einfach nicht mehr können, wiederholte ich leicht abgewandelt in meinem Kopf. Als ich mehr darüber nachdachte, konnte ich dem voll und ganz zustimmen. 

Es war wirklich so gewesen, dass William und ich nie längeren Kontakt zu einander hatten. Damit waren wir beide klar gekommen, logisch, wir kannten es auch nicht anders. Umarmt hatten wir uns nicht, Händchen gehalten ebenfalls nicht und geküsst schon dreifach nicht. 

Doch jetzt, wo wir uns so nah gewesen waren, funktionierte es nicht mehr. Die Mauer, welche unsere Sehnsüchte eingefangen hatte und vorm Ausbrechen gehindert hatte, war bei unserer Nähe durchbrochen wurden. 

Wir, die den anderen schon so nah waren, konnten und wollten dieses Gefühl nicht mehr verlieren und auch weiter hin bei ihm sein. Es klingt zwar komisch, aber am ehesten war die Situation mit einer Droge zu vergleichen. Erst wenn man sie genommen hat, wurde man abhängig und konnte nicht mehr ohne, was man vorher geschafft hatte. So wie bei unserer Liebe. 


Der Wind durchfuhr mein Haar, sanft und gedrosselt. Ebenso erfasste er die Blumen und Bäume, welche in dem Garten standen. Aufgeregt zupfte ich an meinem Outfit, strich mir immer wieder eine Strähne hinters Ohr, nur um sie dann zurück gleiten zu lassen, weil ich mir nicht sicher war, ob es gut aussah. 

Immer wieder machte sich mein Herz mit lauten, kräftigen Schlägen bemerkbar, meine Kehle war trocken und ich biss aufgeregt auf meiner Unterlippe herum. 

Langsam ging ich durch den Garten, Richtung Bank. Langsam deswegen, weil ich verhindern wollte, zu schnell bei William zu sein. Zwar stand ich total unter Strohm und konnte es kaum erwarten ihn endlich wieder zu sehen, allerdings schien ich noch verarbeiten zu müssen, dass heute der lang ersehnte Tag war. Dass ich ihn jetzt treffen würde.

Meine Aufregung und Freude flitzten gleichzeitig nach oben, als mit klar wurde, dass ich in wenigen Schritten da sein würde. Unsicher schaute ich an mit herab, musterte mich, um bloß keinen peinlichen Fehler aufweisen zu können. 

Tief atmete ich ein, sozusagen als Mutmache und Startschuss für mich selbst. Dann ging ich mit hoch erhobenen Kopf die letzten Schritte und stand knappe vier Meter von der Bank entfernt. 

Dort stand er, den Kopf nach oben zu dem Ahornbaum gerichtet, wessen Äste sich im Wind wiegten. Sein typisches, sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen, während er sichtlich den kühlen Wind an diesem heißen Tag genoss und dem Geräusch der Blätter lauschte. 

Ich war wie erstarrt, konnte kein Wort heraus bringen. Meine Kehle fühlte sich an, als ob sie nicht existieren würde, ich war gänzlich überfordert von der Situation und der Bild vor mir. Er war da. 

Extrem schnell schoss mein Herzschlag hoch, als er eh schon war. Augenblicklich war auch mein Sinn für die Atmung im Urlaub, denn ich atmete hektisch und unregelmäßig, einmal tiefer und einmal schwächer. 

Als Ansporn ballte ich meine Fäuste und leckte mir über die trockenen Lippen, bevor ich meinen Mund öffnete. 

"William!"


3042 Wörter

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