Kapitel 41 Spiel der Zeit
Immer wieder warf ich einen verstohlenen Blick auf die Uhr und auf die Papierarbeit, als ob die Zeit sich dadurch verlangsamen und mehr werden würde, obwohl ich erst vor wenigen Sekunden darauf geschaut hatte.
Allerdings verlor ich diesen Tick und die Innerliche Plagerei nach jeder Minute, die verging. Denn mit jeder Minute, jeden Papier, wurde auch die Wahrscheinlichkeit weniger, das Nia auf mich wartete.
Tick
Tack
Noch nie hatte ich das Ticken der Uhr als so störend empfunden.
Nach ungefähr einer weiteren Stunde, 19:09, hatte ich schon jegliche Hoffnung aufgegeben.
Nias Sicht:
Es wurde frischer. Der Abendwind strich wie eine Katze an meinen Beinen entlang, ließ eine kribbelnde Gänsehaut über meine Haut fahren, wollte nicht verschwinden. Immer und immer kälter wurde es, ebenso unaufhaltbar war die glühende Kugeln ihm wolkenbestickten Himmel.
Die leuchtende Sonne hatte ihren höchsten Stand bereits erreicht und führte unbeirrt ihren Lauf fort, ohne auch nur daran zu denken, dass Leute sie benötigten.
Mir war zu heulen zu mute.
So richtig zum ausweinen. Ich musste sogar schon mit den ersten Tränen kämpfen, welche ich aus meinen Augen zu verbannen versuchte, zu allem Übel lief mir durch die aufkommenden Tränen auch noch unaufhaltsam die kitzelnde Nase.
Obwohl sich William und ich um 16:30 verabredet hatten, war er bis jetzt nicht aufgetaucht.
Ein kurzer Blick auf die Uhr ließ mich noch schlechter fühlen. 18:43 Uhr. Über zwei Stunden Verspätung.
Das Holz der Bank fühlte sich schon wie ein Teil von mir an, so lange saß ich schon auf ihr, innerlich verzweifelte ich.
Warum kommt er nicht? Liegt es an mir? Hat er es sich noch einmal anders überlegt und ist auf den Entschluss gekommen, dass ich es nicht wert bin? Oder wird er irgendwie aufgehalten?
Gedanken über Gedanken überlappten sich in meinem Kopf, welcher wie eine alte Maschine ratterte, keinen Sinn mehr zu machen schien.
Die komischsten Ideen blühten in meinem Kopf wie Unkraut, dabei wusste ich, dass Williem mich niemals verraten oder hintergehen würde. Nicht er. Trotzdem war es in meinem Kopf. Blöde Gedanken. Blöd Liebe. Blöde Welt. Blöder William.
Verletzt war ich. Sein nicht Auftauchen machte mir zu schaffen.
Doch es war egal, was es am Ende der Grund war, warum er nicht pünktlich gekommen war.
Denn ich fühlte mich schlecht. So schlecht, dass ich es gar nicht beschreiben konnte, fast schon kotzübel empfand ich mein Inneres. Es hatte sich ein Kloß in meinem Hals gebildet, welcher mir fast den Atem raubte.
Unruhig rutschte ich hin und her, dann war ich wieder für einige Minuten ruhig, bis ich wieder begann mit der Fußspitze zu wippen. Ein Ablauf der Gefühle, der sich mit Wiederhaken in meinem Bewusstsein eingenistet hatte.
Weitere Minuten vergingen, in jeder hätte ich ausrasten können. Über zwei Stunden wartete ich nun, länger konnte ich nicht mehr.
Wie dumm und verbländet war ich eigentlich, zwei Stunden zu warten?! Ich war wütend. Und enttäuscht. Er hatte schließlich den Termin vorgeschlagen.
Die Trauer hatte mich gepackt und setzte mir übel zu. Erneut fragte ich mich, warum William nicht aufgetaucht war. Wahrscheinlich war irgendetwas passiert. Trotzdem änderte es nichts, das ich an zweiter Stelle stand. Verbittert und eitel fühlte ich mich bei diesem Gedanken, wahrscheinlich war ich es auch.
Zudem war ich mir aus unerklärlichen Gründen sicher, dass es an mir lag.
Obwohl ich nicht egoistisch sein wollte, setzte es mir zu. Das Gefühl der Zweitrangig und Unwichtigkeit machte sich in mir breit.
Da ich hier alleine, zwei Stunden auf der Bank gesessen hatte, fühlte ich mich alleine. Auch irgendwie hintergangen. All diese Empfindungen schienen sich zu sammeln und ließen mich minderwertig und hundsmiserabel fühlen.
Ich wollte nicht mehr. Ich wollte von hier verschwinden. Zerfließen wie Aquarellfarben. Mich in die tiefste Ecke meines Zimmers verkriechen und für eine lange Zeit nicht mehr hervor kommen.
Zögernd stand ich von der Bank auf, schaute mich ein letztes mal um, in der Hoffnung, das William irgendwo zu sehen sein würde. Jedoch konnte ich ihn nicht sehen.
Zwar fühlte ich mich ebenfalls schlecht, dass ich jetzt einfach ging, doch zwei Stunden waren schon zu viel gewesen.
Mein Blick viel das tausende Mal auf die Uhr. 18:52 Uhr. Ein tiefes, klagendes Seufzen entkam meinen Lippen, bevor ich ohne mich ein weiteres Mal umzuschauen ging.
Williams Sicht:
So schnell wie ich konnte lief ich. Meine Lunge brannte und der Boden unter meinen Füßen fühlte sich immer blasser an.
Es war nun ganze 21:00 Uhr, fast fünf Stunden später, als verabredet. Es war eigentlich unwahrscheinlicher als alles andere, dass Nia noch auf mich wartete.
Welcher Mensch würde das denn auch schon tun?
Trotzdem wollte ich dort hin, zum Garten in dem wir uns unsere Liebe gestanden hatten. Warum konnte ich mir selbst nicht ganz beantworten. Denn ich hatte bereits verloren.
Meine Kleidung klebte an meiner Haut, es war meine normale, tägliche Uniform, Zeit mich umzuziehen hatte ich nicht mehr gehabt. Ich keuchte, mein Lunge forderte unter einer Sekunde neuen Sauerstoff.
Die Straßen der Hauptstadt waren ungewöhnlich leer und still, die Meisten lagen schon in ihren Betten und schliefen.
Die Sonne war schon untergegangen, das einzige Licht kam von den, mit Magie angetriebenen, Straßenlaternen, welche neben der Straße standen.
Ein lautes Keuchen kam aus meiner trockenen Kehle, gefolgt von weiteren kleineren. Meine Seite begann langsam aber stetig zu stechen. Die Versuche das aufziehende Seitenstechen zu ignorieren scheiterte kläglich, meine Gedanken waren einfach zu wirr, um sich auf eine einzige Sache zu konzentrieren.
Was denkt sich Nia wohl? Das ich sie vergessen habe? Ich konnte es ihr nicht verübeln.
Schuldgefühle, bitterer als alles andere, machte sich in mir breit. Warum musste ich es mir verspielen, ausgerechnet dann, wenn es so gut gelaufen war?
Zwar war es nicht alleine meine Schuld, trotzdem zog das missmutige Gefühl wie nasse Klamotten an mir, hatte einen unglaublichen Druck.
Weiter und weiter rannte ich, achtete so gut es ging nicht auf meinen schreienden Körper. Der Garten war nun in Sichtweite, ich eilte unter dem Roseneingangstor hindurch, als gäbe es kein Morgen, den Steinweg entlang.
Die bunte Blütenbracht, welche sich teilweise schon verschlossen hatten, ignorierte ich. Es war gerade nicht wichtig. Alles war nicht wichtig, außer sie.
Die Rosen neben wir wurden mehr, ich rannte den Weg entlang, als ob ich ihn schon tausendmal entlang gerannt währe. Als ob alles hier normal währe.
Ich fragte mich warum. Warum rannte ich an einen Ort, bei dem ich wusste, dass sie dort unmöglich war.
Meine Schritte drosselten sich, ich wurde langsamer. Mit leicht geöffneten Mund zog ich Atemluft ein, hektisch atmete ich ein und aus.
Meine Augen lagen auf der Bank, auf der Nia und ich vor drei Tagen gesessen hatten.
Der Wind wehte, drückte meine Federn leicht nach rechts, fast so, als ob er nach Aufmerksamkeit verlangte, bettelte und erforderte. Die Stille trug das Rascheln der Blätter zu mir, welches sich wie sanfte Musik anhörte.
Da lag sie. Auf unserer Bank. Meine Nia.
Ihren Kopf hatte sie auf die hölzerne Sitzfläche gelegt, etwas eingezogen waren ihre Beine und Arme, um die Wärme ihres Körpers aufzufangen und zu behalten.
Sachte hob und senkte sich ihr Brustkorb, ihr Mund war minimal geöffnet und ihre geschlossenen Lieder wirkten wie gemalt und unglaublich sanft.
Ein Lächeln machte sich auf meinen Lippen breit, die Erschöpfung war wie weggeblasen. Mir fiel ein tonnenschwerer Stein vom Herzen, ich fühlte mich auf einmal ganz leicht.
Die unglaubliche Freude darüber, dass sie tatsächlich auf mich gewartet hatte, breitete sich wie ein warmes Feuer in mir aus.
Mein Mädchen hatte auf mich gewartet. Über fünf Stunden. Für mich, einen Idioten mit Maske.
Geräuschlos ging ich zu ihr und kniete mich vor ihrem Kopf hin. Es war unglaublich beruhigend, sie beim schlafen zu beobachten, wofür ich mir ganze zwei Minuten die Zeit nahm, jetzt, wo alles plötzlich so zeitlos wirkte.
Vorsichtig kam ich ihr näher und flüsterte ihr zärtlich ins zum Himmel schauende Ohr. "Aufwachen Prinzessin, sonst erfrierst du noch." flüsterte ich sanft und irgendwie verträumt, in meinem Körper flatterten Schmetterlinge und ich war in dieser rosaroten Welt gefangen, zusammen mit diesem verliebten Gefühl.
Ihre Augenlieder zuckten, bevor sie sie nach und nach gähnend öffnete. Fragend schaute sie mich verschlafend an. Es dauerte einige Minuten, bis sie realisierte, wer nun eigentlich vor ihr saß.
"W...William!" rief sie vor Schreck, wobei sie sich hektisch aufrichtete. Nun saß sie normal auf der Bank und ich vor ihr gekniet, wie bei einem Heiratsantrag. Noch nicht. Aber irgendwann, dachte ich mir selbstvergessen.
Überraschung war ihr ins Gesicht geschrieben, überrumpelt schaute sie sich um und erkannte an der Uhr am entfernten Kirchenturm, dass es schon sage und schreibe 21:12 Uhr und dunkel war. Einzig und alleine die Straßenlaterne neben der Bank spendete Licht im dunkeln Garten.
"Es tut mir leid, die Arbeit hat mich leider verhindert. Es waren Dokumente dabei, die ich heute fertig machen musste. Bitte verzeih mir, glaub mir, ich wollte mehr als alles andere zu dir." erklärte ich. Meine Wangen hatten sich rot gefärbt, unsicher, wo ich hinschauen sollte, fuhr mein Bick zum Boden.
Einige Sekunden schwieg Nia. Das Zirpen der Grillen die ihre Lieder sangen war deutlich zu hören, als ob sie die Lautstärke eines Manschens besaßen. Ihre Gesänge waren das einzige, was in dieser dunklen Nacht zu vernehmen war.
"Kein Problem." sagte sie nach den langgezogenen Sekunden der Spannung. "Du bist gekommen, zwar zu spät, aber du bist da. Das ist die Hauptsache. Um ehrlich zu sein habe ich mir sonst was vorgestellt, dass du nun doch noch vor mir stehst, erleichtert mich wirklich ungemein." Sanft und voller Freude verließen ihre Worte ihre Lippen, sie schien tatsächlich nicht böse zu sein.
Oder sie war wütend, doch die Freunde dass ich doch gekommen war, war mehr wert. Eine durchaus vorstellbare Möglichkeit.
Sie hatte auf mich fünf Stunden gewartet. Und sie verzieh mir. Konnte es überhaupt besser werden?
"Du hast dir sonst was vorgestellt? Hast du dir Sorgen gemacht?" fragte ich entschuldigend nach. "Naja, nicht nur über deine Gesundheit." nuschelte sie ehrlich als Antwort. Eine Zeit brauchte ich, um zu verstehen, was sie meinte.
"Da musst du dir keine Sorgen machen, ich gehöre nur dir, das weißt du doch." sprach ich wie das normalste der Welt, allerdings mit schamroten Wangen aus, nur um ich danach zu fragen, warum ich so etwas peinliches sagte. Diese Frau ließ meinen Kopf aussetzen.
Als ich wieder aufschaute von dem Boden, bei dem ich voller Scharm einen Unterschlupf gefunden hatte, erkannte ich durch das Licht der Straßenlaterne, dass Nias Blick von meinen Augen runtergewandert war und nun auf meinen Lippen lag. Für einen Moment war ich verwirrt, verstand dann jedoch ihre, von ihr unbemerkten und unbewusste Körpersprache.
Etwas nervös kam ich ihr entgegen, ging einwandig hoch. Erst war sie verwirrt, verstand dann jedoch und kam mir ebenfalls entgegen. Während sie sich vorbeugte wirkte sie genau wie ich nervös, sie zitterte leicht vor Vorfreude und vor Nervosität. Wir waren es beide nicht gewöhnt.
Unsere warmen Lippen trafen sich, übten leichten Druck gegeneinander aus. Körpererschütterndes Kribbeln durchfuhr uns von Kopf bis Fuß, stellte uns die Haare auf und erschuf Gänsehaut an unseren Armen und Beinen.
Voller Liebe gab ich mich voll und ganz Nia und unseren Kuss hin, welcher nach Sekunden wieder endete. Allerdings entfernten wir uns nicht weit von einander weg, ihr warmer Atem traf meine befeuchteten Lippen und ich wusste, dass es bei ihr genau so war.
Kurz schauten wir uns in unsere Augen, verliefen und versanken uns in ihnen. Ohne das wir ein Wort sagen mussten, trafen unsere Lippen synchron ein zweites Mal aufeinander.
Als wir auch diesen Kuss gelöst hatten, stand ich auf und hielt Nia höfflich die Hand hin. Mit einem Lächeln nahm sie diese an und stand von der Bank auf.
"Wohin jetzt? Es ist schon spät, die Geschäfte haben schon alle zu." wollte Nia wissen, während sie sich umschaute wie ein Vogel in einem Gebiet voller hungrigen Katzen.
Tatsächlich war ich an einigen sichtlich geschlossenen Geschäften vorbei gelaufen, doch in diesem Moment hatte es mich nicht wirklich interessiert, da ich nur zu Nia gewollt hatte.
"Ich weiß nicht." gab ich ehrlich zu und dachte angesträngt nach, um irgendeinen Ort zu finden, an den man um diese Uhrzeit ein Date verbringen konnte. Mein Herz pochte, als mir erneut klar wurde, dass ich mit Nia ein Date hatte. Mit ihr.
Eigentlich hatte ich auf den Weg hierher gedacht, dass sie schon gegangen wäre, doch dem war nicht so.
Wohin könnten wir gehen? Alle Geschäfte und Läden haben zu. Vielleicht könnten wir das Treffen in einem Spaziergang ausleben? Obwohl, was ist wenn Nia einen Spaziergang zu einfach findet? Ihr soll es ja gefallen.
Angestrengt überlegte ich, versuchte eine Lösung zu finden, die hauptsächlich Nia gefallen würde, ich persönlich stand an letzter Stelle. Denn wenn ich eins wollte, dann das ich dieses Date, welches ich fast verpatzt hatte, doch noch für sie retten und zu etwas schönes umwandeln konnte.
"Ich habe eine Idee." kam es mit engelsgleichen Stimme aus Nias Mund hervor, sie zog mich in ihren Bann und regte mich augenblicklich zum träumen an. Der Gedanke, dass sich etwas verändert hatte, schlug blitzartig in meinen Kopf ein.
Ihre Stimme. Sie klang...einzigartiger. Noch mehr als davor. Als ob ich sie aus einer ganzen Menge brüllender Menschen heraushören könnte. Sanft, wie ein hauchzarter Kuss auf die Wange klang ihre Stimme. Zwar hatte sie das schon vorher, trotzdem schien sie mit jeder Sekunde, in der ich bei Nia war, schöner und schöner zu werden.
Es war ihre Stimme. Die Stimme meiner geliebten Nia. Sie bekam einen anderen Klang. Einen ganz besonderen.
"Du hast einen Besen dabei, oder?" fragte sie mich, an ihren Brustkorb, welcher sich erhöht hob und senkte, erkannte ich, dass sie aufgeregt war.
"Ja, habe ich. Warum fragst du?" wollte ich belustigt wissen, da Nia plötzlich so stolz schaute. Ihr war wohl etwas Gutes eingefallen.
Obwohl ich in meinen tiefsten Inneren schon ein wenig ungewöhnlich bedrückt war, dass ich ihr keinen schönen Einfall geben konnte, war ich dennoch froh, dass sie sich freute und das Date sozusagen gerettet war.
Nia wirkte plötzlich voller Tatendrang und erfreut, so dass der Anblick ihres strahlendes Gesichtes mein Herz erwärmte.
"Gut!" Die Vorfreude und der Stolz, das sie einen Geistesblitz gehabt hatte, zitterte förmlich wie eine gezupfte Gitarrenseite, dabei klang sie nebenbei so herzlich und warm, dass ich ihre Stimmung an liebsten in einem Glas eingefangen hätte.
Wohin sie wollte, verreit sie nicht, sie meinte: "Du wirst schon sehen." und spannte mich so auf die Folter. Ohne Proteste ließ ich es geschehen, egal was es war, wenn Nia so glücklich war, freute ich mich ebenfalls auf das Kommende.
Mit der blanken Unwissenheit an meiner Seite stieg ich auf meinen Besen, welchen ich vor dem Eingang des Gartens achtlos auf die kalte Straße abgelegt hatte.
Der kühle Nachtwind fuhr unsere Haut entlang und ließ mich für einen Moment minimal frösteln, während wir nebeneinander über die Stadt flogen. Vereinzelt drang Licht aus den Fenstern, schwarze Silhouetten wurden an die Wände geworfen, zeichneten sich manchmal an den zugezogenen Vorhängen ab.
Der Flugwind zog an unseren Kleidern, spielte mit Nias Haaren, so wie mit meinem Umhang und den Federn, welche meine Maske zierten.
Als ob sie mein Magnet wäre, blickte ich zu der neben mir fliegenden Nia. Wie konnte man nur so hübsch sein? Im Augenwinkel bemerkte sie, dass ich sie anschaute und drehte ihren Kopf zu mir.
Ihr warmes, liebevolles Lächeln ließ mein Herz reihenweise Purzelbäume schlagen. "Willst du mir immer noch nicht sagen, wo wir hinfliegen?" versuchte ich mit warmer Stimme aus ihr herauszubekommen, wohin die Reise ging. Nia lachte nur und schüttelte vergnügt den Kopf.
Theaterreif atmete ich dramatisch aus, was Nia nur noch mehr zum lachen brachte. Der Mond wachte über uns, durch den wolkenfreien Blick in den sonnenlosen Himmel erkannte man ohne Hindernisse, das zufälliger Weise heute Vollmond war.
Das sanfte Licht des Mondes erhellte unsere Gesichter in einen weißlichen Schein. Glitzernd und unzählig begleiteten die Sterne den vollen Mond am dunklen Himmel.
"Sag mal, kommt dir das auch so unwirklich vor?" fragte sie nach einer Weile leise. Um ihr Gesicht zu sehen löste ich meinen Blick vom Ende der Stadt, welches uns immer näher kam und mir die Frage stellte, wo sie hin wollte, wenn nicht zu einem Platz in der Stadt und schaute in ihr gedankenverlorenes, wie gemaltes Gesicht, das in die Ferne schaute.
Bevor ich ihr antworten konnte, fuhr sie fort: "Naja, ich meine damit, dass du vor drei Tagen für mich noch unerreichbar warst. Und jetzt haben wir ein Date und sind...zusammen. Verstehst du was ich meine? Es fühlt sich wie ein Traum an. Wahrscheinlich habe ich das Ganze noch nicht wirklich verarbeitet." beendete sie ihre Erklärung im zarten Ton und lachte leicht über sich selbst auf.
"Ich war für dich unerreichbar?" Sie nickte. Ein Lächeln zierte meine Lippen, als ich noch näher zu ihr flog, so das unsere herunterhängenden Beine sich berührten.
Ihre ozeanblauen Augen schauten auf, trafen meine lila und verharrten träumend. "Umso mehr bin ich froh und stolz auf dich, dass du den ersten Schritt getan hast. Hättest du das nicht, hätte ich dich nach der Umarmung ohne ein Wort gehen lassen und dich nur angesehen. Wir hätten vermutlich aneinander vorbei gelebt und geliebt. Doch jetzt bin ich einfach nur froh, an deiner Seite zu sein." hauchte ich, während ich mich mit meiner Hand an ihren Oberschenkel abstütze, ihr näher kam und einen warmen Kuss auf die Wange gab.
Mit wild schlagenden Herzen beobachtete ich, wie ihre Wangen rot wurden und sie den Griff um den Besenstiel verstärkte. Das Lachen rutschte mir unabsichtlich heraus, doch es reichte um einen aufforderten Elenbogen Stupser von Nia zu ernten.
Mit einen nicht erst gemeinten bösen Blick nahm ich meine Hand von ihrem Oberschenkel und begab mich zu meinen Besen zurück.
"Das du sagst, dass du mich als unerreichbar angesehen hast, hätte ich vor drei Tagen auch nicht zu Träumen gewagt." gab ich zu. Dabei fiel mir auf, wie gut es tat, über unsere, für uns plötzlich kommende Beziehung zu reden. Es gab noch so viel, worüber ich mit ihr reden und ihre Sicht aufnehmen wollte und ich hoffte, dass ich mir einige Fragen von der Seele reden konnte.
"Um auf deine Frage zurück zu greifen, Ja. Für mich kommt es manchmal auch unwirklich vor, umso schöner ist es, dass es die Realität ist. Ich habe mich auch öfter dabei erwischt, wie ich mich gefragt habe, ob ich wirklich mir dir zusammen bin. Es ist das erst Mal, dass ich in einer Beziehung bin, deshalb bin ich mir auch manchmal unsicher. Ich hatte ja auch nicht damit gerechnet, dass ich je Chancen bei dir haben könnte."
"Moment, Moment, halt! Du hast dir keine Chancen bei mir ausgerechnet? Nur wegen der Narbe?" hakte Nia mit locker nach.
"Ja, habe ich." antwortete ich mit einem sanften Lächeln. "Komisch, dabei siehst du doch total hübsch aus." meinte Nia, in ihrer Stimme war flüssig und weich. Ganz von selbst suchte ich in ihrer Stimme Ironie, doch fand nur reine Ehrlichkeit.
Augenblicklich färbten sich meine Wangen rot und unbeschreibliche Freude durchfuhr meinen Körper, so dass sich eine wohligen Schauer durch meinen Körper zog.
"Weißt du wann du angefangen hast dich in mich zu verliebten?" Nia klang interessiert, ihr Blick sprach das Gleiche. Etwas war ich überrascht, ich hatte schließlich vorgehabt, sie das Gleiche zu fragen.
"Ich glaube, dass ich bei der gemeinsamen Mission angefangen habe, mich in dich zu verlieben. Es war die, bei der ich dich mit Hilfe meiner Magie vor dem Fall in den Tod gerettet habe, erinnerst du dich?"
"Wie könnte ich die nur vergessen, du hast mich schließlich heldenhaft gerettet und danach auch deinen Umhang geliehen." belächeltet sie. "Zudem bin ich fast gestorben." fügte sie nebensächlich hinzu, was mich ungehört auflachen ließ.
Genauere Erinnerungen der Mission kamen in mir hoch. So viel war an einem Tag geschehen. Ungewollt erinnerte ich mich weiter, damit kam auch der Rückblick an Nias verwundeter Körper, welcher teilweise nicht mehr bedeckt gewesen war.
Schlagartig wurden meine Wangen noch röter, mit verzweifelten Kopfschütteln versuchte ich die unangenehmen Gedanken zurück zu drängen.
Nia beobachtete das Scenario mit ebenfalls gefärbten Kopf und irgendetwas sagte mir, dass sie genau wusste, woran ich denken musste.
"Doch der wirklich ausschlagender Moment war der, als ich dich Hugepack getragen habe." versuchte ich abzulenken und vertiefte mich wieder in die Gefühle, die ich damals in den Momenten empfunden hatte.
Dies funktionierte auch, denn Nias Röte legte sich allmählich und sie schaute wieder konzentriert, nicht verschämt.
"Du warst mir so unglaublich nah, dass ich echt nicht mehr wusste, was los was." äußerte ich lächelnd, aber auch mit Scharm.
"War bei mir genau so." hörte ich Nia sprechen. "Obwohl ich nicht aufdringlich sein wollte, habe ich mich ganz unbewusst immer näher an dich gedrückt." gab sie zu.
Abermals wurden ihre Wangen hochrot, als sie stockend weiter erzählte, "Dabei habe ich zugegeben auch deine Anwesenheit....sehr...genossen...Mannn ist das peinlich!" stieß sie schämend heraus.
Ich wieder rum empfand es nicht als peinlich, eher als niedlich, was ich sie auch wissen ließ. "Also ich finde das ja süß." meinte ich und hörte dabei formlich ihr unausgesprochenes "Was? Echt?" Das dies beim Tragen passiert war, der Gedanke wärmte mich von Innen.
Um sie nicht weiter in unangenehme Verlegenheit zu bringen, ändertet ich zu ihrem Wohl das Thema.
"Als ich es erste Mal richtig gespürt habe und meine Gefühle sich verstärkt haben, war auf dem Flug zurück ins Hauptquartier des schwarzen Stiers." fuhr ich verträumt fort. "Und bei der Umarmung habe ich es dann auch bemerkt."
Nia hang an meinen Lippen, sog jedes Wort in sich auf, als ob es ein Schatz wäre. "Verstehe, das macht Sinn. Ich hätte echt niemals gedacht, dass du dich in mich verlieben könntest und dann auch noch seit der gemeinsamen Mission in der Stadt..."
Sie fand keine Worte, öffnete und schloss ihre Lippen unsicher. "Wann hast du dich in mich verliebt?" fragte ich sie warmherzig, was sie aufschauen ließ.
"Ich?" entkam ihr augenblicklich. "Naja..." Abweichend schaute sie nach unten, folgte den unter unseren Füßen vorbeiziehenden Dächern und Straßen. "Seit...Mhhh."
Ihre Wangen wurden rot, ebenso wirkte sie nervöser. Ich nahm an, dass es ihr wohl, warum auch immer, schwer fiel. Gleichzeitig vermutete ich, dass sie ebenfalls bei der Mission im Dorf Hina ihre Gefühle gefunden hatte und sich in mich verliebt hatte, schließlich hatten wir damals den größten gemeinsamen Kontakt.
"Seit unserer ersten Begegnung." gab sie leise zu, während sie ihren Blick schüchtern zu mir drehte, um meine Reaktion zu sehen. Als sie diesen Satz sagte und ich ihn auffing hätte es mich fast vom Besen geschmissen.
Seit unserem ersten Treffen? Seit ihrer ersten Prüfung, wo Yami uns gegenseitig vorgestellt hat? Das sind viele Jahre. So lange also schon?
Schuldgefühle kamen in mir hoch, wie ein unheilvoller Tsunami. "Tut mir leid, dass ich so blind war." entschuldigte ich mich sogleich in meiner Gewissensquall, ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun können.
"Kein Problem, du kannst ja nichts dafür." kommentierte Nia schnell. Kurzzeitig schaute sie hoch zu den funkelnden Sternen, welche über uns zu tanzen schienen, hell und prachtvoll, eben von einem anderen Stern.
"Ich bin froh, dass alles so gekommen ist wie es ist, wer weiß was sonst gekommen wäre." äußerte sie bedacht.
Ich lächelte. Während ich meine Nia beobachtete, welche den beleuchteten Himmel anschaute, bemerkte ich, dass wir über die Stadt hinaus flogen.
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