Kapitel 26 Hindernisse
In meinem Augenwinkel nahm ich eine ruckartige Bewegung aus Richtung Tor war.
Ich drehte mich in dessen Richtung, um den Grund dafür heraus zu finden, als ich eine auf mich zurennende Nia erkannte.
Was hat sie vor?
Was ist mit ihren Schmerzen? Ist ihr nicht schwindelig und breitete ihr das Laufen nicht viel Mühe? Und viel wichtiger, warum rennt sie auf mich zu?
Ich hatte kaum Zeit angemessen zu reagieren, da spürte ich schon ihre Arme an meinen Seiten vorbeirauschen.
Ihre Hände landeten auf meinen Rücken und drückten mich in ihre Richtung. Sie umarmte mich fest.
Während ihr Kopf sich neben meinen bewegte, hörte ich ein gehauchtes "Danke, das du mich gerettet hast." ehe sie verstummte und sich still der ruhigen Umarmung hingab.
Er war leer. Mein Kopf war leer. Nichts machte Sinn, alles drehte sich und geriet außer Takt.
Die Umwelt schien sich zu drehen, Farben flossen zusammen und verwischten sich, als ob man zu bunter Malfarbe zu viel Wasser dazu geben hätte.
Augenblicklich schoss mein Herz in die Höhe und schlug wie wild in meiner Brust, trommelte wie verrückt gegen meine Rippen, schmerzhaft und laut, und gab mir die Gewissheit, das dieser Moment etwas ganz besonderes war.
Mir wurde heiß, heißer wie eh und je, als ob ich ein menschlicher Ofen wäre, ich glühte.
Schweißfilmchen bildeten sich auf meiner Haut, Perlen rannten mir kitzelnd den Rücken herunter und verendeten in meinen Klamotten.
Dies spürte ich jedoch nicht, so sehr war ich auf Nia fixiert, auf ihre Wärme, den leichten, von ihr ausgelösten Druck, ihre Atmung, nur auf sie.
Mein Kopf brannte, wie der Rest meines Körpers.
Urplötzlich bekam ich das Gefühl nicht mehr atmen zu können, irgendwas schnürte mir meine Lunge zu und hinderte mich daran, beruhigenden Sauerstoff einatmen zu können.
Ich war kaum in der Lage die Situation zu realisieren, ich spürte ihren warmen Körper, der sich an mich drückte und den Wunsch in mir weckte, dass sie mich nie wieder loslassen würde.
Und dann geschah es. Plötzlich schien alles glasklar. Genau in diesem Moment, in dieser Sekunde in der sie mich umarmte, mich meine Gefühle überfielen, wurde es mir bewusst.
Es war wie ein gedanklicher Schalter, der umgelegt worden war, als ob es laut und deutlich in meinen Kopf "Klick" gemacht hätte.
Ich bin verliebt.
Ich habe mich in Nia Fabre verliebt.
Mein schneller schlagendes Herz bestätigte meine Gedanken wie ein Siegel. Ich wusste nicht, woher diese Gedanken gekommen waren, aber sie fühlten sich so richtig an.
Ich bin in Nia Fabre verliebt, wiederholten meine Gedanken, als ob die Feststellung noch nicht jeden Teil meines Körpers erreicht hatte.
Und genau diese junge Frau umarmte mich gerade.
Genau diese wunderschöne Frau war mir so unglaublich nah.
Es war ungewöhnlich für mich, aber ich war grenzenlos überfordert. Überfordert und überrollt von meinen eigenen Gefühlen.
Mehr als alles andere hätte ich diesen Moment gerne eingefangen, für immer in meinem Herzen behütet und behalten.
Ihr warmer, feuchter Atem, der meinen Hals strich, ihr weicher, geschmeidiger Körper, welcher sich an mich drückte, als hätte sie Angst mich jemals zu verlieren, ihre Wärme, das Gefühl der Umarmung und ihres Körpers, es machte mich innerhalb wenigen Sekunden Wahnsinnig.
All diese Empfindungen überrollten mich in nur wenigen Augenblicken, ließen mich Gefühle spüren, welche ich nie davor gespürt hatte, welche weltfremd waren.
Sie umarmte mich. Und mir war klar geworden, dass ich mich in sie verliebt hatte. Die beiden Sachen wiederholten sich in Endlosschleife in meinem Kopf, konnten jedoch nicht verarbeitet werden.
Wohlige Schauer durchzogen meinen Körper bis zu meinen Zehenspitzen, in meiner Magengegend kribbelte es und mein Herz pochte dröhnend.
In ihren Armen fühlte ich mich so unendlich wohl und geborgen, wie ich es in meinem Leben noch nie gewesen war.
Meine vor Schreck aufgerissenen Augen verkleinerten sich zu einem gefühlvollen Blick, bevor ich sie ganz schloss und mich ganz und gar Nia hingab, sowohl meine Nase in ihren Klamotten vergrub.
Ihr Duft drang mir in die Nase, er war süßlich und angenehm, er erinnerte mich an eine Wiese Wildblumen und ich bildete mir ein, deutlich Lavendel heraus riechen zu können.
Wenn ich diesen Moment vergleichen müsste, hätte ich beschrieben, das es sich wie ein Ozean anfühlte.
Das Wasser was jeden Teil meines Körpers umschloss, sachte und kraftlos, als ob man sich einige Meter unter der von unten glänzenden Wasseroberfläche befand, sanft wiegend von den kaum spürbaren Strömungen, welche sanft an meinen Klamotten zupfte.
Dadurch, das mein Körper von Wasser umgeben und umschlossen war, fühlte man Geborgen und Sicherheit, als ob einem nichts schaden könnte.
Doch es hielt nicht lange an.
Genau so schnell, wie Nia mich umarmt hatte, löste sie unsere Nähe wieder.
Irritiert und von den starken Gefühlen überflutet trat ich einen unsicheren Schritt zurück, um wieder Klarheit in meinen aufgewühlten Kopf zu bekommen.
Diese Umarmung hatte nur wenige Sekunden gedauert, doch trotzdem hatte diese unerwartete, engste Nähe zu ihr, mir die Ausmaße meiner Gefühle, von den ich bis zu diesem Moment noch nichts wusste, gezeigt.
Sie waren gigantisch.
Plötzlich ergab das Gestarre auf ihre Augen und die ständigen Gedanken, sowie die ungewöhnlichen Empfindungen wenn sie in der Nähe war Sinn und das nur, weil mir der Geistesblitz gekommen war, dass ich mich in Nia verliebt war.
Ehe ich irgendetwas sagen konnte, drehte sich Nia auf ihren Fußspitzen rekordverdächtig um und lief ebenso schnell wie sie zu mir gekommen war, wieder weg.
Ihr Gesicht konnte ich dabei nicht sehen.
Im Tor wartete die Rosahaarige mit einem erfreuten und gleichzeitig erstauntem Gesicht und zog Nia, sobald sie in ihrer Nähe war, am Arm eilig hinein und versteckte sie hinter der kahlen Steinmauer.
"Was war das denn? Hast du ihr etwa so heldenhaft ihr Leben gerettet? Ist dir ja ganz schön dankbar." teilte Yami mit mir.
"Na ja, was solls. Lass uns reingehen und den langweiligen Kram hinter uns bringen." Mit einem letzten Zug seiner schon fast heruntergebrannten Zigarette setzte sich auch Yami träge in Bewegung und folgte Nia hinein.
Ich jedoch blieb stehen, fassungslos und wortkarg. Was auch immer mit mir gerade passiert war, es hatte mich komplett geplättet.
Mit dem Schütteln meines Kopfes konnte ich mir wenigstens etwas geordnete Gedanken machen, welche ich so dringend benötigte.
Da Yami mich nicht drauf angesprochen hatte und auch sonst sich niemand auffällig verhalten hatte, ging ich davon aus, dass niemand meine Unsicherheit und etwas anderes Ungewöhnliches gemerkt hatte.
Und die Tatsache, dass ich mich in Nia verschossen hatte. Die Tatsache, welche jetzt mit einem dicken Ausrufezeichen in meinem Kopf schwebte und mein Herz immer noch zum ausrasten brachte.
Ich war in sie verliebt, dass hat mir die Umarmung klar gemacht.
Die unzähligen Fragen, Meinungen, Emotionen und Gedanken schob ich in die hinterste Ecke, verdrängte sie fürs erste.
Als ob nichts gewesen wäre und klarem Kopf folgte ich Yami in das Hauptquartier, welches dem der goldenen Morgendämmerung nicht mal ansatzweise glich.
Jedoch gab ich zu, dass die Schlichtheit dieses Gebäudes etwas beruhigendes und wohlfühlendes hatte.
Die Eingangshalle, welche gleichzeitig das Wohnzimmer darstellte, war bis in jede unscheinbare Ecke beleuchtet, überall lagen Mitglieder des Ordens, zusammen mit einigen leeren Flaschen, welche ich schnell als Weinfalschen identifizierte.
Nia, ebenso die rosahaarige Frau, waren nicht zu sehen, wahrscheinlich hatte die Frau Nia ins Krankenzimmer gebracht, vorausgesetzt es gab eins.
Einige Mitglieder erkannten mich und sprangen auf der Stelle auf, ich konnte mir gut vorstellen, was sie nun dachten.
"Warum hat Yami uns nicht gesagt, das der Ordensführer der goldenen Morgendämmerung hier her kommt? Dann hätten wir aufräumen können!" oder "Warum ist ein anderer Ordensführer hier?"
Freundlich lächelte ich ihnen zu, bevor ich versuchte in Yamis Nähe zu bleiben, welcher mit lauten, schnellen Schritten durch das Wohnzimmer stiefelte.
Wir verließen den Eingangsbereich und kamen auf einen grauen Flur, welchen wir bis zu Yamis Büro folgten.
Wie es sein kleines Markenzeichen war, stieß er die Tür mir ungehemmter Wucht auf und ließ sich auf einen schwarzen Stuhl vor seinem schweren Schreibtisch fallen.
Ich machte es mir auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch bequem und begann mein Anliegen auszusprechen.
Unsere Zusammenarbeit dauerte drei Stunden, in den wir Dokumente bearbeiteten, uns über Missionen und unsere Mitglieder austauschten und Organisatorisches erledigten.
Am Ende erzählte ich Yami von dem Überfall der Räuber, wie wacker sich Nia gegen sie geschlagen hatte und ein wenig, wie ich sie hier her gebracht hatte.
Über meine neu entdeckten Gefühle für Nia verlor ich allerdings kein Wort.
Ich war mir selber in der ganzen Sache noch unsicher, ich musste erst einmal darüber nachdenken, außerdem konnte ich nicht einschätzen, wie Yami es finden würde, wenn ich als Ordensführer ein Mitglied eines anderen Ordens liebte und dann auch noch aus seinem eigenem.
Nach langen Diskussionen und Gesprächen, entschloss ich mich auf den Heimweg zu machen.
Ursprünglich hatte ich vor mit dem Besen zu fliegen, doch Yami weckte gegen meinen Willen den Raummagier, welcher mich mit einem Portal vor das Hauptquartier der goldenen Morgendämmerung brachte.
Zu meinem Glück war er schon mal dort gewesen, als Yami mir ein Dokument vorbei gebracht hatte. Leider hatte ich nicht mehr die Chance gehabt, noch ein mal Nia zu sehen, was mich etwas betrübte.
Leise, um keinen zu wecken, ging ich die Gänge der goldenen Morgendämmerung entlang, es war bereits tiefste Nacht, um diese Zeit lagen alle schon im Bett und schliefen.
Mit der Aussicht zu schlafen freute ich mich auf mein Bett, die Mission und die Arbeit bei Yami haben stark an meinen Kräften gezerrt, weshalb ich mich etwas beeilte.
Wie jeden Abend vollführte ich meine Abendrotine, putzte meine Zähne, trennte mich von meinen Klamotten, welche ich ordentlich zusammenlegte und auf einen Stuhl ablegte und zog mein Nachtgewand an, welches jedes Mitglied der goldenen Morgendämmerung besaß.
Müde setzte ich mich auf die Kante meines weichen Bettes, welches mittelgroß für eine Person war, so wie der gesamte Raum an sich, nicht überdemonsial, wie man es bei einem Ordensführer vielleicht erwarten würde.
Die Mauer, welche die Gedanken um Nia eingeschlossen hatte, brach und ließ unzählige Gedankenstränge frei, ähnlich wie bei einem Damm, der brach.
Ich war mir felsenfest sicher, das mich mich in sie verliebt hatte, ein weiterer Beweis das es so war, stellte mein schneller klopfendes Herz da, welches bei den Gedanken an Nia aus dem Takt geriet.
Ihre Augen, ihre Haare, ihr Körper, ihre Persönlichkeit, ihre Stimme, alles an ihr wirkte auf einmal so magisch und anziehend.
Aber seit wann? Seit wann haben sich diese Gefühle entwickelt? Beim Tanz? Bei der gemeinsamen Mission? Oder doch erst während dem Flug?
So mehr ich darüber nachdachte, um so sauberer wurde das ungefähre Bild, welches sich in meinen Kopf herstellte.
Während Yamis Vorstellung hatte ich sie das erste mal gesehen, beim Tanz das erste mal richtig getroffen und kennengelernt.
Die Bindung zwischen ihr und mir bei der gemeinsamen Mission, bei der ich sie vor dem Tod retten konnte, als ich einen Baum erschuf, war für mich eine Freundschaftliche.
Nia war nett und aufrichtig, sie war mir sehr symphytisch rüber gekommen.
Doch ich konnte mir gut vorstellen, dass es bei dieser Mission angefangen hatte, dass ich dort innerlich die ersten kleineren Schritte vom Freundschaftlichen weg gemacht hatte.
Die unbewussten, großen Schritte hatte ich gemacht, als ich neben ihr im Gras, am großen, alten Baum saß, nachdem ich sie im Wald gefunden hatte.
Mit ihr zu sprechen war angenehm, nicht so verkrampft und trocken wie bei anderen, welche in der Nähe eines Ordensführers sich von ihrer besten Seite zeigten und respektvoll und erwachsen rüber kommen wollten.
Nia hatte sich zwar öfter verhaspelt oder etwas leiser gesprochen, so dass ich mich teilweise anstrengen musste, um sie zu verstehen, trotzdem fand ich es vollkommen okay.
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, ihre schüchterne Seite kommt mir irgendwie süß vor.
Keine Millisekunde nachdem ich das gedacht hatte, färbten sich meine Wangen rot. Ihre schüchterne Seite war mir zwar schon früher aufgefallen, doch so wie jetzt hatte ich sie nie gesehen.
Ich griff wieder nach meinem Gedankenfaden und dachte die Ereignisse weiter, das deutliche Herzklopfen hatte angefangen, als ich Nia auf dem Rücken getragen hatte und sie mir das erste Mal so nah war.
In diesem Moment, hatte ich mich wohl unbemerkt in sie verliebt.
In dem Moment, in dem die grünen Blätter an den Bäumen hangen und raschelten, ein paar hin und wieder von der Sonne angestrahlt wurden und so einen hellen gelbgrünen Ton annahmen.
In dem Moment, in dem sich ihr erschöpfter Körper sich an mich schmiegte und mich ihr warmer Atem am Hals streichelte. In diesem Moment hatte ich mich in Nia verliebt.
Mir war dort die schon längst in meinem Inneren verankerte Tatsache noch nicht bewusst gewesen, ebenso tappte ich beim Thema Gefühle im Flug im Dunklen. Auf dem Flug, indem sie, in einer Art und Weise, in meinen Armen gelegen war, ihren Kopf auf meiner Brust.
In der Zeitspanne hatte ich das erste Mal diese beklommenen Gefühle, so wie die gegenteiligen Glücksgefühle, zum Bespiel als sie mir die Komplimente gab.
Mir war das erste Mal richtig aufgefallen, wie hübsch und anziehend sie war, besonders ihre Augen hatten es mir angetan.
Als sie dann auch noch so zwangslos gelacht hatte, ihre Augen geschlossen, denn Mund vor lachen weit auf und den Kopf leicht schräg, hatte mir mein Herz ein spürbares Signal geschickt.
Wenn ich es auf dem Flug schon gewusst hätte, hätte ich diese einzigartige Chance ohne Zweifel genutzt, um ihre Nähe und unseren unglaublich engen Körperkontakt zu genießen.
Noch nie war mir jemand so nah gewesen, wie Nia.
Während ich gedankenverloren auf der Bettkante saß, schlug mein Herz ohne Hemmungen, auf meinen Wangen hatte sich mittlerweile auch schon eine ungewöhnliche Röte ausgebreitet. In meinem Kopf halte es wieder und immer wieder.
Ich bin verliebt.
In eine wunderbare Frau. Eine Frau, die es geschafft hatte, in nur so kurzer Zeit, mit so knappen Begegnungen, meinen Kopf zu verdrehen und mein Herz für sich zu gewinnen.
Die Erkenntnis hatte mich bei ihrer Umarmung völlig unerwartet getroffen, wie ein Pfeil mitten ins Herz.
Die Gefühle, die mich im Moment durchströmten, waren ungewöhnlich und realitätsraubend. Sie warfen mich in eine Art Traumwelt, in der es nur Nia gab.
Die Wärme in meinem Körper, verursacht durch die Gedanken an Nia, wanderte durch meinen Körper, einige Stelle wie meine Wangen wurden unnatürlich heiß.
Mit einem wohligen Seufzen beschloss ich mich endlich hinzulegen, es war schon viel zu spät und ich musste morgen wieder arbeiten. Wie jede Nacht stiff ich mir die Maske vom Kopf, eher gesagt, ich wollte es.
Wie eingefroren blieben meine Finger an Ort und Stelle, rührten sich nicht einmal einen Millimeter. Mein Atem stockte.
Die Maske.
Es traf mich wie ein harter Schlag ins Gesicht, die betäubend schönen Gefühle wurden durch erdrückende, deprimierende ersetzt, welche meine Brust zuschnürten.
Die Maske.
Mein Gesicht.
Mehr Worte benötigte es nicht, um mir klarzumachen, dass ich niemals an ihrer Seite sein konnte. Das ich es keine Zukunft für uns gab.
Durch die Trauer verlangsamt striff ich mit schweren Herzen meine Maske vom Kopf und legte sie vorsichtig auf dem Nachtisch ab.
Einige Sekunden schaute ich sie mir an. Der vertraute Goldton und die wohlbekannten Federn, die Blauen und Roten Verzierungen, noch nie kam es mir so schwer vor, den wichtigsten Gegenstand in meinem Leben zu betrachten.
Ich löste meinen Blick und schlüpfte unter die Decke. Da lag ich nun, mit plötzlich erleerten Kopf, starr zu Decke schauend.
Es war stechend, vergleichbar mit Nadeln die dir jemand in dein Herz steckte. So schnell und schön diese Gefühle der Liebe auch waren, so konnte eine Tatsache alles wie Glas zertrümmern.
Die Tatsache, dass ich nicht wie jeder andere Mensch aussah.
So oft hatte mir das Faktum schon das Leben schwer gemacht, mir Dinge verbaut, Dinge, die für "normale" Menschen alltäglich und selbstverständlich waren.
Ich hatte mich nie richtig beschwert. Mich nie gewehrt oder verteidigt. Es war eben so.
Mit diesem Gesicht bin ich aufgewachsen, ich hatte auch nicht die Kraft gehabt, mich gegen die Beleidigungen, Diskriminierungen und Ausschließungen zu stellen, obwohl ich mir aus tiefsten Herzen gewünscht hatte, das sie aufhörten.
Das schlimmste war jedoch, dass ich nie jemanden gehabt hatte, der mich in den Arm genommen hatte und mir gesagt hatte, dass alles gut werden würde.
Um so mehr wünschte ich mir jetzt, dass Nia dies für mich machen würde. Mich noch einmal so umarmen würde, auch wenn es nur für wenige Sekunden wäre.
Trotz dem schwierigen Start ins Leben, hatte sich alles zum Positiven gewendet. Ich begegnete Julius, er stellte sich als der erste heraus, der nicht Angst oder Eckel bei meinem Gesicht empfand, sondern gar nicht erst darauf achtet.
In seinen Augen war ich ein ganz normaler Mensch, nicht verflucht und abstoßend.
Er hatte mir dabei geholfen, mir meinen Traum zu erfüllen. Julius war der, der mir diese Maske gegeben hatte. Obwohl ich sie am Anfang komisch fand, war sie nun ein fester Teil von mir geworden und sie war unendlich wichtig.
Als ich mein Grimoire bekam, hatte ich mir geschworen, dass ich es für Julius, den König der Magier, einsetzen würde, was auch kommen würde, ich würde an seiner Seite sein und ihm mit allem was ich habe unterstützen.
Doch Menschen wie er, welche mich nicht verängstigt anschauten, gab es nur selten auf der Welt.
Wie hoch war die Chance, das Nia keine Angst hätte? Mich nicht als verflucht oder anekelnd sah? Fünf Prozent? Oder doch eher zwei?
Zwar fragte ich mich dies, die Antwort war jedoch schon die ganze Zeit klar in meinem Kopf, unverbrängbar und deutlich.
Sie würde mich nicht so wie ich war annehmen.
Sie würde mein Gesicht nicht lieben können.
In meinem ganzen Leben war Julius der einzige, der nicht auf meine Narbe geschaut hatte.
Wieso also sollte Nia jemanden wie mich lieben? Jemand, der so aussah wie ich, der diese Narbe hatte.
Ich fühlte mich leer, mir war schwer ums Herz. Der belastende Gedanke, dass ich niemals an Nias Seite sein würde, niemals der Mann sein konnte, denn sie liebte, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollen würde, erdrückte mich.
In ihren Augen war ich bestimmt nur ein Freund, wenn überhaupt.
Wahrscheinlich war ich noch nicht mal das, für sie war ich der Ordensführer der goldenen Morgendämmerung, der sie zweimal gerettet hatte, nicht mehr und nicht weniger.
Nichts besonderes, so wie sie es für mich war.
In meinem Leben hatte ich mir noch nie die Hoffnung gemacht, eine Frau an meiner Seite zu haben.
Mit meiner Narbe würde mich keine Frau nehmen, selbst die Tatsache, das ich ein Ordensführer war, könnte diese Realität nicht überdecken.
Vielleicht hatte ich unbewusst in mir schon längst verstanden, das es mir nur Schmerz bringen wurde, mich in eine Frau zu verlieben, die von Anfang an unerreichbar für mich wäre.
Mit meiner Hand fasste ich mir an meine Narbe, die Narbe, welche mir selbst meine erste Liebe zu Nichte machte.
Zart fuhr ich über die betroffene Haut, fast schon ehrfürchtig.
Die einzigen Momente, in denen ich ein ganz normaler Mensch war, waren dann, wenn ich meine Narbe mit der Maske verdeckte.
Dann konnte ich wie jede andere auch mit Frauen und anderen Menschen reden, ohne mir Sorgen machen zu müssen.
Doch bei einer Beziehung konnte ich die Maske nicht die ganze Zeit anbehalten. Irgendwann müsste ich sie vor ihr abnehmen und das dahinter Verborgene zeigen.
Doch soweit würde es mit Nia nicht kommen. Selbst wenn ich meine Narbe nicht hätte, wenn ich normal aussehen würde, stellten sich zwischen mir und ihr Hindernisse so groß wie Schutzmauern in den Weg.
Ich war ein Ordensführer, sie ein Mitglied eines Ordens, der noch nicht einmal meiner war.
Wir würden uns vielleicht drei bis vier mal im Jahr auf Veranstaltungen treffen, doch das sie sich in der kurzen Zeit, in der ich vielleicht mal einen Blick auf sie werfen könnte, in mich verlieben würde, war schlicht und einfach unmöglich.
Sie würde nie mehr für mich empfinden.
In unter zwei Wochen beginnt die Prüfung der Neulinge, in sechs Monaten könnte ich sie dann bei der nächsten Ordensverleihungszeremonie sehen.
Den letzten Zeitpunkt stich ich mir jedoch in Gedanken wieder durch. Der schwarze Stier hatte in der ganzen Zeit seiner Existenz noch keinen Vertreter, der außergewöhnlich viele Sterne gesammelt hatte, auf die Zeremonie geschickt.
Dann wäre die nächste Veranstaltung bei der ich sie sehen würde, der Ball der magischen Ritter nächstes Jahr, welcher in acht Monaten stattfindet.
In der Sicht waren die Treffen in letzter Zeit die größte Glückssträhnen, die ich hätte haben können.
Ich wünschte, ich hätte sie besser nutzen können. Wenn ich früher gewusst hätte, was sie bei mir auslöst, wäre ich ihr etwas näher gekommen.
Wann würde ich sie wieder sehen? Die nächste Prüfung der Neulinge stand an, sogar in weniger als zwei Wochen.
Doch wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass Nia mitkommen würde? Nicht sehr hoch, Yami hatte noch andere Mitglieder im Orden außer Nia und ob sie überhaupt Lust drauf hätte, stand in den Sternen.
Mein Körper fühlte sich bleischwer an, drückte sich mitsamt meinen bedrückten Herzen in die weiche Matratze meines Bettes.
Ich könnte sie nie wegen meiner Gefühle ansprechen, ich wusste, dass es zwischen uns nicht klappen würde, selbst wenn sie im unwahrscheinlichsten Fall sich in mich verlieben würde, dann nur, weil ich die Maske aufhatte und sie meine Narbe noch nicht gesehen hatte.
Blicke auf sie zu erhaschen, auf den wenigen gemeinsamen Veranstaltungen, dies würde mir reichen. Und so würde es auch sein.
Meine Liebe zu Nia war von Anfang an zum scheitern verurteilt und würde geheim bleiben. Sie war für mich unerreichbar. Sie war für mich...
in weiter Ferne.
3530 Wörter
A/N: Sorry für die Verspätung, habe vergessen dass gestern Mittwoch war^^' Vielen Dank auch noch für die lieben Kommentare, die mir gesagt haben, das ich William gut getroffen habe, auch wenn ich glaube, das es mir diesmal nicht wirklich geglückt ist. Noch mal vielen Dank💕
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