Kapitel 25 Ich halte dich fest

Es wäre definitiv eine gute Lösung, es würde Klaus nicht viel magische Kraft kosten, wenn er eine Person mehr mitnahm. Jedoch fiel mir dann etwas ein, was mir auch früher einfallen hätte können.

Klaus war ein vorbildlicher magischer Ordensritter und sein Vorschlag war bereichernd, doch ich hatte etwas anderes im Sinn.

Ich drehte mich zu Nia um und fragte;

"Nia, hättest du etwas dagegen, mit mir auf einem Besen zu fliegen?"



Nia schaute mich verdutzt und unsicher an, sie wusste nicht, was sie auf meinen Vorschlag antworten sollte.

Auch Klaus starrte mich überrascht an, logisch, sein Vorschlag Nia auf seinem Fluggefährt zu transportieren war nicht so umständlich wie meiner und auch für Nia praktischer.

Da mich Beide anstarrten, ohne zu wissen wie sie mir antworten oder höfflich entgegengesetzten sollten, fühlte ich mich  gezwungen, ihnen so schnell wie möglich zu antworten und ihnen meine Gedankengänge näher zu bringen.

"Momentan ist das Hauptquartier unterbesetzt, dies möchte ich  schnellstmöglich ändern und da Nia ins Hauptquartier des schwarzen Stiers gebracht werden sollte, könnte ich die Möglichkeit gleich nutzen, um mit dem Ordensführer des schwarzen Stiers einige organisatorische Sachen und Dokumente zu besprechen.

Um es kurz und knapp zu sagen, ich finde es besser, wenn ich mich mit Nia alleine auf den Weg machen würde. Das Gespräch mit Sukehiro wird vermutlich einige Stunden dauern, in der Zeit möchte ich die Anzahl der magischen Ritter im Hauptquartier aufstocken. Zudem möchte ich euch nicht allzu lange warten lassen."

Nach und während seinen Worten, löste sich die Verwirrung aus den Gesichtern einiger magischen Ritter, der Rest, den es nicht interessiert hatte oder es nicht zeigte, schaute so wie immer.

"Ich habe verstanden, wenn das so ist." Um den Halbsatz zu unterstreichen, richtete Klaus seine Brille elegant mit seinen  Fingern.

Auch Nia schien mich verstanden zu haben.

Ich setzte mich auf den Besen, dabei ließ ich Nia so viel Platz wie möglich. Zögerlich schaute sie den freien Platz auf den Besen und dann mich an.

Einige Sekunden schaute sie den freien Platz an, sie schien innerlich mit etwas zu ringen.

Schließlich überwand sie sich und stieg hinter mir auf den Besen, zaghaft hielt sie sich mit beiden Händen an meiner Taille fest, sanft und mit wenig Druck.

Ihre Hände waren dünn und strahlten angenehme Körperwärme auf meine Taille aus. Es fühlte sich wie eine liebliche Geste an, ähnlich wie bei einer Umarmung und nicht wie ein verkrampfter Versuch sich irgendwo festzuhalten.

Langsam und gefühlsvoll hob ich ab und flog zu meinen Kameraden hinauf.

Mit einem deutlichen Nicken verabschiedete ich mich und flog in Richtung Norden, in der sich das Hauptquartier des schwarzen Stiers befand.

Nia blieb wie stumm still und unmerksam, so dass man fast vergessen konnte, dass sie hinter einem auf dem Besen saß.

Ich konnte sie verstehen, mir ging es ebenso schwer, jetzt ein Gesprächsthema zu finden, mein Kopf war wie leergefegt.

Ebenso könnte es ihr an Mut fehlen mit einem Ordensführer einfach so drauf los zu quatschen und es war sicher eine ungewöhnliche Situation, sich mit einem Ordensführer überhaupt einen Besen zu teilen.

Um mich abzusichern und auch wegen meinen Sorgen, blickte ich über die Schulter, um nachzusehen ob alles okay bei meiner stillen Mitfliegerin war.

Interessiert waren Nia's Augen nach unten gerichtet, als ob es ein spannendes Theaterstück wäre, verfolgte sie die unter sich herziehenden Baumkronen.

Sie wirkte wie in einer anderen Welt, nachdenklich und auch teilweiße eingeschüchtert.

Ist es ihr so unangenehm mit mir auf einen Besen zu sitzen? 

Ihre Finger hatten sich ein wenig in den Stoff meiner Uniform vergraben, ihre Hände fühlten sich von Sekunde zu Sekunde wärmer an.

Selbst nach fünf Minuten herrschte immer noch Stille zwischen uns, welche ich am liebsten brechen würde.

Doch mir fiel kein Thema ein, welches ich anschneiden könnte. Meine Gedanken waren unordentlich und ergaben teilweise keinen Sinn.

Bin ich etwas krank? Habe ich mir etwas eingefangen? Wüsste nicht, wie und wann.

Es war ungewöhnlich, das ich keine Worte fand. Jedoch fand ich es auch gut, sie in Ruhe zu lassen.

Sie hatte viel mitgemacht, gegen Gegner die stärker als sie waren alles gegeben, um das Dorf zu beschützen und es schließlich, mit hoher Wahrscheinlichkeit, nur knapp, geschafft.

Kein Mensch auf der Welt hatte sich in diesem Moment mehr Ruhe verdient als Nia. Deshalb wollte ich ihr kein Gespräch aufzwingen. Stille würde ihr ein wenig der verdienten Ruhe schenken.

So blieb ich leise, gab der junge Frau hinter mir die Chance, sich zu erholen, jedoch blieb sie und wirkte auf mich weiter angespannt.

Nach weiteren zwei Minuten nahm ich wahr, wie sich ihr Griff um meine Taille lockerte.

Zuerst dachte ich, sie hätte sich endlich etwas entspannt, doch als sich innerhalb von Sekunden ihre Hände ganz von meiner Taille entfernten, wusste ich, dass etwas nicht stimmte.

Ein blitzschneller Blick nach hinten reichte aus und ich erkannte, was hier los war.

Nias Augen waren zu, ihre ganzer Körper wirkte schlapp und sie war gerade dabei, vom Besen runter zu fallen.

Ohne darüber nachzudenken griff ich nach ihr, bekam ihre Robe zu fassen und hinderte sie so gerade noch rechtzeitig daran, vollständig in der Luft zu sein.

Schnellstmöglich steuerte ich die nächstbeste Lichtung an und landete.

Sofort ließ sich Nia ins Grass fallen, schwankend versuchte sie wenigstens sitzen zu bleiben.

"Schwächeanfall?" tippte ich besorgt.

"J-Ja. T-tut mir leid, alles war plötzlich verschwommen und...und." sie verstummte und krallte sich mit den Händen in den Boden, um festen Halt zu bekommen.

Man sah ihr an, dass sie gerade mit Schwindelkeit kämpfte, Schweißperlen rannten ihr das Gesicht runter und landeten glitzernd im Gras.

Vorsichtig hob ich meine Hand und kam ihr damit näher. Ihre Augen waren vorbildlich bei Schwindelattacken auf einen Punkt in Richtung Boden fokussiert, weshalb sie es nicht bemerkte.

Sanft legte ich meine Hand auf ihre Stirn, um ihre Temperatur zu erfassen. Erneut zuckte sie leicht zusammen, mir viel auf, dass ihr Gesicht knalle rot war, war wahrscheinlich wegen dem Schwindelanfall.

Ich ordnete meine Gedanken und konzentrierte mich auf ihre Stirn. Ihr Kopf war zwar warm, jedoch nicht kritisch, man konnte von Glück sprechen, dass sie kein hohes Fieber hatte.

"Beruhigt es sich wieder?" fragte ich sie und wollte meine Hand wieder von ihrer Stirn nehmen, doch ehe ich mich versah, lag ihre Hand auf meiner und drückte sie an ihren Kopf.

Fragend schaute ich sie an, als sie ihren Blick hob. Ihre Wangen hatten ihren Rotton behalten und glühten. "H...Hab...ich F...Fieber?" fragte sie mich etappenweise.

"Nein, zum Glück nicht. Dein Körper hatte einen Zusammenbruch, es wird dir nach einigen Minuten besser gehen. Wenn du willst, bleiben wir hier, bis es dir besser geht."

Wie von einem anderen Stern schaute mich Nia an, nah dann jedoch zögerlich ihre Hand von meiner, so dass ich meine Hand wieder zu mir nehmen konnte.

"Vielen Dank." flüsterte sie müde, bevor sie sich rücklings ins Gras fielen ließ. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann hatte die Erschöpfung sie gepackt und in einen Schlaf gerissen.

Mit geschlossenen Augenliedern, welche zart und sachte wirkten und leicht geöffneten Mund lag sie seitlich im Gras, nur ein leises ausatmen war von ihr zu hören.

Ich lächelte bei dem Anblick und setzte mich neben sie. Federleicht, um sie nicht zu wecken, berührte ich ihre blasse Haut. 

Dabei bemerkte ich wie vermutet, dass der Schweiß ihren Körper ungesund kühlen würde. Geräuschlos öffnete ich meinen Umhang und ließ ihr über meine Schultern gleiten, rücksichtsvoll legte ich das Stück Stoff über ihren erschöpften Körper und hoffte, dass ich sie nicht geweckt hatte. Meine Sorge stellte sich als unnötig heraus, denn sie schlief wie ein Engel weiter.

Einen Moment beobachtete ich sie, vielleicht waren es auch mehrere Minuten, als mir dann einfiel, dass es nicht gerade höfflich war, einer Frau ohne Erlaubnis beim schlafen zuzuschauen.

Deshalb richtete ich meinen Blick in die Ferne, schaute in den dichten Wald hinein und fand und beobachte einen kleinen Vogel mit blauen Gefieder, welcher aufmerksam hin und her schaute.

Als er sicher war, dass ihn keine Gefahr drohte, hüpfte er anmutig den Ast entlang und zupfte eine Insekt von einem, von der Sonne angestrahltes Blatt, welches durch die Lichtstrahlen gelblich aussah.

Mit einigen, deutlich hörbaren Flügelschlägen erhob sich der Vogel in die Luft und verschwand im Wald, er erinnerte mich an die vielen Vögel, welche ich in meiner Kindheit beobachtet hatte.

Sie hatten immer einen besonderen Eindruck auf mich, einen freien, fröhlichen und aufmunternden. Dies war auch der Grund, warum ich die zierlichen Tiere so gerne mochte, mit ihnen verband ich nur Schönes.

Ein wenig in meinen Gedanken versunken, bemerkte ich, wie Nia ihre Beine näher an sich zog. Ihre Lippen waren entspannt und sahen trotz wenigen trockenen Stellen weich aus. Ihr schlafendes Gesicht sah aufgelockert und zwangslos aus, ihr Atem war ruhig und gleichmäßig.

Es freute mich, dass Nia sich etwas erholte und sich keine Sorgen machen musste. Ich war hier und würde auf sie aufpassen, sie konnte also ganz entspannt schlafen, ohne sich Gedanken um ihre Sicherheit machen zu müssen.

Und auch wenn ihr Erholungsschlaf Stunden dauern würde, es würde mir nichts ausmachen. Wenn ich das für sie tun konnte, machte ich das gerne.

Doch es dauerte keine Stunden, sondern sie wachte nach gerade mal dreißig weiteren Minuten auf.

Verschlafen und orientierungslos schaute sie sich mit flackernden Augenliedern um, musst sich erst einmal daran erinnern wo sie war und wie sie dort hingekommen war.

Als ihr verschwommener Blick auf mich traf, lächelte ich sie als Begrüßung an. Als wäre ein Schalter umgelegt worden, schien Nia plötzlich hell wach und energiegeladen zu sein.

"Gute Morgen. Wie geht es dir?" fragte ich sie, als ich mir sicher war, dass sie wieder ansprechbar war.

"G...gut. Auf jeden Fall besser. J...Jedoch immer noch nicht bei vollen Kräften, für den Flug wird es wohl nicht reichen. W...wie lange habe ich geschlafen?"

"Dreißig Minuten."

Überrascht starrte sie mich an. "So lange? Hast du etwa ...die ganze Zeit...neben mir gewartet?"

Unsicher schaute sie mich an, als ob sie mir die Wartezeit aufgezwungen hätte und sie nicht wusste, wie sie sich entschuldigen sollte.

Dabei bemerkte ich jedoch nicht, das sie das "neben mir" leicht betont hatte.

"Es war nicht lang, doch es freut mich, dass es dir besser geht." beantwortete ich indirekt ihre Frage, womit sie auch zufrieden war.

Sie hauchte ein überhörbares "Danke" und versuchte aufzustehen.

Sogleich griff ich ihr sachte unter den Arm, ihr zusehen wie sie unter Anstrengung versuchte aufzustehen, konnte ich nicht ohne zu helfen. Zudem könnte sie wieder zusammen sacken.

Sicher auf beiden Beinen nahm ich den Besen, welcher neben uns im Gras gelegen hatte und setzte mich drauf.

Einen Meter über den Boden schwebend, schaute ich zu Nia, welche sich gerade hinter mich setzten wollte.

Bevor sie jedoch ihr Bein auf die andere Seite bekam, hielt ich sie mit einem Stupser auf. "Wenn du hinten sitzt kann ich dich nicht festhalten, wenn du einen erneuten Schwächeanfall bekommst."

Während ich sprach, bemerkte ich, dass Nia nicht verstand, was ich ihr damit sagen wollte und was sie jetzt tun sollte.

Um es ihr deutlicher zu machen, rutschte ich ein wenig nach hinten, so dass vor mir genug Platz für eine Person entstand.

Damit sie auch wirklich verstand, was ich ihr sagen wollte, erklärte ich: "Wenn du vor mir sitzt kann ich schneller merken, wenn es dir nicht gut geht und dich besser festhalten. Zudem würden dich meine Arme halten."

Mit großen Augen schaute mich Nia an, sie hatte es verstanden. "Das ist eine gute Idee, v...vielen Dank."

Vorsichtig kletterte sie vor mir auf den Besen und hielt sich am glatten Besenstiel fest.

Ich lachte leicht und erklärte ihr: "Ganz so habe ich das nicht gemeint. Wenn du so sitzt, kann ich nichts sehen."

Ihre blauen Augen wanderten zu mir und schauten mich irritiert und scharmvoll an, in ihrem Gesicht stand ein großes Fragezeichen. "Warte, ich zeige es dir." sagte ich warmherzig.

Achtsam nahm ich ihr Bein, welches von mir rechts über dem Besen hing und legte es zu dem anderen auf die linke Seite, so das sich Nia in einem Damensitz befand.

Verwundert ließ es Nia geschehen, wartete Atem anhaltend meine nächsten Schritte ab.

Ich rutschte näher an sie heran, so dass sich unsere Körper berührten und hielt mich vor Nia am Besen fest, ein Arm war schützend an ihrem Rücken, der andere hinderte sie in der Nähe der Hüfte herunter zu fallen.

Nia fühlte sich sichtbar sicherer, ihre Fragezeichen löste sich mitsamt der Zweifel in Luft auf.

Ich erhob uns in die Luft, hinauf zum Himmel, um dort ohne Hindernisse über den Baumkronen fliegen zu können.

Dabei machte sich die Schwerkraft bemerkbar, der Kopf von Nia wurde gegen die rechte Seite meiner Brust gedrückt, ebenso ihr Körper. Wie versteinert verharrte sie so, selbst dann, als wir eine gerade Fluglinie hatten.

Es machte mir nichts aus, sie fühlte sich so wahrscheinlich sicherer.

Das Gefühl ihres Kopfes auf meiner Brust schien sich bei mir einzubrennen, nach nur wenigen Sekunden fühle es sich wie ein Teil von mir an, als ob es schon immer da wäre.

Unsicherheit machte sich in mir breit. Ich fragte mich, ob ich dies gerade genoss oder nicht.

Es war befremdlich, einen Menschen so nah zu haben, trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, auch nur ansatzweise etwas dagegen zu haben.

Wie vor einer Stunde beobachtete Nia die Landschaft, besser gesagt den endlich wirkenden Wald unter uns, sog  jedes einzelne Blätterdach wie eine außergewöhnliche Sache in sich ein und war dabei still.

Mir war bewusst, das Nia auch sonst eine eher ruhigere, nicht aufbrausende Person war, doch ich fragte mich, ob sie öfter so still war.

Auf dem Ball, als ich sie mit ihren Freundinnen gesehen hatte, wirkte sie in ihrer Gegenwart sehr offen und redselig.

Warum ist das bei mir anders? Weil ich ein Ordensführer und kein guter Freund bin?

Natürlich war mir das klar, doch trotzdem empfand ich in meinem Inneren eine seltene Beklommenheit, welche ich vielleicht drei mal in meinem Leben gefühlt hatte.

Es wäre eigentlich überraschend, doch irgendwie fühlte es sich nicht überraschend an, dass ich dieses Gefühl spürte.

Unauffällig schaute ich herunter zu Nia, welche immer noch den Bäumen folgte. Ihre blauen Augen verfolgten vereinzelt einem ungewöhnlichen oder höheren Baum, bis er aus ihrem Sichtfeld verschwand.

Das Ozeanblau, bei dem man das Gefühl hatte, in kühlen, jedoch sanften und gutmütigen Wasser zu versinken, zog mich unweigerlich in seinen Bann.

Auch wenn ich es gewollt hätte, ich konnte meinen Blick nicht von ihren kristallklaren Augen nehmen.

Ich verlief mich ihn innen.

Selbst nach längerer Zeit wurde mir nicht bewusst, dass ich sie die ganze Zeit über anstarrte.

Blau wie das Meer, wie ein wolkenloser Himmel, wie ein ruhiger Ozean. Klar wie Wasser, wie die Sterne, wie Polareis.

Dadurch, das ich ihre Augen genau anschaute, fiel mir auf, wie wunderschön und einzigartig sie waren, die schönsten Augen, welche ich je in meinem gesamten Leben gesehen hatte.

Selbst als sie blinzelte, konnte ich meinen Blick nicht von ihr lösen. Es war wie eine Trance, in der ich einfach nicht anders konnte, als sie anzuschauen.

Sanft, wie die zärtlichen Berührungen einer Hand auf der Haut eines andern, strich mein Blick wie gesteuert hinauf zu ihren Haaren.

Zart wie Seide liefen sie ihr herunter, umrahmten ihr helles Gesicht und endeten wie der Schweif einer Sternschnuppe.

"William." kam es ohne Vorwarnung von Nia, welche in der nächsten Sekunde ihr Gesicht zu mir drehte und hochschaute. Ertappt hatte ich gezuckt.

Im Bruchteil einer Sekunde trafen sich unsere Blicke, sie schien genauso überrascht wie ich.

Kurz verharrtem wir, bis ich als erstes wieder die Fassung zurück bekam und sie anlächelte. "Was gibt es denn?" fragte ich sie gutmütig, ich war gespannter als sonst, was sie von mir wollte.

"Naja, i...ich...ich habe mich gefragt...was du gerne magst." Sie war unübersehbar unsicher, ob sie mich das wirklich fragen sollte.

Ohne Hürde kamen die Gedanken daran, dass Nia nicht offen mit mir reden konnte, zurück. Das beklommene Gefühl erfüllte meine Magengegend, trieb bedrückende Gefühle durch mich hindurch.

"T...tut mir leid, dass ich so lange still war. Es ist nur...es ist überraschend und ungewöhnlich, mit einem anderen Ordensführer wie Yami zu sprechen, wenn du verstehst." gab sie errötet zu.

Deshalb also. Ist ja auch die logischste Erklärung. Wie bin ich nur darauf gekommen, das es an mir als Mensch liegen könnte?

"Verstehe, mach dir damit keine Sorgen. Du musst dich deshalb auch nicht entschuldigen, es passiert öfter, dass Menschen mit so viel Kontakt mit einem Leiter eines Ordens Probleme haben. Trotz allem sind wir auch nur Menschen, also kannst du ruhig frei raus sagen, was du loswerden willst."

Bevor es unangenehm für sie werden konnte, richtete ich meinen Blick wieder nach vorne. "Was ich mag...mh, da gibt es schon einiges. Zum Beispiel mag ich sehr gerne Vögel."

Aufmerksam und einsaugend wie ein Schwamm nahm Nia meine Worte auf, es sah so aus, als ob es sie wirklich sehr interessieren würde.

"Vögel also? Passen ja irgendwie..." murmelte sie.

"Wieso passen?" fragte ich belustigt lachend, ich fragte mich wirklich, warum Vögel nach ihrer Meinung so gut zu mir passten.

"Ähm...weil...weil Vögel so anmutig und auch irgendwie zierlich sind. Also...ähm...sie sind auch sehr gutmütig... ." teilte sie mir zögerlich mit.

Nun, nachdem sie ihre Erklärung gesagt hatte, konnte sie nicht anders, als anzufangen über sich selbst zu lachen.

Ihr Lachen klang erfrischend und wie eine Melodie. Von ihrem Lachen angesteckt, lachte ich mit. Zusammen mit Nia zu lachen, es war...wirklich schön.

"Anmutig, zierlich und gutmütig, vielen Dank für die netten Komplimente." sagte ich warmherzig und schaute sie wieder direkt an.

Ihre Augen schienen durch das Lachen und die gelöste Anspannung zu strahlen, obwohl sie es selbst gar nicht zu bemerken schien.

Innerlich wärmte sich mein Herz auf, so nette Komplimente bekam man nicht oft und auch nicht so ernst gemeint, wie die von Nia.

Es freute mich ungemein, dass sie so nette Worte für mich hatte, weshalb ich noch einmal "Vielen Dank" sagte.

Mit einem aufgelockerten Lächeln schaute mich Nia an. "Gerne" entgegnete sie enthusiastisch, wobei sie leicht den Kopf schief legte, die Augen schloss und den Mund zu einem breiten Lächeln formte.

Da es innerhalb einer halben Sekunde geschah, wusste ich nicht, ob ich mir das nur eingebildet hatte oder mein Herz wirklich beim Anblick ihres Lächelns einen Schlag ausgesetzt hatte.

Ich verdrängte den Gedanken und konzentrierte mich wieder nach vorne.

"William, schau mal." sagte Nia plötzlich. Als ich zu ihr schaute, um herauszufinden was sie meinte, schaute sie mit Begeisterung in den Augen von ihr aus gesehen gerade aus, Richtung Westen.

Ich folgte ihren Blick und wurde mit einem strahlenden, farbenfrohen Sonnenuntergang beschenkt.

Die Sonne war zwar kaum untergegangen, nur ein minimaler Teil war nicht mehr zu sehen und trotzdem leuchtete die Sonne Beerenrot.

Die oberen Etagen der Baumkronen erstrahlten in einem warmen Licht, die Sonnenstrahlen leuchteten die Umgebung an, in der Nähe der Sonne waren sie noch zusammen, dann trennten sie sich und wurden um so weiter weg, großflächiger und schwächer, vergleichbar mit einer riesigen Lampe.

"Ich wusste gar nicht, das es schon so spät ist." flüsterte Nia, jedoch so beabsichtigt, dass ich es auch hören konnte.

"Wie es aussieht werden wir bald beim Hauptquartier des schwarzen Stiers ankommen." teilte ich ihr mit.

Meine Augen waren auf die glühende Sonne gerichtet, welche, nach eigenen Erfahrungen, unerwartet schnell untergehen konnte.

Während ich diesen glutroten Kreis beim untergehen zusah, dachte ich daran, dass die untergehende Sonne der perfekte Kontrast zu Nia's blauen Augen darstellte.

So weiter die Sonne unterging, so unscheinbar kühler wurde es.

Dadurch nahm ich Nia's Körperwärme viel intensiver als davor wahr, welche durch meine Haut in meinen Körper und in mein Herz zu wandern schien.

Eine Unebenheit am Horizont machte mich auf sich aufmerksam. Ich wendete meinen Blick von dem Naturschauspiel ab und versuchte zu erkennen, was vor uns lag.

"Nia, wir sind da." Interessiert folgte sie meinen Blick und erkannte das Hauptquartier des schwarzen Stiers, dessen Fahnen mit dem Wappen wie aufgeregt im Wind flatterten.

Gefühlvoll landete ich vor dem zusammengewürfelte aussehendem Gebäude. Gerade als ich Nia vorsichtig beim absteigen half, wurden die Türen aufgeschlagen, als ob man uns schon erwartet hatte.

Ein Zigarette qualmender Yami kam lässig wie eh und je heraus, blickte uns unüberrascht an und kam auf uns zu geschlendert.

"Hallo Vangeance, was machst du denn zu so später Stunde mit meinem Ordensmitglied?" fragte er entspannt. "Hattet ihr ein Date oder was?"

Ein Date? Dass man das so sehen könnte, daran hatte ich gar nicht gedacht. Neben mir wurde Nia unruhiger.

"Guten Abend Sukehiro. Nia hatte eine Mission im Dorf Hime, dort ist jedoch eine Gruppe Räuber aufgetaucht. Mehr Informationen gebe ich dir, wenn wir drinnen sind. Ich bin nämlich auch hier, um mit dir über einige Dokumente zu reden."

Yami stieß eine Rauchwolke aus, die durch das herausströmende Licht aus dem Inneren des Hauptquartier in der dunklen Dämmerung noch sichtbarer wurde.

"Na dann. Wenn ihr wirklich ein Date gehabt hattet, hätte das bedeutet, das Nia ihre Mission vernachlässigt hat." Seine Augen warfen Nia, welche neben mir stand, einen lufteinfrierenden Blick entgegen.

"Dies hätte ernste Konsequenzen für dich gehabt, obwohl ich selbst bei dieser bescheuerten Mission schwänzen würde."

Er gibt so etwas zu? Yami hat sich seit damals nicht verändert, dachte ich lächelnd.

Ich warf Nia einen unsicher Blick zu, sie stand zwar ohne Hilfe auf beiden Beinen, trotz allem war sie noch geschwächt.

Sie fing meinen Blick auf und deutete ihn sofort richtig. "Keine Sorge, ich schaffe das schon. Ich fühle mich viel besser, auf den Flug hatte ich auch nochmal Zeit, mich zu erholen." entgegnete sie leise.

"Noch mal vielen Dank für alles." kam es mit einem verlegenen Hauch von ihr.

"Habe ich gerne gemacht, gute Nacht und ruhe dich ordentlich aus." entgegnete ich ihr sanft. Als Antwort nickte Nia leicht und verabschiedete sich mit einem schnellen "Gute Nacht." von mir.

Vorsichtig, einen Fuß vor den anderen setzend, arbeitete sie sich nach vorne durch und merkte relativ schnell, das sie wieder ohne Probleme gehen konnte.

Eine rosahaarige Frau stand im Tor und wartete scherzhaft wie eine Mutter auf ihr Kind, welches gerade seine erste Schritte machte, auf sie.

Als ich Nia von mir weg gehen sah, den Rücken zu mir, fühlte ich plötzlich eine frustrierende Leere in mir.

Um dieses unerwartete Gefühl los zu werden, richtete ich mich zu Yami, welcher genau wie ich Nia hinterher geschaut hatte.

In seinem Gesicht erkannte ich die Sorge um sein Ordensmitglied, er hatte ihre schwächelnden Kraft also bemerkt.

Aus heiterem Himmel nahm ich aus meinem Augenwinkel eine ruckartige Bewegung von Richtung Tor war.

Ich drehte mich in dessen Richtung, um den Grund dafür heraus zu finden, als ich eine auf mich zu rennende Nia erkannte.

Was hat sie vor?

3684 Wörter

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