6. Schmerzende Vergangenheit
-Emily-
Die Sonne schien breit und warm. Alles war still, nur Vogelgezwitscher und das Rascheln der Blätter, die durch die warme Brise verursacht wurden, waren zu hören. Ich war in einem Park ähnlichen Ort, umgeben von verschieden farbigen Blumen und roten Rosen. Der Duft der Rosen befand sich in der Luft und betäubten auf angenehme Weise meine Sinne. Tief zog ich den süßen Duft in mich ein. Ich saß auf einer schönen weichen Decke und betrachtete den hellblauen Himmel. Alles war so friedlich und traumhaft. Vögel tanzten frei am Himmel und Schmetterlinge flogen in Bogen vorbei.
"Emily. Emily. Emily." Leise flüsterte eine Stimme meinen Namen. Als ich mich umsah, sah ich in der Ferne eine junge Frau in einem weiß aufleuchtenden Gewand stehen, die zu mir sah. Ihre lange schwarzen Haare fielen bis zu ihrem Rücken und ihre leuchtend grünen Augen waren sogar von der Ferne sichtbar wie zwei Smaragde unter dem Sonnenlicht.
„Pass auf dich auf Emily" sagte sie sanft zu mir über, als stehe sie direkt neben mir. „Wieso soll ich auf mich aufpassen? Und wer sind Sie?" doch als sie mir antworten wollte, schreckte ich von meinem Traum auf.
Mein Niesen hatte mich aufgeweckt. Mein Blick wanderte durch das Zimmer. Auf dem Sofa neben an entdeckte ich Ethan, der noch friedlich weiterschlief. Ich sah mich weiter um und versuchte zu verstehen wo ich war. Wieder ein Krankenzimmer, aber dieses Mal war ich an etlichen Maschinen angeschlossen und auch der pochende Schmerz in meinen Muskelfasern teilte mir mit, dass es dieses Mal etwas ernsteres war. Scarlett.
Wusste Ethan schon Bescheid, dass sie es getan hatte? Ich würde ihn einfach später fragen. Er würde es verstehen, nein, er musste es verstehen. Laut nieste ich noch einmal und betete, dass er nicht aufgewacht war, doch falsch gedacht. Leider hatte mein Niesen Ethan geweckt, der sich momentan streckte und dabei gähnte. Langsam öffnete er die Augen und schaute leer durch das Zimmer bis er bemerkte, dass ich aufgewacht war. Seine Augen blieben an meinen hängen und einige Sekunden verstrichen nur damit, dass er mich ausdrucklos anstarrte bis er einem breiten Grinsen verfiel als sei er erleichtert.
„Emily. Hey, wie geht es dir? Hast du noch Schmerzen oder soll ich dir was bringen?"
„Hey." Ich lächelte sanft, aber meine Stimme klang wie ein leicht krächzendes Flüstern. „Nein ich brauche nichts, wirklich und mir geht es schon viel besser. Hast du Scarlett gesehen?" Ich wollte wissen, ob er Bescheid wusste oder nicht.
"Nein. Seitdem ihr beide gegangen wart nicht. Na ja, um sie kümmern wir uns später. Erzähl du mir erst einmal was passiert ist und wer dir das angetan hat. Wenn ich diese Person in die Finger bekomme..." knurrte er wütend. Aber es war ja genau die Person, Scarlett. Ich wusste nicht, wie ich das ihm beibringen sollte, letztendlich war sie wie eine Schwester für ihn. Ich zögerte, aber so etwas hätte ich nie für mich behalten können und das sollte ich auch nicht, denn sie war eine von ihnen und könnte gefährlich werden. Ich biss mir auf die Unterlippe und schluckte einmal bevor ich zu reden begann.
„Ethan...es gibt nur einen Grund, warum Scarlett verschwunden ist....Sie war es. Sie hat es getan...Sie ist eine von ihnen, Ethan." Jetzt war es raus. Ich sah zu Ethan, der gefühlsentleert in meine Augen sah. Am Anfang hatte er gar nicht begriffen, was ich da zu ihm gesagt hatte, doch mit der Zeit wurde es ihm klarer. Ethan sah bleich aus und er versuchte seine Schmerzen zu verstecken, aber ich wusste genau was in ihm vorging. Er schwieg.
„Ethan, sie meinte, dass du bald auch zur anderen Seite wechseln würdest und...das Jack mich umbringen will." Dieses Mal wirkte er eher schockiert über meine Aussage. Vielleicht hätte ich das ihm später sagen sollen.
"Was?! Wieso will Jack dich töten und woher kennt er dich denn?!" Hass spiegelte sich in seinen Augen, aber nicht gegen mich, sondern gegenüber Jack. Woher kannten sie sich!? Ich hatte das Gefühl alles falsch gemacht zu haben und wurde immer nervöser. Die Hitze stieg in mein Gesicht und ich wandte meinen Blick von ihm ab.
"Er...er ist der Freund meiner besten Freundin Lucy und durch ihn bin ich hier. Habe mein altes Leben verloren. Mehr weiß ich nicht über ihn. Wirklich. Er meinte nur, dass er sich freuen würde mich zu vernichten...Woher kennst du ihn eigentlich?!"
Vorsichtig musterte ich Ethans Reaktion darauf. Er sah verletzt aus. Jack musste sehr wichtig für ihn gewesen sein, aber sie konnten sich anscheinend nicht mehr leiden, das stand fest. Aber wieso? Was war passiert? Einige Minuten schwieg er, um sich zu beruhigen. Diese Stille wurde mir jedoch zu unangenehm. Ich entschied mich dafür kein Wort mehr zu sagen als das es nötig wäre.
"Jack und ich waren wie Brüder." Ethan schaute sich auf die Hände. Ich hätte vielleicht nicht fragen sollen, doch es war zu spät.
„Wir haben Seite an Seite gekämpft und uns gegenseitig in jeder Situation unterstützt, bis er eines Tages wie verrückt von einer Mission kam. Sie waren zum Hauptgebäude des Systems gegangen, um es in die Luft zu jagen, jedoch ohne Erfolg. Sie wurden alle gefangen genommen. Nach einiger Zeit, wo wir schon die Hoffnung aufgegeben hatten, dass sie jemals wieder lebend zurückkommen würden, wurden sie wie durch ein Wunder frei gelassen. Es waren aber nicht mehr die Leute, die wir einst kannten und liebten. Sie waren wie Tötungsmaschinen. Genauso wie Jack. Bei ihm war es sogar nicht so schlimm gewesen. Wir dachten, dass wir ihm helfen könnten. Aber es war nur eine Annahme. Das war vor drei Jahren, da war ich noch 15 gewesen. Ich wollte ihn, meinen Bruder, nicht aufgeben. Dr. Adams und ich versuchten alles, um ihn von dieser Gehirnwäsche zu befreien, jedes unserer Versuche scheiterte. Da er einige Jahre älter war als ich, war er stärker und seine Gaben waren besser geprägt. Ich konnte bei einem Kampf gegen ihn knapp entkommen und das mit der Hilfe von Dr. Adams. Er dahingegen ist geflohen zum System und hat die Prophezeiung, die er anscheinend finden konnte, dem System gegeben. Seitdem habe ich trainiert und Pläne geschmiedet, um das System zerstören zu können, dass mir meinen Bruder nahm...Genauso wie alles andere was mir wichtig war oder ist."
Ich wusste nicht was ich dazu sagen sollte oder wie ich darauf reagieren sollte. Tränen sammelten sich in meinen Augen und verschwammen meine Sicht. Ich blickte zu ihm über. Ich sah was Leeres in den grünblauen Augen. Eine schmerzhafte Lücke, die er zu verstecken versuchte. Ruckartig sprang ich zu ihm über und umarmte ihn instinktiv fest. Zuerst war er überrascht gewesen, genauso wie ich es war, doch dann erwiderte er meine Umarmung. Ich konnte seinen Herzschlag fühlen. Die Zeit stand still. Ich schloss meine Augen und bewegte mich nicht. Ethan tat es auch nicht. Sogar die ganzen Kabel, die mich an diversen Maschinen banden, störten mich nicht, auch wenn sie an meinem linken Arm zerrten.
"Du hast mich nun und ich habe nicht vor dich zu verlassen." flüsterte ich in sein Pullover, obwohl ich nicht wusste, wieso ich ihm das sagte oder warum ich ihn nie wieder verlieren wollte. "Nichts kann mich dazu bewegen dich alleine zu lassen."
Langsam lösten wir uns von der Umarmung und er schaute direkt in meine Augen, was mein Herz für eine Sekunde aussetzen lies. "Und du hast mich. Ich werde nicht erlauben, dass dir je etwas wieder zu stößt. Ich werde immer bei dir sein, wenn du mich brauchst... Versprochen."
Ich hatte mal gehört, dass schwere Zeiten Menschen stärker verband und ich glaube, dass dies nun wirklich geschah. Wir schauten uns stumm an ohne ein Wort auszutauschen bis es an der Tür klopfte.
„Herein."sagte Ethan zur Tür über.
Dr. Adams und Amy betraten das Zimmer. Inzwischen hatte sich Ethan wieder auf das Sofa geworfen, um dem Arzt genügend Fläche zum arbeiten zu geben.
„Wie fühlst du dich Emily?" Dr. Adams trat näher.
"Leichte Kopfschmerzen und sonst ist alles gut." Mit einem grellen Licht kontrollierte er meine Augen, betrachtete meine Wunde und sah sich die Werte der Maschinen an. „Hm...scheinst top fit zu sein und das in so einer kurzen Zeitspanne." er schaute mich genauer und inspizierend an. Ich lächelte nur aufgrund der positiven Werte.
„Heute musst du leider hier unter Beaufsichtigung bleiben, aber das wird bestimmt nicht schwer für dich. Du hast ja Ethan und Amy. Sie werden perfekt auf dich aufpassen, dass kannst du mir glauben. Dann bis morgen und gute Besserung noch einmal." Er lächelte zu mir über und verließ schon wieder das Zimmer.
„Oh mein Gott! Was ist denn mit dir geschehen?! Du siehst so...so...egal. Du musst mir alles erzählen und dann du Ethan. Ich muss wissen wie es weiterging." Sie schmiss sich neben Ethan auf das Sofa, was nebenbei echt gemütlich aussah und zappelte wie eine hyperaktive Person. Lächelnd schüttelte ich meinen Kopf und erzählte ihnen alles, woran ich mich erinnern konnte.
Nachdem ich alles bis aufs kleinste Detail erzählte hatte und es mehrere Male wiederholen musste, starrten beide konfus in meine Richtung. Ich glaubte, dass sie den Kampf kürzer erwartet hatten, da Scarlett viel stärker, trainierter war und Gaben besaß. Um wahr zu sein, hatte ich sogar mich selbst überrascht. Ich hatte von Anfang an keine Chance gegen Scarlett gehabt. Nun blickte ich zu Ethan über, der die Geschehnisse weiter erzählte. Als er fertig war, saßen wir alle drei schweigend und musterten uns gegenseitig. Niemand wusste genau, was zu sagen war.
"Okay. Wisst ihr was, das liegt nun in der Vergangenheit, deshalb sollten wir jetzt etwas Schönes unternehmen, denn das Leben hat auch schöne Seiten. Wir können ja nicht den ganzen Tag herumsitzen und uns deprimierend ansehen. Irgendwelche Vorschläge?!" Sie legte kurz eine Pause ein und wartete auf irgendeine Antwort, doch als diese weder von Ethan noch von mir kam, fuhr sie fort.
"Na gut. Ich werde das Schweigespiel nicht fortsetzen, außerdem habe ich da schon eine Idee. Wartet mal kurz, bin gleich wieder da!" Amy rannte aus dem Zimmer und wir schauten uns nur fragend an.
"Weißt du was sie vor hat und ist sie immer so optimistisch?" Ethan musste mir erst gar nicht antworten. Die Antwort war zu offensichtlich.
Ich schaute aus dem Fenster. Es war Abend gewesen, ungefähr 18.00 Uhr, aber es war stockdunkel, was ganz ordinär für einen Wintertag war. Einige Sterne leuchteten am Himmel auf. Unglaublich, dass man hier sogar die verschieden farbigen Sterne sehen konnte. Blau, rot und gelb leuchteten sie mit aller Kraft und verleihten dem Himmel etwas magisches. Der Sternenhimmel hatte in dieser Dimension wirklich was faszinierendes. Ich bemerkte, das kein einziges Licht von den Häuser, Gebäuden und Geschäften ausging, deshalb konnte man den Sternenhimmel noch besser erkennen. Sie waren das einzige was leuchtete. Nach einiger Zeit registrierte ich, wie Ethan mich ansah, wie ich gerade die Sterne betrachtete. Meine Wangen röteten sich. Na super. Unwohl tat ich weiter so als hätte ich ihn nicht bemerkt und zum richtigen Augenblick kam Amy herein gestürmt.
„Hey, da bin ich wieder. So Cousin, du tust uns doch einen Gefallen." Sie reichte ihm eine hellbraune Gitarre. Konnte Ethan etwa Gitarre spielen?
„Ah, wo hast du die denn gefunden? Ich hatte seit langem nicht mehr gespielt und ich werde erst dann spielen, wenn Emily singt." Er lächelte zu mir über, aber ich schaute ihn nur drohend an.
„Aber müsste ich dann nicht selbst spielen? Denn wir kennen nicht dieselben Songs?" fragte ich nach mit einem breiten Lächeln, da seine Idee nicht aufgegangen war. Ich war mir ziemlich sicher, dass das stimmte.
"Oh stimmt. Kannst du denn spielen?" fragte Amy zurück. Ich lächelte leicht „Ja, mein Vater hatte es mir beigebracht."
Ohne groß nachzudenken, nahm ich die Gitarre von Ethan entgegen. Wie ich sie alle jetzt schon vermisste. Ich hielt die Tränen zurück und fing an die langsame Melodie zu spielen und dazu zu singen.
Zu viele traumhaft schöne Erinnerungen waren mit diesem Song verbunden. Deswegen liebte ich die Musik. Es vermittelte nicht nur Gefühle oder Aussagen, sondern war immer mit einem Ort, einer Person oder einem Moment verbunden und wenn jedes Mal der Song lief, spürte man sich dort oder bei der Person. Ein Gefühl der Geborgenheit halt. Problemlos und sorgenfrei.
Als ich zu Ende gesungen hatte, klatschten beide schon. Faszinierende Blicke waren das einzige, was Ethan von sich gab.
"Du...singst...traumhaft! Wieso hast du das nicht früher erwähnt Emily! Okay jetzt bis du dran Ethan. Spiel du, ich sing dann was dazu." Wir verbrachten die ganze Nacht so. Es war wundervoll. Wir lachten bis uns die Tränen kamen. Alle Probleme und Gefahren schienen verschwunden zu sein, auch wenn es nur für eine Nacht war. Eine traumhaft schöne Nacht. Ich hatte neue Menschen kennengelernt, die zu Beginn Fremde, doch jetzt ein unersetzlicher Teil meines Lebens waren. Ein Leben ohne sie? Ich konnte es mir nicht einmal ansatzweise vorstellen. Kurz gesagt...unmöglich.
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Jaap dies war mehr so ein Lückenfüller Kapitel. Bald geht es aber sofort weiter mit der Spannung
Risingvision :D
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