3. Ein neuer Tag und neue Bekanntschaften

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"Die Welt besteht aus denen, die etwas in Gang setzten, denen, die zusehen, wie etwas geschieht, und denen, die fragen was geschehen ist."
-Norman R. Augustine-

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Am nächsten Morgen wachte ich ziemlich erholter auf, da ich gestern den ganzen Tag damit verbracht hatte, jedes Detail zu verdauen. Für einen Moment dachte ich, dass das wirklich nur ein Traum gewesen war, doch ein Blick aus dem Fenster hatte die Hoffnung aus mir geschlagen. Der Schneesturm und die Welt da draußen, die in weiß bedeckt war. Es war schon ein komisches Gefühl vorgestern noch mitten im Sommer gewesen zu sein und heute schon wieder im Winter. Die schönsten und unvergesslichsten Ferien, wiederholte ich in meinem Kopf. Unvergesslich, ja, aber nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das war wenigstens nicht so geplant gewesen.

Es mochte sein das meine Welt über Kopf stand, aber ich musste alles positiv betrachten, oder? Ethan meinte es gäbe einen Weg zurück in meine Dimension. Menschen aus dieser Dimension konnten Portale zu meiner Dimension öffnen. Ich lehnte erst einmal ab, wieder nach Hause zu gehen, um mehr zu erfahren. Ich hatte ihn sogar gefragt, ob ich ihnen helfen konnte. Nachdem wir unser Deal abgeschlossen hatten, ließ mich Ethan alleine und in der Zeit kamen meine Erinnerung und somit auch das, was Jack gemacht hatte, gänzlich zurück. Er war einer von ihnen und er wollte mich vernichten. Der letzte Gedanke ließ mich schaudern. Er wollte mich töten, aber weshalb? Was hatte ich ihm angetan? Ich entschloss mich, dies vorerst als ein Geheimnis zu belassen, denn ich wusste nicht was die Wahrheit alles aufbringen würde. Ich fürchtete mich gewaltig, was das anging und ich wusste nicht auf welcher Seite Jack genau stand.

„Morgen." Ethan betrat an der offenen Tür klopfend das Zimmer und blieb dann dort stehen.

„Morgen." rief ich ihm zurück.

„Wie geht es dir?" fragte er mich lächelnd. „Gestern hattest du viel durchmachen müssen."

„Viel besser. Ich fühle mich...gut, glaube ich zu mindestens." sagte ich etwas unsicher und ging langsam auf ihn zu. Einen halben Meter vor ihm blieb ich wie angewurzelt stehen als könnte ich gar keinen Schritt mehr nach vorne treten.

„Na dann. Wenn du willst, kann ich dich heute durch das Gebäude der Widerstandsgruppe führen. Es ist zwar nichts besonderes, aber ich glaube langsam wird es dir bestimmt mit der Zeit langweilig in diesem Zimmer." Er lächelte breit und verschränkte seine Arme vor der Brust.

„Sehr gerne, ich sterbe schon vor Langeweile. Aber zuerst, ähm weißt du vielleicht, wo ich saubere Kleidung finde? Ich konnte ja leider nichts mitnehmen..." Einen Moment lang dachte er nach und lehnte sich mit der linken Schulter an die Wand des Raumes.

"...Meine Cousine Amy müsste ungefähr so groß sein wie du." Ethan musterte mich von Kopf bis Fuß mit einem prüfenden Blick und ich legte meinen Kopf schief. Ich fühlte mich vollkommen unwohl bei seinem prüfenden Blick und begann leicht unkontrolliert zu zappeln.

„Warte. Ich sage ihr mal kurz Bescheid." Und schon verschwand er mit schnellen Schritten aus dem Zimmer. Ich nahm das Angebot mit dem Rundgang und der Kleidung nur zu gerne an. Ich wollte mehr über diese Dimension erfahren. Über einen bestimmten von „ihnen", der mich umbringen wollte...

Zehn Minuten vergangen und Ethan kam mit einem Mädchen meiner Größe und einem Haufen von Klamotten an. Sie hatte graublaue Augen und dunkelblonde lange Haare, die ihr bis zur Mitte ihres Rückens reichte. Alles in allem sah sieh schön aus.

"Hey ich bin Amy Lynch. Wie heißt du eigentlich? Ethan hat seit gestern zwar viel von dir erzählt, aber nicht wie du heißt..." Ihre Stimme klang amüsiert als sie Ethan, der rechts von ihr stand, leicht rot anlaufen sah.

„Oh... Ich weiß es selbst nicht einmal." sagte er seinen Kopf schüttelnd und schlug sich leicht auf die Stirn als sei es ihm peinlich.

„Ist schon in Ordnung. Ich bin Emily Wyler. Freut mich sehr dich kennenzulernen Amy." antwortete ich ihr geschwind und lächelte auch Ethan an.

"So Ethan nun darfst du das Zimmer verlassen, mein allerliebster Cousin." Er blickte noch kurz zu mir über mit einem leichten Lächeln auf seinen Lippen und verließ das Zimmer, um vor der Tür zu warten.

"Hier zieh die an. Die würden perfekt zu deinen kristallblauen Augen passen. Mein Cousin ist ja voll neben der Spur gewesen. So erlebe ich ihn zum ersten Mal. Ich glaube, dass er sich in dich verguckt hat." Sie zwinkerte mir eigenartig zu, was unter anderen Umständen hätte echt lustig wirken können und fuhr fort.

„Ich meine nur, dass du mir sehr sympathisch bist im Gegensatz zu Scarlett." Sie schüttelte sich, um die Gedanken loszuwerden als wären sie etwas, dass sie anekelt.

"Was ist denn mit Scarlett? Und wir kennen uns doch alle erst seit einer sehr kurzen Zeitspanne. Woher wisst ihr denn, was für eine Person ich bin." fragte ich neugierig nach. Sie schienen mir auf gewisse Weise wirklich blind zu vertrauen.

„Die Gaben." sagte sie kurz. „Durch sie spüren wir, was wir für eine Person wir überhaupt vor uns stehen haben und zu Scarlett...Sie ist eine von uns und klebt förmlich an Ethan, wie ich sie hasse...Ich spüre was bestimmtes an ihr, aber ich weiß nicht genau was. Ethan sieht sie als beste Freundin, aber sie tut es leider nicht. Na ja, lass Ethan nicht lange auf dich warten". Mit einem leisen „Okay." nahm ich die dunkelblaue Jeans, das weiße Oberteil und die Winterjacke entgegen. Schließlich war es Winter, auch wenn es plötzlich kam.

„So, wir treffen uns hoffentlich während des Abendessens im Speisesaal wieder. Wir haben viel zu besprechen."

Sie umarmte mich und verließ das Zimmer. Irritiert blieb ich noch eine Weile stehen bevor ich mich dem Umziehen widmete. Nachdem ich endlich in meine neuen Klamotten geschlüpft war, verließ auch ich das Zimmer gleich.

"Ich wollte mich noch kurz bei dir entschuldigen." entgegnete Ethan mir als ich aus dem Zimmer trat. Ich war verwirrt und blickte mit einer hochgezogenen Augenbraue zu ihm hinauf. Er hatte nichts getan, wieso wollte er sich entschuldigen?

„Weshalb denn?" hakte ich nach.

"...Ich habe unerlaubt in deinen Verstand zu gegriffen. Nicht dass du es falsch verstehst, so lange du mir es nicht erlaubst, sehe ich keine Momente aus deinem Leben, sondern nur allgemeine Informationen, die du von dir weißt und außerdem deine Gefühle. Unerlaubtes Zugreifen auf persönliche Erinnerungen würden dir schreckliche Schmerzen verursachen." So lange er nicht mein ganzes Leben vor seinen Augen hatte, fand ich das doch... ziemlich in Ordnung. Lucy und ich hatten ziemlichen Unsinn getrieben und außerdem wollte ich nicht, dass er jedes andere Detail von mir erfuhr. Schließlich habe ich ein privat Leben.

"Es ist okay. Solange du nicht jedes Detail von meiner Wenigkeit kennst." Schmunzelnd blickte ich in sein Gesicht. Ich konnte die Erleichterung von seinem Gesichtsausdruck ablesen. Ich glaubte nicht, dass er sich so viele Gedanken darüber gemacht hatte, obwohl er es mir einfach verschweigen konnte. Er war definitiv eine nachdenkliche und vertrauenswürdige Person.

"Das freut mich sehr. Okay, dann lass den Rundgang mal beginnen."

Das Versteck sah sehr nach einem normalen Apartment aus, in dem es Schlafzimmer, Trainingsräume, Krankenzimmer, Besprechungsräume und ein Speisesaal gab. Das Archiv durfte ich leider noch nicht betreten, da ich erst seit gestern hier war. In diesem Hauptgebäude waren ungefähr 20 Personen untergebracht, aber Ethan teilte mir mit, dass noch andere Widerstandsgruppen weltweit vorhanden waren. Auf dem Weg bemerkte ich, dass eine Tür offen war. Ich blieb davor stehen und betrachtete den leeren Raum mit den weißen Wänden. Rein gar nichts befand sich da drinnen. Nur Leere.

Ethan äußerte sich nicht dazu, also betrat ich aus Neugierde den Raum. Ich hatte das Verlangen meine Augen zu schließen und ich tat es auch. Als ich sie wieder öffnete, stand ich nicht mehr in einem leeren Raum. Nein. Es war ein Wald und ein dunkler Sternenhimmel schimmerte über uns. Ich sah mich um und bemerkte etwas weiter hinten ein kleines Feuer brennen. Ethan stand neben mir und bestaunte die Gegend. Müsste er nicht diesen Raum kennen?! Ich entschloss mich in Richtung des Feuers zu gehen, da Ethan mir sowieso auf Schritt und Tritt folgte. Zehn Meter vor meinem Ziel blieb ich abrupt stehen. Nein. Das kann doch gar nicht war sein! Mit verlangsamten Schritten ging ich nun weiter. Wie war das möglich?! Ich sah sechs Personen, die am Lagerfeuer saßen, sich gegenseitig was erzählten und laut auflachten. Diese sechs Personen waren...meine Familie, Lucy und ich, drei Jahre zuvor, bei unserem Campingausflug. Mein Vater zog seine Gitarre raus und Lucy und ich fingen an zu singen, da mein Bruder Kieran darauf bestanden hatte. Ich schaute mir selbst zu. Lucy und ich sangen zusammen voller Freude ein Lied. Das waren wundervolle Ferien, die ich vollkommen vergessen hatte. Ich fühlte die Wärme, die das Feuer verbreitete. Die warme Stimmung, der Menschen, die ich liebte. Ich stand bloß da und einige Tränen rollten über meine Wangen runter.

"Ich vermisse sie alle. Ich habe sie zwar vor kurzem gesehen, doch alles ist so anders. Als ob ich keinen Weg zurück mehr hätte. Alles was ich erfahren habe. ... Es war ein traumhaft schöner Moment in meinem Leben gewesen. Ich werde es nie vergessen."

Ich hockte mich neben das Lagerfeuer und Ethan gesellte sich zu mir. "Es ist wundervoll. Diese Wärme und die Gefühle. Das alle einfach unendlich glücklich sind. Ich kann dich nur zu gut verstehen. ... Dies ist der Raum der glücklichen und verborgenen Erinnerungen. Du kannst zwar alles spüren und sehen, aber dies sind nur vergangene Momente aus deinem Leben. Also befinden wir uns eigentlich nicht wirklich hier, sondern immer noch in dem leeren Raum. Außerdem muss ich zu geben, dass du eine wundervolle Stimme hast."

„Danke...Ich will hier nicht weg. Alles ist so friedvoll und die Zeit scheint stehen geblieben zu sein..." Träumerisch blickte ich in das knisternde Feuer und bemerkte Ethans Meinst-du-das-ernst-Blick. "Schau mich nicht so an. Natürlich müssen wir gleich los, aber du weißt ja was ich meine." sagte ich wieder lachend. Er schwieg.
„Wieso sehen wir eigentlich meine Erinnerungen?" ich starrte verträumt ins Feuer.

„Du hast als erstes den Raum betreten. Ich bin so gesagt dir in deine Erinnerung gefolgt." Seufzend stützte ich mich auf meine Arme und fuhr ihn gespielt böse an.
"Aber nächstes Mal gehen wir in deine Erinnerungen!" Um meine Aussage zu bekräftigen, deutet ich mit meinem Zeigefinger auf ihn und versuchte drohend zu wirken
"...Ja das können wir machen." er lächelte sanft und versuchte sich ein Lachen zu verkneifen.

"Du siehst alles andere als bedrohlich." sagte er lächelnd und ich stemmte mir die Hände in die Seiten.

"Versprochen?!" wiederholte ich sicher und ließ mich nicht ablenken.

"Versprochen!"Ethan stand als erstes auf und hielt mir die Hand hin. Ich griff nach ihr und er zog mich sanft hoch. Zusammen gingen wir wieder zur "Tür". Ein letztes Mal drehte ich mich um und sah, dass meine eigenen Augen an mir hafteten. Sah ich mich selbst etwa?! Nein. Es war unmöglich. Dies sind nur Erinnerungen. Unwohl und mit dem Gefühl beobachtet zu werden, verließ ich den Raum. Als ich hinter mich blickte war nur noch der leere Raum da. Es war zu schön gewesen, um wahr zu sein.

* * *

„Wie sieht es draußen aus?" fragte ich ihn nun. Ich hatte noch nicht die Welt außerhalb dieser Wände erlebt. „Man könnte sagen ungefähr wie bei euch. Aber ich kann dich leider nicht nach draußen führen. Es ist zu gefährlich. Glaube mir Emily" Er lächelte sanft und wollte schon fortfahren, als ein Mädchen ungefähr meines Alters zu uns stieß.

„Ethan..." sie verdrehte die Augen. „Übertreibst du nicht wieder einmal sehr. Ich meine ja es ist gefährlich draußen, aber wiederum nicht so viel. Also..."

„Nein Scarlett, lass es sein." unterbrach er sie abrupt. Er flüsterte nun ihr was zu, was ich nur ansatzweise verstehen konnte: "..will nicht..was...stößt." Vollkommen verständlich nickte sie nun.

„Oh, ich habe es ganz vergessen. Ich bin Scarlett und du bist?"

„Emily." Ich war enttäuscht davon, die Welt da draußen nicht sehen zu dürfen, doch damit sollte ich mich wohl abfinden. Außerdem hatte Amy mir nichts Gutes von Scarlett erzählt, die nun grinsend vor mir stand.

„Emily, ich hatte vergessen, dass ich heute eine Besprechung habe. Wäre es in Ordnung, wenn du mit Scarlett etwas unternimmst?"

„Ja, ich bin damit einverstanden." antwortete ich kurz und lächelte stumm zu Scarlett.

„Okay, du findest uns in einem der Trainingsräume wieder. Ich will sehen, was sie alles drauf hat." sagte sie noch schnell, als Ethan schon zu seiner Besprechung eilte.

„Ich kann dir jetzt schon mal sagen, dass ich keine Kampftechniken besitze." Es war eine Lüge, aber sie sollte nicht alles über mich erfahren. Ich kannte sie noch nicht und man war immer im Vorteil, wenn andere deine Stärken nicht kannten. Sie nickte nur und lächelte listig. "Das war nur eine Ausrede um rauszugehen."

Das zu hören hatte mich schon gefreut, aber war das auch eine gute Idee. Denn Ethan hatte mich ausdrücklich gewarnt. „Ich weiß genau, was du denkst. Hör auf das zu denken. Er ist immer so eine Spaßbremse und übertreibt ab und zu mal gerne. Nun folge mir!" Sie hatte ein schönes Lächeln, meerblaue Augen und lange blonde Haare, die bis zu ihrem Rücken reichten. Ich blieb wie angewurzelt stehen und machte keine Anstalten mich zu bewegen, also zog sie mich kurzerhand mit.

Nachdem wir durch lange Flure gegangen waren und mindestens fünf Mal abgebogen sind, öffnete sie eine große schwere Stahltür und schritt raus. „Dies ist die langweiligste, aber zugleich die gefährlichste Dimension, die es gibt. " sagte sie monoton. Ich blieb immer noch im Gebäude und weigerte mich rauszutreten. Ich hatte Ethan versprochen seinen Anweisungen zu folgen und ich hielt meine Versprechen.

"Meine Güte! Emily beweg dich nun gefälligst und hör auf so ein Sturrkopf zu sein." rief sie genervt und kam wieder auf mich zu. Unsanft riss sie mich nach draußen und ich stolperte etwas durch die Gegend bevor ich zum Halt kam. Was stimmte denn mit der nicht!
Bevor ich sie wütend mit Worten angriff, blieb mein Blick an der Gegend hängen. Alles sah genau wie bei uns aus. Der größte Unterschied war jedoch, das alles perfekt schien. Alles war sauber und makellos, in Schnee bedeckt. Es war Istanbul oder doch nur eine bessere Kopie davon!? Nur einige Menschen waren in der Ferne zu sehen. Die Stadt schien verlassen zu sein, aber wirkte auch ziemlich moderner.

Als ich mich zu Scarlett drehte, war sie nicht mehr direkt neben mir. Sie stand vor der Tür und schloss sie von außen ab. Mist, was sollte das jetzt bloß. Ich hatte ein sehr unwohles Gefühl. Amy hatte anscheinend Recht und sie schien mir auf Anhieb unsympathisch.
„Scarlett, was soll das?! Mach die Tür wieder auf." Ich wusste nun ganz genau, dass irgendwas mit ihr nicht stimmte. Sie führte was im Schilde, sogar ihre Augenfarbe hatte sich in ein dunkles braun, nahezu schwarz, verändert. Sie lächelte mich schief an und kam Schritt für Schritt näher. Mein Atem beschleunigte sich, da ich höllische Angst bekommen hatte, denn sie war einer von Ihnen...

Und wollte mich allem Anschein nach auch tot sehen.

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