2. Würdest du einem Fremden vertrauen?
Langsam und träge flatterten meine Augenlider auf. Ich sah alles noch verschwommen, doch mit der Zeit wurde mein Sehvermögen wieder besser. Konfus blickte ich durch den kleinen Zimmer, in dem nur ein Schrank an meiner rechten und ein Tisch mit Stühlen auf meiner linken Seite sich befanden. Erst als ich das Bett und die Ansammelungen an Geräten in der Nähe des Bettes bemerkte, kam mir der Gedanke auf, dass ich mich in einem Krankenhaus befinden musste. Es sah zu mindestens danach aus.
Jedoch konnte ich keine einzige Spur von Lucy oder Jack auffinden. Wie war ich bloß hierher gekommen?! Ich richtete mich langsam von meinem Bett auf, doch ein stechender Schmerz ließ meinen Körper augenblicklich zusammenzucken. Ein paar Mal atmete ich stoßweise aus bevor der Schmerz wieder verblasste.
Ich konnte mich nicht mehr an das erinnern, was passiert war. Ich habe mich kalt und gleichzeitig leer gefühlt. Wie eine Hülle von dem, was ich eigentlich sein müsste. Mit langsamen Schritten tapste ich zur Tür über und umkrallte den kühlen Griff mit meinen zittrigen Händen. Hier konnte ich nicht einfach bleiben, nicht ohne einmal zu wissen, was passiert war oder wo ich hier überhaupt war. Irgendwas stimmte nicht und zwar ganz und gar nicht und dieses Gefühl brachte mich innerlich um.
Ferien...was war da bloß, was mir nicht einfallen wollte und doch so viele Schmerzen verursachte? Entschlossen öffnete ich die Tür, doch ein Junge, mit dunkelblonden Haaren, der außerdem einen ganzen Kopf größer war als ich, versperrte mir den Durchgang. Mit seinen blaugrünen Augen beobachtete er mich genau und ich wich augenblicklich einen Schritt nach hinten. Ich musste zugeben, dass ich solche Augen zum ersten Mal sah. Starke grün und blau Töne vermischten sich in einer unglaublichen Komposition. Doch diese Einzigartigkeit war es, die mir etwas Angst einjagte.
"Was ist passiert? Wo bin ich hier? Und wie bin ich hier hergekommen?" brachte ich es nur aus mir heraus während ich ihn anstarrte.
"Ich glaube es wäre besser, wenn du dich wieder hinsetzen würdest." sagte er im Flüsterton und deutete auf das Bett, von dem ich erst aufgestanden war. Seine Augen folgten meinen bis ich nachgab und mich aufs Bett setzte.
"Ich weiß leider nicht was mit dir passiert. Als ich meine tägliche Routine machte, habe ich dich auf dem zu gefrorenem Meer entdeckt. Du warst nicht bei Bewusstsein und unterkühlt, deshalb habe ich dich hierher gebracht."
"Was meinst du mit zugefroren...Wir sind mitten im Sommer!" Versuchte ich seine Aussage zu widerlegen. Er schaute mich jedoch sehr verwundert an, so, als sei ich nicht mehr bei Verstand.
Als er nichts dazu sagte, redete ich einfach weiter. "Ich kann mich nicht an jedes Detail erinnern, aber meine Freunde und ich waren in den Sommerferien und haben...wir haben..." Mehr konnte ich nicht sagen. Ich erinnerte mich nicht mehr daran. Verzweifelt blickte ich zu ihm, um eine plausible Erklärung zu erhalten, doch auch der Junge schien überfordert mit der Situation zu sein.
"...Kann es sein, dass du nicht aus dieser Dimension bist?"fragte er zögernd und wartete gespannt auf meine Reaktion. Nun, jetzt war ich vollkommen verwirrt. Was für eine Dimension und überhaupt wie meinte er das mit einer anderen?
Ich hoffte nur, dass dies ein Traum war. Es musste einfach ein Traum sein, aber dann war es wohl eher ein Albtraum, von dem ich schleunigst aufwachen wollte. Unbemerkt kniff ich mir in den Oberschenkel, aber wachte nicht auf. Es war an erster Stelle blöd zu denken, dass ich so von dieser schlimmen Lage entkommen könnte.
"Du musst nicht antworten. Vertraust du mir?" flüsterte er mir zu und kam etwas näher. Etwas Zeit verstrich bis ich nickte und ihm mit einem stummen "Ja" antwortete. Wieso ich ihm gesagt hatte, dass ich ihm vertraute, wusste ich nicht. Ich kannte ihn erst seit einigen Minuten und wusste nicht einmal seinen Namen, doch irgendwie kam es mir so vor als ob ich ihn schon jahrelang kennen würde.
"Stimmt. Das tut mir sehr leid, ich bin Ethan. Es gibt eine menge Gründe, wieso du mir vertrauen solltest." antwortete er und zeigte zum ersten Mal ein breites Lächeln auf seinem Gesicht.
"... Ich habe das doch gar nicht ausgesprochen, oder doch?!" Hatte ich das aus Versehen laut gesagt? Ich runzelte die Strin, sicher davon, dass ich es nicht laut gesagt hatte, aber wie sollte er es sonst gehört haben? Ich war in einer echt komplizierten Situation und verstand die Welt nicht mehr oder besser gesagt die beiden Welten. Ich wurde verrückt. Ich sollte bei der nächst besten Möglichkeit unbedingt zu einem Psychologen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen versuchte ich alles logisch anzuordnen, doch es war nur ein kläglicher Versuch.
"Okay nun warte eine Sekunde. Deine Gedankengänge sind vollkommen unübersichtlich. Du bist immer noch auf derselben Welt nur in einer anderen Dimension und um deine Frage zu beantworten...Nein, du hast es nicht ausgesprochen. Ich habe deine Gedanken gelesen." Schockiert und mit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an. Gedanken lesen existierte nur in Filmen und Büchern. Niemand konnte in den Verstand anderer Menschen angreifen. Ich brachte kein Wort über die Lippen.
"Alle hier, also in dieser Dimension, haben Gaben, zum Beispiel Gedanken lesen, andere kontrollieren oder sogar Menschen mit besonderen Techniken foltern ohne einen Finger zu krümmen." Er hielt kurz inne, damit ich ihm folgen konnte. Natürlich ignorierte er auch mein schockiertes Gesicht und fuhr gelassen fort. "Das System in dieser Dimension ist eine Diktatur gegen die wir kämpfen. Sie haben überall ihre Männer, um die zu verhaften oder einer „Gehirnwäsche" zu unterziehen, die ihnen zu Recht widersprechen."
Bei seinem letzten Satz zuckte ich unmerklich zusammen. Ich erinnerte mich zurück an die Familie, die ich letztens sah. Deshalb also hatten sie die eine unschuldige Familie umgebracht. Sie hatten den Befehlen widersprochen. Es war keine Halluzination.
"Das Schlimmste kommt noch." setzte er nun wieder an, nachdem ich mich wieder etwas beruhigt hatte. "Die Menschen aus eurer Dimension haben keine besonderen Gaben, weshalb "unser" System auch eure Welt erobern will. Es wäre ein Kinderspiel für sie. Es sind schon einige Männer vom System in eurer Welt, um dies durchzuführen. Schritt für Schritt. Wir versuchen dies zu verhindern und haben schon einige Pläne, wie wir es schaffen könnten. Aber wir sind in der Unterzahl. Die Rebellion hat nicht genügend Anhänger." Mit einer Hand fuhr Ethan sich durch das Haar und lehnte sich zurück.
Ich fasste es einfach nicht. Wie sollte man so etwas verhindern und dies noch als so eine kleine Widerstandsgruppe und wieso erzählte er das alles mir überhaupt. Was könnte ich schon mit diesen Informationen anfangen?
"Wir warten immer noch auf die eine Person von der Prophezeiung. Besser gesagt, wir suchen nach ihr." fügte er schließlich hinzu.
Eine Prophezeiung.
Natürlich, wenn es Gaben und Dimensionen gab, dann auch eine Prophezeiung. "Was für eine Prophezeiung ist das?" Gab ich meiner Neugier nach, obwohl ich ihm nicht glaubte, was er mir hier erzählte. Es war einfach zu surreal und widersprach all meinem Wissen.
"Die Prophezeiung sagt aus, dass es jemanden aus der Königsfamilie, damals vor Jahrhunderten gegeben haben soll, die eine besondere Gabe besaß, stärker als alle anderen im Volke. Doch als es zu einer Attentat kam, floh die Königin mit ihrem Kind, das diese besonderen Gaben besaß, in eure Dimension und führte ein ganz normales Leben weiter." Es waren Jahrhunderte vergangen, wie konnten sie dieser Prophezeiung Glauben schenken und dieser Prophezeiung ihre und unsere Zukunft anvertrauen.
"Ethan, du sagst es doch selbst, Jahrhunderte sind vergangen. Die sind alle gerstorben."
„Ja, da hast du Recht, aber es gibt noch Nachfolger aus der Familie, die diese Kräfte weiter gererbt haben. Wir suchen schon seit Jahren nach dieser Person. Sie könnte das Schicksal der beiden Dimensionen in ein Besseres ändern."
Mit meinen Fingern rieb ich an meinen Schläfen. Krieg und alle die ich liebe tot. Andere Dimensionen. Gaben. Eine Person, die mächtig genug war, um alles ändern zu können. „Das kann nicht die Wahrheit sein. Das alles kann einfach nicht stimmen Ethan. Zwei Dimensionen existieren nicht. Ich muss mir wohl den Kopf gestoßen haben. Vielleicht liege ich momentan im Koma und bilde mir das alles nur ein." Panisch sprang ich von dem Bett runter und zog die Gardinen des Zimmers auf. Man konnte vieles durch den Schneesturm nicht erkennen, der draußen alles durch wirbelte und wegwehte. Es war doch keine Lüge, aber wie war das bloß möglich. Ich vergrub mein Gesicht in meine Hände und taumelte nach hinten. Hektisch schüttelte ich meinen Kopf und ließ mich auf das Bett fallen. In was war ich hier bloß geraten.
„Hey...hey, sieh mich an. Du musst dich beruhigen." Er setzte sich zu mir und fasste mir an die Schulter, was mich etwas vor Angst zucken ließ. Ich versteifte augenblicklich und wich etwas zur Seite.
„Es gibt einen ganz leichten Weg für dich nach Hause zu gehen. Wenn du willst, kannst du all dies vergessen, aber es bleibt nun einmal die Realität und ich wollte diese nicht vor dir verheimlichen." Meine Reaktion schien ihn etwas verletzt zu haben, da er etwas benommen schaute und auch etwas zur Seite rutschte, um einen Abstand zwischen uns zu halten. Ich wollte mehr als alles andere wieder nach Hause, aber wie sollte ich alles ausblenden, was ich erfahren hatte und die Eroberung meiner Dimension mitansehen. Mein Leben stand über Kopf, doch ich wusste nun, was ich machen würde...auf eine hoffnungslose Suche gehen.
"...Danke Ethan, dass du mich gerettet hast. Ohne dich würde ich vereist auf einem eingefroren Meer liegen." Schüchtern blickte ich in sein Gesicht.
"Nichts zu danken." sagte er wieder mit einem breiten Lächeln auf den Lippen.
"Ich will euch helfen,... also bei der Suche." Ängstlich starrte ich wieder auf meine Hände, die ich langsam aneinander rieb. Ethan schien sehr nett zu sein, doch durfte ich ihm wirklich so viel vertrauen, wie ich es in diesem Moment tat. Er war irgendein Fremder, der mir Sachen erzählte, die gar keinen Sinn ergaben.
"Ich weiß nicht so recht. Du bist ein Mensch aus der anderen Dimension. Es ist zu gefährlich für dich." Er schien nachzudenken, denn er rieb sich mit der Hand den Hinterkopf und lächelte mich dann nach einer Weile an.
"In Ordnung, aber du musst das tun, was ich dir sage, wenn du überleben willst." Er hatte eine ernste Miene aufgesetzt und reichte mir die Hand hin. Unsicher und zögernd schüttelte ich seine Hand, in der meine nahezu verschwand.
Ich hoffte, dies nicht zu bereuen.
---------------------------------------------------------------
Heyyy :D
ich hoffe euch gefällt die Geschichte soweit. Wenn ihr Fragen zur Geschichte oder dem Wettbewerb habt oder ähnliches, könnt ihr mich jederzeit anschreiben oder eine Nachricht hinterlassen. :D Würde liebendgern diese Fragen beantworten
Risingvision
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top