12. Das System, part zwei

Eine unangenehme Stille weitete sich im Raum aus. Josh starrte auf das aufgeschlagene Buch, welches vor ihm lag, genauso wie Amy auf ihr goldenes Armkettchen starrte und dies zwischen ihren Fingern hin und her schob. Ethan blickte mir immer noch in die Augen. Ich konnte die nervösen Atemzüge hören und mir ausmalen an was sie momentan wohl dachten. Wie sollte ich mich äußern? Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und David strömte atemlos in das Archiv. Amy sprang bei seinem aufgeregten Anblick auf und rannte zu ihm über. "David ist alles in Ordnung? " fragte Amy aufgeregt.

"Ja. Als ich John berichtet hatte, was für Fortschritte wir gemacht haben, war er sehr erfreut. Natürlich habe ich mich dann auf den Weg zum Archiv gemacht, um die Recherche fortzusetzen, jedoch hatte ich das Gefühl verfolgt zu werden. Meine Annahme stellte sich als wahr aus. Ich täuschte vor ahnungslos über meine Verfolgung zu sein und ging zur hinteren Tür zu. Als ich nach dem Griff der Tür fasste, hörte ich schnelle Schritte, die sich mir näherten. Ohne hinzusehen bin ich im richtigen Moment ausgewichen. Mein Angreifer war ziemlich irritiert von meiner zügigen Bewegung gewesen, denn er schwang mit seinem Dolch in der Luft herum. Ich nutzte seine Verwirrtheit aus, schlug ihm den Dolch aus der Hand. Nach einem kurzen Kampf, bei dem er nicht seine Gabe verwendete, was mich immer noch wundert, habe ich ihn dann bewusstlos in dem Verhörzimmer gebracht. Da er dem System angehört ist das die Gelegenheit für uns, mehr über das System zu erfahren." berichtete David. Dabei nahm er mit fast jedem in dem Raum Blickkontakt auf.

"Okay. Wir gehen dann alle zum Verhör über. Amy, Josh und Emily. Ihr wartet dann hinter der Scheibe. Wenn wir zu viele im Raum wären, würde er nie etwas erzählen und hinter der Scheibe kann er euch nicht angreifen. Wir wissen nicht, was für Gaben er beherrscht." sagte Ethan gelassen, aber ich sah seine innerliche Aufregung, die er verbarg.

"Und was ist mit euch? Seit ihr nicht seiner Gabe ausgesetzt, wenn ihr direkt daneben steht?" ich machte mir wirklich Sorgen um sie. Die Schmerzen, die gar beim Versuch einer Kontrolle der Person entstehen, sind definitiv nicht ertragbar und das musste ich am eigenen Leib spüren.

"Wäre es nicht zu gefährlich?"

"Mach dir bloß keine Sorgen. Wir sind trainiert und wissen, wie wir uns schützen und wehren müssen. Zu zweit kann er uns nichts anhaben und im schlimmsten Falle seid ihr ja in unmittelbarer Nähe."

Ich wusste, dass David Recht hatte, aber mir war mulmig bei der Sache. Die anderen und ich begaben uns hinter die Scheibe von dem aus der Gefangene uns nicht sehen konnte. Ethan und David waren noch nicht in den Raum getreten, aber ein Junge saß an dem Tisch, im fensterlosen Raum. Das Zimmer war mit einem grellen Licht beleuchtet und das Einzige, was uns trennte war diese dunkle Scheibe. Mit gehobenem Haupt saß er an dem Tisch und starrte genau dorthin wo ich stand. Sehen konnte er mich nicht und die Scheibe stellte eine Blockade für seine Gaben dar, also konnte er mich nicht spüren. Oder etwa doch?! Er hatte zerzauste orangene Haare und kastanienbraune Augen. Einige Sommersprossen nahmen auf seinen Wangen Platz. Ich wusste nicht wieso, aber ich konnte es nicht glauben, dass er dem System gehorchte.

Die Tür sprang auf. David und Ethan schritten langsam in den Raum. Sie setzten sich ihm gegenüber doch er würdigte sie nicht eines Blickes. David räusperte sich " Wer bist du und was willst du in unserem Gebäude. Wie konntest du uns überhaupt auffinden?! " Seine Stimme wirkte kühl und abweisend. Er verzog seine Lippen jedoch nur in ein leichtes Grinsen. Alleine diese Reaktion von ihm deutete, wie leicht es für ihm war hier einzudringen. " Wenn du uns unsere Sache erleichterst, wird dir nichts geschehen, ansonsten kann ich dir nichts versprechen." Immer noch gelassen saß er da. Vollkommen ausdruckslos. " Wer bist du! " rief David mit einer Stimme, die Amy und mich zucken lies. Josh wirkte abwesend zu sein. " Wer ich bin? Ihr wollt wissen wer ich bin?! Wie ihr es euch vielleicht denken könnt, gehorche ich dem System und führe mir zugeteilte Missionen aus. " Wieder blieb seine Stimme tonlos. "Mehr werde ich euch nicht sagen..."

"Was meinst du damit?! Du hast keine andere Wahl entweder du redest freiwillig oder wir zwingen dich. " Ethan hatte ihn bis zu diesen Zeitpunkt nur beobachtet, doch auch er schien sich schwer zu kontrollieren, während er vor seinem Feind saß. " Ich werde nur mit ihr sprechen." er deutete genau in meine Richtung, obwohl man mich von der Scheibe aus nicht sah. Mein Herz fing an zu rasen. Wieso wollte er mit mir sprechen? Ethan und David wussten nicht, auf wem er zeigte, doch es gab nur zwei Optionen, Amy oder ich.

" Was denkst du dir dabei! " David handelte schneller als Ethan und schlug den Gefangenen gegen die Wand. David schien dabei auch seine Gabe zu benutzten, denn der Gefangene stöhnte in Schmerzen auf. Er wehrte sich jedoch nicht. Ethan ging schnell dazwischen und zog David weg.

" Beruhig dich wieder." Ethan hielt David zurück und führten ihn aus der Tür. Einige Sekunden später kamen sie zu uns in den Raum und bemerkten, dass ich steif an der Stelle stand, wo er hingedeutet hatte. "Auf keinen Fall kann ich dich mit dem da sprechen lassen" Ethan deutete auf den Gefangenen, der sich wieder gesetzt hatte. Er war definitiv einige Jahre älter als ich. Mindestens 21. Während alle um mich herum sich einig waren, dass das nicht infrage kam, hatte ich mich schon entschieden. Ich würde mit ihm sprechen. Es gab nicht viele Möglichkeiten für mich, bei denen ich ihnen in diesem Krieg helfen konnte. Und wenn es die einzige Möglichkeit war, wollte ich diese nicht ausschlagen.

" Ich werde mit ihm sprechen."

Alle Blicke richteten sich auf mich. "Emily bist du verrückt geworden. Du kannst doch nicht mit ihm sprechen. Er könnte dich schon bei deinem ersten Schritt in den Raum umbringen." empört schaute Amy mich an. Ich wusste, dass das stimmte, doch ich war fester Meinung.

" Emily, Amy hat Recht. Es ist zu gefährlich und wir wissen noch nicht einmal, wie er dich von dort aus sehen konnte, geschweige denn dich kannte." Ethan machte sich wirklich Sorgen und ich konnte nachvollziehen warum. Ich hatte ihn noch nie in meinem Leben gesehen.

" Leute ich weiß eure Sorgen zu schätzen, aber mir wird schon nichts passieren. Es ist unsere einzige Chance etwas zu erfahren. Außerdem seid ihr in meiner Nähe." Nach einer Weile gaben sie nach und erlaubten mir mit ihm zu reden. Ethan öffnete widerwillig die Tür und ging vor mir in den Raum. Ich hatte Ethan noch nie so kalt erlebt. Er wirkte so anders.

" Wenn du nur versuchen solltest ihr ein Haar zu krümmen, bist du tot." Ethan lehnte sich an den Tisch und drohte dem Gefangenen mit seinem Zeigefinger auf ihn gerichtet. Einmal schaute er mich an und verließ den Raum. Ich stand immer noch am Türrahmen. Langsam setzte ich mich an den Platz, an dem Ethan bevor saß.

" Wie heißt du und wieso wolltest du mich sprechen?" ich hatte Angst, denn ich wusste wozu er imstande war. " Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich will dir nichts antun." Er legte seine Arme auf den Tisch. Ich sagte nichts und deshalb fuhr er fort. " Ja, ich bin vom System. Mein Name ist Nate. Und du bist? " Ich zögerte eine Weile, weil ich nicht wusste wie viel ich ihm über mich verraten sollte.

" Ich bin Emily. Warum bist du hier?" fragte ich nach.

" Um mit dir zu sprechen."

" Mit mir? Aber warum? Was könnte das System von mir wollen?!" Ich war über seine Äußerung sichtlich schockiert.

" Ich gehe davon aus, dass ihr die Prophezeiung inzwischen auch gefunden habt. Du kommst aus der Dimension der prophezeiten Person. Der Anführer des Systems, Logan, will, dass du ihm dabei hilfst. Er denkt du könntest ihm bei der Suche sehr hilfreich sein."

"Du möchtest, dass ich dem System helfe?" fragte ich ihn mit einem Schuss Ironie in meiner Stimme. "Dem System, das vorhat die beiden Dimensionen an sich zu reißen und sicherlich die prophezeite Person tötet, sobald wir sie gefunden haben. Glaubst du, dass ich blöd genug bin dir zu glauben. " ich erhob den Ton meiner Stimme nicht und versuchte abweisend zu wirken. Sein Ausdruck machte mich verrückt. Ich rätselte an seiner momentanen Stimmung, aber seine Gefühle blieben mir verschlüsselt.

" Was?! Ich weiß nicht, was sie dir hier in dieser ‚Schein-Rebellion' erzählt haben, aber wir haben nicht so etwas vor. Im Gegensatz, das System hat die Situation in unserer Dimension verbessert. Nach der Attentat auf die Königsfamilie brach ein Chaos aus. Daraufhin wurde das System gegründet und die Ordnung wurde wieder hergeschafft." In einer Abgespanntheit lehnte er sich wieder zurück und wartete auf meine Reaktion. An Nate konnte ich erkennen, wie viel das System auf ihre Angehörigen Einfluss nahm. Sie schienen die wahre Situation vor ihren Augen nicht zu erkennen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie sein Leben vorher war, ob er genau wie Jack vollkommen manipuliert wurde. Ich war mir sicher, dass es Menschen gab, die ihn vermissten.

" Nate." Ich seufzte. " Hast du mal die Welt da draußen gesehen. Was das System mit den Menschen gemacht hat. Sie haben keinen eigenen Willen mehr und leben in Angst und Schrecken. Und weißt du was noch schlimmer ist, dass ihr die, die nicht gehorchen umbringt ohne zu zögern. Leugne das nicht. Ich musste es mit meinen eigenen Augen ansehen, wie eine Familie umgebracht wurde. Ich habe gehört wie sie aus Schmerzen geschrien und um ihr Leben gefleht haben. Und du meinst es ginge den Menschen besser." Für einen Moment dachte ich, dass er mich verstand, doch ich täuschte mich.

" Du wirst dich uns nicht anschließen egal was ich sage, oder? Ich hoffe nur zu sehr, du wirst deine Meinung ändern...bevor es zu spät wird." langsam stand er auf und lächelte mir zu. Wollte er gehen?

" Wenn du uns anschließen willst genügt es, dass du an meine Ankunft denkst. Hoffentlich auf Wiedersehen, nur unter besseren Umständen." Er hatte in meinen Gedanken gesprochen. Schockiert blickte ich zu ihm über. Er lächelte mich nur an und trat die Stahltür mit Leichtigkeit runter. Mit zügigen Schritten ging er zum Flur hinaus. Erst nach einem Moment realisierte ich, was eigentlich hier passierte und rannte auch auf den Flur, in Hoffnung ich könnte seine Flucht verhindern, aber der lange Flur war leer. Er war schon fort. Das hätte gar nicht sein dürfen, sogar wenn er den Flur durchrennen würde, hätte ich ihn noch sehen müssen, aber Nate hatte sich in Luft aufgelöst. Ich blieb stehen und bemerkte, wie Ethan und Josh an mir vorbei rannten.

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Hey :D

Na was hält ihr von Nate und was glaubt ihr wird seine Rolle sein? Danke an alle die sich das durchlesen, dies motiviert mich echt sehr.

Liebe liebe Grüße

Risingvision

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