03. Betraying
"Wird's gehen?" Toby machte sich über meine Versuche, eine Tasse ganz oben in den Küchenschrank zu stellen, lustig.
"Steh du da nur dumm rum, wir werden ja sehen, wer zuletzt lacht", grummelte ich.
Er nahm sich sein Wasserglas und verließ unter Gelächter die Küche, in der ich nun die Tasse zertrümmerte. War zum Glück nur eine schlichte weiße Kaffeetasse gewesen. Wir hatten sowieso eher einen Teehaushalt.
Seufzend kehrte ich die Scherben auf. So ein paar Zentimeter mehr hätten mir wohl nicht geschadet.
Mein Bruder hatte in letzter Zeit unheimlich gute Laune - zwar hatte ich ihm bisher jeden einzelnen Groupie vergrault, dafür hatte sein Album jedoch für kurze Zeit einen Platz in den britischen Charts gefunden, was ihm einen Höhenflug verschafft hatte.
Als ich das Chaos in der Küche beseitigt hatte, rief Toby mir aus dem Flur ein: "Bis heute Abend!", zu, bis er zu einem Kumpel verschwand. Sobald er weg war brachte ich die Wohnung in Blitzgeschwindigkeit in Ordnung, denn kurz darauf klingelte mein Gast.
"Mein Cousin nervt momentan so", beschwerte er sich, sobald er die Wohnung betreten hatte. Daraufhin grinste ich nur.
"Dann kannst du dich gleich mal ein bisschen entspannen." Darauf schien er nur gewartet zu haben, denn er begann sofort, mich zu küssen. Ich erwiderte sofort und ließ meine Hände zu seinen Seiten wandern, um ihm den Mantel auszuziehen. Zeitgleich streifte er seine Schuhe ab und schob mich in Richtung Schlafzimmer, während seine Zunge meinen Mund plünderte und seine Hand bereits unter mein Shirt wanderte. Wir hatten uns einfach schon viel zu lange nicht mehr getroffen. Im Schlafzimmer angekommen fielen wir ohne zu zögern auf mein Bett und auch ich verlor die ersten Kleidungsstücke.
Binnen kürzester Zeit hatten wir uns vollständig entkleidet und lagen nackt auf dem Bett.
Als ich seinen trainierten Körper auf mir fühlte, spürte ich, wie sehr ich unsere Treffen vermisst hatte. Mein Atem ging rascher, als er seine Hände langsam über meine Oberschenkel wandern ließ. Es machte mich wahnsinnig, seine Finger auf meiner Haut zu spüren.
Meine Hände glitten durch sein dichtes Haar, während sich mein Körper dem seinen entgegenstreckte. Ich konnte es kaum erwarten, bis wir uns vereinten.
"Baby", vernahm ich sein leises Stöhnen, kurz bevor er in mich eindrang.
Automatisch bäumte sich mein Unterleib auf, passte sich seinem Rhythmus an, der an diesem Tag unbeschreiblich lässig wirkte. So, als hätte er alle Zeit der Welt. Ich drehte fast durch, weil er mich so lange hinhielt. Aber das war seine Taktik, wenn wir es lange nicht mehr getan hatten. Er wollte alles aus mir herausholen. Mein Keuchen wurde heftiger, als er den Rhythmus stetig erhöhte. "Oh Gott", stöhnte ich, "mach weiter." Kurz bevor ich mich im siebten Himmel glaubte, vernahm ich plötzlich ein störendes Geräusch. Die Tür zum Schlafzimmer wurde einfach aufgerissen und Toby stand mit weit aufgerissenen Augen und Mund auf der Schwelle.
"Niall?! Nele?! Was macht ihr da?"
Ach du scheiße. Niall war immerhin noch so geistesgegenwärtig, schnell die Bettdecke über uns zu ziehen.
Scheiße. Mein Bruder schien nicht einmal daran zu denken, die Tür wieder zu schließen, sondern verharrte wie festgefroren auf der Schwelle.
"Findest du es etwa witzig, mir meine Groupies zu vergraulen aber selber hinter meinem Rücken einen auf Groupie zu machen? Das ist das Allerletzte!" Damit drehte er sich um und knallte die Tür hinter sich zu. Er war sauer, und das zu Recht. Ich war wirklich eine schreckliche große Schwester.
"Der Junge hat ein mieses Timing", stellte Niall fest und rollte sich von mir herunter. "Aber Recht hat er schon gewissermaßen."
"Ich weiß." Unglücklich setzte ich mich auf. "Ich hab echt Mist gebaut."
"Vielleicht sollten wir unsere Klamotten zusammensuchen und nochmal in Ruhe mit ihm reden", machte der Sänger einen vernünftigen Vorschlag.
Uns beiden war die Lust gründlich vergangen.
"Toby, es tut mir leid." Ich trat ins Wohnzimmer und setzte mich gegenüber meinen Bruder. "Wirklich, ich hätte dir nichts vorschreiben sollen und ich hätte dir von Niall erzählen sollen."
Er sagte nichts, ich konnte nur eine einzelne Träne seine Wange herunterlaufen sehen. Ich musste ihn wirklich verletzt haben.
Niall betrat das Wohnzimmer und setzte sich mit ein wenig Abstand neben mich.
"Tut mir wirklich leid, Toby, wir hätten dir davon erzählen sollen, das war nicht richtig von uns."
"Das ist nicht mal das Schlimmste", sagte mein Bruder leise. "Eigentlich wäre ich jetzt bei Mike, aber ich bin auf halbem Weg umgedreht, weil Mum angerufen hat."
"Oh nein", war das Einzige, das ich von mir geben konnte. Sofort setzte ich mich neben Toby und nahm ihn in den Arm. Es war ihm offensichtlich peinlich, vor Niall zu heulen, aber er tat es trotzdem. Offensichtlich war unsere Großmutter an den Folgen einer schweren Lungenerkrankung gestorben und Toby hatte eine ganz besondere Verbindung zu ihr gehabt. Klar, dass er da jemanden brauchte, der ihn tröstete. Und die große Schwester in solch einem Moment in flagranti zu erwischen war bestimmt nicht gerade angenehm.
Niall schaute zwar etwas verständnislos, sagte aber nichts, was ich ihm hoch anrechnete.
Ich verkniff mir selber ein paar Tränen um komplett für Toby da sein zu können, der sich langsam wieder beruhigte.
"Es tut mir so leid", flüsterte ich erneut, meinte nun aber beide Situationen.
Mein Bruder nickte lediglich.
"Und ihr meint echt, dass ihr den auf euer Album packen könnt?" Ich hatte die Ehre, einer Studioaufnahme von One Direction beiwohnen zu können und unterhielt mich nun mit den Sängern über den Song, den ich geschrieben hatte.
"Na klar, warum denn nicht?", erwiderte Louis. "Der ist super, und du machst das doch schon fast professionell."
"Fast ist gut", grinste ich schief. Momentan hatte ich ganz schön um mein Stipendium zu kämpfen. Meine Kreativität hatte sich vor ein paar Wochen einfach verabschiedet und war seitdem durch den großen Druck nicht mehr wieder aufgetaucht, was mir Sorgen bereitete. Ich musste jedes Semester mit Bestnoten beenden, sonst konnte ich das Studium gleich schmeißen. Momentan sah es aber nicht gut aus.
"Läuft es momentan nicht gut in der Uni?" Harry hatte mit seiner feinfühligen Art sofort meinen Stimmungsumschwung bemerkt.
"Nein, gar nicht", klagte ich. "Ich muss endlich wieder etwas abliefern, aber es kommen keine Melodien mehr in meinen Kopf."
Liam schüttelte sorgenvoll seinen Kopf. "Du hast da ganz schön viel Druck, nicht wahr?"
"Schon, ich bin schließlich Stipendiatin." Wenn auch nicht mehr für lange, fügte ich in meinen Gedanken hinzu. "Aber trotzdem freue ich mich natürlich riesig, dass euch der Song so gut gefällt."
"Absolut", bestätigte Niall mir erneut.
Toby neben mir rastete fast aus vor Aufregung.
"Ich kann es kaum glauben, dass wir hier sind!" Das konnte ich allerdings genauso wenig.
Das war die erste Gala-Veranstaltung, zu der mein Bruder eingeladen war und es war für mich die erste Gala, die nichts mit meinem College zu tun hatte.
Mein Bruder hatte als Künstler eine Einladung bekommen und ich durfte ihn begleiten, weil ich einen der Songs von One Directions neuem Album geschrieben hatte, das sie heute offiziell vorstellten.
Ich war schon total gespannt. Abgesehen von den Singles hatte ich noch keines der Lieder in ihrer endgültigen Fassung gehört, nicht einmal mein Eigenes.
Vollkommen hibbelig, wie er sonst nie drauf war, hüpfte mein Bruder aus der edlen Limousine auf den roten Teppich und ich folgte ihm sogleich, wenn auch etwas weniger elegant.
Da ich keine berühmte Persönlichkeit war, konnte ich mich zwischen all den Reportern und Fotografen hindurchschlängeln und ins Innere begeben, wo mir sofort mein Mantel abgenommen wurde.
Das war hier wirklich das Beste vom Besten. Ohne auf meinen Bruder zu warten, der bestimmt noch eine Weile brauchen würde, versuchte ich, mich auf den hohen Schuhen unfallfrei in die Halle zu begeben. Tatsächlich gelang mir das besser als gedacht und ich konnte mich bald an einen der Tische setzen. Um meine Langeweile zu vertreiben, sah ich mich um. Es waren bisher erst wenige Leute da, und von denen kannte ich niemanden wirklich, weshalb auch das Herumsehen bald langweilig wurde. Die Veranstaltung sollte aber erst in einer Stunde beginnen, sodass ich noch einmal aufstand, um mir etwas Trinkbares zu organisieren.
Wie hätte ich auch wissen sollen, dass man das nur durch Kellner bekam, wenn man brav an seinem Platz sitzen blieb?
Ich schritt also durch die Reihen, konnte aber nirgendwo Verkaufsstände oder eine Bar sehen. Mist. Vielleicht hätte ich doch eine Wasserflasche mitschmuggeln sollen? Aber Harry hatte mir das strengstens verboten und erklärt, dass das höchst "inappropriate" sei. Dafür konnte ich ihn jetzt für mein Verdursten verantwortlich machen. Jedenfalls wenn ich ihn bis dahin noch traf.
Die Gala konnte im Allgemeinen als Erfolg bezeichnet werden. Toby tauchte auch irgendwann auf und wir teilten uns geschwisterlich eine Flasche Champagner. Irgendwie wurde ich davon aber noch durstiger und schnappte mir eine Cola von einem Tablett. Zu spät merkte ich, dass mindestens ein Viertel des Glases aus hochprozentigem Alkohol bestand. Ups.
Als One Direction sich schließlich persönlich die Ehre gaben, klatschte ich begeistert und bemerkte die pikierten Blicke der ganzen Spießer am Rand eher weniger.
Naja, war ja nicht mein Problem, oder?
Niall zwinkerte mir zu und ich winkte heftig, was mir ebenfalls wieder merkwürdige Blicke einbrachte.
"Du, Nele, was hast du denn gerade noch getrunken?", wollte mein Bruder wissen.
"Bisschen von dem da." Ich zeigte wahllos auf einen der Kellner, konnte den anderen nämlich nicht mehr ausfindig machen.
"Oh Gott." Er stöhnte. "War heute morgen noch was in der Uni?"
"Nö, was sollte gewesen sein?" So sehr ich es auch versuchte, ich konnte mich an nichts mehr erinnern. Was studierte ich eigentlich nochmal?
"Vielleicht sollten wir schon mal gehen", schlug er vor, was ich nun aber gar nicht verstand.
"Wieso'n das? Ist doch 'ne super Party hier." Wurde irgendwie immer schwieriger, die Buchstaben richtig auseinander zu halten.
"Wir sollten wirklich gehen." Bestimmend zog er mich auf die Füße. War der Boden vorhin auch schon so löchrig gewesen? Ich musste kichern. Wie wollte man denn auf solch einem löchrigen Boden Tanzen und Feiern? Naja, war ja nicht mein Problem.
Ganz plötzlich wurde mir richtig schlecht. Dann wurde mir schwarz vor Augen.
Ich danke @Ambi63 vielmals für die Hilfe bei diesem Part, ohne sie hätte ich das nicht so schreiben können!
Liebe Grüße,
Catrifa xx
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