Kapitel 1 - Schmerzen

Kilians p.o.v.

Schmerz. So viel Schmerz. In dieser schwarzen Hölle, in der ich war, gab es nichts anderes. Ich badete in einem Meer aus Schmerz, war völlig von ihm umgeben. Der Schmerz floss durch mich, wütete in jeder meiner Zellen wie ein unheilvolles Feuer, wie ein Monster, das mit scharfen Zähnen und Klauen an mir riss. Da existierte nichts anderes als dieser verdammte Schmerz.

Ich schrie in dieser schwarzen Finsternis. Schrie laut und gellend, doch die Finsternis schluckte jedes noch so kleine Geräusch. Am liebsten hätte ich mich gewehrt, hätte meinen unsichtbaren Angreifer bekämpft, aber ich war nicht mehr Herr meines Körpers. In dieser schwarzen Hölle gefangen durchzuckten mich unheilvolle Blitze, durchschnitten mein Fleisch, meine Sehnen und Muskeln, brannten sich in mir ein, bis ich den Tod herbeisehnte. Aber der Tod kam nicht. Da war nur immer wieder dieser Schmerz und nichts anderes.

Bitte hör auf hör auf hör auf, schluchzte ich in Gedanken, flehte darum, aber es gab kein Erbarmen in dieser düsteren Finsternis, keine Gnade oder gar Barmherzigkeit.
Ich weiß nicht, wie lange ich hier verbrachte. Hier existierte keine Zeit. Und doch fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Eine Ewigkeit voller körperlichen Schmerzes, bis dieser…. urplötzlich ein wenig nachließ. Die Blitze brannten nicht mehr so sehr. Der sengende Schmerz schwächte sich ab zu einem dumpfen Pochen. Es fühlte sich mehr an als eine Erleichterung. Im Vergleich zu davor war es der Himmel.

Und doch verschwand der Schmerz nicht ganz. Aber ich hatte Schlimmeres ertragen. Und während ich so in dieser dunklen Hölle existierte, der Schmerz zu einem erträglichen dumpfen Pochen herabgestuft, kamen die Gedanken herbei. Zuvor waren sie vom Schmerz zurückgedrängt gewesen, doch nun hatten sie wieder genügend Raum. Ich wünschte, es wäre nicht so.
Bilder von Anton erfüllten meinen Geist. Diese Blitze, die mich trafen und meinen Körper zum Brennen brachten. Wie ich auf den Boden stürzte und wusste, ich würde sterben. Den Tod herbeisehnte. Und dann...wie sich jemand auf mich stürzte. Zwischen mich und diese unerträglichen Schmerzen. Bei dem Gedanken brach mir das Herz. Ich war zwar kaum bei Bewusstsein gewesen, meine Augen geschlossen, aber diesen Körper, diesen Geruch würde ich immer wiedererkennen. Xenia. Panik stieg wie eiskaltes Wasser in einer Zelle in mir auf, bereit, alles darin zu ertränken. Gedanken schossen durch meinen Kopf, mein Herz:

Wie geht es ihr? Warum hat sie das getan? Haben sie sie
Ich konnte diesen Gedanken kaum zu Ende denken, zu sehr fürchtete ich die Antwort auf diese Frage. Eine Welt ohne Xenia….nein. Einfach nein. Das konnte und wollte ich mir nicht vorstellen. Sie musste leben. Daran hielt ich mich fest. Denn wenn es nicht so war...ich wagte es nicht, mir dies vorzustellen. Konnte es nicht. Schon bei der Möglichkeit drohte mein Herz, aufzuhören zu schlagen, von dem Schmerz entzweigerissen zu werden. Es musste ihr gutgehen. Doch allein die Vorstellung davon, wie sie sich diesen Schmerzen ausgesetzt hatte….wie sie ebenfalls Opfer dieser verdammten Hexen wurde, ihrer eigenen Art, ließ etwas in mir eiskalt und tödlich werden. Nun hatten die Hexer nicht nur meine Familie getötet, sondern auch Xenia, meiner Mate, unvorstellbares Leid angetan.

Besonders ein Hexer. Anton. Ich musste an die letzten Worte denken, die er zu mir gesagt hatte. Ein völlig anderer Schmerz nahm mich in Besitz. Trauer, vermischt mit brennendem Hass, erfüllte mich. Er hatte meine Familie umgebracht. Hatte meine Mutter missbraucht. Und diesen ganzen Krieg initiiert, der beinahe alle Werwölfe ausgelöscht hatte. Mit unumstößlicher Entschlossenheit wusste ich, was zu tun war. Ich würde ihn umbringen. Aber nicht schnell. Nein, ich würde sein Leiden in die Länge ziehen. Er hatte keinen schnellen Tod verdient. Und es war mir egal, zu was mich das machen würde. Lieber ein Monster, ja, ein Mörder und Foltermeister, als diesem Hexer die gerechte Strafe vorzuenthalten.

Und während ich so in dieser dunklen Finsternis existierte, nicht fähig mich zu bewegen oder aufzuwachen, da steigerten sich die Gefühle nur so in mir zu immensen Ausmaßen. Besonders der Hass wurde immer verzehrender. Wo er am Anfang nur so heiß wie glühende Kohlen gewesen war, wuchs er nun zu einem regelrechten Feuer an, zu alles verschlingender Lava, die mich durchfloss und alle anderen Gefühle verdrängte.

Ich hatte die Hexen schon immer gehasst. Für das, was sie uns Werwölfen grundlos antaten, für das, was sie meiner Familie angetan hatten. Hatte schon immer Rache an ihnen nehmen wollen. Sie alle umbringen wollen, wie sie es mit uns taten.

Aber jetzt? Jetzt kam mir dieses Ziel viel zu barmherzig vor. Sie hatten nicht den Tod verdient. Nein. Der Tod war zu gut für sie. Sie hatten noch viel Schlimmeres verdient. Und ich würde mein Bestes tun, ihnen ihrer gerechten Strafe zuzuführen.
Einen Moment lang erschien Xenias bleiches Gesicht vor meinen Augen, als sie von meinem Racheplan erfahren hatte. Das Entsetzen in ihrem Gesicht. Etwas in mir schmerzte bei der Erinnerung. Schmerzte, als ich daran dachte, was sie denken würde, wenn sie nun erfuhr, was mein neues Ziel war. Aber dieser Schmerz wurde schon bald von diesem alles verzehrenden blutrünstigen Hass in mir fortgeschwemmt.

Ich konnte sie nicht über meine Familie stellen. Nicht, wenn das mit uns sowieso schon von Anfang an hoffnungslos gewesen war. Ein Werwolf und eine Hexe gehörten nicht zusammen. Auch wenn meine Eltern dies geschafft hatten und ich der lebende Beweis war….das war in einer anderen Zeit. In einer anderen Welt. Seither hatte sich viel verändert. Und obwohl etwas in mir Xenia noch immer liebte, musste ich einsehen, dass wir nicht füreinander bestimmt waren.
Ich konnte ihr nicht geben, was sie sich wünschte. Vielleicht, wenn meine Familie nicht gestorben wäre. Aber ihr Tod hatte etwas in mir zerstört. Etwas, das nicht wieder repariert werden konnte. Besser, ich blieb allein. Mein einziges Ziel im Leben war, den Hexen Rache angedeihen zu lassen. Und wenn ich dabei draufging. Das war es mir wert.

Xenia würde jemand anderen finden. Jemanden, der besser zu ihr passte. Auch wenn mir diese Vorstellung nicht gefiel, mich innerlich die Zähne blecken ließ, war es für uns beide das Beste. Wie sollte sie mir auch je verzeihen können, wenn ich ihre Art und Familie auslöschte? Das konnte sie nicht. Und da ich in dieser Sache nicht mit mir reden ließ, besonders nicht nach den letzten Ereignissen....blieb uns beiden keine andere Wahl.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top