35. Wartezeiten
Hongjoong war langweilig, so ohne Seonghwa.
Er hatte mit Yunho gesprochen und sie waren sich einig gewesen, dass sie ihren blinden Passagier nach Miset bringen würden. Entweder er war in der Tat ihr Prinz und sie konnten reich entlohnt werden, oder er spielte ein Spiel und sie konnten ihn guten Gewissens an die Oberhäupte abgeben.
Die anderen spielten also draußen, genossen ihren Urlaub, während Yeosang und Hongjoong Wache schoben. Nicht, dass Hongjoong hätte lachen und tanzen können, solange es Seonghwa schlecht ging, Gefangener oder nicht, aber er trauerte dem etwas nach.
Dafür heilte Seonghwa ganz gut.
Yunho beschleunigte den Prozess täglich mit kleinen Mengen von Hongjoongs Blut, nutzte so viele künstliche Heilhilfen an ihm wie möglich. Er rechnete mit drei Tagen des Heilungsprozesses, wenn Seonghwa es nicht verschlimmerte.
Drei Tage waren zu diesem Zeitalter eine Ewigkeit, aber es war schnell für einen Nachtwandler. Ein Glück konnte er von einem Menschen in ihrer Nähe profitieren.
Hongjoong fühlte sich schon wieder wie ein Snack.
Immerhin erwachte Seonghwa am gleichen Tag noch. Er war spät dran, die Nacht schon fortgeschritten und Hongjoong gerade auf dem Weg ins Bett, aber er erwachte.
Hongjoong und er blinzelten sich für einen Moment ratlos durch den Raum an, dann brach ein kleines Lächeln auf Seonghwas Gesicht aus.
"Was für ein hübscher Anblick. Bin ich gestorben? Du ein Engel?"
Hongjoong konnte bloß ergeben seufzen, ließ sein Schlafshirt auf dem Nachttisch warten, um sich an Seonghwas Seite niederzusetzen. Die Augen des anderen glitten genüsslich über die Flächen von nackter Haut, die ihm präsentiert wurden, hingen immer wieder sehr lange an seiner Brust.
"Wie es aussieht, lebst du noch, ich muss dich enttäuschen. Du musst weiter mit uns Losern abhängen." Hongjoong versuchte nicht zu viel Emotion in seine Stimme fließen zu lassen, den Witz angenehm zu überbringen, aber er hörte es selbst, wie erleichtert und dankbar er klang.
Seonghwa schloss zufrieden die Augen, als Hongjoongs Hand sein Haar fand, überließ sich summend den Streicheleinheiten des anderen. Hongjoong war überkommen von der gleichen Ruhe.
"Wie schön... Mehr Zeit, die ich mit diesem Engel auf Erden verbringen kann.", witzelte Seonghwa dann allerdings weiter und stöhnend zog Hongjoong sich zurück, die Stimmung ruiniert.
"Himmel, war es vorher schön still." Er lächelte in sich hinein, erhob sich noch einmal, um das Licht zu löschen.
"Komm wieder her und ich denke nochmal darüber nach leise zu sein."
Das Shirt wurde vergessen, als Hongjoong wieder vorsichtig zu Seonghwa ins Bett stieg, statt Richtung Wand dieses Mal vorne schlief, um ihn zu schützen, wenn etwas passieren sollte.
Es war ein unnötiger Gedanke, Seonghwa selbst jetzt stärker als er, aber es schien den Nachtwandler etwas zu rühren.
Seonghwas Hände fanden ihn, kaum lag er. Er tastete über Hongjoongs Körper, zeichnete seine Züge und Knochen mit zärtlichen Fingerspitzen nach. Hongjoong ließ ihn machen, eingelullt von den sanften Berührungen des anderen.
Sie schliefen zusammen wieder ein.
-
Hongjoong erwachte irgendwann gegen Mittag mit Seonghwas Arm wie ein etwas zu schweres Kuscheltier an sich gepresst. Der Mann hatte seine Finger weit über Hongjoongs Sternum gespreizt und Hongjoong umarmte seinen Arm über seinem Bauch.
Seonghwa war bereits wach, als Hongjoong sich rührte, wandte ihm träge seinen verwuschelten Kopf zu.
"Du siehst gar nicht mehr so engelsgleich aus, wenn du auf meine Finger sabberst."
Hongjoong warf mit einem Schnauben den Arm des anderen von sich, suchte sich einen Deckenzipfel, mit dem er Seonghwa hoffentlich ersticken konnte. Der lachte nur wie eine fiese Hexe, begann mühelos mit Hongjoong um die Decke zu kämpfen.
"Pass auf deine Wunden auf, ich sage Yunho nicht bescheid, wenn du sie wieder aufreisst!", murrte Hongjoong erstickt, während sie miteinander rangelten, achtsam nur die Beine des Mannes zu kicken und nichts höher.
Seonghwa ließ stur nicht locker, wesentlich kindischer und verantwortsungsloser, als Hongjoong es gewohnt war und nach einigen Minuten mehr des (für Hongjoong) anstrengenden Kampfes, griff er durch. Seonghwa lehnte über ihm, die Decke zwischen ihnen in ihre Arme verstrickt, also erwartete er es nicht, dass Hongjoong ohne Vorwarnung die Beine um seine Hüften legte.
Eine Bewegung und Seonghwa landete mit einem Quietschen in den Kissen, wehrlos unter Hongjoong und die Decke zwischen ihnen eingeklemmt. Siegreich grinste Hongjoong auf ihn herab, verschränkte die Arme vor der Brust.
"Bleib still. Ich muss wegen dir nicht noch mehr Blut verlieren."
Seonghwa lächelte träge, legte beide Hände auf Hongjoongs Oberschenkeln an seinen Seiten ab. Es war eine vertraute Lage für sie beide, die Erinnerungen an ihre Entwicklungen in Trascen noch frisch in Hongjoongs Kopf.
Seonghwa war hübsch. Sein schwarzes Haar lag wild und ungezähmt um seinen Kopf, kontrastierte stark mit dem weiß der Kissen. Seine rosigen Lippen waren leicht geöffnet, wartend.
Hongjoong schmolz dahin.
Seonghwa ließ nur für einen Moment beide seiner eleganten Brauen wissend nach oben zucken und Hongjoong griff schon wieder nach der Decke.
"Hör auf mich anzuflirten, wenn du verletzt bist!"
"Soll ich lieber jemand anderen anflirten? Kannst du mir gerade kurz Mingi holen?"
Hongjoong konnte das spöttische Schnauben nicht zurückhalten.
"Nach mir wäre dein Wahl Mingi? Wirklich?"
Seonghwa tat gespielt entsetzt, seine weiche Stimme kaum ernst genug.
"Hast du dir Mingi mal angesehen? So sexy und charismatisch... Sorry, Joong, da kannst du nicht mithalten."
Hongjoong versuchte ihn wieder zu ersticken.
"Du datest irgendwie den falschen, wenn du darauf wert legst.", kritisierte Hongjoong ihn scherzend, aber die Verwirrung, mit der Seonghwa den Kopf schief legte, war echt.
"Was, du findest diese Eigenschaften an dir nicht?"
Hongjoong wäre fast vom Bett gefallen, stützte sich überrascht auf Seonghwas Brust ab.
"Ich? Ich bin ein Mensch, was an mir ist nicht komische Körperfunktionen und Langeweile?!"
Mit gleichen Gesichtern der Verwirrung starrten sie einander an.
"Ich trinke buchstäblich Blut, Hongjoong."
"Menschen stinken!"
Seonghwa lachte laut auf, eine Entscheidung, die er sofort wieder bereute. Kurz verzog er das Gesicht, dann sah er wieder ehrlich zu Hongjoong auf. Er schien versucht Hongjoong an seine Gestalt zu ziehen, zögerte allerdings in Anbetracht seiner Verletzungen.
"Du stinkst nicht, keine Sorge."
Hongjoong bedachte ihn mit einem absolut platten Gesicht, platzierte dann beide Ellenbogen an Seonghwas Seiten, kniete über ihm. Achtsam hob er auch seine Hüften wieder von denen Seonghwas, neigte seinen Kopf langsam zu dem des anderen.
Seonghwas Augen fielen sofort zu, als Hongjoongs Mund den seinen fand und er ließ ihn willig steuern.
Seonghwa küsste so unendlich sanft. Während er definitiv ein Befürworter von Zunge war, schien er auch damit vorsichtig, um Hongjoong nicht versehentlich zu verletzen. Zähne waren für ihn ein no-go, er wollte es Hongjoong nicht wirklich antun ihn durch sein eigenes Blut zu küssen. Wann auch immer Hongjoong ihm also diese tiefe, atemlose Küsse verpasste, schien Seonghwa für den ersten Moment so überrascht, so wohlerzogen.
Letzten Endes versuchte er allerdings nur Hongjoong nicht zu verletzen.
Hongjoong trennte ihre Lippen behutsam voneinander, stolz auf die spürbare Wärme auf den Lippen seines kalten Nachtwandlers.
"Da. Ich kenne keine andere Rasse mit Morgenatem, wo soll ich-"
Und manchmal vergaß Seonghwa es, dass er vorsichtig sein wollte.
Mit eindeutiger Kraft presste er Hongjoong rückwärts, die Lippen fast schmerzhaft auf seinen und seine nicht minder tiefen Küsse atemberaubend bis zu dem Punkt, an dem Hongjoong schwindelig wurde. Er mochte schier an Seonghwas langer Zunge ersticken, aber wenn das die Art war, wie er ging, Himmel, dann war er dabei.
Hongjoong entkam ein überraschter Laut, als er wieder auf Seonghwas Oberschenkeln landete, die Hände des anderen an seinem Gesicht.
Luft.
In einer Warnung brachte er seine eigenen Hände zu Seonghwas Ellenbogen herauf. Die Decke war von ihnen gerutscht und es war ihm so warm und das hier war gefährlich. Außerdem war Seonghwa verletzt.
Hongjoong riss sich schließlich von Seonghwa frei, hielt sich schwer atmend an den Schultern vor ihm fest, während Seonghwas Finger sanft wieder seine Hüfte fanden.
Mit weiten Augen und sich wild auf und ab senkender Brust starrte Hongjoong ihn an, versuchte hinter das Mysterium zu kommen, das Seonghwa war. Er war immer so artig und sauber, und dann tat er solche Dinge.
"So bist du sexy, Hongjoong. Vor mir, genau so." Seine Stimme war wieder tiefer gefallen, sein Dialekt tödlich, bevor er sich vorbeugte, um einen entschuldigenden Kuss auf Hongjoongs Kinn zu drücken.
Hongjoong schmollte ihn an, zwang seinen Körper wieder etwas herunterzukühlen. Sie hatten darüber gesprochen und nun war ein ganz schlechter Moment.
"Und das Charisma?"
"Das hat leider nur Mingi."
Hongjoong schlug ihn und bekam dafür einen weiteren Kuss.
"Gut, genug gespielt. Ich muss los wichtige Dinge tun."
Seonghwa hob fragend eine Braue, gehorchte allerdings, als Hongjoong ihn diplomatisch wieder in die Kissen drückte. Mit einem lobenden Tätscheln auf seinem Bein stieg Hongjoong wieder von seinem Schoß, atmete kaum merklich auf.
"Wir fliegen nach Miset, um den komischen Typen zurückzubringen. Ich sollte ihm mal noch ein paar Daten aus der Nase ziehen."
Seonghwa sah für einen Moment so aus, als wollte er etwas sagen, aber dann ließ er es, nickte nur knapp.
"Pass auf dich auf, nimm am besten jemanden mit."
"Mach ich. Werd du wieder gesund, sonst verliert Mingi noch seinen Fan."
Hongjoong war schon halb zur Tür heraus, im Kopf schon in der Dusche, Seonghwas Name im verborgenen auf seinen Lippen, als der Mann ihn nochmal zurückhielt.
"Willst du dich nicht anziehen? Nicht, dass ich mich beschwere."
Hongjoong blinzelte perplex, sah dann von ihm zu dem Shirt auf dem Tisch.
Wortlos schnappte er es sich und eilte verlegen hinaus, Seonghwas Lachen kaum von der Tür gedämpft.
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