33. Revanche
Hongjoong verbrachte einen langen, panischen Moment damit, sich in der Dunkelheit über die Schiffswand zu tasten, an die seine Schulter gekracht war. Nicht weit von ihm war das zornige Grollen des Eindringlings zu hören, hin und wieder das Geräusch von einem von Seonghwas Füßen, der für den Bruchteil einer Sekunde den Boden berührte.
Es musste die anderen holen, so schnell wie möglich.
So leise und eilig, wie er davonkommen konnte, stürmte Hongjoong den Gang hinab, musste einen Code für die Tür eingeben, damit die Sunrise sie ihm im Stromsparmodus öffnete. Unter leisem fluchen sah Hongjoong sich dann auf der spärlich beleuchteten Brücke um.
Der Rest war vermutlich schon wieder nach draußen gegangen, genoss den Morgen im Wasser und es wäre leichtsinnig wie ein Verrückter schreiend zu ihnen zu rennen.
Hektisch handtierte Hongjoong mit seinem Kommunikator, rief Yunho an. Der ging kurz später dran, brummte fragend.
"Yunho! Wo bist du gerade, sind die anderen alle bei dir?"
"Außer Yeosang, Hwa und dir, ja. Wir haben San zum See mitgenommen." Er klang angespannt, musste die Anspannung in Hongjoongs Stimme gehört haben.
"Ihr müsst sofort wieder hierher kommen. Wünsch es dir von San, es hat Eile und die Energie ist aus."
"Wie hast du- Hey Wooyoung, San! Hierher! Wir sind sofort wieder bei dir, Captain."
Hongjoong hatte kaum das Gerät ausgeschaltet und nervös seine Zähne in seine Lippe gesenkt, dann stand seine Gruppe bereits um ihn. Mingi sah sich noch konfus im dunklen Schiff um, während Yunho mit einem langen Schritt bei Hongjoong war, suchend in sein Gesicht spähte.
"Was ist los, wo sind die anderen zwei?"
"Wir wurden angegriffen. Seonghwa kämpft gegen ihn, aber Yeo... Er ist mit euch raus gelaufen!" Hongjoong atmete, mahnte sich selbst zur Ruhe.
Yunho nickte fest, seine treuen Augen determiniert.
"Verstehe. Jungs, ihr haltet hier die Stellung, wir sehen nach, wie-" Er unterbrach sich, als mit einem Mal die Lichter flackerten, die Sunrise wieder zum Leben erwachte.
Entweder Seonghwa hatte seine Blockade aufgehoben, oder Seonghwa war zu sehr geschwächt, um sie noch zu halten.
Hongjoong schmeckte Blut, als er besorgt vorwärts stürzte, Yunho dicht auf seinen Fersen.
Es war nur die eine Tür, die sie passieren mussten, um in den Gang dahinter zu kommen, aber es fühlte sich an wie eine Ewigkeit.
Kaum war die Tür in ihrem viel zu langsamen Tempo beiseite geglitten, machte Hongjoong sich ein schnelles Bild von der Lage.
Seonghwa lehnte an einer Wand, ein Arm um seine Mitte und der Blick unablässlich auf dem zornigen Angreifer, der gegenüber von ihm auf den Boden saß. Der Mann war gebunden von was nur Seonghwas Schatten sein konnte, geformt wie ein Seil, das eng um die Glieder des anderen lag.
Yeosang war ebenfalls hier, ruhig wie eh und je und die Augen schweigend zu Hongjoong und Yunho gehoben.
Niemand schien verletzt und Hongjoong fiel ein ganzer Felsbrocken vom Herzen.
Eilig straffte er sich, marschierte mit langen Schritten auf die Szene zu. Yunho folgte und beim Anblick des großen Bleuwy, schien der Fremde doch etwas in sich zusammenzusinken. Er wirkte menschlich und er war klar in der Unterzahl.
"Vorsichtig, Joong. Dieser hier ist gefährlich."
Die Mundwinkel des Mannes zuckten in ein spöttisches Lächeln bei Seonghwas Worten, aber für den Moment zog er es vor zu schweigen.
Hongjoong hielt sich davon ab Seonghwas wirres Haar wieder zu ordnen, wollte sich im Angesicht des Fremden keine Schwäche erlauben.
"Du, wer bist du?"
Wenn der Mann überrascht war, Hongjoong zu verstehen, so zeigte er das nicht. Viel eher schwieg er nur verbissen, starrte hitzig in Hongjoongs Augen.
Es war Yeosang, der sich an seinem Posten bewegte, nur harmlos sein Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte, aber der Fremde zuckte plötzlich zusammen, als hätte er ihn geschlagen. Für einen kurzen Moment fielen seine weiten, panischen Augen auf Yeosang, der Körper wie im Reflex vor ihm zurückweichend.
Hongjoong blinzelte.
Yeosang blinzelte ebenfalls.
Es war Yunho, der vorwärts trat, aus seiner Jackentasche eine kleine Spritze hervor zog und damit in der riesigen Hand vor dem Mann auf die Knie ging. Hongjoong platzierte unruhig eine Hand auf seiner Schulter, bereit ihn zurück zu reissen.
"Das hier ist genug Gift, um egal, was du bist zu töten. Sag uns, was du hier willst und wer du bist." Yunhos Stimme war hart und tief, die Mordwaffe in seiner Hand so unscheinbar, aber bei genauerem Nachdenken war das vermutlich ein stinknormales Schmerzmittel.
Yunho würde niemals etwas herumtragen, das Leute verletzen konnte.
Der Fremde beäugte sie misstrauisch, schien seine Entscheidung dann aber nach einem weiteren nervösen Blick auf Yeosang zu treffen.
"Ich wollte euer Schiff. Ich dachte, es sei verlassen, aber... Ich hätte dafür sorgen können, dass es das ist."
Kein Zweifel, er schien menschlich, aber er hatte Seonghwa gut zugesetzt und sie hatten zwei Leute gebraucht, um ihn zu überwältigen.
Seonghwa war ein Nachtwandler. Und Soldat.
"Wozu?"
"Ich will nach Hause. Irgendwer hat mich von Miset entführt und ich muss zurück." Keine Bitte, kein Flehen, nur kalte, harte Fakten.
Hongjoong mochte seinen Blick nicht.
"Miset... Ist das nicht der Planet mit den Hybriden? Diese ganzen halb Mensch halb Tier Geschichten?"
"Es ist ein Stern, aber ja."
Der Fremde sah etwas zu arrogant zu Hongjoong, schien kurz davor ihm zu sagen nur dann zu sprechen, wenn er dazu aufgefordert wurde, als Yeosang sich müde die Augen rieb. Der Mann vor ihnen zuckte fast durch die Wand, so abrupt krachte sein Körper dagegen, die großen Augen panisch.
Hongjoong und Yunho tauschten besorgte Blicke.
"Du musst zurück... Du bist Einwohner dort? Ich sehe nichts tierisches an dir."
Der Mann gab ein empörtes Schnauben von sich.
"Ich bin ein Prinz! Natürlich muss ich zurück! Und wie ich auszusehen habe, geht euch so gar nichts an!"
Yunho hob warnend die Spritze, aber der Mann beachtete ihn gar nicht, er sah nur kurz hektisch zu Yeosang, der nur öde im Gang stand.
Hongjoong verstand nicht. Warum fürchtete er den einen Menschen so viel mehr als den anderen?
Er stand noch ratlos vor dem Fremden und Yunho, die angefangen hatten sich wie die Kinder darüber zu streiten wie ein Prinz sich zu verhalten und Bewohner Misets auszusehen hatten, als Seonghwa nach ihm griff.
Der kühle Körper des Nachtwandlers schmiegte sich an Hongjoongs Rücken, als er das Kinn auf seiner Schulter ablegte, sanft seinen Kopf an den Hongjoongs rollen ließ.
"Mir ist schwindelig.", murmelte der Nachtwandler gedämpft an seinem Ohr und mitleidig streckte Hongjoong eine Hand aus, wuschelte ihm durch die heute wild fallenden Locken.
"Du hast viel Energie verbraucht. Lehn dich ruhig an mich und schlaf eine Runde, ich bringe dich sofort ins Zimmer, wenn hier wieder alles sicher ist."
Seonghwa brummte nur und als Hongjoong wieder den Kopf wandte, fand er den feurigen Blick des Fremden auf sich. Ebenso feurig starrte er zurück, versuchte seine Dominanz in diesem Umfeld klarzustellen.
Mit Seonghwa wie ein überschwerer Rucksack auf seinem Rücken, beobachtete Hongjoong das Theater noch etwas länger, lauschte einem vollkommen empörten Prinzen dabei sich bei dem allwissenden Yunho zu beschweren. Der Kleine zuckte immernoch jedes Mal, wenn Yeosang auch nur einen Finger hob.
Seonghwa nickte mehrmals ein, rutschte gefährlich von seinem Halt ab, nur um wieder von Hongjoong aufgefangen zu werden, aber es war eigenartig.
Die Fesseln um den Körper des Fremden schienen grauer zu werden. Seonghwas Magie mochte geschwächt sein, während er schlief oder Tag war, aber sein Schatten agierte unabhängig von ihm. Es sollte nicht möglich sein, dass er an Festigkeit verlor.
Irgendwann wandte sich Hongjoong also besorgt um und setzte Seonghwa auf den Boden, der Kopf des Nachtwandlers rollend, bevor er ihn an die Wand lehnte.
Als er sich das nächste Mal umdrehte, hatte der Typ sich stur erhoben, alle Fesseln von sich abgeschüttelt und Yunho war etwas vor ihm zurückgewichen, hatte eine Hand warnend vor Hongjoong ausgestreckt.
"Ich hoffe, du weißt, dass du in der Unterzahl bist. Draußen sind noch drei mehr.", drohte Yunho ihm alarmiert, die Hände des Fremden waren schon wieder zu Fäusten geballt.
"Er hat eine Waffe, passt auf." Hongjoong positionierte sich schützend vor dem offensichtlich geschwächten Seonghwa, nahm Notiz von seinem Schatten, der wieder leblos zu seinen Füßen zurückgekehrt war.
"Ich habe diesen Nachtwandler ausgeschaltet, ich kriege das auch bei einem Zwerg und einem harmlosen Bleuwy hin. Du hättest bei deinem Volk bleiben sollen. Kämpfen lernen, statt helfen."
Es war in der Tat etwas besorgniserregend, wie überwältigt Seonghwa schien.
Mit Vertrauen in Yunho wandte Hongjoong sich also besorgt wieder um, untersuchte den Nachtwandler genauer auf Verletzungen. Seine Augen glitten suchend über Hals und Kopf des anderen, dann begannen seine Hände geschäftig Kleidung beiseite zu schieben.
Er fand den Grund für Seonghwas Schwäche an seinem Bauch.
Da waren drei tiefe Wunden, wie von Stichklingen verursacht in seiner Haut. Grässliche, blutlose Wunden, durch die man in Fleisch sehen konnte. Gedärme sogar, wenn er denn welche hätte.
Hongjoong wurde trotzdem übel und zittrig zog er Seonghwas kuscheligen Pullover wieder zurecht, tat stärker, als er sich fühlte.
Der Typ hatte einen voll trainierten Nachtwandler besiegt. Als Mensch, höchstens komischer Hybrid.
Hongjoong atmete tief durch, kam etwas schwankend wieder auf die Beine, um sich umzudrehen.
Der Mann hatte seine Waffe wieder in der Hand, einen langen Dreizack, altmodisch und ohne jegliche Energieverstärker. Er hielt ihn warnend zu Yunho hin geneigt.
"Du-"
Sein Blick zuckte zurück zu Hongjoong.
"Du hast meinen Freund mit einem Dreizack aufgespiesst?"
Etwas musste sich in seiner Stimme oder seinem Blick verändert haben, denn der Mann ging alarmiert wieder in Kampfstellung.
"Er hat es darauf angelegt. Er soll die Pfoten von Prinzen weglassen, wenn er keinen politischen Disput will." Er klang, als würde er sich verteidigen.
Hongjoong widerholte sich, klar und deutlich.
"Du hast meinen Freund mit einem Dreizack aufgespiesst?" Er betonte jedes Wort.
Es war Yunho, der Hongjoong geschwind abfing, bevor mehr geschah, aber der Fremde schrie dennoch gellend, als Yeosang auf ihn zu trat.
Yeosang tat nichts, genau nichts, obwohl Hongjoong von Wut geblendet war.
Aber der Mann kippte dennoch ohnmächtig zur Seite hin weg, war still.
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