3. Ein Schiff
Das Luftschiff, das Aurora gefunden hatte, ragte wie ein uraltes Ungeheuer aus dem hinteren Teil der Höhle, schien einmal zur Reperatur hier geparkt und dann vergessen worden zu sein. Die Eingänge waren trotz mangelnder Energie fest verriegelt und Hongjoong suchte sich seinen Weg durch ein kleines Leck am rechten Teil des Schiffes, quetschte seinen schmalen Körper hinein.
Aurora zwitscherte aufgeregt, als Hongjoong sich drinnen wieder erhob, für einen Moment seine Klamotten abstaubte. Das Innere des schlichten Holzganges, in dem er sich befand, war gefüllt mit allerlei Fässern und Kisten, einige umgekippt und achtlos in den Weg geworfen.
Hongjoong war vorsichtig, als er sich vorwärtsarbeitete, das Licht der kleinen Lampe in seiner Hand tastete sich neugierig über die tückischen Stolperfallen und glatten Wände.
Es handelte sich offensichtlich um ein modernes Schiff, wenn es auch nicht vollkommen technologisiert war. Statt den eigenständigen Roboter- und Flugsystemen gab es hier zwar die Leitungen und Kontrollfelder für Energien, jedoch waren sie manuell bedien- und austauschbar.
Es war ideal. Hongjoong konnte das Schiff vielleicht wieder zum Laufen bringen und sie wären nicht angewiesen auf ein vollautomatisches Kontrollsystem. Nicht, dass es bei diesen viel Grund zur Sorge gab, aber wenn es ausgefallen war, hieß das auch, dass jegliche Reparatursysteme unnutzbar waren. In diesem Fall wäre das Schiff tatsächlich nicht mehr als ein Haufen Schrott.
"Kannst du es reparieren?", flüsterte ihm Aurora schier vor Aufregung vibrierend zu, hatte so viel Mitleid gehabt, als er ihr seine anstrengende Suche nach einem Schiff wiedergegeben hatte.
Hongjoong summte ungewiss, müsste tatsächlich zuerst einen Blick auf die Maschinerie werfen, um das genau sagen zu können. Sein Licht geisterte bleich über braune Volzvertäfelungen, fiel dann auf eine massive Schiebetür. Wäre die Technik noch nützlich, wäre diese ohne weitere Beschwerden gewichen, aber nicht so.
Seufzend klemmte sich Hongjoong also seine Taschenlampe zwischen die Zähne und begann sich mit aller Kraft gegen die Tür zu stemmen. Aurora gab ihr Bestes zu helfen, presste alle sechs Pfoten gegen das Metall und flatterte vehement mit den zarten Flügel.
Zu Hongjoongs Überraschung bekamen sie die Sicherheitstür sogar bewegt. Zwar kaum weit genug für ihn, um hindurch zu schlüpfen, aber es war ein kleiner Sieg.
Sie fanden sich auf der Brücke wieder.
Zwei kleine Treppen führten von hier in den holzverkleideten Raum hinein, es fühlte sich beinahe wie ein echtes Schiff an. Die Mitte des Raumes war eingenommen von einer mittelgroßen Kugel, normalerweise der zentrale Navigator, aber nun nur ein trauriger Ball im Boden. Weiter vorne war das Kontrollzentrum. Die große, runde Glaskuppel an der Vorderseite des Schiffes bot derzeit nur Ausblick auf durchdringende Schwärze. Vor dem Glas nahmen die beiden Stühle an einer weiten Fläche von allerlei Knöpfen und mehr Sytemsteuerungen eine gute Portion des Raumes ein.
Aurora erkundigte aufgeregt den Raum, berichtete Hongjoong von der anderen Tür symmetrisch zu der, durch die sie gekommen waren und dem bequemen Fußraum unter dem Kontrollfeld.
Es war ein Anblick, an den sich Hongjoong gewöhnen konnte. Ihm gefiel das Layout und er konnte dieses Schiff mit Leichtigkeit in seinen Träumen aufnehmen. Damit den Himmel zu kreuzen, an diesem mächtigen Feld zu stehen und Anweisungen brüllen, es klang beinahe zu schön, um wahr zu sein.
Natürlich musste er dafür auch zuerst einmal den Zustand der Systeme prüfen. Er sollte sich nicht zu sehr von der Euphorie packen lassen, bevor er nicht wenigstens wusste, wie lange er hierfür brauchen würde.
Dennoch schien sein Bauchgefühl bereits überzeugt, dass es das hier war, dass er exakt dieses Schiff wollte.
Ein spitzer Schrei riss ihn aus seinen Tagträumen, so abrupt wieder in die Realität, dass ihm beinahe vor Schreck die Taschenlampe aus der Hand fiel.
"Aurora? Aurora!" Panisch leuchtete er mit dem Licht den Raum ab, rannte hierhin und dorthin und versuchte die Freundin zu finden ohne dabei versehentlich hinzufallen.
"Ich bin hier! Hongjoong, bei dieser ulkigen Ablage! Und... hier...", antwortete sie dann leise, die Stimme höher als zuvor und ruhelos. Hongjoong fuhr wieder herum, um das Panel abzuleuchten, schließlich Aurora zu finden, die sich über ein paar Knöpfen zusammengerollt hatte und mit defensiven Augen in eine andere Richtung starrte.
"Erschreck mich doch nicht so... Was hast du denn?" Er eilte erleichtert auf sie zu, barg sie an seiner Brust und sie kuschelte sich willig in seinem Arm zusammen.
"Da ist ein Mann. Auf dem Stuhl."
Sie flüsterte es so ominös, dass Hongjoongs Blut augenblicklich in seinen Adern gefror, er für einen Moment unfähig sich zu rühren im Raum stand. Der betroffene Stuhl war kaum eine Armlänge von ihm entfernt.
Konnte er gerade kämpfen?
Nein, dieser Mann wäre ihnen doch sicher nicht feindlich gesinnt, wenn er sie bisher so lange hier toleriert hatte, nicht?
Auf der anderen Seite... was wollte er hier? War er ein Forscher? Der Besitzer? Ein Abtrünniger?
Hongjoong atmete einmal tief durch und wandte sich dann um, beleuchtete den Stuhl, den Aurora zuvor so gefürchtet angestarrt hatte.
Beinahe schrie er auch, aber er biss den Laut noch einmal zurück. Hier würde ihn ohnehin niemand hören.
Da war tatsächlich ein Mann. Ein Mann, den Hongjoong allerdings eher als Leiche definieren würde, denn als Mann.
Das erste, was an ihm auffiel, war wie schrecklich bleich er war. Er schien bleich genug, dass seine Haut beinahe durchscheinend wirkte, blutleere Adern unter der Haut seiner schlaffen Hände in seinem Schoß zu erkennen waren.
Seine Augen waren geschlossen, lagen tief in ihren Augenhöhlen, die in einem krassen Gegensatz zu seinen kränklich hervortretenden Wangenknochen standen. Seine vollen Lippen waren vollkommen farblos und er wirkte noch viel bleicher, wenn man das nachtschwarze Haar, das ihm achtlos ins Gesicht fiel, beachtete.
Hongjoong beschloss, dass der arme Kerl kaum älter als er gewesen sein musste, als er hier sein Ende gefunden hatte.
"Lebt er?", wisperte Aurora leise und entsetzt an seiner Brust und Hongjoong trat einen mutigen Schritten vorwärts, stand nun beinahe direkt an dem Stuhl, auf dem der Mann zusammengesackt war. Er sah keine Atmung, schreckte allerdings zu sehr zurück den Toten zu berühren, um seinen Puls selbst zu testen.
"I-Ich weiß es nicht.... Er sieht nicht besonders lebendig aus."
Hongjoongs Herz raste wild, als er behutsam die Lampe in die Hand nahm, die Aurora hielt, das kleine Bündel an Wärme tröstend an seine Brust hielt.
Wie sollte er eine Leiche hier heraus schaffen? Er sah nicht so aus, als würde er durch das Leck passen.
Wie sollte Hongjoong eine Leiche auch nur anfassen?
Er zwang seine zitternden Hände zur Ruhe, handelte dann resolut, bevor er weiter zurückscheute.
Die Hand des Mannes war eisig kalt, als er sie berührte und beinahe wäre er doch wieder weggezuckt.
Mit dem Blick überflüssig achtsam auf dem zurückgelehnten Kopf des Mannes, tastete er die Innenseite seines eisigen Handgelenks auf einen Puls ab.
Nichts. Absolute Stille, nur Hongjoongs eigener galoppierender Puls war unter seinen Fingern zu vernehmen.
"Er ist wirklich tot.", atmete Hongjoong auf, schalt sich sofort selbst dafür einen Tod zu begrüßen. Es bedeutete außerdem mehr Arbeit für ihn. So hatten seine Eltern ihn nicht erzogen, nicht nett!
"Was jetzt?"
Das Adrenalin machte Hongjoong noch immer schreckhaft, aber langsam beruhigte er sich wieder, trat von dem Toten zurück. Für einen Moment musterte er ihn, dachte darüber nach, ob er vielleicht zur Crew gehört hatte. Er trug keine Uniform aber das hier war immerhin auch kein Schiff der Flotte.
"Wir gehen nach den Energieknoten sehen. Wenn ich sie zum Laufen bringen kann, tun wir ihn hier weg. Ansonsten lassen wir ihn hier und machen uns vom Acker." Hongjoong versuchte sich in einem Lächeln und hörte dann auf damit die Ruhe des Toten zu stören.
Er und Aurora beeilten sich unter Umständen mehr als zuvor den Raum zu verlassen, dieses Mal durch die andere Tür und es ging weiter durch das Schiff.
Sie passierten eine Küche mit Essnische, ein Badezimmer und fanden dann die Treppen nach unten, weiter in den Schiffsbauch. Hier unten befanden sich die Zimmer für die Crew, kleine abgetrennte Räume, sechs an der Zahl. Drinnen war kaum genug Platz zwei Schritte zu gehen, aber es reichte für ein Bett und einen kleinen Schrank.
Hinten versperrte ihnen eine letzte Tür den Zugang zu den Energiequellen.
Hongjoong musste diese mit seiner Tasche verkeilen, zu groß war seine Angst sie nicht mehr öffnen zu können, wenn sie erst einmal zu war.
Drinnen war eine weitere Kuppel, ähnlich wie die oben, nur war bei dieser hier das Innere zugänglich.
Aurora hielt nervös flatternd sein Licht, während Hongjoong die Sache untersuchte.
"Okay, die Reaktoren scheinen keinen Schaden genommen zu haben, das ist gut.", murmelte er unter seinem Atem vor sich hin, erhielt bloß ein ungewisses Zwitschern von Aurora.
Hongjoong wühlte weiter, hing fast mit dem ganzen Oberkörper in der großen Kuppel und es trieb ihm das Blut in den Kopf, ließ ihm viel zu warm werden.
"Und hier haben wir- Aha! Hier haben wir nicht!"
"Was haben wir nicht?"
Hongjoong tauchte mit einem verschmitzten Lächeln wieder auf, lächelte seiner nervösen Gefährtin beruhigend zu.
"Uns fehlt ein Verbindungsteil. Wie ich das sehe, ist es abgeflogen, als die Energie sich überladen hat und es liegt vermutlich irgendwo hier drinnen." Er deutete triumphierend in die Kuppel.
"Es ist nur wahrscheinlich von der Wucht zerbrochen. Aber so ein Verbindungsteil habe ich schnell gebaut, wenn ich die Überreste finde. Volltreffer!"
Er konnte sein Glück kaum fassen. Einmal im Leben schien es, als würde ihm alles im Schoß liegen.
Aurora war begeistert und bot sich auch sofort an die Teile zu suchen, er leuchtete ihr, während sie durch die engen Spälte huschte.
Mit einem Arm voll Zeug kehrte er danach wieder auf die Brücke zurück, musste einen Blick auf das Gegenstück dort werfen, um alles funktionstüchtig zu verbinden.
Oben sahen die beiden sich allerdings in nacktem Horror einem weiteren Problem entgegen.
Ihre vermeintliche Leiche war von ihrem Platz verschwunden.
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