27. Kriminelle

Es war gegen Abend, der Himmel vor dem kleinen Fenster im Gang gegenüber immer dunkler werdend, als nochmal etwas Leben in die Station kam.

Der Naga und die Wodae kehrten nach ihrem langen Trip wieder, in ihrer Mitte ein großer, bald eingesperrter Amphibris. Hongjoong hob neugierig den Kopf, als er mit ihnen durch die Tür trat, vorerst Posten an dem Tisch des Fenris bezog. Sie alle waren nass, das Haar klebte ihnen platt an der Stirn.

Der Fenris sah beinahe wie ein Vater strafend zu dem Fremden auf, seufzte dann geschlagen.

"Schon wieder, Mingi? Lasst ihn einfach gehen, Leute, das wird nichts mehr." Sie klangen vertraut.

Der rothaarige Amphibris hob defensiv die Hände, ungebunden, in keinster Weise geschützt. Er war nicht gefährlich?

"Kommt schon, ich war wirklich so kurz davor! Könnt ihr mir nicht einfach ein Blatt ausstellen und darüber schreiben wie böse ich bin und keine Ahnung, ein Kopfgeld verpassen oder so? Ich störe nie wieder!" Seine tiefe Stimme war überraschend angenehm, schien im ersten Moment unpassend für einen jungen Mann, aber es war nicht schlecht.

Das Trio sah hin und her gerissen aus, so mitleidig mit diesem Mann, dem an der linken Seite ein Horn fehlte. Hongjoong spitzte weiter die Ohren.

"Mingi, wir können dich nicht für etwas strafen, das du nicht begangen hast. Noch dazu unterstützen wir keine Gangaktivitäten. Wenn die wissen, dass wir dir geholfen haben rein zu kommen, geht es uns allen an den Kragen.", sprach der alte Fenris sanft, so erwachsen und entschuldigend.

Hongjoong war so neugierig. Wer war dieser Amphibris? Er war ein Gangmitglied? Ein Doppelspion vielleicht, so wie er mit ihnen sprach?

"Lasst ihn gehen. Mingi, bitte versuch etwas anderes, um dir ein Leben zu finden. Du müsstest doch inzwischen gemerkt haben, dass du für den Diebstahl einfach zu tollpatschig bist." Er setzte an ihn fort zu schicken.

Mingis Stimme war plötzlich klein, so verletzlich trotz seiner großen Gestalt und dem tiefen Kratzen.

"Könnte ich trotzdem vielleicht nochmal bleiben? Es hat angefangen zu regnen und jemand anderes hat vorhin meine Plane geklaut..."

Das Verstehen kam langsam bei Hongjoong an und sein Herz zog sich unangenehm in seiner Brust zusammen.

Die Soldaten tauschten unsichere Blicke, bis der Fenris schließlich mit einem weiteren erschöpften Seufzen nickte. Schwer lehnte er sich auf seiner Bank zurück.

"Heute ist keiner hier, der daran Anstoß nehmen kann. Versprich uns nicht noch einmal her zu kommen, Mann. Du musst etwas anderes finden." Der Naga klopfte brüderlich Mingis Schulter und es tat Hongjoong weh.

Die Wodae war es, die Mingi sanft am Arm nahm, mit ihm zu einer der Zellen ging. Es war die neben Hongjoong, eine Zelle aus der ein gesunder Amphibris mühelos entkommen konnte. Es ergab Sinn. Mingi war offensichtlich nicht hier, weil er so ein guter Krimineller war.

"Hier, ich bringe dir gleich noch etwas zu Essen, in Ordnung? Soll ich deine Schuhe vielleicht zur Heizung stellen?" Sie lehnte zutraulich in der offenen Tür, während Mingi es sich auf dem Lager bequem machte, vertraut schien mit dieser Umgebung.

"Nein, ist gut so, danke. Hwanwoong weiß bescheid, wenn sie morgen zu trocken sind." Er verzog das Gesicht, als er aus seinen nassen Stiefeln schlüpfte und seine Klauen klackten kratzig auf dem Boden.

Die Wodae nickte traurig, sperrte ihn dann ein und verschwand weiter hinten in der Station. Der Naga begann ein leises Gespräch mit dem Fenris.

Hongjoong starrte, wartete, bis der Amphibris ihm endlich neugierig den Kopf zuwandte. Was er dann auch beinahe sofort tat.

Mingi sah... traurig aus. Ebenso vom Leben gezeichnet wie San. Aber während San das Leben nicht kannte, schien Mingi seine dunklen Ecken nur zu gut zu kennen.

Er war schmutzig und nass, das rote Haar leblos in seine Augen hängend. Seine Klamotten schienen zu groß an ihm und die Bruchstelle seines einen Horns trug nur weiter zu dem Bild eines verlorenen Hündchens bei.

Dennoch verzogen sich seine vollen Lippen zu einem breiten Lächeln, als er Hongjoongs Blick traf, zeigten weiße Zähne und einen etwas schiefen Schneidezahn. Wie süß.

"Hey. Ich habe dich hier nie gesehen, bist wohl neu hier, was?"

Und er eindeutig zu oft in dieser Zelle.

"Ah, ja. Ich habe den falschen gekidnappt, wie sieht es bei dir aus? Diebstahl, wenn ich richtig gehört habe?"

Mingi wedelte verlegen lachend mit der Hand, seine Augen verschwanden unter der Wucht seines glücklichen Lächelns.

"Nein, nein. Nur der Versuch. Ich will Gangmitglied werden und muss dafür eine Prüfung ablegen. Vom Kidnappen kann ich nur träumen!", plapperte er etwas zu viel, aber er störte sich nicht daran.

"Ah, verstehe. Bisher kein Glück schätze ich?"

"So gar nicht. Ich versuche es schon seit Jahren!"

Das war... nicht schlecht. Also sehr schlecht. Er war eine richtige Niete im Stehlen.

Hongjoong war zutiefst beeindruckt.

"Jahre? Sie haben nie die Prüfung für dich geändert? Oder... keine Ahnung, warum versuchst du es nicht woanders?", fragte er mit ehrlicher Neugier und Staunen.

Mingi lehnte sich seufzend an die Gitterstäbe zwischen ihnen, die Augen blicklos zum Boden gewandt.

"Ich habe nicht wirklich eine andere Wahl. Meine Bildung ist so meh und normale Jobs versprechen dir auch kein Dach über dem Kopf. Inzwischen ist es auch eine Sache des Stolzes das zu schaffen!"

Also doch. Er hatte kein Heim.

Hongjoong biss sich auf die Lippe, musterte diesen strahlenden und positiven Amphibris mit keinerlei Zukunftsaussichten.

"Kann ich verstehen. Ist es eine namenhafte Gruppe?"

Mingi wurde wieder etwas aufmerksamer, musterte aufgeregt Hongjoong.

"Oneus, hast du von ihnen gehört?!"

"...nein. Tut mir leid, Mann."

Mingi lachte bloß, schüttelte glücklich den Kopf.

"Es ist in Ordnung so. Sie sind keine große, grausame Mafia. Mehr eine Gruppe, die für den Rest ein Zuhause darstellt. Sie tun nur, was sie müssen."

So wie Hongjoong und seine Crew also.

Die Wodae kam vorbei und sie waren kurz still. Mingi dankte ihr vielmals bleiben zu dürfen und winkte dann Hongjoong näher, um sein Essen durch die Gitter mit ihm zu teilen.

Der Naga und der Fenris beobachteten sie mit dem Konflikt offensichtlich in ihren Gesichtern.

"Also, dann sag mal! Wie heißt du?"

"Hongjoong, Kim Hongjoong. Du bist Mingi, hm?"

Mingi nickte begeistert.

"Könntest du dir vorstellen Teil einer anderen Gruppe zu sein? Du könntest mit mir kommen."

Hongjoong konnte es nicht. Er konnte Mingi nicht seinem Schicksal überlassen auf den Straßen zu leben, nachts Unterschlupf in einer kahlen Zelle zu finden.

Mingi kicherte verschwörerisch.

"Hör mal, ich kann jederzeit gehen, du bist hier eingesperrt.", erinnerte er ihn wie ein vergessliches Kind, gab ihm großzügig den letzten Keks (die waren bei Hongjoongs Essen nicht dabei gewesen).

"Oh, ich werde auch gehen. Willst du mit? Wir segeln durch den Himmel, suchen nach Abenteuern."

Mingis Augen strahlten wie die von einem, der seine Heimat nie verlassen hatte, niemals die Freiheit des Himmels schmecken konnte.

"Ich habe hier nichts zurückzulassen, aber wirklich. Die drei hier machen ihren Job gut, du rennst hier nicht einfach raus, tut mir leid. Ich fürchte mehr Abenteuer im Himmel wird nichts."

Wenn der nur wüsste.

"Wenn ich es dir beweisen kann. Wenn ich hier rauskomme und dir mein Schiff zeige, meine Crew, kommst du dann mit?"

Mingi hob nonchalant die Schultern, aber Hongjoong sah in seinen Augen die Tränen schimmern. Himmel, tat das weh.

"Es wäre ein Traum... Teil eines Teams zu sein... Eine Heimat zu haben. Wenn du mir das bietest, komme ich mit. Du wirkst wie ein guter Kerl." Seine Stimme war rau und Hongjoong wollte einfach nur das Gitter sprengen und den großen Mann umarmen, nie wieder loslassen.

Zeit, dass seine Leute auftauchten.

Wie als hätten sie ihn gehört (was gut sein konnte, wenn Wooyoung anwesend war), stürmte mit einem Mal ein hektischer Mogry durch die Tür, zog die Aufmerksamkeit der Soldaten und auch die von ihnen beiden auf sich.

"Schnell, schnell! Kim Hongjoong wurde gerade draußen gesehen, er muss euch entkommen sein!"

Hongjoong schlug höchst zufrieden die Beine übereinander, lehnte wartend an Mingis Seite. Der sah absolut überfordert zwischen Mogry und ihm hin und her.

"Warte, bist du es gar nicht? Du posierst als er?", zischelte er ihm dann übertrieben zu, während die Soldaten konfus in Bewegung kamen, Hongjoong offensichtlich in seiner Zelle sahen. Der schwieg süffisant.

"Bist du sicher?!"

Der Mogry nickte eifrig, zeigte ein Hologramm vor.

Da war es, ein perfektes Bild von Hongjoong, kein Nachtwandlerflimmern und nichts, denn das war San. San hatte keine feste Form.

Die Verwirrung in den Gesichtern der anderen stieg, dann schnappte sich der Fenris die Wodae.

"Wir sehen uns das an, du bewachst ihn! Einer ist nicht echt!"

Hongjoong war kurz davor unschuldig zu pfeifen.

Mingi sah fasziniert von ihm zur Tür, wie als würde er nur darauf warten, dass ein zweiter er herein kam.

Der Rabe des Fenris bewachte sie weiter scharf, während der Naga Anrufe tätigte, vermutlich ein höheres Büro von dem Fall in Kenntnis setzte.

San erschien absolut aus dem Nichts und er hatte Yeosang und Yunho bei sich.

Yeosang machte kurzen Prozess mit dem Vogel, ein sanftes Knacken und fort war er, während Yunho hastig die Tür zum Büro hin hinter dem Naga zu zog.

Hongjoong grinste das perfekte Abbild seiner selbst entwaffend an.

"Ich wünschte wir wären zurück auf dem Schiff, Yunho, Mingi, Yeosang, du und ich."

Mingi hatte angesetzt etwas zu sagen, aber es verhallte, als San dem Wunsch sofort lächelnd nachkam.

Der Naga brach eine Sekunde später durch die Holztür, aber alles was er fand, war bloß ein toter Rabe und drei leere Zellen.

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