24. Jung Yunho

Es war ein absolutes Versehen, dass bereits am nächsten Tag jeder an Bord über Seonghwa und Hongjoong bescheid wusste. Dass Wooyoung abends mit San plaudernd in den Raum kam, während Hongjoong auf seinem Chefstuhl in Seonghwas Schoß saß und den Nachtwandler seinen Zungenpiercing schmecken ließ, hatte wohl geringfügig damit zu tun.

Schlimmer noch, dass Wooyoung bei dem Anblick sofort in lautes Johlen ausgebrochen war und San mit großen Augen starrte, sich noch unsicher schien, war nun Seonghwas Absichten waren.

Hongjoong war sofort schockiert von Seonghwa weggezuckt, hatte sich an den Schultern des Nachtwandlers abgestützt, um nicht zu fallen, aber möglichst viel Abstand zwischen ihre Oberkörper zu bringen.

Das Gesicht des Kapitäns glühte, die Lippen noch eindeutig gezeichnet von Seonghwas Küssen und die weichen Locken des Anderen wirr. Wooyoung musste sich keuchend an seinen Knien abstützen.

"Wooyoung-", setzte Hongjoong zu einem warnenden Knurren an, aber Seonghwa ließ nur seinen Kopf nach hinten rollen, warf einen trägen Blick aus halb geschlossenen Augen auf den Lashunta.

Wooyoung verstummte wieder, konnte sich allerdings sein Grinsen nicht vom Gesicht wischen und fasste sanft Sans Hand, um den Dschinn wieder näher an seine Seite zu bringen.

"Kann ich euch irgendwie helfen?", fragte Hongjoong voller Anspannung, Seonghwas Hände wie tröstende Kissen an seinen Hüften. Seonghwa fokussierte wieder Hongjoong, sah zu ihm auf, wie er über ihm saß, den Blick zielgerichtet auf ihr Duo. Hongjoong sah aus den Augenwinkeln, wie er sich über die Lippen leckte.

"Prinzipiell wollte ich nur fragen, ob es jemanden stört, wenn San die Nacht über bei mir verbringt. Jeeetzt will ich allerdings alle schmutzigen Details wissen." Wooyoung grinste sein ach so engelsgleiches Lächeln und Hongjoong bemitleidete den armen, bald korrupten San.

"Macht nur. Aber vergiss es."

"Schmeckt der Cap genauso nach angestauter Wut, wie er aussieht, Seonghwa?" Wooyoungs zuckersüße Stimme driftete zu ihnen hinüber und die Sunrise übersetzte immer so treu.

Hongjoong hatte ganz vergessen Yeosang zu fragen, ob er einen Kommunikator an San und Wooyoung weitergegeben hatte. Er war abgelenkt.

"Komm doch her und finde es heraus, wenn du zu neugierig bist. Aber pass auf deinen Kopf auf.", schoss Seonghwa direkt zurück, zog Hongjoong wieder näher zu sich, um seinen warmen Körper an dem seinen zu genießen. Hongjoong errötete weiter, als er wieder Seonghwas einladenden Körper an seinem spürte. Empfindlich rieb der Stoff seines Hemdes über den einen Piercing, den Seonghwa gerne durch ihrer beider Kleidung auf seiner Haut spürte.

"Meine Güte, das hält man ja kaum aus. Sucht euch doch ein Zimmer ihr beiden, was macht ihr hier vorne? Verstört nur das arme Kind tzz." Wooyoung zog kopfschüttelnd San mit sich mit, wieder nach draußen.

Ruhe kehrte wieder ein.

"Gut, wo waren wir?"

"Meine Zunge in deinem Hals. Willst du nicht lieber woanders hin gehen?" Hongjoong wollte nicht, dass der Mann sich unwohl fühlte.

Aber der zog ihn nur zu sich, keine Antwort nötig, als ihre Münder wieder einander fanden, Hongjoong sein bestes gab Seonghwa etwas Wärme einzuhauchen.

-

Yunho musste sie beide nur ansehen und er vergrub schon stöhnend den Kopf in den Händen.

"Ein Pärchen, natürlich. Das Schicksal hasst mich. Womit habe ich das verdient?"

Hongjoong verschränkte mit einem Schnauben die Arme vor der Brust, beobachtete kritisch, wie Yunho ächzend einen schweren Rucksack an seiner Seite abstellte.

"Ey, was soll das heißen? Ich bin jetzt dein Kapitän!", erinnerte Hongjoong ihn sofort empört, hob warnend eine Braue, als der Bleuwy sich wieder in seiner vollen Größe vor ihnen aufbaute.

"Ich weiß von allen hier am Besten, wie ätzend du in einer Beziehung sein kannst, ich spreche die Wahrheit."

Und so etwas schimpfte sich bester Freund. Hongjoong war gekränkt.

Seonghwa hingegen sah überrascht zwischen ihnen beiden umher. Yunho begann absolut freundlich Wooyoung und Yeosang zu grüßen, traf sie zum ersten Mal in Person und auch San schüttelte konzentriert wieder seine Hand.

Sobald Yunho wieder frei war, tanzte Seonghwa zu ihm herüber, sah lächerlich klein neben dem Bleuwy aus, als er sich bei diesem einhakte.

"Du hast Hongjoong gedatet?"

"Mehr oder weniger. Mein Beileid, dass du es jetzt machen musst."

Seonghwa sah von unter seinen Wimpern zu dem anderen auf, umarmte kokett seinen starken Arm.

"Erzähl mir alles, Doktor." Er hauchte das letzte Wort übertrieben verheißungsvoll und Yunho sah milde unkomfortabel aus, machte allerdings mit und nickte geschlagen.

Seonghwa zwinkerte Hongjoong verspielt zu, bevor er Yunho davon führte, im Gehen problemlos dessen Tasche mit sich nahm.

Angeber.

Hongjoong musste schmollen gehen.

-

Yunho hatte den Vorteil sie alle schon zu kennen. Er hatte viel mit Wooyoung und Yeosang per Schiff kommuniziert und Seonghwa und San schon als Patienten aufgenommen.

Es war Hongjoongs Glück und Unglück den verspielten Mann an Bord zu haben, denn damit hatte er sich die schlimmste Waffe gegen sich selbst ins Schiff gebracht.

Und die Jungs waren unaufhaltsam.

Interessanterweise war es hauptsächlich Yeosang, der Yunho bedrängte, jede Information mit einem kleinen Grinsen bei sich abspeicherte. Wooyoung hatte seinen Heidenspaß Hongjoong damit zu necken auf Größenunterschiede abzufahren und Seonghwa jagte entweder Kinderbildern oder Insidern aus Hongjoongs Sexualleben hinterher.

Es war ein absolutes Chaos.

Ein Chaos, in das San sich überraschend gut einfand. Es war immer öfter, dass er mit ihnen im gleichen Raum saß, sich vorsichtig an Gesprächen beteiligte. Einmal hatten sie ihn fast lächeln gesehen, bevor er es schnell unterdrückt hatte und er schien niemanden von ihnen zu fürchten.

Was auch schwer war, sobald man jede Geschichte, wie Hongjoong Schokolade frust- und ohne Achtung auf sein Gesicht aß, kannte.

Yunho tanzte auch geschickt um alle Geschichten in Hongjoongs Vorteil herum, lachte ihn bloß aus, wenn er versuchte sich gegen die Peinlichkeiten zu verteidigen.

Wo Yunho das bisherige Chaos hätte bändigen sollen, so verursachte er nur mehr, aber es war genau richtig. Es war genau die Art von Familie, die Hongjoong haben wollte. Eine bunte Truppe, voller Gelächter und komischer Eigenarten, alle einzigartig.

Es fühlte sich an wie eine Heimat.

Eine Heimat, in der Hongjoong Yunho dicht auf den Fersen war, nachdem der schier ein Geheimnis zu viel aufgeplaudert hätte, in der Aurora in Schlangenlinien um den viel zu hohen Kopf des Bleuwy flog und der Rest sich über sie amüsierte.

-

San machte enorme Fortschritte.

Binnen weniger Tage hatte er bereits perfekt verstanden, dass er vor seinen Crewmitgliedern keine Angst zu haben brauchte und er begann mit ihnen zu scherzen. Eine intensive Flamme begann hinter seinen Augen zu brennen, aber sie sprach nicht von Rache und Zorn.

Sie sprach von Dankbarkeit und Liebe.

Es waren die Augen, mit denen er nur sie beobachtete, mit denen er allein zu Hongjoong kam, um ihn mit fester Stimme etwas zu fragen. Ebenso, wenn er Seonghwa bei der Reinigung des Schiffes zur Hand ging, oder über Yeosangs Schulter lehnte, während der Mann über Hongjoongs Skizzen bastelte. Yunho beschrieb es als die Empathiefähigkeit der Lashunta, Hongjoong als Sans Affinität mit Wooyoung.

Wooyoung hatte recht behalten, er, als gebrochener Junge, in ständiger Nähe ähnlicher Menschen aufgewachsen, wusste am besten, wie man San helfen konnte.

Yunho hatte regelmäßig Check-Ups mit ihm, erkundigte sich nach dem Wohle Sans und seine Angaben wurden immer spezifischer. Er war glücklich, er war dankbar, er hatte Spaß. Dinge, die Hongjoongs Herz erwärmten, wenn Yunho ihm abends in der Küche davon erzählte.

Sie beschlossen diesen Sieg etwas zu feiern, mehr Wärme und Verständnis an San zu überbringen und so fanden sie sich eines Abends auf dem Außendeck am Heck der Sunrise wieder, ein kleines, orangenes Nachtwandlerfeuer in ihrer Mitte.

Sie teilten Geschichten und Essen, dass Seoghwa in Trascen aufgetrieben hatte.

Yeosang erzählte davon, wie er Wooyoung mit einer seiner fliegenden Dronen gefunden hatte, nachdem der Mann sich mit einer Horde missmutiger Wodae angelegt hatte. Wie er Mitleid hatte und den jüngeren Mann wieder gesund pflegte.

Wooyoung hängte an, wie Yeosangs erster Reflex nach seinem Familiengeständnis gewesen war Sprengsätze um Wooyoungs Anwesen zu verteilen, die sie dann in fliegender Eile wieder hatten verschwinden lassen müssen.

Yunho erzählte von seinem freiwilligen Dienst auf dem Jupiter, von den faszinierenden Lebensformen dort und der eigenartigen Schwerkraft. Von mehreren Monden und bodenlosen Seen.

Seonghwa erzählte von seinen Reisen durch Sterne und Galaxien, fernab ihrer Inseln und voller wesentlich fremderer und komischerer Wesen. Er erzählte von Meteroritenregen, von schwarzen Löchern und von Solarexplosionen.

San berichtete ihnen leise vom tanzen, von der Freiheit, die er empfand, wenn seine Glieder schwerelos wurden. Er erinnerte sich an eine Zeit vor der Gefangenschaft, an seinen Gleiter, der aussah, wie ein ausgefranster, alter Badteppich und er war sein bester Freund.

Hongjoong erzählte ihnen, wie er seine Reise begonnen hatte, die Flotte ignoriert, um eine Crew zu finden. Wie er Aurora gefunden hatte und schier gestorben war, als Seonghwa damals dazu kam. Er erzählte ihnen von den Reparaturen der Sunrise und seinem Stolz.

Sie lachten danach viel, tranken je nach Wille und Verträglichkeit. San lag irgendwann in Wooyoungs Schoß und starrte in die Sterne, Yeosang lehnte tief summend an der Reling. Yunho hatte leise Musik spielen lassen und sang gelegentlich mit, bekam Unterstützung von Wooyoungs Stimme, die entweder süß sang, oder brach. Kein dazwischen.

Seonghwa und Hongjoong saßen Schulter an Schulter, eine Flasche zwischen ihnen, die ohnehin nur Hongjoong gehörte. Seonghwa hob gelegentlich einen seiner Finger zu seinem Mund, schmeckte sein fruchtiges Blut und wurde daran trunken.

Hongjoong fragte sich, was nun noch kommen würde. Welche Gefahren, welche neuen Leute. Ob sie es schafften beieinander zu bleiben.

Mit dem Feuer tanzend vor ihren Gesichtern, schliefen die kleineren, anfälligeren unter ihnen unter freiem Himmel ein, überließen es ihren beiden starken Männern sie zu Bett zu tragen.

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