16. Infekt

Hongjoong war wach, Hongjoong schlief. Ab und zu waren Leute bei ihm, ab und zu war er allein. Hongjoong träumte. Wirre, konfuse Fieberträume ohne jeden Sinn. Nicht selten erwachte er zitternd auf einem schweißgetränkten Kissen, seine Decken wie tödlich greifende Ranken um seine Beine.

Hongjoongs Zustand wurde nicht besser.

Für ein normales Fieber hätte er das Immunsystem gehabt, für ein menschliches, natürliches Fieber.

Nicht aber für ein Fieber aus den tiefsten Sümpfen Nebrurias und erst recht nicht für ein Fieber, mit dem kein Arzt ihm helfen konnte.

Sie brauchten einen Arzt.

Sie brauchten Yunho. Sicher, er war kein Mediziner, aber er kannte sich aus. Man musste nicht professionell Leute aufschneiden können, um die Wirkweisen alienartiger Fieber zu erkennen.

Einmal war Hongjoong wach und fragte sich, wo Yunho war.

Einmal war Hongjoong wach und Wooyoung stand an seinem Bett und sang ein Kinderlied in seiner weichen Stimme.

Einmal erwachte Hongjoong von dem scharfen Schmerz von zwei Zähnen, die sich in seinen Hals bohrten.

Ab dann ging es ihm besser.

Das nächste Mal, als Hongjoong erwachte, lag er nicht mehr in seiner Kajüte, sondern in einem Haus mit festem Steinboden unter ihm.

Hongjoong fühlte sich schwach und erschlagen, wie ein Blatt Papier unter der angenehmen Wärme des Raumes. Da war keine Decke über seinen verschwitzten Gliedern, aber die Temperatur schien sich dennoch wie ein hitziger Film um seinen Körper zu schmiegen.

So eigenartig er sich allerdings auch fühlte, zum ersten Mal seit einem unbestimmten Zeitraum war er wach genug, um rational nachdenken zu können.

Und ernsthaft: wo war er?

Hongjoong blinzelte, die Luft schien stickig und trocken, seine Augen verklebt mit mehr als nur dem üblichen Schlafsand.

Er machte einen kläglichen Versuch sich zu erheben, wenigstens auf den Händen hoch zu stützen und scheiterte auf ganzer Linie.

Planlos lag er im Raum und rieb seine Augen, wünschte sich mit einem Mal mehr denn je einfach ein Glas Wasser.

Hongjoong war ein schlichter Mann.

Allerdings würde er zu Informationen, wo seine Crew sich befand und was genau er hier tat, auch nicht nein sagen.

Gut, wie kam er vom Bett hoch?

Die Frage klärte sich ungefähr zehn Minuten später, in denen Hongjoong noch etwas langsam denkend die Risse in der Decke studiert hatte. Es war Seonghwa, der den Raum betrat, das schwarze Haar wie ein dunkler Vorhang vor seinem rechten Auge und in seinen Händen hielt er - Achtung - ein Glas Wasser.

Hongjoong wandte ihm mit einem hoffnungsvollen Lächeln den Kopf zu, fand sogar seine Gesichtsmuskeln zu schwach, um lange seine Mundwinkel an ihrer Stelle zu halten. Der kurze Moment genügte allerdings, Seonghwas Augen fanden sein Gesicht rechtzeitig.

Es war beinahe lächerlich, wie weit seine Augen von einem Moment zum nächsten wurden. Es nahm ihm diese unnahbare Attraktivität.

"Hongjoong."

Sein Name entkam Seonghwas Lippen in einem Stoß und dann ging der Mann bereits mit langen Schritten auf ihn zu, sank an seiner Seite auf die Matratze. Hongjoong konnte nur in Staunen starren, als Seonghwa das Glas an seiner Seite auf einen kleinen Tisch stellte, nur um dann wieder zu Hongjoong herum zu fahren.

Seonghwas Arme waren vorsichtig, als er sie unter Hongjoongs irgendwie schmal wirkenden Körper schob, seinen Nacken stützte, als er ihn mit sicheren Bewegungen zu sich hinauf zog. Hongjoong sank absolut widerstandslos in seine Umarmung, ließ sich umfangen von Seonghwas sauberen Geruch und seinen starken Armen.

"Hey, Seonghwa..." Er konnte sprechen, besser sogar als erwartet, wenn auch sein Hals sich anfühlte wie der Kamm eines Amphibris.

Es war nicht übel in Seonghwas Armen zu liegen. Eine Situation, an die er sich gewöhnen konnte.

Ein trockenes Schnauben brach unkontrolliert aus Seonghwas Hals heraus, ließ seine Brust beben und das sehr ungewaschene Haar auf Hongjoongs Stirn zucken.

Der Nachtwandler war sehr angenehm kühl im Vergleich zu ihrem Umfeld. Hongjoong lehnte den Kopf in den Nacken des anderen, tat amüsiert, als wollte er ihn beißen.

Stumpfe Menschenzähne glitten nutzlos an der weichen Haut des Nachtwandlers ab und Seonghwa lachte wieder und es klang wundervoll.

Ein Arm verließ Hongjoong, als Seonghwa in seine Tasche griff und Hongjoong steckte das Jammern schon im Hals, als er einen Blick auf das warf, was der Nachtwandler ihm entgegen hielt.

Seine Piercings.

Obwohl er den Stift sah, der normalerweise in seiner Zunge war, ließ Hongjoong dennoch überflüssig das betroffene Glied suchend durch seinen Mund gleiten. Kein Piercing.

In Ordnung.

Hongjoong pickte sich den Zungenpiercing heraus und setzte ihn wieder ein, versuchte Seonghwas verhangene Augen auf ihm bestmöglich zu ignorieren. Es war vollkommen irrelevant, wie intensiv er ihm auf den Mund starrte. Erstmal musste Hongjoong sich wieder einfinden.

Dann wanderte zuerst sein Kommumikationspiercing wieder in sein Ohr und er begann sich mit dem Rest zu verkünsteln.

"Dann gib mir mal ein Update, hm?"

Seonghwa ließ den Rest seiner Piercings offen in seiner Hand auf Hongjoongs Bein sinken, hielt noch immer in einem Arm seinen instabilen Kapitän.

"Ich habe dich vermisst."

Er sagte es so einfach, so schlicht, aber es war voller Emotion, der Schmerz in seiner Stimme beinahe greifbar.

Hongjoong erstarrte in der Bewegung, als sein Herz sich wie von einer eisigen Hand gepackt zusammenzog, stolperte über seine Worte, als er nach Trost für den Mann suchte.

Seonghwa deutete ihm kopfschüttelnd zu schweigen, sein gequältes Lächeln so vertraut und ja, Hongjoong hatte ihn wohl auch vermisst. Traum-Seonghwa, der zur Hälfte aus Küchenutensilien bestand und auf Esel redete kam nicht an den echten Seonghwa heran.

"Wir dachten nicht, dass du noch einmal aufwachst. Die Bakterien waren direkt in deinem Blut, du warst für beinahe zwei Wochen krank." Seonghwas Daumen begann kleine Kreise in Hongjoongs unteren Rücken zu malen, Hongjoong fiel fast der Piercing aus der Hand.

"Zwei Wochen?? Verdammt, warum bin ich wach?" Hongjoong war zutiefst beeindruckt von sich selbst.

Seonghwa hingegen klopfte mit den Knöcheln grob gegen Hongjoongs Kopf.

"Das hätte böse ausgehen können, spar mir bitte nächstes Mal den Schock!"

Seine Sorge war süß.

"Sind die beiden Jungs in Ordnung?", fragte er also stattdessen ruhig, ließ beide Hände unter sein Hemd gleiten, als er zu dem letzten Stück Himmelsmetall kam. Seonghwas Augen folgten der Bewegung schwer.

"Sind sie. Sie hegen viel Kontakt zu Yunho, der uns per Sunrise so gut wie möglich geholfen hat. Er kam auf die Idee, dass ich den Infekt aus deinen Adern hole."

Oh, also das war es gewesen. Deswegen. Hongjoong musste wirklich nahe über die Klippe des Todes spaziert sein und hatte nichts davon mitbekommen.

Ein kaum hörbares Klicken ließ Seonghwas Augen kurz zittern, aber er beherrschte sich, ließ es zu, dass Hongjoong seine Hände wieder in seinen Schoß brachte.

"Gut, dass es ihnen gut geht. Und danke, schätze ich... Für's Retten." Sie waren quitt, wie es schien.

Seonghwa schüttelte allerdings den Kopf.

"Lass dir etwas einfallen, wie du zwei Wochen nackte Angst um dich wett machen kannst."

Schwere Worte.

Hongjoong wüsste etwas, wenn er nicht so eklig wäre, momentan.

Noch dazu war diese Krankheit ja wohl absolut Seonghwas Schuld. Er hatte ihn abgelenkt!

"Du hast mich einfach so mit den Kindern allein gelassen!"

Hongjoong musste lachen - autsch - und stieß dann verspielt Seonghwas Schulter.

"Ich nehme sie dir sofort wieder ab, hilf mir nur zu duschen, hm?"

Nachtwandler erröteten nicht, aber Seonghwa senkte dennoch verlegen den Kopf, versteckte sich bestmöglich hinter seinem Haar.

"Wo sind wir überhaupt?"

Seonghwa erhob sich, türmte für einen Moment über Hongjoong und reichte ihm das Wasser, ließ es ihn austrinken. Nachdem er das Glas dann wieder abgestellt hatte, schob er die Hände unter Hongjoongs Körper, hob ihn mühelos hoch und gegen seine Brust.

Mit großen Augen klammerte Hongjoong sich an ihn, an starke Schultern und gut, Seonghwa schien wieder ganz er selbst zu sein.

Großartig.

"Trascen. Oh, und Wooyoung hat hier sein Herz verloren, aber das ist eine Geschichte für nachher."

Das war ihre Zielinsel. Hongjoong musste tatsächlich für zwei Wochen geschlafen haben. Faszinierend.

"Buchstäblich oder mehr so... Romantisch?"

Seonghwas Grinsen war weich.

"Romantisch, so gut habe ich dann gerade noch auf ihn achtgegeben. Du wirst es vermutlich verstehen, wenn du ihn triffst."

Das klang verdächtig. So verträumt und einverstanden für Seonghwa. Misstrauisch verengte Hongjoong seine Augen.

"Ihn, huh? Schätze mal das muss ich dann erst noch absegnen."

Seonghwa hatte ihn inzwischen durch einen angrenzenden Raum (ein Wohnzimmer, wie es aussah) getragen und trat nun ins Bad ein, setzte Hongjoong kurz ab, während er eine gute, alte, klassische Wanne füllte.

"Musst du. Woanders kriegst du Wooyoung ohnehin nicht mehr zu Gesicht. Danach wird es Zeit, dass wir meinen Freunden im Palast einen Besuch abstatten."

Hongjoong begann sich aus seinen steifen Klamotten zu schälen.

"Ihh... Palast."

Seonghwa konnte bloß leise lachen und ehrlich, Hongjoong hatte ihn auch vermisst.

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