15. Zwischenstopp
Zwei Tage später befanden sie sich auf einer verregneten Insel mit großen Seen und sumpfartigem Gelände, wateten durch den Schlamm hin zu einer sinkenden Stadt, um dort ihre Vorräte aufzufüllen.
Aurora und Seonghwa waren mal wieder an Bord geblieben. Zwar schienen durch die nebeligen und verhangenen Sümpfe keinerlei Sonnenstrahlen, aber der Nachtwandler zog die Sicherheit seiner eigenen Wände dem dennoch vor.
Somit war also Hongjoong allein mit Yeosang und Wooyoung unterwegs, die Hand in Hand hinter ihm einher schlenderten. Wooyoung hatte keine Sorge der Welt, seine Lippen pausenlos in Bewegung und Yeosang lauschte ihm mit einem Ohr, behielt sonst eher die verdächtige Umgebung im Auge.
Die Stadt war grau, zu guten Teilen bereits von der Vegetation verschlungen worden und der Geruch von Moder und ranzigem Wasser bevölkerte die beinahe ausgestorbenen Straßen. Es war eine alte Stadt, fern ab von all den neuen Technologien, die Hongjoong gewohnt war und in ein paar Jahren würde es auch diese Ruinen hier nicht mehr geben.
Hongjoong dachte daran sich regelmäßig nach seinen beiden Gefährten umzusehen, ihre Anwesenheit zu prüfen, während er durch die dunklen Gassen huschte, hier und da gezielt auf die wenigen Händler zuging, die sein Interesse weckten.
Hongjoong brauchte neue Teile für ein Übersetzungsgerät irgendeiner Art. Er konnte es nicht wirklich erwarten, dass seine Crewmitglieder sich ebenso wie er einfach Löcher in ihre Körper bohren würden, weswegen die gute alte Technik ausreichen musste.
Ihr Stopp hier war ihm eine willkommene Abwechslung; den Kopf einmal von Seonghwa frei zu bekommen, war ihm eine willkommene Abwechslung.
Der Schwarzhaarige war ihm in den letzten Tagen pausenlos durch die Gedanken und Träume geschwirrt, hatte ihm absolut keine Zeit zur Erholung gelassen. Es war nicht die ohnehin unvermeidliche Nähe zu dem Nachtwandler, oder seine offensichtliche Attraktivität. Was Hongjoong tatsächlich an den Rand der Verzweiflung gebracht hatte, war Seonghwas Bitte ihn küssen zu dürfen.
Allein das Dasein dieser Bitte, die Vorsicht und Achtsamkeit auf Hongjoongs Wünsche, ließ den Menschen nicht selten verzweifelt sein Kopf in seinem Kissen vergraben.
Die Fantasien, die seine Gedanken plagten waren wesentlich weniger harmlos als nur ein vorsichtiger Kuss und es war weniger Hongjoong, der Seonghwa hierbei sein Vertrauen versichern musste. Seonghwa spielte mit heißerem Feuer als er vermutete.
Es war eine Weile her, dass Hongjoong jemanden tatsächlich gedatet hatte. Das Studium hatte ihm wenig Raum für Romanze gelassen. Natürlich waren da Leute gewesen, kurze Bekanntschaften, die nur auf ein Ziel heraus liefen und nicht selten hatten auch Yunho und er in ihrer Einsamkeit zueinander gefunden, so unwahrscheinlich das auch erschien.
Hongjoong war nicht vollkommen planlos im Daten, aber Hongjoong war schrecklich eingerostet. Etwas, das er Seonghwa nicht unbedingt antun wollte, wenn der sich nicht ganz sicher war.
Dennoch trieb Hongjoong das Wissen, dass Seonghwa Interesse hatte, schier in den Wahnsinn.
Kopfschüttelnd bog Hongjoong wieder auf eine der Hauptstraßen ab und keuzte den Blick eines Polizisten, der friedlich die Straßen hinab wanderte. Nicht, dass ein einzelner als Mensch verkleideter Naga in den dunklen Machenschaften hier viel auszurichten hatte, aber seine Anwesenheit hier war ebenso Schein, wie seine äußere Erscheinung.
Hongjoong sah gerade wieder die Straße hinab, überlegte sich skeptisch , ob es eine gute Idee war ihnen dreien hier direkt etwas zu Essen aufzutreiben, als der Polizist mit einem Mal begann auf sie zu zu kommen. Etwas misstrauischer fand Hongjoong wieder die grünen, schlangenhaften Augen des Mannes.
"Guten Nachmittag, die Herren.", grüßte er sie im Dialekt des Nordens und Hongjoong entspannte sich etwas. Wooyoung und Yeosang würden ihn verstehen.
"Sie können hier wirklich sagen, welche Tageszeit es hat?", scherzte Hongjoong mit einem ratlosen Blick in den milchigen Himmel und der Mann lachte bloß.
"Wenn man lange genug in diesem Höllenloch lebt, zählt man die Stunden, ja. Sie sind auf der Durchreise nehme ich an?"
Hongjoong nickte nur, fühlte sich etwas unwohl in der kalten Stille. Die Bewohner des Sumpfes waren hier draußen nicht mehr zu hören und die Straßen lagen leer.
"So charmant dieser Ort auch ist, wir könnten hier kaum länger verweilen. Ich fürchte, ich habe kaum noch Blut im Körper." Hongjoong hob seinen Arm, zeigte dem anderen die Stiche an seinen Armen.
"Sie scheinen die Viecher zu verschonen. Ein Glück." Immer besser dumm spielen. Keine noch so todesmutige Mücke würde einen Nage angreifen, aber das wusste Hongjoong schließlich angeblich nicht.
Der Mann lachte wieder, ließ dann die Augen über ihre kleine Gruppe gleiten.
"Wurden Sie angegriffen? Es kommt hier nicht oft vor, dass etwas anderes als das Moor Probleme macht und das rückt seine Knochen normalerweise nicht wieder raus."
Hongjoong zwang ein Lächeln auf sein Gesicht.
"Was bringt Sie zu der Vermutung?"
Der Mann hob eine Hand und deutete auf Hongjoongs Hals.
"Das sieht mir nicht nach einem normalen Stich aus. Es könnte sein, dass es mit irgendwas infiziert wurde."
Konfus hob Hongjoong die Hand zu seiner Haut, fasste in glitschiges Blut.
Für einen Moment starrte er es konfus an, dann fielen die Teile endlich zusammen.
Es hatte es nach Seonghwas plötzlichen Worten vergessen die Wunde zu heilen und nun musste er sie wieder aufgekratzt haben. Hongjoong verfluchte sich selbst, versuchte seine schmutzigen Hände wegzulassen.
"Ah, nein. Das ist alt, nur wieder neu offen. Ich werde es desinfizieren, wenn ich wieder auf meinem Schiff bin. Danke für die Auskunft.", wandte er sich höflich wieder an den Mann und der nickte bloß finster.
"Wollen wir mal hoffen, dass Sie da nicht zu spät sind. Die Krankheiten hier sind noch zu großen Teilen unerforscht. Vielleicht lassen Sie mal noch einen Arzt darüber gucken." Er tippte sich grüßend an die Stirn und ging dann seiner Wege.
Immerhin hatte er versucht einen aufregenden Job zu bekommen. Das zeigte zumindest etwas Pflichtbewusstsein.
Yeosangs Hand fand Hongjoongs Schulter, wandte den Mann besorgt zu sich um. Seine ruhigen, kalkulierenden Augen glitten über die Verletzung, das Gesicht zu glatt um irgendeine Art von Information zu vermitteln.
"Du solltest zurückgehen. Wir können den Rest machen. Stell sicher, dass das offen bleibt, die Wunde jetzt zu verschließen, wäre unklug.", sprach er sanft und tief, immer so beruhigend und Hongjoong sah unsicher zwischen ihm und Wooyoung umher, der nervös auf seiner Lippe kaute.
"Kommt ihr alleine zurecht? Ich fürchte, dass bald ein Befehl auftauchen könnte Wooyoung heimzubringen."
Hongjoong wischte sich den Schweiß von der Stirn und Yeosang folgte unruhig mit den Augen der Bewegung.
"Weißt du was? Du hast recht. Wir schicken nachher Seonghwa los und bringen dich jetzt zurück."
Wooyoung nickte an seiner Seite ernst, kam dann um Hongjoong herum, um sich grinsend in seinem Arm einzuhaken.
"Keine Sorge, er kriegt das auf jeden Fall hin. Wir bringen dich heil wieder zu ihm." Er grinste verspielt, tätschelte dabei Hongjoongs Hand und wow, er war doch gerade so froh gewesen von Seonghwa weg zu sein. Eine kurzlebige Freude. Hongjoong beschloss jede Minute zu genießen, in der sie noch verweilte.
Wie auch immer verging die Zeit in eigenartigen Etappen auf dieser Insel. Hongjoong schien es, als seien sie gerade erst losgegangen, um sich ihren Weg zu den Docks zu suchen, dann schleiften ihn seine beiden Freunde bereits ächzend die Rampe zum Schiff hinauf. Seine Füße waren wie aus Blei und der wattige Kopf ebenfalls irgendwie, als er ihn hob.
"Wir sind schon hier?"
Hongjoong war sich sicher deutlich zu sprechen, aber was ihm entkam, war mehr ein unverständliches Gurgeln, nichts, was an irgendeine Sprache heranreichte.
Immerhin hörte er es, wie Seonghwa mit schnellen Schritten den Gang hinab kam, wenn er es auch nicht mehr schaffte, den Klotz von Kopf auf seinen Schultern zu heben.
"Schnell, tu etwas! Er wird die ganze Zeit wach und wieder bewusstlos, er muss sich infiziert haben!"
Hongjoong wollte lachen.
Seonghwa verstand Wooyoung doch gar nicht. Egal, wie hektisch der redete und gestikulierte.
Er musste kurz wieder weg gewesen sein, denn das nächste Mal, als er erwachte, saß er auf dem Stuhl der Brücke und Schweiß benetzte seine klamme Haut. Hongjoong fror erbärmlich und irgendwo in seinem wattigen Kopf schrillten auch alle Alarmglocken, dass es ihm schlecht ging, aber was sollte er tun?
Seonghwa stand vor ihm und hielt sein Kinn in einer Hand, mit der anderen untersuchte er die Wunde an seinem Hals. Seine dunklen Augen glitten besorgt über Hongjoong, als dessen Lider flatterten.
Der Nachtwandler sah gut aus.
Wie in gut, gut, trotz seiner verschwommenen Ränder. Hongjoongs Blut vollbrachte wahre Wunder. Über die Ränder ließ sich allerdings noch diskutieren.
"Yunho, er kommt zu sich!"
Wooyoung sprang in Hongjoongs Sichtfeld und in Ordnung, Wooyoung war nicht ganz Hongjoongs Typ aber Wooyoung war auch süß.
Aber Seonghwa in seinem weißen Hemd...
Hongjoongs Fieber musste Überhand genommen haben.
"Hongjoong, kannst du mich hören?"
Es klang wie Yunho. Lächerlich, Yunho war nicht hier.
Was war dieser grüne, fliegende Fetzen da in der Ecke? Welche Laubbäume hatte Yeosang hier ohne seine Erlaubnis gepflanzt? Wie konnte er es wagen?
"Hongjoong, du hast dir einen Infekt eingefangen, Idiot, ich kann euch zu einem Arzt meines Vertrauens auf der nähesten Insel schicken, aber bis dahin darfst du niemanden an dein Blut lassen, hast du verstanden?"
Seonghwa nickte ernst und wow, Seonghwa sprach auch Yunho-isch. Wie beeindruckend.
Seonghwa klang eigentlich nach einer gar nicht so schlechten Partie.
Alles schwarz.
Hongjoong erwachte in seinem Zimmer, allein, alles war still.
Er schlief wieder ein.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top