14. Flirterei
Natürlich hatte Wooyoung gesungen wie ein Vogel. Er sang, wie als seien er und Seonghwa neue beste Freunde. Hongjoong verzweifelte.
Er kam drei Tage später noch immer mit einem breiten Grinsen aus der Brücke hinaus gehüpft, das Haar wie springende Federn auf seinem Kopf. Hongjoong traf ihn in der Küche, als der Lashunta sich summend einen Muffin (laktosefrei, mit extra viel Schokolade) holen ging. Der summende und immer wieder ungut in sich hinein kichernde Mann bemerkte Hongjoong in seiner Ecke mit seinem Kaffee erst gar nicht und der konnte wieder nur den Kopf schütteln.
Eindeutig nicht lebensfähig.
Wooyoung richtete noch Frühstück für Yeosang an, sein Summen weich und lieblich wie die Vögel am Morgen, als Hongjoong noch daheim war.
Er sollte langsam mal wieder seine Eltern kontaktieren.
Hongjoong schlürfte hörbar an seinem Kaffee und endlich bemerkte Wooyoung auch ihn und ließ mit einem schrillen Schrei sein Croissant fallen, traf bestürzt Hongjoongs Augen.
"Ist das Croissant in Ordnung?"
"Du hast mich erschreckt!" So anklagend, als hätte Hongjoong gerade eine schwerwiegende Todsünde begangen, zeigte Wooyoung mit seinem krümeligen, halb gegessenen Muffin auf Hongjoong.
Der verzog das Gesicht.
"Du krümelst. Und jetzt heb dieses Croissant von meinem Boden auf."
Wooyoung öffnete abermals seinen Mund voller Essen, um zu protestieren, da kam ihm jemand zuvor. Hongjoong hob misstrauisch die Augen zu Seonghwa, der lautlos im Türrahmen aufgetaucht war.
"Theoretisch mein Boden. Aber mach nur weiter, die Dominanz ist attraktiv."
Nun war es Hongjoong, der sich im Schluck vertat, schier seinen halben Becher ausleerte, als er begann zu husten. Zwischen tränenden Augen musste er mitansehen, wie die beiden Verräter beieinander einschlugen, meine Güte, Wooyoung wusste nocht einmal, was Seonghwa gesagt hatte.
Absolut unfair.
"Ihr könnt euch nicht gegen mich verbünden! Ich bin der Kapitän!", hustete er schwerfällig, sobald er wieder sprechen konnte und deutete anklagend zwischen ihnen beiden umher. Wooyoung grinste engelsgleich, Seonghwa... Nicht ganz so engelsgleich.
Gestresst wandte sich Hongjoong wieder seiner Tasse zu.
"Ich brauche bessere Freunde. Welche, die auch hinter mir stehen." Die Kaffeetasse verstand. Sie verstand immer.
"Oh, die hast du schon, Fruchtzwerg. Wenn sie vor dir stehen würden, könnte dich ja schon keiner mehr sehen!", säuselte Seonghwa absolut zuckersüß und Hongjoong war kurz davor ihn absolut zuckersüß zu erwürgen.
"Du verdienst mein Blut nicht mehr, du bist unausstehlich, wenn du bei Kräften bist."
Wooyoung verstand nichts, aber sein Blick zuckte dennoch animiert zwischen ihnen umher wie als seien sie Teil des großartigsten Theaterstückes überhaupt.
Seonghwa löste sich vom Türrahmen, um zu Hongjoong hinüber zu kommen, ungerührt dessen Muffin zu klauen. Hongjoong rutschte etwas auf, als der Nachtwandler elegant neben ihm auf die Bank glitt.
"Du weißt, dass ich inzwischen stark genug bin, um es mir mit Gewalt zu holen?"
Himmel, und wie Hongjoong das wusste. Seonghwas Vorsicht und Sanftheit in Anbetracht seiner Stärke war unangefochten. Nicht, dass ihn das für Hongjoong schrecklich attraktiv machte, keineswegs.
Und von Seonghwa an die Wand gedrückt werden, während er sich sein Blut holte... Hongjoong würde an dieser Stelle aufhören darüber nachzudenken. Für seine eigene Gesundheit.
Sein Gesicht musste irgendwas gemacht haben, denn Wooyoung fing mit einem Mal hoch an zu lachen und Hongjoong rissen die angespannten Nerven.
"Du! Still. Ich weiß nicht, was du Seonghwa eingeflüstert hast, aber er ist seit ihr euch angefreundet habt unerträglich!", jammerte Hongjoong erschöpft, kam tatsächlich nicht das erste Mal in den Genuss von Seonghwas neckischen Blicken und Worten.
Es war so einfach gewesen, als der Nachtwandler noch zu schwach für alles war.
"Uhhh, glaube nicht, Cap. Ich denke eher, er ist immer so. Bisher war er nur noch nicht gesund genug."
Nicht das, was Hongjoong hören wollte. Flirtender Seonghwa war grausam.
Hongjoongs Augenbrauen zogen sich gleich eines herannahenden Gewitters zusammen und Wooyoung beeilte sich zu fliehen, die neuesten Entwicklungen sofort an Yeosang weiterzugeben.
Yeosang war ein toller Typ. Yeosang hatte Hongjoongs Pistole fertig gebaut. Hongjoong mochte Yeosang. Und seine Pistole.
Angespannt hockte er neben Seonghwa und leerte seinen Kaffee, ignorierte es geflissentlich, wie Seonghwa nun beinahe wieder er selbst war. Und er war jetzt schon absolut zerstörerisch.
"Wann hast du heute Hunger? Ich habe Wooyoung versprochen, dass wir das nicht mehr da machen, wo er es sieht, also..." Bemüht nonchalant, Hongjoong war so ein guter Redner.
"Ich meine, er ist gerade gegangen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er demnächst nochmal auftaucht, ist gering."
Hongjoong war gut, aber Seonghwa war besser. Erfahrener.
Aber zwei konnten dieses Spiel spielen. Er wusste, wie er Seonghwa auf den Zahn fühlen konnte, wie er herausbekam, wie ernst diese Flirtereien waren.
"Was, du willst nicht wirklich irgendwelche Fantasien mich direkt auf dem Tisch zu essen erfüllen, oder? An unserem Esstisch?" Er wandte süffisant den Blick zu Seonghwa und der sah nur kurz überrascht aus, dann spielte ein träges Grinsen um seine Lippen.
"Was, es ist doch ein Esstisch. Ich nehme genauso daran Nahrung zu mir, wie ihr."
Hongjoong öffnete gerade empört den Mund, um ihn daran zu erinnern, dass er mehr als nur sein Essen war, zum Beispiel sein verdammter Kapitän und kein Fruchtzwerg, als ihm die unausgesprochene Frage in Seonghwas Augen auffiel.
Sie waren sanft, standen im Gegenteil zu seinem Grinsen und baten Hongjoong stillschweigend ihn aufzuhalten, bevor er Grenzen überschritt.
Hongjoong stellte murrend seine Kaffeetasse ab, schob sie weiter ans Tischende. Mit zwei Bewegungen saß er auf dem Tisch, zwar etwas höher als Seonghwa, aber definitiv angenehmer als zuvor.
"Was ein Captain nicht alles für seine Crew tut."
Seonghwa kam näher, führte eines von Hongjoongs Beinen über seinen Schoß auf die andere Seite und legte dann beide Hände auf seinen Knien ab, sah wartend zu ihm auf.
Mit einem Fluch auf den Lippen sah Hongjoong zur Decke hinauf, wuschelte dann grob durch seine Haare, bevor er sich wieder an den hungrigen Nachtwandler wandte.
Ein Glück, dass Wooyoung der Gedankenleser war und nicht Seonghwa.
Wenn auch Seonghwas perfekte, dunkle Braue sich nun wissend genug hob.
"Falls dir der Hals zu unangenehm wird, gibt es übrigens auch eine gute Stelle am Oberschenkel, an der ich dich beißen kann."
Hongjoongs Gehirn brauchte einen Moment, dann fing er eilig Seonghwas Hand ab, die begonnen hatte an seinem Bein hinauf zu kriechen, um ihm zu zeigen wo er meinte.
Seonghwa. Mit seinem Mund an Hongjoongs Oberschenkel. Unter gar keinen Umständen.
Er musste rot wie eine Weihnachtskugel sein und wow, Weihnachten gab es seit ungefähr 1000 Jahren nicht mehr. Im Stress fielen Hongjoong gerne unnütze Fakten ein.
"Du, ich liebe es absolut deine Zähne in meinem Hals zu haben und nein, das klang komisch, tu ich nicht, vergiss das, es spielt keine Rolle, aber lass es uns bei Hals belassen."
Seonghwa grinste ihn liebenswürdig mit seinen scharfen Zähnen an.
"Könntest du einfach-" Hongjoong endete in einem frustrierten Stöhnen, riss ungeduldig seinen Kragen beiseite, um Seonghwa seinen nackten Hals darzubieten.
"Mach."
Seonghwa schluckte wieder - was war dieses Schlucken - und stand dann etwas zu abrupt auf, brachte Hongjoong aus dem Gleichgewicht.
Eine starke Hand fand stützend seinen Rücken, richtete ihn wieder auf, sodass er beinahe Brust an Brust mit Seonghwa war, die Beine geöffnet um die Hüften des Mannes.
Sie sollten auf Transfusionen per Schläuche umsteigen. Die Nähe dieses Mannes brachte Hongjoong durcheinander.
"Kann es kaum erwarten, bis du wieder fit bist und nurnoch einmal alle zwei Wochen einen Grund hast dich so über mich her zu machen.", grollte Hongjoong kaum böse, sein Herz beschäftigt mit komplizierten Aerobicchoreografien und Seonghwas Hände sanft, als sie nach seinem Kopf griffen, ihn neigten.
"Kann es kaum erwarten, bis ich genug Gründe habe, mich ohne lausige Ausreden über dich her zu machen."
Dieser Akzent, Hongjoong hasste es. Er hasste Seonghwas Stimme. Er brauchte Knebel, Knete, eine Schere und Ketten. Zeit, Seonghwa zu verharmlosen.
Warnend packte er sich den Mann an den Haaren, zog ihn unsanft näher zu seiner Haut, die Augen noch achtsam auf jegliche Proteste in Seonghwas Gesicht.
Aber der blieb absolut gelassen, stützte weiter mit einer Hand Hongjoongs Körper, die andere hielt seinen Kiefer. Die Diskussion endete mit Seonghwas Zähnen, die sich vorsichtig in seine Haut senkten, mit dem kurzen Aufwallen von Schmerz.
Hongjoong löste seine Hand wieder, um sich etwas ungeschickt an den Schultern des Anderen abzustützen, dankbar für den Abstand zwischen ihren Körpern, wo noch Tisch war.
Hongjoong fühlte sich wie ein Nachtisch.
Seonghwas liebster Nachtisch, sicherlich, aber nichtsdestotrotz wie Essen.
Nicht, dass Hongjoong Essen nicht liebte und begehrte, nein (nicht genug um damit zu schlafen aber ein Glück sah Seonghwa das scheinbar anders), aber er wollte nicht unbedingt nur als solches kategorisiert werden.
Er war dankbar darum, dass Seonghwa diese Grenzen respektierte. Dass er nie vergaß, dass Hongjoong ein Mensch mit Gefühlen war.
Die Zeit verstrich und ehe Hongjoong es sich versah, strich bereits Seonghwas warme Zunge tröstlich über die Wunde, jagte einen Schauer über Hongjoongs Rücken.
Seonghwa löste sich von seinem Hals, zog sich allerdings noch nicht zurück, studierte für einen Moment aufmerksam Hongjoongs Gesicht.
Seine verhangenen Augen blieben an seinen Lippen hängen.
Nun schluckte Hongjoong.
"Ein Vögelchen hat mit gezwitschert, dass es in meinem Interesse sein könnte dich zu küssen. Darf ich?"
Hongjoongs Herz war begeistert, definitiv inzwischen laut genug, dass Seonghwa es hörte. Die Mundwinkel des Nachtwandlers zuckten verdächtig.
Hongjoong schubste ihn an den Schultern von sich.
"Keine Chance. Versuch es nächstes Mal romantischer, dann denke ich darüber nach. Vorzugsweise auch nicht, während du mein Blut an den Lippen hast."
Damit sprang er vom Tisch und stapfte würdevoll davon, um wie ein Schulmädchen in sein Kissen schreien zu gehen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top