11. Jung Wooyoung
Der Blonde hatte sich ihnen letzten Endes als Jung Wooyoung vorgestellt. Der Nachname ließ dann doch noch ein paar Lichter in Seonghwas Kopf an gehen und sie akzeptierten es wohl, dass sie nun als die Entführer eines wichtigen Adelssohnes galten. Nicht der schlechteste Anfang, es konnte sich sehen lassen.
Wooyoung war wieder verschlossener über seine eigene Geschichte geworden, nachdem die wichtigsten Fakten geklärt waren, aber er schien dafür umso interessierter an der Geschichte, die Hongjoong und Seonghwa sich teilten.
"Wie habt ihr euch kennen gelernt?"
Hongjoong ignorierte ihn für den Moment noch, zu aufgebracht von der Naivität, die den Jungen beinahe das Leben gekostet hätte. Wo wäre Wooyoung jetzt, wenn Hongjoong nicht eingeschritten wäre? Wo hätten sie ihn hin gekettet? Wer würde seinen weichen und wohlgepflegten Körper misshandeln?
Hongjoong wollte nicht zu sehr darüber nachdenken. Er war froh Wooyoung rechtzeitig gefunden zu haben, aber er würde den anderen noch eine Weile lang still hassen.
"Lebt er von deinem Blut?"
Wooyoung schien eigentlich nicht wie die naive Sorte. Viel eher wie jemand, der naiv tat, um an sein Ziel zu kommen. Dennoch schien eine gute Portion seines Seins einfach nur aus Trotz und Blindheit zu bestehen. Das war etwas, was ihm zwar helfen, aber ebenso schaden könnte.
Hongjoong musste ihn besser kennen lernen, um mehr darüber zu erfahren, aber für den Moment hatte Wooyoung ihm immerhin versprochen nicht in seinem Kopf zu wühlen. Trotzdem sollte er Seonghwa vielleicht bitten eine Barriere zu errichten. Zumindest, solange sie sich noch nicht so gut kannten.
"Seid ihr zusammen?"
Hongjoong stolperte über seinen eben noch linearen Gedankengang und verlor so plötzlich den Kontext, dass sein Kopf für einen langen Moment einfach nur blank war.
Seine Verwirrung musste ihm im Gesicht stehen, denn von gegenüber von ihm war plötzlich ein hohes, vergnügtes Kichern zu hören. Hongjoong blinzelte konfus dem amüsiert klatschenden Wooyoung zu, der über seiner Stuhllehne hing und Hongjoong nicht aus den Augen ließ.
"Huh?"
"Du hast gerade quasi gestanden. Das war eindeutig."
"Wovon reden wir gerade?"
Wooyoungs Grinsen war das eines Kindes, das nach Keksen verlangte, absolut koboldhaft und es machte Hongjoong ehrlich gesagt Sorgen.
"Dir und Seonghwa! Ich finde deine Reaktion war eindeutig!" Wieder hallte sein quietschiges Lachen durch den Raum.
Warum war er überhaupt so lebhaft und laut, wenn er von der Winterinsel kam? Das ergab in Hongjoongs Augen keinen Sinn.
"Lehren sie dir daheim nicht vor Älteren und auch Übergeordneten Respekt zu haben? Du und eine Prinzessin hätten nie funktioniert.", schalt Hongjoong ihn kaum böse und Wooyoung kicherte bloß in sich hinein, lehnte sich dann verträumt zurück.
"Früher, als ich noch jung war und noch nicht von allen Seiten eingegrenzt, da habe ich auch mehr auf solche Dinge geachtet. Ich will nicht sagen Yeosang ist ein schlechter Einfluss, sonst würde ich direkt meinem Vater recht geben, aber Yeosang hat mir gezeigt, dass andere Dinge wichtiger sind, als künstliche Lächler und gespielte Bescheidenheit. Ich weiß dank Yeosang, was richtiges Lachen ist. Freunde. Ich würde alles mit ihm durchstehen."
Wooyoung sprach zum ersten Mal wie ein Erwachsener und der Umschwung faszinierte Hongjoong.
"Yeosang... wie ist er so?"
"Er ist... Langweilig. Absolut durchschnittlich. So richtig zweidimensional." Ein liebevolles Lächeln spielte um Wooyoungs Lippen, seine Augen glänzend in Stolz.
"Er ist der beste Freund, den man sich wünschen könnte. Den einzigen, den ich jemals heiraten würde. Aus Steuervorteilen. Und weil er ziemlich lustig ist. Auf eine platte Art."
"Er ist ein Mensch?"
Wooyoung nickte bloß, sah dann wieder in Richtung Decke hinauf. Träge wippten seine Beine ihn hin und her.
"Yeosang ist nicht in einem großen Glashaus aufgewachsen wie ich. Yeosang lebt allein, er hat nie eine Familie erwähnt und ich habe ihn auch nie gefragt. Er kommt immer irgendwie durch, mit kleinen Jobs hier und da und würde auf gar keinen Fall Hilfe von mir wollen." Unwillig legte er die Stirn in Falten.
"Yeosang arbeitet allerdings mit allerlei Leuten und Materialien, vielleicht wird das auf dem Schiff hilfreich."
Hongjoong wollte ihn nicht drängen, wollte ihm nicht das Gefühl geben sofort eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Kameradschaftlich stieß er ihre Knie aneinander, ließ sie gemeinsam umherwippen.
"Wir werden ihn hier mit offenen Armen empfangen. Seonghwa scheint da eine ganz vorzügliche Aufpasserrolle einnehmen zu wollen.", versicherte er Wooyoung gelassen und sah ihn grinsen, wusste sich in Sicherheit.
"Also, du und Seonghwa?"
Er schlug seine Knie mit Nachdruck an die des kichernden Wooyoung.
-
Seonghwa kam später mit den Treibstoffkapseln wieder und Hongjoong tauschte sie aus, während seine beiden Freunde und auch Aurora ihn kritisch dabei beobachteten.
Wooyoung hatte den Kaflera mit offenen Armen empfangen. Zwar verstanden sie einander nicht, aber Wooyoung kümmerte sich rührend um sie, wärmte sie in seinen Armen und streichelte sie pausenlos, während sie in seinem Arm schnurrte.
Seonghwa wusste zwar immerhin schon einmal, dass Hongjoong diese Energien und Techniken studiert hatte und war deshalb weniger skeptisch, aber das hier war immernoch sein Schiff und wenn der Kapitän nicht da war, hatte er als Pilot einzuspringen.
Sie machten sich heiße Getränke und lauschten noch eine Weile Wooyoungs sprudelnden Worten über seine Insel, sein Hobby Leuten auf der Straße Antworten über ihre Gedanken zu geben und seine Vorstellungen, wie ihre Reise werden sollte.
Er hätte ja gerne Bleuwy in der Gruppe. Bleuwy hatten ein paar, Zitat: "Eigenschaften, die er gerne näher erkunden würde."
Hongjoong versuchte sich ihn mit Yunho vorzustellen und kam bei nichts heraus.
Seonghwa hingegen fand die ganze Szene zum Totlachen und verbarg regelmäßig sein immer so gequält aussehendes Grinsen hinter seiner Hand. Hongjoong juckte es jedes Mal seine Finger zu entfernen und das Paradoxon, das Seonghwas Lächeln war anzustarren, aber er ließ es. Um seines eigenen Friedens willen.
Aurora schlief bereits wieder und auch Hongjoongs Augen begannen irgendwann in der Nacht immer müder zu werden, als Yeosang ankam.
Hongjoong döste halb auf seinem Stuhl vor sich hin und Wooyoung schlief mit offenem Mund und Aurora in den schlaffen Händen. Somit blieb nur Seonghwa, der mit einem wohlwollenden Lächeln dem leisen Klopfen folgte.
Wooyoung war in der Tat schon oft von Zuhause abgehauen. Nicht selten fehlte er für ein paar Wochen, bis die schmierigen Jäger seines Vaters ihn wieder aufsammelten. Er hatte ihnen versichert, dass Yeosang keinen Aufstand machen würde. Im Gegenteil hatte er ihm bereits bescheid gesagt, dass er gehen würde, aber Yeosang hatte wohl selbst an Wooyoungs Naivität gezweifelt.
Jedenfalls folgte er Seonghwa widerstandslos zur Brücke und das Geräusch wie die Tür sich öffnete, brachte Hongjoong dazu wieder etwas wacher zu werden und gähnend rieb er seine Augen.
Yeosang war... durchschnittlich.
Ein normal großer Mann, mit braunen Haaren, die seine Stirn bedeckten und einem glatten Gesicht, das ebenso aus Stein hätte sein können. Kein markantes Merkmal fiel an ihm ins Auge und es wäre so einfach ihn zu übersehen. Er war ein Meister im unsichtbar werden.
Genau die Fähigkeit, die ihnen fehlte.
Hongjoong setzte sich höflich etwas auf, um ihn zu begrüßen.
Er wirkte erschreckend rational und kalt im Vergleich zu Wooyoung. Er wirkte wie ein richtiger Einwohner dieser Insel mit ihrer Neutralität und Ignoranz. Wooyoung dachte offensichtlich mit dem Herzen und Yeosang mit dem Gehirn.
Sie ergänzten einander perfekt.
Hongjoong tauschte einen überraschten Blick mit Seonghwa und der nickte bloß ernst.
Während Hongjoong Yeosang erklärte, was vorgefallen war, übernahm es Seonghwa den Jungen ins Bett zu bringen, trug ihn mit wenigen Schwierigkeiten davon. Hongjoong beobachtete ihn, stockte irgendwo im Satz, denn Seonghwa war bei der Hälfte seiner Kräfte. Die Hälfte.
Yeosang verstand absolut, was geschehen war und war auch schnell darin Hongjoong zu danken.
Hongjoong fragte sich, warum er nicht misstrauischer war.
Er konnte Wooyoung unmöglich trauen, wenn der sich sofort in die Arme der Bösen geworfen hätte, richtig?
Vielleicht hatte er auch einfach nur ein gutes Gespür?
Jedenfalls wirkte er vertrauenswürdig. Yeosang wirkte wie jemand, mit dem Hongjoong arbeiten konnte, jemand zum diskutieren und evaluieren. Und gleichzeitig jemand, der mit dem Wrack aus Emotionen, das Wooyoung war umgehen konnte.
Yeosang schloss sich problemlos an und ging dann nach Wooyoung sehen, bevor auch er sich zurückzog.
Hongjoong döste vorne auf seinem Stuhl ein, während er auf Seonghwa wartete.
Als der Nachtwandler ihn fand, zögerte er im ersten Moment noch seinen Kapitän zu wecken, dann streckte er allerdings vorsichtig eine Hand nach ihm aus. Er berührte ihn sachte an der Schulter.
Hongjoong zuckte etwas zusammen, fand allerdings aus geröteten Augen schnell Seonghwa und grinste schlaftrunken zu ihm auf.
"Hey. Was denkst du von ihnen?"
Seonghwa warf einen knappen Blick auf die Türen, dann nickte er zuversichtlich.
"Ich denke ihre Geschichte ist etwas komplizierter als die unsere. Aber sie werden sich einfinden. Und hoffentlich Ruhe haben." Seine Stimme war wie Musik in Hongjoongs Ohren, wie das schönste Schlaflied.
Leider, leider schien sie ihn aber auch auf eine Weise ins Bett locken zu wollen, für die er viel zu müde war.
Nein, Hongjoong stand nicht auf Seonghwa.
Ächzend erhob sich der Kapitän und streckte sich für einen Moment, dann begann er ebenfalls zu den Quartieren zu stolpern.
"Dann ist es gut. Nacht, Hwa."
"Gute Nacht, Hongjoong."
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