1. Kim Hongjoong
"Hongjoong! Könntest du mir einen frischen Wandler runter bringen?"
"Sofort, Mama!"
Der junge Mann beeilte sich die Verschlüsse an dem kleinen Gerät, an dem er bisher getüftelt hatte wieder zu schließen, ließ das Objekt zwischen seinem Werkzeug auf seinem Tisch liegen. Seine Füße trugen ihn eilig aus seinem Zimmer hinaus und in den Flur, wo er begann ihren Schrank nach einem Wandler zu durchsuchen. Er wurde schnell fündig und schlitterte auf seinen Socken die schmale Treppe hinab.
Seine Mutter erwartete ihn mit einem weichen Lächeln im faltigen Gesicht in der Küche. Sie war der absoluten Überzeugung, dass auch ihre Haare grau wurden, aber Hongjoong war anderer Meinung. Seine Mama war nicht gealtert seit sie 42 geworden war.
Hongjoong erwiderte lächelnd ihren Dank, bot sich dann an das Gerät auszutauschen. Er war der Mann im Haus und seine Mutter war winzig, natürlich musste er das machen!
Ab und zu neckte sie ihn, wie er seit er ein Kind war, immer zu übereifrig war zu helfen, sich Aufgaben aufbürdete, die zu viel für seine schmalen Schultern waren.
Sie hielt ihn am Hosenbein, während Hongjoong selbstsicher auf einen Stuhl kletterte, um den Wandler mit dem alten zu ersetzen. Die zuvor tote Leitung leuchtete sofort wieder blau auf und kam in Bewegung, in der Küche war wieder Musik zu hören.
Sie dankte ihm erneut und Hongjoong grinste bloß, bevor er eilig den Stuhl wieder aufräumte und an die Arbeit zurück ging. Seine Mutter beschäftigte sich wieder mit dem Essen.
Hongjoong war inzwischen 21 Jahre alt und somit für einen Menschen erwachsen. Er hatte Schule und Universität als einer der Besten beendet und die Bestätigung erhalten einen Arbeitsplatz bei der aerialen Flotte zu bekommen.
Hongjoong lebte mit seinen Eltern in seiner Geburtsstadt, hatte immer genug zu essen und zu trinken, Zugang zu Energie und ein Dach über dem Kopf.
Er wusste, er hatte keinen Grund mit seinem Leben unglücklich zu sein. Nicht wenige würden viel dafür geben an seiner Stelle zu sein.
Oh, und was würde er dafür geben mit einem von ihnen zu tauschen.
Auszeichnungen vom Staat für seine Intelligenz bedeuteten ihm nichts. Ein gesellschaftlicher Wert festgemacht an seinen Lebensumständen und seiner Bildung bedeutete ihm nichts. Ein Mensch zu sein bedeutete ihm nichts.
Was war es schon wert? Was war ein langweiliges Leben im Dienste des Staates mit einem geregelten Job und Kollegen schon wert? Falsche Freundlichkeit links und rechts, eine Illusion weit entfernt von dem Utopia, das die Welt einem versprach.
Nein, als Mensch waren seine Intelligenz und Herkunft nichts wert. Er würde immer die letzte Wahl sein, jeder Bleuwy, jede Viera, jede annähernd humanoide Lebensform wurde dem Menschen vorgezogen.
Um als Mensch noch richtig leben zu können, erfüllt und glücklich, musste man sich von dieser Gesellschaft lösen.
Hongjoong konnte seinen Vater nicht betrachten und mit Stolz sagen in seine Fußstapfen treten zu wollen. Die Augen seiner Mutter waren grau und glanzlos. Der Mensch wurde tolertiert, aber er war unwichtig.
Hongjoong wollte mehr vom Leben als eine Existenz in Überflüssigkeit zu verbringen.
Hongjoong wollte fort, hinein in den weiten Himmel in sein eigenes Reich, in dem es keine Rolle spielte, wer man war und woher man kam. Hongjoong sehnte sich nach einem sicheren Ort und Freunden, die nicht in Schubladen dachten. Er sehnte sich nach Leuten wie ihm. Leuten, die sich von ihrem Umfeld abhoben und eine Alternative suchten.
Er war seinen Eltern nicht undankbar, würde auch bis in alle Ewigkeit in ihrer Schuld stehen. Jedoch waren sich seine Eltern absolut sicher, dass er seine Kindheitsträume abgelegt hatte und zu einem durchschnittlichen Bürger herangewachsen war. Er verschwieg es ihnen, dass es nicht so war.
Hongjoong verschwieg es ihnen während seinen Schulferien.
Hongjoong verschwieg es ihnen, als der Bescheid der Flotte kam.
Hongjoong verschwieg es ihnen auch dann noch, als es Zeit wurde zu packen.
Er packte für die Flotte, all die Habseligkeiten, die er mit sich nehmen wollte. Er packte, um dort zu leben und nur in den Ferien nach Hause zurück zu kehren.
Seine Mutter half ihm dabei, spendete Trost und Rat in den Momenten, wenn die Angst vor dem Ungewissen ihn überwältigte. Ganz wie Mütter waren, zerriss es sie innerlich ihr einziges Kind gehen zu sehen und gleichzeitig war sie so stolz ihn in sein Leben zu entlassen.
Wenn sie nur wüsste...
Sein Vater war weniger emotional. Er gab ihm praktische Tipps mit auf den Weg und er hielt seine Mutter, die in Tränen aufgelöst war, als er sie zurückließ.
Hongjoong weinte selbst, aber sein Herz war in Freiheit aufgelöst.
Von da an musste er nurnoch einen Anfang finden. Er musste den Garten, in dem er als Kind so viel Zeit damit verbracht hatte die Flugschiffe am Himmel zu zählen hinter sich zu lassen. Das Haus in dem er jeden einzelnen Milchzahn verloren hatte. Die kleine Stadt, in der er in die Schule und die Uni gegangen war.
Er erwartete, dass es schwerer war. Doch seine Füße trugen ihn so willig zu den Häfen, auf ein Schiff und in die Freiheit. Hongjoong hatte immer gewusst, was er wollte. Und nun war es so weit.
-
"Hey, bist du in Ordnung? Zeig mal her."
Hongjoong tastete mit der Zunge über seine offene Lippe, schmeckte Blut und versuchte bestmöglich den Schnitt zu desinfizieren.
"Ich könnte dir Stoff holen?"
Ächzend hob Hongjoong den Blick zu dem Bangaa, der vor ihm kniete, eine lederartige Hand besorgt auf seinem Knie platziert hatte.
"Schon gut, immerhin bin ich nicht in irgendwelchen Scherben gelandet..." Hongjoong verzog das Gesicht, als jedes Wort schmerzhaft durch seine Lippe zuckte.
"Was wollte der von dir?"
"Das war eine sie. Ich glaube sie hat mich mit kaufbarer Ware verwechselt, es war ein Missverständnis."
Der Bangaa nickte ernst und erhob sich wieder, bevor eine sechsfingrige Hand in Hongjoongs Richtung ausstreckte. Der Mensch ließ sich auf die Beine ziehen, spürte das Nachempfinden seines Falls noch dumpf in seinem Steißbein.
Der Mogry in der angrenzenden Bude warf einen besorgten Blick auf sie beide. Es war ein süßes, fliegendes Häschen mit großen, schwarzen Knopfaugen. Zu schüchtern, um sich tatsächlich zu ihnen zu gesellen, aber umso bekümmerter um den schwächlichen Menschen, der fast von einer ausgewachsenen Bleuwy zertreten wurde.
Hongjoong lächelte dem Nachbar entschuldigend zu, gesellte sich wieder zu Gurk hinter ihren Stand.
Der Bangaa musterte ihn ein weiteres Mal, zog dann das krokodilartige Maul und ein harmloses Zähnefletschen.
"Du solltest vielleicht heim gehen, das ist eine Menge Blut."
Nicht, dass Hongjoong in seiner Mundpartie noch viel Gefühl hatte, aber die Mengen an Blut, die er ständig schluckte sprachen Bände.
"Geht nicht, ich brauche die Kroks." Hongjoong schluckte erneut und bezog dann wieder Posten an seinem Ende ihres kleines Waffenstandes. Gurk schien nicht überzeugt und schon legte er eine rote Hand auf seine Schulter.
"Nein wirklich, Mann. Du kannst froh sein, dass da nichts gebrochen ist. Geh wenigstens etwas Stoff draufsprühen und komm dann wieder. Ich halte hier solange die Stellung."
Hongjoong tastete seufzend noch einmal über seine Lippe, dann nickte er geschlagen. Von einem blutig grinsenden Menschen würde er auch kein Schwert kaufen wollen.
"Also, bis nachher.", brachte er irgendwie um das Blut heraus und schnappte sich dann seine Tasche, um heim zu gehen.
Oder das, was er gerade ein Heim nannte. Es war kein Heim im klassischen Sinne.
Er war bei Gurk untergekommen, nachdem sie beide drei Monate lange miteinander gearbeitet hatten. Hongjoong sparte auf ein Schiff und dafür an Kosten wo es ging, überschätzte dabei zu oft seine fragile Gesundheit. Anfangs hatte er ganz einfach Unterschlupf in den Sicherheitsbunkern der Fenris gefunden. Es war kein schöner Ort und die Bunker wurden über die Monate zu Spottpreisen vermietet. Nur wenige Rassen hielten es tatsächlich in diesen finsteren Bunkern aus, bis der nächste Vollmond kam, aber Hongjoong machte das schon.
Gurk hatte ihn absolut entsetzt von seinen Sparwegen dort hinaus und in seine schlichte Wohnung verlagert, es Hongjoong ausgeredet nur um des Sparens Willen sich selbst in Gefahr zu bringen.
Hongjoong war einfach zu praktisch veranlagt und sein menschlicher Körper zu schwach für seine Dickköpfigkeit.
Seufzend kickte er zurück in der Wohnung seine Stiefel von seinen Füßen.
Bis zu einem eigenen Schiff war es ein weiter Weg und nicht selten spielte er mit dem Gedanken sich zuerst eine Crew zu suchen und dann ein Schiff. Sie würden ihm sicher dabei helfen eines zu finden, nicht?
Gurk wollte leider nicht mit ihm fliegen, er hatte Flugangst und blieb ganz gerne auf fester Erde stehen.
Hongjoong wanderte niedergeschlagen zu ihrem Medizinschrank und zog zuerst einen Spiegel, dann die Flasche mit Stoff hervor. Bei ihm Zuhause hätte es ein voll automatisches Terminal zur Versorgung gegeben und ab und zu fragte er sich, ob er das auf seinem zukünftigen Schiff nicht lieber auch einrichten wollte. Sicher, es kostete, aber immerhin hatte er keinerlei medizinischen Kenntnisse. Wenn er etwas anderes als Menschen an Bord hätte, wäre er bereits verloren.
In der Tat war der wütende Schlag der Bleuwy auf seine Abweisung hin härter gewesen als erst angenommen. Sie hatte es geschafft seinen Zungenpiercing eine tiefe Wunde in sein Fleisch reissen zu lassen und das Innere seines Mundes blutete noch wesentlich aggressiver als seine Lippe.
Hongjoong kniff die Augen zusammen, als er die Wunde besprühte. Der Geschmack war noch nie sein bester Freund gewesen, aber immerhin half es.
Während seine Zellen sich also wieder regenerierten, ging Hongjoong sich noch etwas sauber machen, wischte das Blut von seinem Mund und wartete noch, bis langsam wieder Gefühl zu ihm zurück kam.
Dann ging es wieder an die Arbeit.
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Zu den Aliens gibt es gleich noch ein Infokapitel, das ich regelmäßig updaten werde, wenn etwas neues auftaucht! Vieles davon entspricht Aliens, die in Air Pirates aufgetaucht sind, wir werden also unter Umständen mehr Info als nötig haben
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