Kapitel 6
Montag 04.08. - Die Koalition
Die letzte Woche war von Unsicherheit gezeichnet. Wir verfolgten alle schweigsam die Nachrichten und hielten bei jedem Bericht über ein mögliches Koalitionsbündnis die Luft an. David verkroch sich mehr und mehr in seinen Recherchen, während er weiterhin so tat, als würde das schon alles werden. Ich flüchtete mich in mein Mantra und die Arbeit mit den Pferden.
Am Montag lief ich mit Pola im Schlepptau die Treppe vor dem Haupthaus herunter. Ich hatte dazu bewegt bekommen, mit mir in die Stadt zu fahren. Sie musste meiner Meinung nach dringend mal wieder vom Hof und gegen etwas entspanntes Bummel durch die nahe Kleinstadt sprach meiner Meinung nach nichts.
Ich hatte gerade einen Fuß auf den Schotter gestellt und das Auto aufgeschlossen, da sah ich einen Pferdetransporter die Allee hinunterfahren. Am Steuer saß ein Züchter, der nur wenige Dörfer von hier seinen kleinen Stall hatte. Er sah ernst aus. Er brachte schon seit Jahrzehnten seine Pferde auf diesen Hof. Als er uns sah, grüßte er nur kurz angebracht und parkte schließlich vor dem Stall.
Die Stimmung war seit der Wahl allgemein komisch. Angespannt, verbittert positiv und so als würden alle nach einem Stein suchen, an dem sie sich festklammern konnten.
Pola streckte sich und wäre fast die Treppe heruntergerutscht, als sie einen Blick auf den Transporter erhaschen wollte. Ich fasste sie noch gerade so an den Schultern. „Früher hat der mal gegrüßt!" Abfällig schnalzte sie mit der Zunge.
Die Klappe wurde geöffnet und er führte einen jungen Wallach heraus. Das dunkle Fell glänzte im Licht der Sonne. Aufgeregt spielte das Pferd mit den Ohren.
Wie auf Bestellung kamen auch David und Hassan aus dem Stall.
„Er sieht ernst aus", stellte Pola nachdenklich fest. „Glaubst du, es ist etwas passiert? Mädchen, guck doch mal in deinem Smartphone nach, ob da irgendwas online steht."
Ich schüttelte den Kopf. „Sonst wären David und Hassan nicht so ruhig. Lass uns fahren. Mein Trainer kommt um drei." Aber auch ich konnte den Blick nicht von den Männern lösen. Da war wirklich was im Busch! Mein Bauchgefühl schrie das beinahe schon so laut, dass es jeder hören musste. Sie sprachen zu intensiv miteinander und Hassan hatte nicht wie sonst sofort angefangen, das Pferd grob zu untersuchen.
Pola drückt von hinten gegen meine Schulter. „Will gehen, aber bewegt sich nicht! Meine Güte, ihr jungen Leute!"
Das Gefühl blieb, blubberte tief in meinen Eingeweiden, fraß sich in meine Knochen. Dachte ich, es würde auf dem Weg in die Stadt besser werden, hatte ich mich tief geschnitten.
Im Gegenteil. Ich stellte das Radio an, einfach weil ich nicht wusste, ob ich mit Pola Musik hören wollte, und wollte es schon kurz hinter der Einfahrt wieder ausstellen. Während Felder mit wogendem Getreide, satte Wiesen mit schwarz-weißen Kühen und Bäumen in den Krähen lauerten an uns vorbeiflogen, verkündete die Radiosprecherin so professionell, wie sie nur konnte. „Heute verkündete die neue Rechte, dass die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind."
Pola drehte das Radio lauter. Ihre Finger zitterten und sie strich die Strähne, die sich aus ihrem Dutt gelöst hatte, nicht hinter ihr Ohr.
Ich ließ den Kiefer kreisen, umklammerte das Lenkrad und atmete bemüht ruhig. David war nicht hier, um mich wieder aus meiner übertriebenen Panik zu holen, sollten die Neuigkeiten schlecht sein.
„Dazu Rebecca Neuer aus Berlin."
„Danke, Ola. Hier in Berlin ist gerade Geschichte geschrieben worden. Zum ersten Mal seit den 1920er Jahren sitzt eine nachweislich rechte Partei außerhalb der Opposition in der Bundesregierung." Eine warme, viel zu beruhigend klingende Stimme hatte die übliche Moderatorin abgelöst. Die Härchen auf meinen Armen stellten sich sofort auf. „Vor gut einer Stunde haben die neue Rechte, das Bündnis CD und die Christdemokraten ihre Verhandlungen abgeschlossen. Gemeinsam werden sie die erste blau-lila-schwarze Regierung bilden. Es wird spannend bleiben, wie Bündnis CD sich einbringen wird. Experten zweifeln nach wie vor an der Regierungsfähigkeit der Partei. Er Resultate aus den Vertragsverhandlungen werden wohl am nächsten Mittwoch zu uns durchsickern. Zumindest hat der Parteichef der neuen Rechten, Bernd Höfer angekündigt, noch diesen Monat einen Koalitionsvertrag zu präsentieren. Damit zurück ins Studio und zurück zu meiner Kollegin Ola Becker."
Die Straße kam mir plötzlich unheimlich grau vor. Viel länger als sonst. Trister. Weniger grün.
Pola streckte nur langsam die Hand aus, um das Radio leiser zu drehen. Sie atmete tief ein. Mit steil zusammengezogenen Augenbrauen schüttelte sie den Kopf. „Die Leute sind doch nicht mehr zu retten. Rechte." Sie lachte. „Wer will die? Warum? Sie machen doch nur kaputt!"
Gerne hätte ich gelacht. Gerne hätte ich einen Witz gemacht, aber mein Mund fühlte sich trocken an und ich musste mich konzentrieren, die Spur zuhalten. „Es wird alles gut!"
„Hach! Noch mal so jung sein. So naiv und unbedarft!" Danke, Pola! Das war unsensibel! Ich liebte sie ja – wirklich! Aber in dem Moment hätte ich sie erschlagen können.
Ich blinzelte und unterdrückte den Wunsch, ihr zu sagen, dass ich sehr wohl wusste, wie desaströs das alles war, aber man es nicht ändern konnte. Ich konnte es nicht ändern. Ich hatte niemanden von ihnen gewählt, aber die Mehrheit hatte entschieden und ich musste genauso, wie alle von ihnen mit dieser Entscheidung leben. Was konnte ich dagegen schon tun?
„Du musst abbiegen. Der Weg ist schneller." Pola wies auf den Weg ins Dorf. Schon von weitem konnte ich eine blaue Flagge vor dem Hof ganz rechts, ganz knapp vor dem Dorfrand sehen. Alles in mir wollte anhalten, die Flagge herunterreißen und einfach mal nicht das liebe Mädchen sein. „Der war schon immer dumm", kommentierte Pola den Anblick. „Seine Söhne sind auch allesamt, wie sagt man? Versager?"
„Sind das die mit den Mofas?"
Sie nickte. „Ja, die immer zu laut sind und an den unmöglichsten Orten herumlungern. Arbeiten sollten sie, nicht Ausländer bespucken. Wenn sie ihren Job haben wollen, müssten sie nur fragen."
In der Stadt war die Stimmung kaum besser. Hier und da sah man Flaggen oder Sticker der neuen Rechten oder des Bündnis CD. Noch nie war mir aufgefallen, wie viele Menschen sich mit Stolz zu diesen Parteien bekannten. Mir wurde schlechter und schlechter, je länger wir durch die Stadt liefen. Wollte ich erst einen schönen Vormittag mit Pola verbringen, einfach weil sie sich das so verdient hatte und sich das nie selbst erlauben würde, wollte ich eigentlich nur noch möglichst schnell weg.
Die Innenstadt war so voll wie immer. Ein paar ältere Menschen, die sich die Schaufenster ansahen. Jugendliche, die in der Pause zu einem Kiosk gingen, Menschen auf dem Weg zur Arbeit. Alles wirkte so normal.
Als wir an einem Kiosk vorbeigingen an dem zwei ältere Herren in verwaschenen T-Shirts, denen Aufdruck man kaum noch lesen konnte, auf einem der Stehtische lehnten, wurden wir kritisch gemustert. Ihre Blicke fraßen sich förmlich durch den leichten Stoff meines Oberteils. Unbehaglich zog ich die Schultern hoch und lief einen Schritt schneller. Unangenehm!
„So wäre früher keine rumgelaufen!", hörte ich einen der Männer sagen. „Dann müssen sie sich auch nicht wundern, wenn sie von Ausländern vergewaltigt werden. Die haben sich doch nicht unter Kontrolle."
Mir wurde schlecht! Wie kam man auf so ein dünnes Brett? Sie dachten bestimmt an Muslime, aber alle Muslime, die ich kannte, waren zu mir um einiges respektvoller, als diese Männer es auch nur im Ansatz waren. Dumme Stammtischparolen! Abgedroschen, überholt und einfach das Letzte!
Ich ließ den Kiefer kreisen und schlang die Arme um meinen Oberkörper. An diesem Top war nichts anzüglich! Am liebsten hätte ich mich umgedreht und ihnen die Meinung gegeigt. Wäre ich nur ein kleines bisschen mutiger, hätte ich das wohl auch getan.
Pola fasste mich am Arm. Bestimmt schob sie mich vorwärts und schirmte mich weiter gegen die beiden geifernden Säcke ab. „Unfassbar!", murmelte sie.
Stur auf den Bürgersteig blickend nickte ich. Unfassbar war überhaupt kein Wort dafür!
„Vergiss unsere Pläne!", beschied sie. „Wir fahren nachhause Mädchen! Ich weiß du wolltest, dass wir einen netten Vormittag in der Stadt verbringen, aber mir ist der Appetit auf einen Kaffee vergangen!" Ihr Griff wurde fester.
Tief atmete ich ein. Ich suchte ihren Blick. Sie sah mich mild und wohlwollend aus ihren alten grauen Augen an. „Wir gehen! Kein aber!"
Dennoch öffnete ich den Mund. Ich wollte mich so nicht geschlagen geben. Ich gab den Rechten Macht über mich, diesen Männern, wenn wir jetzt fuhren.
Pola schüttelte jedoch wieder den Kopf. Dieses Mal mit mehr Nachdruck. „Wir gehen! Dann lass uns lieber in dem Café an der Mühle auf dem Weg zurück zum Hof einen Kaffee trinken und etwas Kuchen für heute Nachmittag mitnehmen."
Zögerlich zog ich meinen Autoschlüssel auf der Hosentasche und schluckte. Ich strich über den weichen glatten Stoff meiner Bluse. „Klingt gut." Klingt nach Niederlage, Akzeptanz. Ich drehte mich noch einmal um und betrachtete die Männer an dem Stehtisch. Sie hatten sich inzwischen einer Mutter mit Hijab zugewandt, die mit einem liebevollen Lächeln ihren Kinderwagen vor sich herschob. Sie sah glücklich aus. Ganz im Gegensatz zu den Männern. Vielleicht war das ihr Problem. Nicht die Ausländer, sondern ihre eigene Unzufriedenheit mit dem Leben. Widerlich!
Schnell löste ich meinen Blick wieder und lief mit schnellen Schritten weiter und bog auf den Weg zum Parkplatz ein. Pola hastete hinter mir her.
Auf der Fahrt schwiegen wir. Die Mühle hatte leider geschlossen und so fuhren wir direkt nach Hause. In meinem Blut kochte es immer noch. Ich hatte diese Stimme immer noch im Ohr. Ekelte mich vor mir selbst, dass ich das nicht einfach so abschütteln konnte.
Der Anblick der Allee gab mir die bekannte Ruhe. Sie wirkte plötzlich wie eine Barriere zwischen meiner heilen Welt und der kaputten Realität. Es hatte etwas Beruhigendes die Pferde auf der Weide zu sehen, das sanfte Wiegen der Baumwipfel.
Als wir am Reitplatz vorbei fuhren, hob Hassan die Hand und lächelte uns breit an. So viele zu dem Thema der Stammtischparole. Er würde nie auch nur im Entferntesten jemandem etwas antun, weder Mensch noch Tier.
Wir grüßten zurück.
Kaum dass der Wagen stand, sprang ich aus dem Auto und wollte schon loshasten, da sah ich David.
Wie der Fels in der Brandung kam er auf uns zu. Ein unbedarftes spitzbübisches Lächeln auf den Lippen. Seine knirschenden Schritte hallten über den Hof und lösten bei mir das altbekannte Herzflattern aus.
Ich wollte mich in seine Arme werfen, ihn nicht mehr loslassen. Mich in der Sicherheit wiegen, dass er mich immer beschützen würde. So schutzlos hatte ich mich seit Jahren nicht mehr gefühlt. Alles drehte sich, aber er stand im Zentrum, unerschütterlich, weitsichtig und wie ein Versprechen, dass es mir nie schlecht gehen würde, so lange er an meiner Seite war.
„Na wie war es in der Stadt?" Er blinzelte in die Sonne, die ihm ins Gesicht fiel und seine grünen Augen aussehen ließ wie frisch gemähtes Gras.
Sofort machte sich ein warmes Gefühl in mir breit. „Ganz ok."
Pola schüttelte den Kopf. „Nichts ist ok! Alles ist vorbei! Überall! Diese Rechten sind überall!"
Davids Lächeln fiel in sich zusammen. Ein verwirrter Ausdruck trat in seine Augen und er legte die Stirn in Falten. „Was? Ist etwas passiert?"
Bevor Pola etwas sagen konnte, knipste ich mein Lächeln schon wieder an und legte ihm eine Hand auf den Unterarm. „Nein. Man sieht sie nur überall. Flaggen, T-Shirts ... Einfach nicht schön."
Ich konnte glühend auf meiner Haut spüren, wie er mich musterte. Kritisch, als wollte er rausfinden, ob ich log. Er nickte langsam und bedächtig, als hätte sich das Thema für ihn damit erledigt. Aber da war etwas in der Art, wie er den Kiefer anspannte, die Schultern verkrampft grade hielt.
Ich wollte schon den Mund aufmachen und fragen, ob wir in unserer Abwesenheit etwas verpasst hatten, da sagte er mit einem rauen Unterton, „Kommt Stefan nicht später? Wolltest du wieder Lacour reiten?"
So schnell waren wir also wieder beim Tagesgeschehen. Aus dem Augenwinkel konnte ich Pola die Augenbrauen hochziehen sehen, bevor sie leise vor sich hingrummelnd zur Haustür lief.
Gedankenverloren wiegelte ich den Kopf hin und her. Eigentlich hatte ich keinen wirklichen Kopf dafür mich von Stefan wieder auf meine fehlende Rumpfstabilität hinweisen zu lassen, die meine Verstärkungen beeinflusste und dass ich mehr nach vorne denken musste beim Reiten. „Ich denke schon."
Eine Stunde später aßen wir Mittag. Pola hatte sich mal wieder selbstübertroffen, aber das konnte die Stimmung nicht heben. Etwas hing wie ein dunkler Vorhang über dem Esstisch, zwischen uns allen und wollte einfach nicht gehen. So still war es nie gewesen, seit wir hergezogen waren. Pola hatte David wegen irgendetwas gerügt, er sich charmant aus der Affäre gezogen und Oleg dazu angeheitert Pola mit etwas aufzuziehen. Heute war da nur eisiges Schweigen. Es war einfach nur eigenartig.
Nach dem Essen, holte ich mir mit einem Stein im Magen Lacour von der Wiese. Hassan kam mir entgegen, aber wieder bekam ich nur ein fahles Lächeln und ein Kopf nicken. Was war passiert? Am Schimmel neben mir konnte es nicht liegen. Lacour war drauf wie immer – motiviert gespitzte Ohren und einen Schritt drauf, bei dem ich fast traben musste. Er wusste, dass es mal wieder zum Training ging und damit auch unweigerlich bald wieder auf einen Turnierplatz. Die zwei Wochenenden Pause waren vorbei.
Das wurde nur noch klarer, als ich David mal wieder mit einem Kreidestift in der einen Hand an der Wandtafel stehen sah und er mit seinem Handy in der anderen Hand die nächsten Starts notierte. Neben meinem Namen standen die von vier Pferden, darunter auch Lacour. Er sah kurz auf, als er das Klappen der Hufe aus dem Beton hörte.
Leise seufzte ich. Manchmal wollte ich inzwischen nur noch Pferde verkaufen. Die Turniere waren mir zu oberflächlich geworden. Man wurde schon bewertet bevor man in den Sattel stieg, allerdings nicht von den Richtern. Würde das auch noch schlimmer werden?
Ich biss mir auf die Unterlippe und manovierte den großen Schimmel in die Putzbox. Mit hängender Unterlippe und einem Hinterbein aufgestellt, ließ er sich in die Anbindeseile klinken. Das nannte ich mal einen Profi. Wenn das bloß mit allen Pferden immer so leicht wäre...
Lächelnd tätschelte ich ihm den Hals und langte in die Putzbox an der Wand. Er sah mal wieder Schimmel-typisch mehr nach einem Schecken aus. Hatte ich noch einen Schimmelstein dadrin?
Schritte kamen näher. Ich musste nicht aufsehen, um zu wissen, dass es David war. Wenn man genau hinhörte, dann erkannte man, dass er eine größere Schrittlänge hatte als Hassan und federnde Schritte machte als Oleg, auf denen mehr Gewicht lag, als im Fall von Nila. Kurzum, ich war mir inzwischen sicher: Ihn würde ich überall erkennen. Auch wenn heute eine Leichtigkeit fehlte, die mir Magenschmerzen machte.
David lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen an die Wand neben dem Anbinder. Kurz taxierte er mich, als müsse er abschätzen, ob ich die Wahrheit vertrug.
„Sag es einfach!" Abwartend verschränkte ich die Arme vor der Brust und atmete tief durch.
„Du weißt, dass Tiedemann seinen Junghengst heute gebracht hat?"
Ich nickte. Warum fragte er? Hatte das etwas damit zu tun, warum sie vor wenigen Stunden so verschwörerisch zusammengestanden hatten? Fester umklammerte ich die Kardätsche in meiner linken Hand und biss die Zähne zusammen.
„Er hat erzählt, seine Nachbarn, ich weiß nicht, ob du sie kennst, Schneiders, die haben Rinder und ich bin mit den beiden älteren Söhnen zur Schule gegangen ... Ist aber auch egal! Sie sind jedenfalls von den aktuellen Entwicklungen so angetan, dass sie einen Fackelmarsch durch das Dorf organisieren wollen."
„Was?" Ich hielt inne. Nie im Leben! Mein Herz setzte einen Schlag aus. Wo waren wir denn hier? Wer hatte das genehmigt? „Warum?"
„Was weiß ich." David zuckt mit den Schultern, dann wurde sein Blick wieder ernster. „Wahrscheinlich irgendein verquerer Ahnenkult, oder was auch immer. Die hatten alle schon immer eine Macke." Machte es nicht besser! „Ich will mir das angucken."
Prompt fiel mir die Kardätsche aus der Hand. Der Schimmel zuckte zusammen und machte einen kleinen Satz zurück. Die Anbindeseile knirschten leise unter dem plötzlichen Gewicht. Normalerweise hätte ich den Großen jetzt beruhigt, aber so starrte ich einfach nur David an. Zäh sickerten seine Worte zu mir durch. „Das machst du nicht!"
„Ich will einfach nur sehen, wer da rumgeistert." Er sah auf die Stallgasse. „Ich will wissen, woran wir hier sind."
Ich sah ihn schon auf einer Polizeiwache, oder im Krankenhaus ... oder schlimmer! Als könnte er sich still das Spektakel unter rechter Flagge ansehen. Ein schiefes Grinsen schlich sich auf seine Lippen. „Ich verspreche dir auch – den Molotowcocktail lasse ich zu Hause. Auch wenn es nicht die Falschen treffen würde. Die Steine auch. Nachher bauen sie damit noch eine Autobahn, um schneller Ausländer abzuschieben." Er klang leichtfertig. Sarkastisch.
Kopfschüttelnd bückte ich mich und sammelte die Bürste wieder ein. Ein Kribbeln breitete sich in meinen Fingern aus. „Das ist nicht witzig! David, wenn die wirklich an die Macht kommen, dann solltest du aufpassen, was du tust. Mit Antifa und wir werden laut gegen rechts, ist dann nicht mehr!" Er war Brandbeschleuniger. Ein Funke und alles würde im Feuer untergehen. „Geh da nicht hin!"
Er schmunzelte. Verdammt noch mal! Automatisch zuckte meine Hand in seine Richtung und ich musste an mich halten, nicht die Bürste nach ihm zu werfen. Mein Herz schlug kräftig gegen meine Rippen, als wolle jeden Moment aus meiner Brust springen.
Bevor er etwas sagte, schob ich schnell nach. „Falls ich dich davon nicht abbringen kann, nimmst du Oleg mit! Ich will, dass jemand dabei ist, der dich im Zweifelsfall am Ohrläppchen nachhause schleift!" Das war kein Spiel mehr! Wut baute sich in meinem Inneren, wie ein heißer zischender Klumpen auf, der sich nicht einfach herunterschlucken ließ. Noch ein weiteres Wort und ich würde explodieren!
„Ach Hanni ...." Bei dem Tonfall könnte ich ihn erschlagen!
Die Wut trieb mich auf ihn zu. Genug ist genug! „Nee! Lass stecken! Und solltest du ohne Oleg glauben, vom Hof zu kommen, schicke ich ihn dir nach! Ich werde ihm sagen, dass er keine Gnade mit dir haben soll!" Meine Stimme brach, aber ich zwang mich, weiterzusprechen. „Und hör auf, mich wie ein naives Mädchen zu behandeln, dem du hier die Welt erklären kannst." Mein Kiefer verspannte sich weiter. „Ich bin nicht blöd! David, ich bekomme das alles mit!"
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