Kapitel 9

Lilian

Caleb hatte unser Date tatsächlich abgesagt. Per Nachricht. Aber viel schlimmer, naja eigentlich nicht wirklich, aber es machte mich doch sehr nervös: er wollte unser Date vorziehen. Auf Mittwoch - also auf übermorgen. „Och ist das süß", gab Harper entzückt von sich. Ich machte mich nur noch nervöser, als ich eh schon war. „Wie soll ich das denn machen?", fragte ich Harper leicht panisch und erklärte im nächsten Moment, „wir waren noch nicht shoppen und ich habe plötzlich nur noch halb so viel Zeit mich mental darauf vorzubereiten." Harper legte mir einen Arm um die Schulter. „Das wird schon Lili, wir gehen einfach morgen nach der Schule in die Mall, so wie es eh geplant war. Wenn du aufgeregt bist ist das vollkommen legitim. Selbst ich bin manchmal vor Dates mit James noch aufgeregt und das obwohl wir schon ewig zusammen sind. Du schaffst das schon." Harper war echt gut darin Leuten Mut zuzureden und ich war ihr in diesem Moment wirklich dankbar dafür. „Jetzt solltest du Caleb erstmal zusagen", schlug sie vor, „der wartet bestimmt schon gespannt auf deine Antwort." Ich ließ mich auf Harper fallen und umarmte sie ganz fest. Man war ich froh, dieses Mädchen meine beste Freundin nennen zu dürfen.

„Okay wir sollten jetzt echt mal schlafen gehen", schlug ich vor. Wir hatten die letzte Dreiviertelstunde eine Serie geschaut. „Ich hab morgen sieben Stunden, das halte ich ohne eine Portion Schlaf nicht aus." Harper lachte. Sie war häufiger von meiner Ausdrucksweise amüsiert, auch wenn ich daran jetzt nichts ungewöhnlich daran fand. Jedenfalls stimmte mir meine beste Freundin, zum Glück, zu. Wenig später machten wir uns fertig und ich schlief erstaunlich schnell ein.

„Lilian, steh auf", Harper rüttelte mich unsanft und ich grummelte ein ‚lass mich schlafen' in mein Kissen. „Jetzt beweg endlich deinen Hintern aus dem Bett, wir haben verschlafen", schimpfte Harper. Sofort war ich hellwach und wuselte durch mein Zimmer um mich fertig zu machen. Genauso wie Harper. „Wir haben Psychologie bei Mr. Bishop in der ersten Stunde, ich darf auf keinen Fall wieder zu spät kommen der Typ hasst mich", wurde ich panisch. Aufs Frühstück mussten wir verzichten, dafür war leider keine Zeit.

Um 20 vor 8 saßen Harper und ich im Auto. Wir hatten es tatsächlich geschafft, uns innerhalb von 10 Minuten fertig zu machen. Da James Harper gestern nach ihrem Date vorbeigebracht hatte und sie dementsprechend kein Auto hatte, fuhr ich heute. Meine Mum hatte mir ja extra das Auto dagelassen. Wir brauchten normalerweise 20 Minuten zur Schule, heute schafften wir es in 15. Wie? Das will man gar nicht wissen. Jedenfalls kamen wir gerade noch pünktlich in der Schule an und ließen uns erschöpft auf unsere Plätze fallen. „Erstaunlich, dass wir das überlebt haben und dann auch noch ohne einen Unfall", flüsterte Harper mir zu und schob dann noch hinterher, „stell mal vor deinem hübschen Gesicht wäre was passiert und du hättest morgen nicht auf dein Date mit Caleb gehen können." Als hätte dieser Kommentar alleine nicht gereicht, wackelte sie dann auch noch anzüglich mit den Augenbrauen. Dieses Mädchen war echt verrückt. Jedenfalls überstanden wir die beiden Stunden Psychologie ohne Mr. Bishops Zorn auf uns zu ziehen. In der Pause gingen wir schnell zum Starbucks, der glücklicherweise nur zwei Minuten von der Schule entfernt war und holten uns dort einen Frühstücksbagel und einen Frappucino.

„Viel Spaß bei Mathe", verabschiedete Harper sich von mir.

„Danke, dir viel Spaß bei Kunst, wir sehen uns in der Pause". Ich winkte Harper zum Abschied.

Ich würde mich nicht als den größten Fan von Mathe bezeichnen und ich hatte das Gefühl die Stunde heute ging noch langsamer um als sonst. Harper liebte im Gegenteil zu mir Mathe. Sie hatte Advanced Mathe gewählt, deswegen konnte ich mich nicht mal gemeinsam mit ihr durch diese Stunde quälen. Wie ich schon mal erwähnt hatte, ich war zwar nicht unbeliebt, aber auch nicht beliebt. Harper war eigentlich meine einzige Freundin. In Mathe saß ich neben Lia, sie war ein ebenso schüchternes Mädchen wie ich, aber eigentlich ganz nett. Wir unterhielten uns zwar nicht viel, aber wenn wir Aufgaben gemeinsam bearbeiten mussten, verstanden wir uns ganz gut.

„Wie kannst du nur Advanced Mathe gewählt haben und das auch noch mögen", beschwerte ich mich bei Harper, „es ist jedes Mal wieder eine Qual für mich!"

Harper lachte bloß, sie wusste genau, dass Mathe nicht wirklich mein Fach war. „Dafür hast du gleich Chor", versuchte sie mich aufzubauen.

„Ja und da darf ich mir dann zwei Stunden Kayla antun, die benimmt sich immer wie eine Diva, wenn sie ein Solo bekommt und das hat sie schon wieder."

Harper verdrehte die Augen.

Erst der dritte Durchlauf von ‚This is me' war so fehlerfrei, dass unsere Musiklehrerin zufrieden mit uns war. „Ich habe eine neue Aufgabe für euch", eröffnete Ms. Anderson uns nach einer kurzen Trinkpause, „ich werde euch in Zweiergruppen einteilen und ihr schreibt und präsentiert dann gemeinsam ein Duett." Ms. Anderson ließ eine Kunstpause, die wahrscheinlich auch dazu gedacht war, dass wir diese Nachricht verarbeitetn. „Die Gruppen habe ich schon eingeteilt und daran wird nichts geändert. Ich habe versucht Stimmen, die meiner Meinung nach harmonieren zusammen zu tun. Dabei sind die unterschiedlichsten Kombinationen rausgekommen und bei einigen bin ich echt gespannt, was sie daraus machen. Ich bin mir sicher wir können großes erwarten." Mein Magen drehte sich um. Ich hatte nicht damit gerechnet, jemals solo vor dem ganzen Kurs singen zu müssen, ohne mich vorher dazu gemeldet zu haben. Das ließ sich nicht wirklich gut mit meiner Schüchternheit kombinieren. Ms. Anderson begann dann die Gruppen vorzulesen, die sie sich offensichtlich sorgfältig auf einem Blatt notiert hatte. Gedanklich kreuzte ich die Finger und hoffte entweder mit Lia, neben der ich in Mathe saß, oder Tyler in eine Gruppe zu kommen. Die beiden waren die einzigen aus dem Kurs, die ich mochte und mit denen ich mich ganz gut verstand.

„Lia, du bist in einer Gruppe mit Mary, dann habe ich hier noch Kelly und Mike, Tyler und Jamie und Kayla und Lilian." Ich schluckte, das konnte nicht ihr ernst sein. Nicht. Ausgerechnet. Kayla. „Ich erwarte, dass jede Gruppe bereits am Freitag eine Idee präsentieren kann, dazu werdet ihr euch sicher auch privat treffen müssen, aber das dürfte ja nicht zu viel verlangt sein. In vier Wochen ist dann die Abnahme. Ich freue mich schon auf die Ergebnisse und erwarte von einigen großes", Ms. Andersons Blick blieb an Kayla und mir hängen.

Nach der Stunde beeilte ich mich aus dem Raum zu kommen, schließlich wollten Harper und ich uns am Auto treffen um in die Mall zu fahren. „Warte mal Lilian", ich wurde am Arm festgehalten. Als ich mich umdrehte blickte ich in Kaylas Gesicht. „Hör zu, ich weiß du magst mich nicht besonders und ich kann das komplett nachvollziehen, aber ich will wirklich eine gute Note bekomme, also können wir uns bitte zusammenreißen und daraus das Beste machen?" Ich war etwas erstaunt davon, wie vernünftig das klang, was da aus Kaylas Mund kam. Ich zuckte mit den Schultern: „Meinetwegen. Aber dann erklär mir bitte, was für ein Problem du mit mir hast, warum du immer so fies zu mir bist", entgegnete ich ihr dann. Sie schaute mich etwas verwirrt an. „Hast du zufälligerweise Donnerstag nach der Schule Zeit? Dann können wir in Ruhe darüber reden und vielleicht schon mal mit der Aufgabe anfangen", schlug Kayla vor. Ich nickte. „Ich muss jetzt aber echt los also bis Donnerstag", verabschiedete ich mich mehr oder weniger nett. Das war echt verrückt.

„Da bist du ja endlich! Ich warte schon seit 10 Minuten", begrüßte Harper mich, „ab in die Mall!" „Du wirst nicht glauben, was passiert ist", eröffnete ich Harper. Dann erzählte ich ihr von Ms. Andersons Aufgabe. „Naja, jedenfalls bin ich jetzt mit Kayla in einer Gruppe und sie hat mich nach der Stunde aufgehalten, weil sie noch mit mir reden wollte. Komischerweise war sie ganz anders als sonst, viel", ich konnte selbst nicht glauben, dass ich das sagte, „netter." Harper schaute mich erstaunt an. „Wow", mehr brachte sie nicht raus.

„Schau mal, das ist doch total süß", Harper hielt ein rotes Sommerkleid mit Spaghettiträgern und Blumenmuster hoch. „Das ist ein bisschen zu...", ich suchte nach dem richtigen Wort, aber mir fiel keins ein. Harper schien das relativ wenig zu interessieren, sie hing sich das Kleid über den Arm und schaute weiter. Nach einer halben Stunde Klamotten aussuchen verschwand ich in die Umkleide, während Harper sich auf einen großen Sessel schräg gegenüber plumpsen ließ. Als erstes zog ich ein schwarzes Off-Shoulder-Kleid an, das aber leider gar nicht saß. Danach folgten noch zwei Kleider und ein Rock. „Jetzt zieh mal das rote Kleid an", flehte Harper und ich gab nach.

„Man sieht das gut aus", meinte Harper und ich musste ihr Recht geben, das Kleid war total schön und passte gut zu meiner Figur. Allerdings war es ganz anders als meine normalen Klamotten. Ich zog noch die restlichen Sachen an und entschied mich am Ende tatsächlich für das rote Kleid, allerdings würde ich das nicht zum Date mit Caleb tragen. Dafür hatten Harper und ich eine kurze Jeans-Latzhose und ein weißes T-Shirt gefunden. Das konnte ich dann mit meinen heißgeliebten weißen Chucks und einem Cardigan oder meiner Lederjacke kombinieren.

„Ich bin echt stolz auf dich, dass du das rote Kleid gekauft hast wir werden deinen Kleiderschrank jetzt nach und nach aufpimpen", freute Harper sich. Sie hatte zwar kein Problem damit, wie ich mich anzog aber sie fand, dass ich auch ein paar gewagtere Looks probieren sollte.

Zuhause angekommen kochten wir und machten uns dann einen entspannten Spa-Abend während wir noch unsere Hausaufgaben erledigten.

***

„Bald ist es soweit", kreischte Harper mir ins Ohr, als ich sie nach der sechsten Stunde am Auto traf. Meine Nervosität hatte sich seit heute morgen immer mehr gesteigert und ich war echt ein wenig am Verzweifeln. In ein paar Stunden war schon mein Date mit Caleb und bereit war ich definitiv nicht. Harper und ich hatten uns zwar früher mal ausgemalt, wie das so wäre, aber da hatten wir nicht dran geglaubt, dass es jemals in der Realität stattfinden würde. Ich war schon verdammt froh, dass Harper, wie die letzten Tage auch, wieder mit zu mir kommen und erst fahren würde, wenn Caleb mich abholte. So konnte sie mich wenigstens noch beruhigen.

Wir aßen erstmal in Ruhe und schauten dann nebenbei einen Film, während wir die Küche machten.

„Okay, ich würde mal sagen du machst dich langsam fertig", schlug Harper vor. Inzwischen war es kurz nach vier und Caleb wollte mich um halb sieben abholen. Das kam mir zwar vor, als wäre es sehr viel Zeit zum Fertigmachen aber ich sagte nichts und sprang unter die Dusche. Danach ließ ich meine Haare lufttrocknen, dann sahen meine Locken immer am schönsten aus. Währenddessen schminkte ich mich ganz leicht. Harper meinte immer, man könne es nicht als richtiges Schminken bezeichnen, da ich meistens bloß ein bisschen Wimperntusche und manchmal auch Puder auftrug, aber ich mochte diesen natürlichen Look am liebsten. Nachdem ich mit Schminken fertig war und auch meine Haare sich fast ganz trocken anfühlten, zog ich dann mein gestern gekauftes Outfit an. Dann ging ich runter zu Harper ins Wohnzimmer und ließ mich neben ihr auf die Couch fallen, sie schaute gerade ‚The Society'. Ich kannte die Staffel schon, aber schaute trotzdem mit.

„Er ist da", rief Harper aufgeregt als es klingelte. In mir machte sich wieder Nervosität breit und Harper legte mir bestärkend eine Hand auf den Arm, als ich die Tür öffnete. 

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