*(20) Herzschläge*

Sein Herz spielt die schönste Musik.

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Sowie letzte Woche, war Finn auch an diesem Montagmorgen damit beschäftigt, Alisha und mir von seinem Wochenende mit Nick zu erzählen.

„Er hat mir sogar mit den Hausaufgaben geholfen, damit ich mehr Zeit für ihn habe", grinste er, nachdem er uns detailgetreu geschildet hatte, dass Nick ihn nach allen Regeln der Kunst verwöhnte und bediente. Das Ganze kam meiner Vorstellung eines Sklaven schon sehr nahe.

Alisha war ein wenig misstrauisch. Würde ich Nick nicht kennen, ginge es mir damit wahrscheinlich genauso. Dieser Typ klang zu perfekt, um wahr zu sein. In Wahrheit hatte er sicherlich genauso wie jeder andere auch genügend Ecken und Kanten. Nur die erwähnte Finn nicht – oder er war zu blind vor Liebe, um sie zu sehen.

„Mit Liebe überschütten ist der erste Schritte von einem Narzissten, wenn sie ein Opfer gefunden haben."

„Lalala, ich höre nur Verbitterung und Einsamkeit", sang Finn.

Alisha zuckte mit den Schultern. „Ich wollte es bloß gesagt haben."

Das Gespräch war schnell beendet, als eine Gestalt auf Finn zurannte. Einzig, dass ich ihn erkannte, hielt mich davon ab, ihm das Bein zu stellen, bevor er Finn erreichen konnte.

So machte ich einen Schritt zur Seite und lehnte mich an den Tisch, an dem Alisha saß, um Nick mehr Platz zu geben und schaute dabei zu, wie er Finn mit einer Umarmung überfiel und ihm dabei einen Kuss auf die Wange drückte.

Im ersten Moment schrie Finn auf und wehrte sich, aber, sobald er Nick erkannt hatte, atmete er auf und ließ sich gegen ihn sinken.

„Mann, du hast mich erschreckt!"

„Erschrecken war nicht die Absicht. Eher überraschen. Freust du dich?"

Finn schüttelte den Kopf, lächelte aber dabei. „Natürlich freue ich mich. Dein Gesicht lässt die Welt viel schöner aussehen."

„Was ein Kompliment", lachte Nick.

Ich konnte genau sehen, wie sein Blick auf Finns Lippen fiel. Finn merkte das auch. Sein Lächeln verstärkte sich, er stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte seinen Mund in seinem keuschen Kuss auf Nicks.

„Hey."

Es war nur ein Wort, doch zu wissen, von wem es kam und zu spüren, wie knapp er dabei neben mir stand, versetzte meinen gesamten Körper in Alarmbereitschaft.

„Hey." Ich lächelte Damian an.

Er lehnte sich neben mir an den Tisch. Alisha schaute ebenso verwundert zwischen Damian und mir hin und her wie zwischen Finn und Nick.

„Fuck, sind die nervig", brummte Damian, mit seinem Blick auf seinen Pflegebruder und meinen besten Freund.

Nick hatte sich so weit runtergebeugt, dass seine Stirn an Finns lag. Es sah so aus als kämpften sie darum, wer wem zuerst einen Kuss abluchsen konnte. Selten blieb es nur bei kleinen Küssen. Ihre Lippen schmolzen sofort zusammen, wenn sie sich einmal berührt hatten.

Ein Gewicht auf meiner Schulter ließ mich zurück zu Damian schauen. Er stand an meiner linken Seite und lehnte seinen Kopf an mich. Seine Augen waren geschlossen und ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen.

„Woran denkst du?", fragte ich ihn leise.

„Gar nichts. Ich höre zu."

„Was hörst du?"

Er nahm den Kopf wieder von meiner Schulter, richtete sich auf und stellte sich so nah zu mir, dass er mir ins Ohr flüstern konnte: „Immer, wenn Nick und Finn sich küssen, haben ihre Herzen den gleichen Rhythmus."

Ich war gefesselt von dem Lächeln auf Damians Lippen. Er wirkte so offen. So nahbar. So warm.

Obwohl er behauptete, dass Finn und Nick ihn nervten, merkte ich deutlich, dass er es genoss, was auch immer zwischen den beiden war, auf seine Weise zu erleben. Zu hören, wie sich ihre Herzen einander anpassten... Das war etwas, das nur er konnte. Es war Teil einer Welt, die für niemand anderen zugänglich war.

„Wie gehst du damit um? Für mich ist es manchmal in der Mensa schon zu laut und zu chaotisch, wenn alle durcheinanderreden... Wie geht es dir damit?"

„Das interessiert dich?" Er versuchte, die Frage spaßig rüberzubringen. Genau das war es, das es mir erlaubte, auf die Unsicherheit dahinter zu sehen.

„Ich würde mich schon fast als obsessiv bezeichnen."

Ich schaffte es nicht, mein Grinsen zurückzuhalten, als er seine Wortwahl wiedererkannte und sich seine Augen leicht weiteten.

„Versuch lieber nicht, einen Wettbewerb daraus zu machen", sagte er gespielt unberührt. „Du würdest verlieren."

Ich lachte, sowohl über die Herausforderung als auch die Überzeugung, mit der er seine Ansage rüberbrachte.

„Du hast einen unfairen Vorteil. Sonst hättest du keine Chance gegen mich."

„Hätte hätte Fahrradkette. Finde dich damit ab, dass ich in allem besser bin als du. Das erspart dir Enttäuschungen."

„Du musst nicht aus allem einen Wettbewerb machen."

„Das sagen Verlierer immer."

Ich verdrehte die Augen, weigerte mich aber, weiter darauf einzugehen. Zumindest, bis ich etwas gefunden hatte, in dem ich besser war als er.

„Okay, du hattest recht. Damian stehst sowas von auf Marlon. Und Marlon steht auf Damian."

Finns gescheitertes Flüstern ließ mich meinen Blick von Damian losreißen und zu ihm richten. Er stand mir, händchenhaltend mit Nick, gegenüber und riss die Augen auf, als er registrierte, dass ich ihn gehört hatte.

„Was? Ist doch offensichtlich!", versuchte er sich zu verteidigen. „Alisha, hilf mir!"

Sie hob abwehrend eine Hand. „Ich versuche noch zu verarbeiten, dass dein Typ tatsächlich mal gut aussieht. Probs."

„Danke, glaube ich?", lachte Nick unsicher.

Damian interessierte sich nicht für Alisha oder Nick. Er stieß mich mit seinen Ellenbogen an. „Nicht nervös werden. Sonst fange ich noch an, Finn zu glauben."

Natürlich wurde ich nervös. Finn hatte Recht. Damian wusste das ganz genau. Dass er es nicht ernstnehmen wollte, änderte nichts daran, dass es wahr war.

„Okay, Finley, verabschiede dich von deinem Anhängsel. Wir müssen gleich rein", meinte Alisha und packte ihre Schulsachen zusammen.

Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu, den sie gespielt ahnungslos erwiderte, während sie ihre Tasche schulterte.

„Wenn du mir eine Leine anlegst, können wir vielleicht so tun als wäre ich dein Therapiehund", schlug Nick Finn vor. „Dann kann ich mit dir in die Schule gehen."

„Ja zur Leine, nein zum Mitkommen. Sei froh, dass du dir die Scheiße hier nicht geben musst. Sei frei. Leb dein Leben. Genieß es." Finn strich sich eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel.

Nick zog einen Schmollmund und ließ seine Hände an Finns Taille entlang zu seinem Rücken wandern, um ihn zu umarmen. „Du bist so tapfer. Soll ich dich nachher abholen? Dann gehen wir zusammen was Schönes essen und vielleicht eine Runde in die Stadt?"

„Leine kaufen?", grinste Finn schmutzig.

„Wenn du willst."

Finn nickte sofort enthusiastisch.

„Okay, mehr von dieser Verabschiedung kann und will ich mir nicht geben." Damian stieß sich vom Tisch ab, klopfe am Vorbeigehen auf Nicks Schulter und schlenderte zum Gebäude.

Ich unterdrückte meinen ersten Reflex, ihm zu folgen und drückte mich an die Tischkante.

Nick und Finn verabschiedeten sich durch Küsse, mehrere Umarmungen und nicht jugendfreies Getuschel.

Schließlich rissen Alisha und ich Finn kurz vor Beginn der Stunde aus Nicks Armen und schleppten ihn hinter uns her.

Nick stand da wie ein verlorener Welpe, während er uns winkte. Finn verlor immer mehr von seinem Strahlen, je weiter er sich von Nick entfernte.

„Was macht dein Freund eigentlich den ganzen Tag?", fragte Alisha Finn.

„Er schreibt Hausarbeiten. Dann hat er zwei Wochen frei und dann muss er wieder studieren."

„Was studiert er?"

„Politikwissenschaft."

„Ohh", Alisha verzog ihr Gesicht, „Red flag."

„Wie kann ein Studiengang eine Red flag sein?"

Sie kam nicht dazu, ihm zu antworten, da wir gerade das Klassenzimmer erreichten. Wir schlüpften genau in dem Moment, in dem Herr Gauck die Tür zuziehen wollte, in den Raum und eilten zu unseren Plätzen.

Er musterte uns missbilligend, sagte aber nichts.

Damian lehnte wie immer an seiner Wand und schaute zu mir.

Diesmal blieb es nicht bei einem leeren Ausdruck. Sobald sich unsere Blicke trafen, begann er zu grinsen.

Ich hob herausfordernd die Augenbrauen und ließ den Anstarr-Wettbewerb beginnen.

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