Blumen - Das Leben, nach dem ich mich gesehnt hatte.
×Das Leben, nach dem ich mich gesehnt hatte.×
Als Jonas auf mich zukam, mit diesem Grinsen, das ich in diesem Moment eher weniger gebrauchen könnte, spürte ich mein Herz in die Hose rutschen. Das Gefühl der Aufregung wurde nicht weniger. Viel mehr wechselte es zur Nervosität. Marius musste heute auch unbedingt bei Ju sein und beim Dreh helfen, weshalb er mir nicht bestehen konnte. Dieses Event hatte so viele YouTuber hierhin gelockt, so auch mich. Kein Wunder, hier durfte jeder YouTuber sein Talent bezüglich der Musik beweisen. Es gab keinen Gewinn, einfach just for fun. Sobald DAT ADAM mit ihrem Auftritt fertig waren, käme ich an die Reihe. Die waren doch viel besser als ich. Allein mit welcher Attitüde sie alles angingen, beneidenswert. Diese Meute wartete darauf, dass ich nach ihnen meinen Song spielte. Das wäre mein erster Live-Auftritt, weswegen mich auch die Zweifel überkamen. In meinem Studio konnte ich meine Stimme leicht bearbeiten oder Stellen neu aufnehmen. Doch hier bekam jeder meine Fehler mit. Die viel zu hohen Noten, das Abbrechen meiner Stimme, einfach alles. Luna neben mir redete ein wenig mit Jonas, wegen dem Ablauf, ehe sie sofort den Auftritt filmte. Dieses Grinsen, das sie auf den Lippen hatte, erinnerte mich an Zora. Plötzlich hatte ich dieses Bild vor Augen, wie sie mir aufmunternd zulächelte, wie sie mich glücklich machte, obwohl sie das nicht war. Nun war sie über alle Berge, hatte mich alleine gelassen. Ich nahm es ihr mittlerweile nicht einmal übel, denn, um ehrlich zu sein, konnte ich sie verstehen. Niemand würde ein emotionales Wrack daten wollen. Niemand.
,,Der nächste Star unter uns, ihr kennt ihn, Leute - Es ist niemand geringeres als Lu zu dem Kas! Begrüßt mit mir Lukas Litt auch bekannt als Lukas, der Rapper."
Diese euphorische Ansage von Jonas ließ mich aufschrecken. Nun war es sowieso zu spät. Ich schluckte. Eine Hand legte sich zaghaft an meine Schulter und ich zuckte vor Schreck zusammen. Luna lächelte mich an und wünschte mir viel Spaß. Kein Glück, Spaß. Genau das sollte ich haben. Keine Zeit, um Trübsal zu blasen. Musik machte mich glücklich und das wollte ich weitergeben! Für diese Worte war ich Luna etwas schuldig. Mit neuer Kraft, guter Laune, ging ich schnurstracks auf die Bühne. Die Musik spielte, während ich mich noch auf den Stuhl setzte. Der letzte Takt und mein Einsatz kam.
,,Seit Jahren durchlebe ich diesen Blockbuster. Immer auf der Suche nach dem Menschen, der mein' Kopf pflastert", begann ich zu singen.
Es waren nur noch die Musik und ich. Der Schweiß, in dem ich nahezu schwamm, da ich nur an mir zweifelte, geriet in Vergessenheit. Die Augen geschlossen, verspürte ich jeden Ton, jede Note, jeden Akkord. Mein Oberkörper vibrierte zu dem Klang meiner Stimme. Den Leuten, die meinen Namen riefen, schenkte ich keine Beachtung. Die Crowd war wie Luft. Erst, als ich ,,Willst du mit mir sterben?" zu Ende sang, öffnete ich die Augen. Das Gejubel, die Tränen in den Augen der Zuschauer. War es das, was ich erreicht hatte? War das das Leben, nach dem ich mich gesehnt hatte? Wenn dem so war, warum fühlte ich diese Unvollkommenheit? Ich war verwirrt. Nun hatte ich all das erreicht mit Musik, sah Bestätigung in den Augen der Zuschauer, aber war dennoch unzufrieden. Irgendwie konnte ich mir nicht erklären, woran das lag. Noch bevor ich die Bühne verlassen hatte, starrte mich diese Frau an. Sie war in der vordersten Reihe, um genau zu sein, vor der Absperrung und zeigte keine deutbaren Emotionen. Die Augen zu Schlitzen verzogen und die Augenbrauen zusammengezogen - sah ziemlich gruselig aus, wenn ich das anmerken durfte. Meine Musik musste nicht jedem gefallen, doch diese Mimik verunsicherte mich. Kopf schüttelnd rannte ich hinter die Bühne. So schnell die Erleichterung auch da war, so schnell verging sie auch wieder. Die Sachen gepackt, das Ticket nicht vergessen und es konnte wieder zurück gehen. Trautes Heim, meins allein. Auf Glück konnte ich getrost verzichten. In meinem Leben existierte sowas nicht. Ganz einfach.
Am Bahnsteig empfingen mich paar Zuschauer. Die Einen verrückt, die Anderen wiederum normal. Ich schoss hier und da ein paar Fotos, vergab Autogramme, während ich auf meinen Zug wartete. Unter den ganzen Leuten war auch sie. Die junge Frau, die mich so komisch angesehen hatte. In meinen Augen war sie total schön, aber ich verglich sie gedanklich mit Zora. Das tat ich bei jedem Mädchen, dem ich begegnete, weil sie die Einzige für mich war. Ihr dunkles Haar fiel ihr glatt über die Schultern, während ihre braunen Augen mich anfunkelten. Zora war schön mit ihrem lateinamerikanischen Auftreten, aber irgendwie empfand ich diese seltsame Frau als natürlicher.
,,Hallo", sagte sie.
,,Hallo", sagte ich.
Dann schwieg sie. Deswegen schwieg auch ich. Dies ging einige Minuten so weiter, deshalb wippte ich mit dem Fuß auf und ab.
,,Mein Zug kommt gleich", log ich, damit sie endlich aussprach, was sie von mir eigentlich wollte.
,,Wer?"
,,Ich verstehe nicht?"
,,Wer hat dir dein Herz gebrochen, dass diese besonderen drei Worte dir nichts mehr bedeuten?"
Überrascht starrte ich ihr entgegen. Sie hatte also nachgedacht. Mein Song hatte sie zum Nachdenken gebracht - das war wundervoll. Dieses Gefühl von vorhin war wie weggeblasen. Diese Unvollständigkeit wurde durch ihre Worte gefüllt. Doch konnte ich ihre Frage nicht beantworten, der Schmerz saß viel zu tief. Ihre Neugierde allerdings war nicht nervig, viel mehr angenehm. Sie wählte ihre Worte mit Bedacht, wenn sie nicht gerade wortkarg war.
Als sie merkte, dass ich nicht Antworten würde, fragte sie:,,Hat sie dir zu viel bedeutet?"
Meine Antwort ließ auf sich warten, denn ich wusste nicht, wie ich ihr das am Besten weis machen konnte. Aber mir konnte das auch niemand übel nehmen, weil man so eine Frage nicht alle Tage gestellt bekam.
,,Ein Mensch kann nicht zu bedeutsam sein. Solange ein Mensch dir irgendwas auch nur ansatzsweise bedeutet, ist der Abschied schmerzhaft."
Meine Stimme war gegen Ende nur noch ein Krächzen, weil meine eigenen Worte und die Erinnerungen an Zora mir die Kehle zuschnürten. Sie hatte mir alles bedeutet, aber für sie war ich nichts.
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Das ist das Spin-Off zu ,,Anders"!
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