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"Rette dich! Los lauf schon", brüllte Horst mir zu. Ich konnte nicht. Wie angewurzelt stand ich da und malte mir die Folgen aus. Ich konnte nicht anders als die grausame Szenerie mit schreckgeweiteten Augen zu beobachten. Lebende Tote und Horst mitten unter ihnen. Er schaute noch einmal kurz zu mir, er hatte mich schon aufgegeben. Er rannte zur Friedhofskapelle ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen. Die Skelette folgten ihm und ich stand alleine mitten auf dem Friedhof.

Die Kapellentür fiel ins Schloss, doch auch das hielt die Skelette von nichts ab. Sie folgten Horst und ich konnte nur zusehen wie sie einer nach dem anderen über die Schwelle stiegen. Plötzlich flog mit einem Knall die Hintertür auf und Horst rannte hinaus. Das Geräusch der schlagenden Tür erweckte mich aus meiner Starre. Horst blickte kurz zu mir und ich nickte im zu. Dann preschten wir los, verfolgt von acht mehr oder weniger lebendigen Gerippen inmitten der dunklen Nacht. Ich wusste nicht wohin wir rannten aber wir rannten so schnell wie wir nur konnten. Trotzdem machte keines der Skelette halt und sie zeigten auch keinerlei Erschöpfung (was auch ziemlich schwierig ist, wenn man weder Herz noch Lunge besitzt). Orientierungslos stolperten wir durch ein kleines Wäldchen im Stockfinstern, eine Wolke hatte sich vor den Mond geschoben.

Plötzlich gab es einen lauten  Schlag, wie wenn man einen Schürhaken gegen einen großen Kupferkessel schlägt, nur viel, viel lauter. Eine Glocke, das musste es sein. Dann hörte ich ein lautes Knacken hinter mir. Ich blieb stehen und drehte mich um. Auch Horst hielt an. Wir blickten auf acht eimergroße, weiße Staubhaufen. Ich musste mich setzen. Die Glocke läutete weiter.

Nach unserer stillen, nach Atem ringenden Pause auf dem Waldboden meldete ich mich zu Wort. "Der Gong, dieses Geräusch oder was auch immer das war... Der, der das gemacht hat... er hat uns das Leben gerettet." Horst nickte nur stumm und blickte zum Mond hinauf. Die Wolken hatten sich verzogen und es war taghell in dem kleinen Wald. Anklagend lagen die weißen Staubhaufen vor uns.

"Ich glaube, wir sollten nach Hause gehen und das Ganze, nun ja..., mehr oder weniger vergessen. Naja aber ich glaube das geht nicht. Lieber erst einmal nicht weitererzählen!", schloss Horst mit brüchiger Stimme. Ich überlegte zuerst, ob ich ihm jetzt einen Vortrag darüber halten solle, dass wir jetzt kurz vor des Rätsels Lösung standen, aber ich war zu müde. Sollte Friedrich doch weg sein. Seine Schuld, wenn er nicht zurückkommt. Eigentlich sollte ich mir Vorwürfe machen,  dass ich gerade so über ihn dachte, doch dazu fehlte mir die Kraft.

Ich zuckte mit den Schultern, dann nickte ich leicht. Mir war es in diesem Moment egal, wie wir bei unserer Rückkehr erklären sollten, warum wir acht Leichentücher dabeihatten und dass wir deswegen vielleicht wegen Grabesschändung angeklagt würden. Geschweigedenn, dass uns irgendjemand die Geschichte glauben würde, falls wir sie  erzählen würde. Es war mir alles egal, ich war müde und wollte einfach nur in mein warmes Bett. Über heute Nacht würde ich mir morgen Gedanken machen.

Wir trotten still in Richtung Dorf und hingen schweigend unseren Gedanken nach. Da hörte ich Schritte hinter uns. Mein Herz stockte. Nicht noch mehr Skelette, bitte nicht!


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