Kapitel 26
Amaliel
Es war mitten in der Nacht und ich konnte nicht schlafen. Stattdessen wälzte ich mich von einer Seite auf die nächste und starrte auf die Schemen des Regals neben mir, das sich hoch auftürmte und mich zerquetschen wollte. Durch das Fenster des Gartenhauses schien der Mond auf mein Gesicht. Nur seine feine Sichel war zu erkennen, hin und wieder verdeckt durch Schleierwolken.
Es war die Nacht auf Sonntag und weder zu warm zum Schlafen noch prasselte Regen unablässig aufs Dach. Aber ich fühlte mich innerlich so unruhig, dass ich auch nach mehreren Stunden hellwach dalag.
Ich sehnte mich nach Delian, wollte diesem Drang aber nicht nachgeben, wollte mich nicht ins Haus wagen, in dem mich jederzeit seine Eltern finden könnten. Wenn es wenigstens seine Mutter war, könnte ich mir noch eine Erklärung einfallen lassen, aber bei seinem Vater wäre ich geliefert.
Nach weiteren langen Minuten des schlaflosen Herumwälzens setzte ich mich auf. Meine müden Glieder protestierten, sie sehnten sich nach dem Schlaf, den ich nicht fand. Delian war meine einzige Hoffnung, heute doch noch schlafen zu können und nicht von meinen Gedanken überwältigt zu werden.
Die Tür knarzte, als ich sie öffnete, und ich stand einige Sekunden starr in der angenehmen Kühle des Gartens und wartete darauf, dass jemand mich entdeckte. Niemand kam.
So unauffällig wie möglich huschte ich über das trockene Gras auf das Haus zu, das groß und dunkel vor mir lag. Es schien, als sei niemand wach.
Den Code an der Gartentür konnte ich inzwischen im Schlaf – nicht nur, weil es sich dabei um Delians Geburtsdatum handelte. Mit einem leisen Knacken entriegelte sich die Tür und ich schob sie erleichtert auf.
Schon war ich im Haus. Jetzt nur noch die Wendeltreppe nach oben und möglichst leise ...
Das Licht in der Küche ging an und ich erfror mitten in der Bewegung. Nein, nein, nein, das konnte nicht wahr sein.
Warum – verdammt – hatte ich nicht bemerkt, dass jemand im Haus wach war? Warum hatte ich nicht genauer geschaut, bevor ich die Tür geöffnet hatte?
Langsam drehte ich den Kopf in die Richtung der Lichtquelle. Vielleicht hatte die Person mich nicht gesehen und ich konnte mich verstecken. Vielleicht war es Delian und alle Sorge war unbegründet.
Doch als meine Augen sich an das grelle Licht gewöhnt hatten, blickte ich direkt in das Gesicht von Delians Vater. Zumindest vermutete ich, dass es sein Vater war; ich hatte ihn bisher noch nie gesehen. Er hatte dunkle Haare und Locken wie Delian, nur waren seine an den Seiten schon von silbernen Strähnen durchzogen.
»Wusste ich doch, dass ich jemanden durch den Garten habe schleichen sehen«, sagte er mit einem zufriedenen Unterton. »Gut, dass ich in manchen Nächten nicht gut schlafen kann.«
Ich war zu geschockt, um etwas zu erwidern, stand immer noch erstarrt neben der Tür. Ich wusste, ich sollte irgendetwas sagen, diese Situation erklären, aber ich konnte nicht.
»Wobei ich mich frage, wie ein Einbrecher an unser Passwort kommt, aber das werde ich schon noch erfahren«, redete er weiter.
Meine Augen wurden bei seinen Worten groß. Das war es, wofür er mich hielt. Für einen Einbrecher. »I-I-Ich bin kein ... E-Einbrecher.«
Nicht jetzt, bitte nicht jetzt. Ich ballte die Hände zu Fäusten und grub meine Fingernägel in die weiche Haut meiner Handflächen, um mich laut wegen meines Stotterns aufzuregen.
»Kein Einbrecher?«, fragte Delians Vater und hob die Augenbrauen. »Warum schleichst du dann mitten in der Nacht durch mein Haus? Dazu noch komplett schwarz gekleidet. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Ich rufe die Polizei.«
»N-Nein, bitte. I-Ich ...«, stammelte ich, um ihn von seinem Vorhaben abzuhalten. Es war hoffnungslos, ich wusste es. Ich war aufgeflogen.
»Was sagst du? Sprich gescheit, Junge. Das Stottern versteht kein Mensch.« Er holte sein Handy hervor und deutete auf einen der Stühle am Esstisch. »Setz dich da hin und halt die Klappe.«
Wie automatisch bewegten sich meine Beine auf den Stuhl zu und ich setzte mich. Ich brachte kein Wort mehr heraus, kein verdammtes Wort. Und das nur, weil er auf meinem Stottern herumhacken musste und ich mich verdammt nochmal nicht wehren konnte.
Ich blieb still, als er den Anruf tätigte.
Resignation legte sich wie ein Schleier über mich und schirmte mich von meiner Umgebung ab, sodass ich kaum mitbekam, wie sich einen Stock höher eine Tür öffnete und Delian erschien.
»Was ist los?«, fragte er schlaftrunken. Er sah so verwirrt aus, ich wollte nicht, dass er das hier mitbekam. Doch ich konnte nicht verhindern, dass sein Vater ihm antwortete.
»Ich war hier unten und habe diesen Einbrecher auf frischer Tat ertappt. Die Polizei ist schon unterwegs, du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, erzählte er und klang auch noch stolz dabei.
Delians Blick wanderte langsam zu mir und von einer Sekunde auf die andere wirkte er hellwach. »Nein. Papa, nein. Das ist doch kein Einbrecher.« Er rannte die Stufen so schnell nach unten, dass ich Angst bekam, er würde fallen und sich etwas brechen. »Das ... das kannst du doch nicht tun.«
»Delian.« Sein Vater war wieder ernst geworden und stoppte seinen Sohn mit einer Hand auf der Schulter, als dieser an ihm vorbei zu mir wollte. »Dann sag mir, wer das ist und warum er mitten in der Nacht in unser Haus eindringt.«
»Er ...« Delians verzweifelter Blick traf auf meinen und endlich schien ich wieder aus meinem Meer der Hoffnungslosigkeit aufzutauchen. Innerhalb von einer Sekunde stürzten tausende Gedanken auf mich ein; die Angst davor, was jetzt passieren würde. Die Angst, Delian zu verlieren, weil die Polizei mich mitnahm. Die Angst davor, was zuhause auf mich warten würde. Und da würde ich definitiv hingehen, wenn die Polizei herausfand, wer ich war.
Delian schüttelte den Kopf und riss sich von seinem Vater los, um die letzten Schritte zu mir zu laufen. Bevor er irgendetwas sagen konnte, lenkte ein Geräusch am oberen Ende der Treppe unsere Aufmerksamkeit auf sich. Dort stand jetzt Delians Mutter und schaute erschrocken drein.
»Was ist denn hier los?«, fragte sie und machte sich auf den Weg zu uns nach unten. »Delian, was macht Mali denn hier?«
»Du kennst ihn auch?«, rief Delians Vater entsetzt. »Ich dachte, er wollte bei uns einbrechen. Was ist hier eigentlich los? Wer bist du?«
Ich wusste, ich würde kein Wort herausbekommen, ohne zu stottern, so schaute ich nur zu Delian, der neben mir stand, und richtete mich auf. Es fühlte sich komisch an, als Einziger zu sitzen.
Delian hielt den Kopf gesenkt und biss sich auf die Unterlippe, ich spürte seine innere Zerrissenheit. Doch ich konnte nichts tun, um ihn zu beruhigen, ohne uns zu verraten.
»Das ... das ist Mali«, sagte er leise und griff nach meiner Hand. In der Sekunde Stille, die folgte, drückte ich sie und versuchte, ihm Halt zu bieten.
»Delian ... sag mir, dass es nicht das ist, wonach es aussieht.« Die Abwertung, die Delians Vater uns entgegentrug, traf mich tief ins Herz und ich drückte Delians Hand fester.
»Wäre es denn so schlimm, wenn es genau das ist?«, fragte er mit überraschend fester Stimme. Ich war diesen kurzen Moment unendlich stolz auf ihn, weil er es schaffte, sich seinem Vater so offen entgegenzustellen.
»Ja«, antwortete dieser und der unverhohlene Groll in seiner Stimme zerriss etwas in mir. Delian zuckte zusammen und ballte die freie Hand zur Faust.
Delians Mutter sog erschrocken die Luft ein. »Sag doch so etwas nicht. Das ist dein Sohn.«
»Dann soll er so etwas nicht tun«, zischte sein Vater und starrte mich an, als wäre ich schuld an der ganzen Sache. Als hätte ich seinen Sohn verführt. »Mein Sohn ist nicht schwul, so habe ich ihn nicht erzogen.«
»Dann muss ich dich enttäuschen«, meldete Delian sich wieder zu Wort und reckte das Kinn. »Ich bin schwul und Mali ist mein Freund.«
Sein Vater wollte schon zu einer Erwiderung ansetzen, als es an der Tür klingelte. Einen Moment erstarrten alle, waren verwirrt, wer mitten in der Nacht etwas von uns wollte. Dann fiel uns wieder ein, dass es die Polizei sein musste.
»Ich mache auf«, sagte Delians Mutter leise und machte sich auf den Weg zur Haustür. Sein Vater starrte uns weiter nieder und verschränkte die Arme vor der Brust.
»... kein Einbrecher. Aber es wäre besser, wenn Sie reinkommen. Die Situation ist gerade sehr angespannt«, hörte ich Lias Stimme, die sich rasch wieder näherte. Im Schlepptau hatte sie zwei Polizisten.
Der jüngere der beiden begrüßte uns und sah sich in der Runde um. »Wer ist denn hier der vermeintliche Einbrecher?«, fragte er.
Zögerlich hob ich die freie Hand. Es fühlte sich falsch an, sich als Einbrecher zu bezeichnen. Ich war mir sicher, dass die beiden Polizisten meinen rasend schnellen Herzschlag bemerken mussten.
»Kannst du uns über die Situation aufklären?«
Mit zusammengebissenen Zähnen schüttelte ich den Kopf. »I-Ich s-s-stottere zu sehr«, schob ich noch hinterher. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich es heute noch unter Kontrolle bringen würde.
»Dann kann ich das ja tun«, sagte Delians Vater zufrieden und ich musste mich zurückhalten, um nicht mit den Augen zu rollen. »Ich konnte heute Nacht so schlecht schlafen und bin deswegen hier runter. Dann habe ich eine Gestalt im Garten herumschleichen sehen und im Dunkeln gewartet, was sie wohl machen würde. Er kannte wohl das Passwort für unsere Verriegelung der Terrassentür und ist so reingekommen. Dann habe ich ihn gestellt.«
Der Polizist nickte, notierte sich etwas in seinem Notizbuch. »Aber du bist kein Einbrecher?«, fragte er an mich gerichtet.
Ich schüttelte den Kopf.
»Er ist mein Freund«, bestätigte Delian nochmal mit kräftiger Stimme. Ich war froh, dass er das Reden für mich übernahm.
Sein Vater schnaubte abwertend, was dem zweiten Polizisten sofort auffiel. »Ich nehme an, Sie wussten nichts davon?«
»Nein, und ich heiße es auch nicht gut.«
Ich musste mich zurückhalten, nicht den Kopf darüber zu schütteln, dass er es so offen vor den Polizisten zugab.
»Und Sie?«, wandte er sich an Delians Mutter.
»Ich wusste von den beiden, aber erst seit Kurzem. Mein Sohn wollte es vor seinem Vater geheim halten, weil ... Sie sehen ja, wie er reagiert.« Mit der Hand deutete sie auf Delians Vater und verzog das Gesicht.
»Gut. Das klärt aber immer noch nicht, warum du mitten in der Nacht ins Haus kommst. Das musst du uns noch erklären.« Der jüngere Polizist schaute mich erwartungsvoll an und ich wusste, dass ich mich dieses Mal nicht mit dem Stottern herausreden konnte.
»I-Ich wollte nur zu ... Delian«, sagte ich leise und war froh, dass sich das Stottern noch im Hintergrund hielt. Es war die Wahrheit und ich hoffte, dass ich sie nicht weiter erklären musste.
Lia trat einen Schritt näher an Delian und mich heran, stellte sich schützend vor uns. »Ich bin mir sicher, er sagt die Wahrheit. Die beiden sind sehr verliebt ineinander.«
Meine Augen weiteten sich, zum einen weil sie offensichtlich versuchte, uns zu schützen, zum anderen weil sie unsere Gefühle füreinander klarer beschrieben hatte, als Delian und ich es je getan hatten.
Der jüngere Polizist nickte mitfühlend. »Natürlich, frisch verliebte Pärchen können selten die Finger voneinander lassen.«
Ich zwang mich zu einem bestätigenden Lächeln, auch wenn es mir den Magen umdrehte. Delian drückte beruhigend meine Hand. Zum ersten Mal, seit die Polizisten hier waren, wagte ich einen Blick in seine Richtung, sah sein blasses Gesicht, aber auch das Lächeln, das er mir zuwarf. Er versuchte für mich stark zu sein und wenn wir allein wären, würde ich ihn sofort dafür küssen.
»Dann scheint hier alles geklärt zu sein, oder?«, fragte der ältere Polizist. Es schien, als hätte er nicht mehr wirklich Lust, hier zu sein. Verständlich.
Etwas in mir wagte zu hoffen, dass ich hier tatsächlich hier herauskommen würde, ohne nach Hause geschickt zu werden. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben, meine Freude nicht nach draußen zu tragen.
»Warte kurz«, wies ihn sein Kollege an und wandte sich an Delians Mutter. »Sie haben von einer angespannten Situation gesprochen. Meinten Sie damit, dass Ihr Mann nicht mit der Beziehung Ihres Sohnes einverstanden ist?«
»Oh, wir sind nicht verheiratet.« Der Polizist murmelte eine kurze Entschuldigung, aber Lia winkte ab. »Und ja, das habe ich gemeint. Aber ich glaube, jetzt sind die Gemüter etwas runtergefahren und Sie können wieder gehen.«
»Gut, dann bräuchte ich nur noch kurz Ihre Ausweise, um das alles hier zu protokollieren, und dann sind wir schon wieder weg«, ertönte die gelangweilte Stimme des älteren Polizisten wieder.
Ich schloss die Augen für einen Moment. Natürlich wollten sie die Ausweise sehen. Wie hatte ich auch so dumm sein und glauben können, dass ich hier irgendwie herauskommen würde?
Delian warf mir einen Blick zu, den ich nicht ganz deuten konnte. Irgendetwas zwischen beruhigend und resigniert. Dann löste er sanft seine Hand aus meiner, um in den Flur zu gehen, in dem wahrscheinlich sein Ausweis lag.
»Ich hab keinen ... A-Ausweis dabei«, erklärte ich den Polizisten. Mein Ausweis steckte in meiner Tasche in der Gartenhütte, aber das konnte ich schlecht sagen. Selbst wenn alles schon so gut wie aufgeflogen war, wollte ich den Prozess nicht noch beschleunigen.
Der jüngere Polizist seufzte und zückte seinen Stift. »Kein Problem. Dann sag uns einfach deinen Namen.«
»Amaliel de la Bastide.« Ich lächelte, als ich das verwirrte Gesicht des Polizisten sah – und weil ich nicht gestottert hatte. »Ich buchstabiere e-es.«
Der Polizist nickte und schrieb geduldig mit; sein Kollege kümmerte sich inzwischen um Delian und seine Familie. Mir fiel wieder einmal auf, wie lang mein Name eigentlich war.
Als ich fertig war, nickte mein Gegenüber und wandte sich von mir ab, um die Namen an die Leitstelle weitergeben zu können.
Delian kehrte zu mir zurück und ich war unendlich froh, wieder nach seiner Hand greifen zu können. Es war vielleicht das letzte Mal für eine lange Zeit. Er wusste es auch und lehnte sich näher an mich.
Seine Eltern standen ahnungslos neben uns, sein Vater immer noch mit dem säuerlichen Gesichtsausdruck. Das würde sich bald ändern.
Ich sah, wie der Polizist seinen Kollegen zu sich winkte, wie sie etwas besprachen, Blicke in meine Richtung warfen. Das war es dann wohl. Nach einigen Sekunden kamen sie auf uns zu, stellten sich vor mich.
»Amaliel«, sagte der jüngere Polizist. »Du wurdest vor zwei Monaten von deiner Familie als vermisst gemeldet.«
Ich schloss die Augen, senkte den Kopf, nickte. Ich hatte gewusst, dass er das sagen würde, aber es wirklich zu hören, fühlte sich wie ein Schlag in die Magengrube an. Delians Daumen strich beruhigend über meinen Handrücken und ich konzentrierte mich auf seine Berührung.
Delians Mutter schnappte erschrocken nach Luft. Ich konnte nicht zu ihr schauen und die Enttäuschung in ihrem Blick sehen. Sie hatte mich kennengelernt und mich gemocht, es musste sie verletzen, dass ich nicht der war, für den sie mich gehalten hatte. Vor allem weil ihr Sohn nicht im Mindesten erstaunt schien.
»Du wirkst nicht überrascht«, stellte der Polizist fest. »Und du auch nicht.«
Ich sah, wie Delian nickte, und hob wieder den Kopf. Kurz flog mein Blick zu Lia, die ungläubig den Kopf schüttelte und zwischen ihrem Sohn und mir hin und her blickte. Sein Vater neben ihr hatte die Arme vor der Brust verschränkt und die Stirn gerunzelt.
»Nein«, antwortete ich leise.
»Dir ist hoffentlich bewusst, dass du noch minderjährig bist und deswegen so bald wie möglich wieder nach Hause überführt wirst. Zudem müssen wir feststellen, ob hier in irgendeiner Weise Straftaten begangen wurden.«
Ich ließ seinen Monolog über mich ergehen, hörte ihm nur mit halbem Ohr zu.
»Aber eins muss ich dich fragen«, fuhr der Polizist fort und ich zwang meine Konzentration wieder zu seinen Worten zurück. »Wie hast du dich die letzten zwei Monate versteckt? So weit von zuhause entfernt.«
Ich zögerte kurz. Auch wenn schon alles verloren war, sträubte sich etwas in mir dagegen, ihnen mein Versteck zu zeigen. Schließlich drehte ich mich auf dem Absatz um und lief zur Gartentür, bei der mich die Polizisten wieder einholten. Sie schienen kurz einen Fluchtversuch erwartet zu haben, öffneten aber neugierig die Tür für uns.
Langsam lief ich durch den Garten, Delians Hand noch immer in meiner. Er blieb still, aber allein seine Präsenz beruhigte mich.
Ich gab dem älteren Polizisten den Schlüssel zum Gartenhaus, damit er es öffnete. Die beiden Polizisten gingen hinein und beleuchteten meine Sachen mit ihren Taschenlampen.
»Im Gartenhaus?«, fragte Delians Mutter und musste ungläubig lachen. »Du hast dich zwei Monate lang in unserem Gartenhaus bemerkt und wir haben nichts bemerkt?«
Ich zuckte mit den Schultern, schaffte nicht einmal mehr ein schiefes Lächeln.
»Ich habe ihm geholfen«, meldete Delian sich leise zu Wort. »Ich habe ihm gesagt, wenn niemand von euch zuhause ist, und ich habe ihm Essen gebracht und alles andere.«
»Aber warum?«, fragte sie fassungslos und schaute mich an. »Warum bist du hier, Amaliel? Warum bist du von zuhause weggelaufen? Geht es dir nicht gut?«
Ihre Besorgnis rührte mich, auch wenn ich im Moment nicht in der Lage war, es zu zeigen. »Nein, mir geht es gut. Ich h-hab nur A-Abstand gebraucht von a-allem.«
Sie schaute mich nachdenklich an, dann nickte sie. »Okay, ich glaube dir. Aber du kannst mit mir reden, wenn du möchtest.«
Die Polizisten kamen wieder aus dem Gartenhaus und blieben vor uns stehen. »Wir müssen dich leider mitnehmen«, sagte der ältere.
Ich nickte. »Darf ich mich noch verabschieden?«
Sein Kollege nickte wohlwollend und ich zog Delian einige Schritte zur Seite.
»Ich will nicht, dass du gehst«, flüsterte er und sah zu mir auf. »Ich weiß, es ist egoistisch, aber ...«
»Schon gut.« Ich legte eine Hand an seine Wange, versuchte seine Familie und die Polizisten im Hintergrund zu ignorieren. »Ich will doch auch nicht gehen. Wir wussten, dass es kommen würde, aber ich wollte es nicht wahrhaben, wollte nicht mal daran denken. Aber ich muss jetzt gehen, also lass es uns nicht allzu schmerzhaft machen.«
»Wir werden uns wiedersehen«, stimmte er mir zu und lächelte tapfer.
Ich beugte mich zu ihm herunter und legte meine Arme um seinen zierlichen Körper. Ich hätte ihn so gerne geküsst, aber es fühlte sich nicht richtig an vor seinen Eltern und den Polizisten.
Auch Delian umarmte mich heftig und drückte sein Gesicht an mein T-Shirt. Ich lehnte meine Wange an seine weichen Haare und seufzte.
»Das ist nicht unser Ende, Delian. Das ist nicht unser Ende.«
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