Bonuskapitel

Für das Bonuskapitel muss ich etwas weiter ausholen. In Kapitel 24 erzählt Delian seiner Mutter eine erfundene Geschichte, wie er und Amaliel sich kennengelernt haben. Hier der Textausschnitt:

»Ich habe mir überlegt ... An Silvester war ich auf dieser Neujahrsparty, ich habe dir doch davon erzählt.«

Er nickte bedächtig und hörte mir weiter aufmerksam zu.

»Also, die Geschichte geht so: Wir haben uns auf dieser Party kennengelernt. Da waren genug Menschen, das hätte gut passieren können. Ich bin früher gegangen als Alex und Malte, und du hast mich nach Hause gebracht. Wir haben uns gut verstanden und in den Pfingstferien, während meine Eltern nicht da waren ...« Ich stockte, wusste nicht, ob ich den nächsten Part wirklich sagen wollte. Amaliel schaute mich fragend an und ich schluckte. »In den Pfingstferien sind wir dann zusammengekommen.«

Ich hatte dann aber so Lust auf diese Geschichte, dass ich eine Alternate Universe Fanfiction zu meinem eigenen Buch geschrieben habe. Hier kennen Delian und Amaliel sich noch nicht und Amaliel war nie mit Lilith zusammen. Er wohnt auch offensichtlich in der gleichen Stadt wie Delian.

Ich hoffe, ihr habt dabei genauso viel Spaß wie ich <3

{☆}

Der Bass wummerte schmerzhaft laut in meinen Ohren und mein Körper schien zu vibrieren von der Energie, die in der Luft lag. Bei jedem Schritt hin zum Rande des Raumes klebten die Sohlen meiner Schuhe am Boden.

Mir war wieder einmal klar geworden, warum ich nicht der Typ für Partys war. Überall betrunkene Menschen, die den Spaß ihres Lebens hatten und Morgen den Kater ihres Lebens. Immer diese unerträglich laute Musik, die mir irgendwann Kopfschmerzen bereitete.

Was man nicht alles für seine Freunde tat.

Alex und Malte vergnügten sich gerade bei einer weiteren Runde Bierpong, nachdem ich nach der letzten ausgestiegen war.

Die Wand war herrlich kühl, als ich mich an sie lehnte und meine Handflächen an den rauen Putz presste. Nur eine kurze Pause, dann würde ich wieder zu Alex und Malte stoßen. Bevor sie mich vermissten.

»Du s-siehst aus, als würdest du stärkeren A-Alkohol brauchen, um den Abend zu überstehen«, ertönte eine amüsierte Stimme von rechts.

Ich drehte meinen Kopf in die Richtung und entdeckte einen Jungen neben mir an der Wand. Er war sicher einen Kopf größer als ich, sein braunes Haar fiel ihm in die Stirn, während er einen Becher in der rechten Hand hielt.

»Oh, bitte nicht«, antwortete ich und verzog das Gesicht.

Er lachte, es war angenehm und dunkel. »So wenig Lust auf das nächste ... Jahr?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Das Jahr wird nicht sehr anders werden als die davor. Ich bereue es nur, dass ich mich hierhin habe verschleppen lassen.«

Er legte den Kopf schief. Buntes Licht tanzte über seinen Hals und ich schluckte. »Dann sind wir schon zwei, die keine Lust auf Party haben. Ich bin Amaliel«, stellte er sich vor und trat einen Schritt näher.

»Amaliel«, wiederholte ich. Den Namen hatte ich noch nie gehört.

»Wow.« Er hob anerkennend die Augenbrauen. »Du hast den Namen beim ersten Mal verstanden. Und das bei der Lautstärke.«

Ich musste lächeln und strich mir eine Locke aus der Stirn. »Amaliel ist ein schöner Name.« War es das Licht oder errötete er? Oh, ich sollte nicht daran denken. »Ich bin Delian.«

»Delian.« Er sprach langsam, als müsste er den Namen auf seiner Zunge austesten. War es immer schon so warm in diesem Raum?

»Delian ist auch nicht der einfachste Name«, fügte ich schnell hinzu. »Da heiße ich schnell mal Delia, Elian oder Daniel.«

Amaliel lachte. »Daniel passt gar nicht zu dir. Viel zu ... gewöhnlich.«

»Du kennst mich noch gar nicht und findest mich schon außergewöhnlich?« Wo kamen denn die Worte her?

»Aber klar d-d-doch. Die Betonung liegt auf ›noch‹.« Er grinste verschmitzt. Grübchen blitzten auf seinen Wangen auf, bevor er den Inhalt seines Bechers herunterstürzte. »Ich hol mir noch etwas. Sicher, dass du nichts willst?«

Ich nickte.

»Renn nicht weg«, wies er mich an. »Ich brauche jemanden, mit dem ich den Abend überstehen kann.«

Bevor ich etwas erwidern konnte, drehte er sich um und tauchte in der Menge unter. So gut jemand eben untertauchen konnte, der an die zwei Meter groß war.

Ich lehnte mich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Mit Amaliel hatte ich für einen kurzen Moment die Menschenmassen um mich herum vergessen. Es hatte gutgetan, mit ihm zu reden, einen Verbündeten zu finden, der genauso wenig hier sein wollte.

Vielleicht brachte das neue Jahr doch etwas Gutes mit sich.

Es schien nur Sekunden zu dauern, bis Amaliel wieder da war. Er reichte mir einen Becher, den ich misstrauisch beäugte. »Das ist Wasser. Vertrocknen s-sollst du auch nicht.«

»Dehydrieren meinst du.« Ich biss mir auf die Zunge. Ich sollte nicht ungefragt fremde Menschen verbessern.

»Natürlich.« Amaliel wirkte nicht gekränkt. »Nur eins der Wörter, die ich nicht aussprechen kann.« Er wandte das Gesicht ab, bevor ich den Ausdruck darauf erkennen konnte. Was meinte er damit?

»Bist du eigentlich freiwillig hier oder auch verschleppt worden?«, fragte ich, bevor unsere Unterhaltung im Sande verlaufen konnte.

Amaliel lächelte wieder und ich starrte einen Moment zu lange auf seine Grübchen. »Eigentlich f-freiwillig. Ich bin mit ein paar Freunden da, aber eigentlich habe ich heute keine Lust auf Feiern.«

Ich nickte zustimmend. »Zuhause hätte ich so leckeres Essen haben können«, seufzte ich.

Er lachte und mein Herz flatterte aufgeregt. Das war ganz und gar nicht gut. »Meine Schwester geht auch feiern. Mit ihrem Freund. Das ist so ziemlich das Einzige, woran ich heute denken konnte«, gestand er und nahm einen tiefen Schluck seines Getränks.

»Du bist also der beschützerische Typ«, schlussfolgerte ich mit einem Grinsen.

»Nicht unbedingt. Aber sie ist erst sechzehn und erst seit drei Monaten mit dem Typen zusammen.« Er schüttelte sich und verzog missbilligend die Lippen.

»Ich bin auch sechzehn«, warf ich ein. »Du solltest dir nicht so viele Sorgen machen. Sie hat sicher den Spaß ihres Lebens und denkt gar nicht an ihren großen Bruder, der sich hier einem Fremden anvertraut.«

Er lachte. »Sicher nicht. So fremd fühlst du dich gar nicht mehr a-an«, fügte er leise hinzu. Seine Augen weiteten sich, als hätte er das gar nicht sagen wollen.

Ich spürte, wie meine Wangen warm wurden, und senkte den Blick. »Du dich auch nicht.«

»Und wie steht's mit dir? Auch Geschwister, um die du dir Sorgen machst?«, fragte Amaliel und ließ seinen Blick durch den vollen Raum schweifen, als könnte er diese Geschwister entdecken.

Erst jetzt wurde ich mir wieder der lauten Musik und der vielen Menschen um uns bewusst. Alles war in den letzten Minuten in den Hintergrund getreten. »Nein, keine Geschwister. Ich bin Einzelkind.«

»Das ist unfair«, behauptete er. »Ich habe drei Schwestern und du bist ganz allein und wirst verwöhnt.«

»Drei? Du bist ja ganz arm dran.« Ich konnte das Grinsen nicht von meinem Gesicht wischen; die Unterhaltung mit Amaliel war so wunderbar locker und als er mindestens genauso breit lächelte, regten sich wieder die Glückshormone in meinem Inneren.

»Delian.« Ich schreckte bei dem lauten Ruf zusammen und drehte mich um. Alex und Malte kamen auf mich zu, anscheinend hatte ihr Spiel geendet.

»Es ist beinahe Mitternacht. Komm mit raus«, rief Alex über die Musik und warf mir meine Jacke zu.

»Ich bin schon unterwegs«, antwortete ich und schlüpfte in die Ärmel der Jacke.

Als ich mich zu Amaliel umdrehte, hob der seinen Becher und nickte mir zu. »Geh du mit deinen Freunden raus. Ich komme auch irgendwann.«

»Okay.« Für einen Moment hatte ich Angst gehabt, dass es nun vorbei wäre. Dass Amaliel sich verabschieden und mich allein lassen würde. Dabei war ich nicht einmal allein, ich hatte doch Alex und Malte. Aber es fühlte sich anders an mit ihm.

Ich lächelte ihm zu und folgte dann schnell meinen Freunden nach draußen. Es hatten sich schon einige Grüppchen draußen versammelt und ich brauchte ein paar Sekunden, um das richtige in der Menge zu finden. Die beiden standen gerade außerhalb des Lichtkegels, den das Licht über dem Eingang verbreitete.

»Wer war der Typ, bei dem du gestanden bist? Kennst du den?«, fragte Alex und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche.

»Nein. Er hat mir nur Gesellschaft geleistet.« Das war nicht, was ich antworten wollte. Ich wollte sagen, dass ich Amaliel natürlich kannte, dass er Grübchen hatte, wenn er lächelte, dass ich nicht aufhören konnte, ihn unter den anderen Menschen hier draußen zu suchen, weil ... weil ich ihn mochte. Dabei kannte ich ihn noch keine Stunde.

Alex nickte und wandte sich dem Himmel zu, an dem die ersten Feuerwerke erblühten. Noch waren es etwa fünf Minuten bis Mitternacht, wie ich mit einem Blick auf meine Uhr feststellte.

Um mich herum wurden bereits die ersten Böller gezündet und ich trat einen Schritt zur Seite. Irgendjemand drückte mir ein Bündel Wunderkerzen in die Hand, das ich dankend annahm.

Schon früher hatte ich immer mit meiner Mutter am Silvesterabend Wunderkerzen angezündet, ich war fasziniert von ihnen gewesen.

Alex hielt sein Feuerzeug an die erste Wunderkerze, als die Menge um uns herum anfing, von zehn herunter zu zählen. Ich lächelte, zählte laut mit und fand in den letzten Sekunden Amaliel unter den Menschen, der die Hände in die Jackentaschen gesteckt und den Kopf in den Nacken gelegt hatte.

Als hätte er meinen Blick bemerkt, drehte er sich langsam in meine Richtung und ich schaute schnell auf meine Wunderkerze, die gerade erlosch.

»Null«, rief die Menge um mich herum und ich schreckte zusammen, hatte vergessen mitzuzählen.

Augenblicklich brach Jubel um mich herum aus, Menschen fielen sich in die Arme, küssten sich, lachten.

Malte legte mir von rechts einen Arm um die Schultern. »Frohes neues Jahr 2019.«

Ich grinste ihn an, erwiderte den Wunsch. Der Lärm um uns war ohrenbetäubend geworden, sekündlich explodierte der Himmel in Rot, Blau, Geld, Weiß und allem dazwischen und es war wunderschön und beängstigend zugleich.

Nach und nach brannte ich meine restlichen Wunderkerzen ab, während sich das Gedränge draußen wieder lichtete. Alex und Malte wurde ebenfalls kalt und sie beschlossen reinzugehen, um noch ein wenig weiterzufeiern.

»Ich geh nachhause, okay?«, sagte ich. Es war halb eins am Morgen, eigentlich viel zu früh für mein Alter, aber wenn ich nach drinnen gehen würde, wusste ich nicht, wann ich das Haus wieder verlassen würde.

»Klar ist das okay«, erklärte Alex und schlug mir auf den Rücken. »Verlauf dich nicht. Aber du bist ja auch nicht so betrunken wie wir.« Die beiden lachten und verschwanden nach drinnen.

Ich schaute zurück in den Himmel, der grün und weiß aufleuchtete. Die bunten Funken strahlten verschwommen durch den Nebel, der sich gebildet hatte und der Nacht etwas Magisches gab.

Neben mir knirschte Kies und ich drehte mich zur Seite. Amaliel war neben mich getreten. Mein Herz machte einen Hüpfer und ich hob überrascht die Augenbrauen.

Er schaute auf mich herab und Grübchen bildeten sich in seinen Wangen. »Du wirkst überrascht.«

»Naja.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich wollte jetzt nach Hause gehen, also wird das hier eine Verabschiedung.«

Er rümpfte die Nase und schaute für einen Moment nach oben in den dunklen, nebligen Himmel. »Lass mich dich begleiten. Ich wollte auch gerade gehen.«

Aufregung machte sich in meinem Bauch breit, ich versuchte verzweifelt, sie einzudämmen. »Das ist aber ein Stück. Und du musst auch noch nach Hause kommen«, wehrte ich ihn ab, auch wenn ich mich noch nicht von ihm trennen wollte.

»Das ist kein Problem. Ich mache gerne nachts Spaziergänge. Außer natürlich, du möchtest nicht.«

»Doch, natürlich.« Ich biss mir auf die Lippe, die Antwort war viel zu schnell gekommen.

Er lächelte und bedeutete mir, voranzugehen. »Du führst.«

Es war schön, mit Amaliel durch die nächtlichen Straßen zu laufen. Zwar waren überall noch Menschen und stellenweise stapelte sich der Müll, aber manchmal waren da auch nur wir und die Straßenlaternen und der neblige Nachthimmel.

Wir redeten kaum auf dem Weg, doch ich spürte Amaliels Präsenz neben mir und das war genug. Ich fragte mich, ob er in der Nähe wohnte. Hoffentlich war der Weg zu ihm nachhause von mir aus nicht so weit.

Die Wege leerten sich allmählich, als wir uns dem Haus meiner Eltern näherten. Viele der Familien, die hier lebten, hatten junge Kinder, die schon im Bett lagen.

Schließlich kamen wir an, viel zu schnell. Ich blieb auf dem Gehweg stehen und drehte mich zu Amaliel, unschlüssig, was jetzt passieren sollte.

Er schaute an mir vorbei und neigte anerkennend den Kopf. »Du lebst ja in einer ganz schönen Villa.«

Ich verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern. Es war mir unangenehm, dass meine Eltern so viel Geld hatten. »Ich hoffe, du wohnst halbwegs in der Nähe«, wechselte ich das Thema. »Nicht, dass du nochmal so lange unterwegs bist.«

Amaliel winkte ab. »Das passt schon, mach dir keine Sorgen.«

Ich nickte und biss mir auf die Lippe, schaute zu Boden. Uns gingen die Gesprächsthemen aus, ich war zuhause angekommen, jetzt würden sich unsere Wege trennen. Ich hatte Amaliel vor diesem Abend noch nie gesehen, würde ich es je wieder?

»Hier.« Ich schreckte zusammen, als er mir plötzlich sein Handy vor die Nase hielt. »Für deine Nummer«, ergänzte er mit einem schüchternen Lächeln. »Ich würde dich gerne besser kennenlernen.«

Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, und schloss ihn wieder, als sich keine Worte formen wollen. Meine Wangen wurden heiß und ich war froh, dass er die Röte im schwachen Licht der Straßenlaternen nicht sehen konnte.

Hastig langte ich nach seinem Handy, um meine Nummer einzugeben. Dabei streiften meine Finger seine, die angenehm warm waren im Gegensatz zu meinen tiefgefrorenen. Die Berührung fuhr von meinen Fingerspitzen durch meinen Körper und ich musste mich zurückhalten, nach seinem Handy und nicht nach seiner Hand zu greifen.

Ich musste mich definitiv beruhigen. Amaliel war praktisch noch ein Fremder.

»Hier«, murmelte ich, als ich ihm sein Handy mit meinem Kontakt zurückgab.

»Danke.« Er lächelte und steckte die Hände in seine Jackentaschen. »Ich schreib dir gleich, wenn ich zuhause angekommen bin.«

Ich nickte und lächelte schwach zurück. So müde ich inzwischen auch war, ich wollte Amaliel noch nicht ziehen lassen.

Die Stille zwischen uns zog sich, bis er sich plötzlich einen Ruck gab und mich in eine kurze Umarmung zog. Ich ließ mich in seine Arme fallen und genoss den Moment.

»Wir sehen uns«, sagte ich, als ich mich stark genug fühlte, einen Schritt zurückzutreten und ihn loszulassen.

»Auf jeden Fall.« Damit schenkte er mir noch ein letztes Grübchenlächeln und verschwand mit gemächlichen Schritten die Straße hinunter.

ENDE


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