XXVII Initiative

Hinter uns fangen die Jungs an zu johlen. „Alter, jetzt gibt's Stress!", lallt einer dazwischen. Was sind das denn für Idioten?!

„Haltet eure Klappen!", brüllt Anton. Wow ... Endlich tut er mal was Vernünftiges.

Wir laufen quer durch den Schulhof zur Cafeteria. Oder besser gesagt, ich laufe und versuche dabei angestrengt Anton mitzuziehen. Verdammt ist der Typ schwer! Jetzt weiß ich, dass man nicht unbedingt leichter wiegt, wenn man Muskel hat.

Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um. Genervt schaue ich in sein amüsiertes Gesicht. „Bist du mittlerweile nicht mehr fähig, selber zu laufen?", frage ich spöttisch.

Er lacht. Und zum allerersten Mal fällt mir auf, wie sexy eigentlich seine Lache ist. Seine Mundwinkel verziehen sich dabei nach oben und seine Lippen öffnen sich leicht, weshalb man seine strahlendweißen Zähne sieht.

„Du hast die Initiative ergriffen, Baby. Du überraschst mich immer aufs Neue", antwortet er mir neckisch und mit einem Augenzwinkern. Sofort lasse ich seine Hand los. Na dann beweise ich dir gleich mal das Gegenteil davon.

Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und nähere mich sein Gesicht. Sein warmer Atem streift über meine Lippen. Ich schlucke schwer. Mein Blick huscht von seinen wunderschönen grünen Augen zu seinen leicht roten Lippen. Wieso bin ich so nervös? Und was mache ich gerade? Verdammte Scheiße, Ella! Jetzt zieh's durch! Ich nähere mich seine Lippen Zentimeter für Zentimeter. Doch bevor sie aufeinandertreffen, neige ich meinen Kopf zur Seite und lehne mich weiter vor. Unsere Wangenknochen berühren sich ein wenig. Mit zuckersüßer Stimme flüstere ich ihn ins Ohr: „Nennt man DAS dann eine Abfuhr?"

Ich lehne mich wieder zurück. Ich weiß, dass das, was ich eben gemacht habe, unsere „Beziehung" nach außen hin noch mehr echt wirken lässt. Doch es ist mir egal. Mir ist egal, dass die Leute uns beobachten. Ich meine, was habe ich denn noch zu verlieren? Die Leute denken sowieso die absurdesten Sachen über mich. Also, was soll's?

Okay, Schluss mit Spielereien. DENK AN MATHE!

„Ähm ... Ich wollte mit dir etwas besprechen. Gehen wir in die Cafeteria?", frage ich Anton. Diesmal allerdings mit normaler und (hoffentlich) freundlicher Stimme, obwohl ich ihm gegenüber eigentlich nur zickig sein kann. Keine Ahnung, warum anders nicht funktioniert.

Seine linke Hand steckt in seiner Hosentasche. Seine Miene ist unergründlich. In seinen Augen ist etwas Dunkles. Plötzlich werde ich wieder nervös.

Ich wende mich zum Gehen. Er hält mich am Handgelenk fest und zieht mich in seine Brust. Auf einmal liege ich seinen Armen. Mir steigt sofort dieser typische Anton-Duft, der leicht nach Zitrone riecht, in die Nase. Oh Gott, ich könnte nie genug von diesem Geruch bekommen! Wie macht er das nur?

Nach einer halben Ewigkeit läuten erst die Alarmglocken in meinem Kopf. Himmel! Ella! Du bist heute echt seltsam. Allerdings. Was ist verdammt nochmal mit mir los?! Wieso bin ich plötzlich in seiner Gegenwart so nervös? Ich bin nervös, weil ... das alle Mädchen tun? Scheiße. Seit wann sind meine Antworten so lahm geworden?

Ich versuche mich aus seinem Griff zu befreien, doch seine Arme drücken mich nur fester an ihn. Nun kann ich auch seine Körperwärme spüren.

„Lass mich los!", bringe ich mit zittriger Stimme hervor und werde gleichzeitig rot. Wie immer ignoriert er das, was ich sage. „Treib. Mich. Nicht. In. Den. Wahnsinn", knurrt er.

Eine Sache haben ich und Anton definitiv gemeinsam: Wir sind beide unglaublich zielstrebig. In diesem Moment sind wir beide darauf fixiert, das Spiel zu gewinnen. Ich will, dass er wegen meiner Abfuhr richtig peinlich dasteht. Und er will ... tja, was will er eigentlich? Wahrscheinlich mir zeigen, dass ihn KEINER eine Abfuhr erteilen kann. Nicht jeder steht auf dich, mein Lieber.

„Ich könnte echt ausrasten, weißt du? Spott ertragen gehört nicht zu meinen Stärken. Von daher ... lass es in der Zukunft lieber sein. Sonst kann ich nichts mehr versichern." Diese Worte klingen so ernst und bedrohlich, mir wird gleichzeitig kalt und heiß. Was meint er mit „Ich kann nichts mehr versichern"?

Ich schaue verwirrt auf. Er mustert mich intensiv. Ich blinzele um mir einen klaren Verstand zu beschaffen. MATHE! Ich räuspere mich. „Gehen wir?"

Seine Gesichtszüge entspannen sich plötzlich. In seinen Augen blitzt was Böses auf. Verdammt. Und er lässt mich los. Mein Gott ist der Typ unberechenbar. „Na dann mal los", murmele ich verlegen. Ich bin verwirrt. Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem schelmischen Lächeln. Schnell weg. Der letzte Gedanke, der mir noch durch den Kopf geht, bevor er mich an den Oberschenkeln packt und hochhebt. Jetzt trägt er mich wieder auf der Schulter.

Ich mache keine Anstalt zu protestieren, da ich weiß, dass er sowieso nicht drauf eingeht. „Mich zu ärgern macht dir wohl Spaß, hm?", sage ich leise und eher zu mir selbst als zu ihm.

Überraschenderweise reagiert er trotzdem. „Genau so ist das." Sein Grinsen ist in seiner Antwort nicht zu überhören.

Ich verdrehe die Augen. Jap, er ist und bleibt unverbesserlich.

Zum Glück ist es in der Cafeteria nicht voll. Aber dafür riecht es hier extrem nach Essen. Ich hasse das. Jedes Mal, wenn ich wieder raus gehe, stinken meine Klamotten.

Er trägt mich zu einem Tisch in der Ecke und setzt mich sanft ab. Anschließend geht er um den Tisch herum und nimmt mir gegenüber Platz. Ich versuche anhand seines Gesichts zu überprüfen, ob er noch sauer ist. Nö, völlig entspannt wirkt er. Einen schnellen Stimmungswechsel, würde ich sagen.

Er stützt sich mit den Ellenbogen auf den Tisch und verschränkt seine Finger. „Was gibt's?", fragt er ruhig. Ohne Belustigung oder sonst was. Werde ich grad verarscht?! Anton redet normal mit mir!

„Genieße diesen Moment. Denn das wird das erste Mal und das letzte Mal sein, in dem ich dich um etwas bitte." Mensch Ella! Musst du immer verkrampft klingen?

Er schmunzelt und schaut kurz zur Seite. „Klar, schieß los. Aber bist du dir wirklich sicher, dass du das zum letzten Mal tust? Ich würde mir da nicht ganz so sicher sein, Baby."

Arschloch. „Keine Sorge. DAS IST DAS LETZTE MAL", kurz halte ich inne, um mein vor Wut pochendes Herz zu beruhigen und fahre fort: „KannstdumirbitteMatheNachhilfegeben?"

Sein Grinsen wird breiter. „Wie bitte? Ich hab dich nicht genau verstanden." Blödmann! Er hat mich sehr wohl gehört! Sei nett, Ella. Du willst schließlich was von ihm.

Ich spüre Hitze in mir aufsteigen. Zum ersten Mal in meinem Leben wünsche ich mir, dass ich eine schlechte Schülerin wäre. Dann hätten meine Eltern nicht so hohe Erwartung an mir und ich hätte von Anfang an Nachhilfe bekommen. Ich will nicht, dass meine Eltern was von meiner schlechten Note wissen. Sie werden nicht enttäuscht sein oder so. Aber trotzdem. Ich regele meine Probleme lieber selber. Außerdem schuldet mir das Anton sowieso. Schließlich habe ich wegen ihm in den letzten Tagen gelitten. Also kriege ich auch meine Belohnung dafür.

„Ich will doch bei dir Mathe nachholen", bringe ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Mein Mund fühlt sich auf einmal so trocken an.

Seine Augen flackern. Ich ahne nichts Gutes. O je, er denkt sich grad bestimmt die absurdesten Ideen aus, mit denen er mich in der Zukunft ärgern könnte.

„Okay. Samstag um 15 Uhr bei mir."

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Meine Lieben,

das bisher längste Kapitel :) Ich danke euch alle fürs lesen, voten und kommentieren. Das bedeutet mir echt viel :) Hab euch alle lieb

Eure Lilly

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