XX Beste Freundin

Bild: Chantal-Stafford-Abbott as Lena

Später, als mein Nachmittagsunterricht bald anfängt, verlasse ich etwas bedrückt das Cafe. Mir tut grad alles so wahnsinnig leid! Isabel ist so nett und vor allem so eine tolle Schwester, die ihren kleinen Bruder sehr liebt. Und was mache ich? Ich lüge sie an. Das ist so kacke! Wieso musste Anton auch ausgerechnet mich als seine „Freundin" auswählen?

Piep, meldet sich mein Handy auf einmal. Ich ziehe es aus meiner Jackentasche heraus und auf dem Display sehe ich eine Nachricht von Lena.

*Hey Süße! Treffen wir uns gleich in Englisch? Hab bombastische Neuigkeiten! ;) <3*

Ja klar, schreibe ich kurz zurück und stecke mein Handy wieder ein.

Im Englisch Kurs

„Schieß los", sage ich zu Lena. Ich bin gespannt, was sie zu berichten hat. Denn Lena übertreibt öfters mit ihren sogenannten bombastischen Neuigkeiten. Letztes Jahr hatte sie zum Beispiel die neue Frisur ihres Hundes so bezeichnet. Mitten in der Nacht um zwei Uhr schickte sie mir eine Nachricht und ich musste sofort zu ihr. Ja, wegen der ANGEBLICHEN NEUIGKEIT. Am Ende war die Neuigkeit die neue Frisur ihres Hundes, die sie selbst geschnitten hatte. Dazu sah die Frisur echt potthässlich aus. Aber ich hatte es ihr natürlich nicht gesagt, sonst wäre Lena echt traurig gewesen.

„LORENZO KOMMT IN DEN HERBSTFERIEN NACH BERLIN! Ist das nicht süß? Er hat extra lange für die Flugtickets gespart. Du weißt ja, als Handwerker verdient man nicht so viel...", erzählt Lena aufgeregt.

„Ja, das ist echt süß", antworte ich ehrlich. Ich freue mich sehr für Lena, weil sie vor Lorenzo noch nie einen Freund hatte. Und wie ich Lorenzo bisher einschätze, scheint er echt ein netter Kerl zu sein. Außerdem bin ich froh, dass wenigstens meine beste Freundin den Mut hat, sich zu verlieben. Ich habe den Mut nämlich nicht mehr. Warum? Das ist eine sehr lange Geschichte. Die Erinnerungen liegen tief verborgen in meinem Herzen. Ich habe es bisher niemanden erzählt. Nicht einmal Lena. Jedes Mal, wenn ich die Erinnerungen hervorrufe, spüre ich tausenden Stiche in mein Herz.

„Haaalloooo! Erde an Ella! Hörst du mir überhaupt zu?"

Prompt werde ich aus meinen Gedanken gerissen. „Was hast du gesagt?"

Lena fasst mich an den Schultern und setzt einen Hundeblick auf. „Biiiiittttteeeeee!"

Verwirrt schaue ich sie an. „Warum denn?"

„Najaaaa... Wie gesagt kommt Lorenzo in den Herbstferien ja zu mir und darf auch bei mir wohnen. Und meine Eltern werden weg sein. Allerdings musste ich ihnen etwas versprechen, nämlich, dass ich in den zwei Wochen auf Leo aufpassen werde", sagt Lena, wobei ihre Stimme am Ende immer leiser wird.

„Dein Ernst?", entgegne ich fassungslos. Erwartet sie etwa wirklich, dass ich meine Herbstferien damit verbringe, auf ihren fünfjährigen Bruder aufzupassen?! Habe ich nichts Besseres zu tun oder was?

„Bittebittebittebittebittebitte Ella!"

„Nein", bleibe ich kalt. Nach diesem Memory-Abend habe ich echt keine Lust mehr auf Leo. Ich meine, ein oder zwei Abende mit Leo wären okay, aber zwei Wochen? Auf keinen Fall! Da kann ich gleich in einen Kindergarten gehen und mich als Erzieherin anmelden.

„Och komm schon, Ella! Du musst mir helfen! Bitte! Ich und Lorenzo können uns nur so selten sehen", langsam wirkt Lena verzweifelt.

Schließlich gebe ich mich doch geschlagen. „Na schön, aber unter zwei Bedingungen. Erstens werde ich Leo nicht die ganze zwei Wochen betreuen und zweitens, ich habe was gut bei dir."

Fröhlich springt Lena vom Stuhl und umarmt mich. „Danke! Danke! Danke! Du bist die Allerbeste!", kreischt sie und hüpft dabei auf und ab.

„Okay okay", klopfe ich ihr leicht auf den Rücken und muss lachen, ihre Fröhlichkeit ist ansteckend. „Aber ich werde nicht zwei Wochen lang auf Leo aufpassen, ja?"

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