1. ~Vorfreude~

Gähnend streckte ich mich ausgiebig und ließ meine verspannten Schulter kreisen. Die Kälte hatte sich schon an mir festgefroren und die Müdigkeit versuchte mich ständig zu überwuchern. Wieder begann ein neues Schuljahr auf Hogwarts und wieder stand ich um sechs Uhr morgens am Gleis neudreiviertel. Es war so etwas wie eine Routine, die ich schon seit Anfang an immer wieder durchzog und nun stand ich hier, bevor der Hogwartsexpress überhaupt die Möglichkeit hatte, hier vor mir zu sein, damit ich mir schon einen Abteil ergattern konnte.
Gäbe es die Möglichkeit, schon einen Tag im Vorraus zu warten, würde ich es auch tun, aber dafür war ich mir zu faul.
Faulheit hin oder her, je früher ich vom Waisenheim kam, desto besser war meine Laune am Tag des Schulanfangs.

Ich hätte trotzdem noch einige Runden in der Muggelstadt drehen sollen, bevor ich mir die Beine in den Bauch stand. Naja, was solls.

Gähnend rieb ich mir über die Augen und schüttelte mich. Dabei schreckte meine Eule im Käfig auf und schrie erschrocken. Überrascht zuckte ich zusammen, ehe ich sie mit einem Eulenkeks beruhigte. Manchmal war Snow einbisschen zu theatralisch, aber sie war meine einzige Familie, weshalb ich sie über alles liebte. Ich glaubte sogar, dass sie es zu wissen schien und mich manchmal um Kekse ausnutzt.

Mit einem sanften Lächeln wendete ich den Blick von ihr ab und konnte ein leises Zuggeräusch von weitem wahrnehmen. Snow schien es auch zu hören und schnatterte erfreut mit dem Schnabel. "Ich mag die Kälte auch nicht Snow", murmelte ich lächelnd und rieb die Hände aneinander.

Kurz darauf fuhr die Eisenbahn schnaufend im Bahnhof ein und hielt mit quietschenden Geräuschen an. Voller Vorfreude packte ich meinen Koffer und den Käfig und trat durch die sich gerade öffnenden Tür hindruch in den warmen Waggon. So war ich Hogwarts wie jedes Jahr ein Stückchen näher und freute mich schon auf die Bibliothek, die nach mir zu rufen schien.

Mit einem undefinierbaren Blick beobachtete ich die Zauberer, die ab 10 Uhr nach und nach am Gleis eintrudelten und sich von ihren Kindern verabschiedeten. Meine Augen hingen plötzlich an einer bestimmten Familie, die mir mein Hals zuschnüren ließ. Die große Familie tratschte glücklich und zufrieden miteinander. Die Kleinen rauften sich und versuchten sich gegenseitig zu überbieten. Dann fiel mein Blick wie automatisch auf eine bestimmte Gruppe in der Menge der großen Familie und eine fürchterliche Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus. Drei Jungs und zwei Mädchen lachten gemeinsam miteinander.
Die Potters und Weasleys waren schon seit dem großen, goldenen Trio und dem gewonnenen Krieg einer der berühmtesten Familien in der ganzen Zaubererwelt. Dennoch waren genau diese fünf Personen in meinem Jahrgang und ich konnte sie kaum ausstehen.
Sie waren die Perfekten. Ihre tolle, große Familie und ihr großer Freundeskreis. Alles was sie berührten, wurde symbolisch zu Gold.
Wenn man eine Familie perfekt nennen konnte, dann waren sie es.

Egal wie sehr ich sie ignorierte, ich wurde immer an mein hoffnungsloses, kaputtes Leben erinnert.

Nicht mal fünf Minuten war ich mit meinen finsteren Gedanken alleine, da klopfte es schon an meiner Abteiltür und ein blonder, fast weißer Schopf kam zum Vorschein. Meine Mimik erhellte sich deutlich, als der etwas pummelige Junge mir zu grinste. "So alleine hier?", fragte Jack Scarmander und gesellte sich zu mir. "Jetzt nicht mehr", sagte ich und meine Laune wurde wieder besser. "Und wie hast du die Ferien bei deinen Großeltern überstanden?", fragte er und mein Herz krampfte sich zusammen, als er mich daran erinnerte, dass niemand von meinem kleinen Geheimnis wusste. Wieso sollten sie alle wissen, dass ich in einem Heim wohnte und ständig von den Kindern dort gehasst und verprügelt wurde? Ich konnte mich noch nicht mal mit meinen sechzehn Jahren verteidigen, da ich nicht volljährig war und so oder so kein Zauber in Gegenwart von Muggeln benutzen durfte.

"So wie immer. Ziemlich langweilig", sagte ich und mir wurde schlecht. Noch nicht einmal meinem besten Freund konnte ich es sagen, so verklemmt war ich.

"Und wie waren bei dir die Ferien?", fragte ich und konnte so von mir abwenden. "Ach, nicht ganz so langweilig wie bei dir, aber meine Eltern und ich sind wie üblich zu den Potters und haben mit ihnen ein Sommerfest gefeiert. Du musst mal mit! Ich habe viel von dir erzählt und sogar die Ältesten wollen dich da mal treffen! Du bist mein bester Freund und ich will nicht, dass ich mich amüsiere und du vor Langeweile vergammelst", erzählte er schuldbewusst und ich lächelte schwach. "Du weißt ganz genau, dass ich meinen Großeltern helfen muss. Vor allem im Sommer im Garten", weitete ich meine Lüge aus und mein Herz pochte stark. "Jaa, ich weiß. Aber das hält mich nicht davon ab, dich zum Weihnachtsfest einzuladen. Kommst du mit mir über die Weihnachtsferien zu den Potters und Weasleys? Bitte!", fragte er mich und ich seufzte. Langsam bekam ich Panik, da ich nichts mit dieser großen Familie zu tun haben wollte. "Ich weiß, dass deine Eltern schon immer mit den Potters befreundet sind, aber ich glaub nicht, dass sie mich alle da haben wollen. Ich gehöre gar nicht richtig dazu...", versuchte ich mich zu retten, aber Jack winkte ab. "Lass es dir durch den Kopf gehen und Stress dich nicht. Wie geht es eigentlich Snow?", fragte er und blickte zu meiner Schneeeule. "Ganz okay. Sie ist voller Freude, weil wir wieder nach Hause kommen", sagte ich gedankenverloren und Jack sah mich verwundert an. "Ist dein Zuhause nicht auch bei deinen Großeltern?"

Hitze stieg in meinen Kopf. "Ja, klar. Hogwarts ist ja auch nur wie mein zweites Zuhause", sagte ich und er schien es mir zu glauben.

Ich sollte mal etwas besser aufpassen.

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