XVI
Als ich dann am nächsten Morgen langsam die Treppe herunter schlich und ins Wohnzimmer kam, erschrak ich mich, denn was ich von mir sah, hatte ich noch nie gesehen und war deshalb noch beunruhigender. Mein Vater, der eigentlich nicht trank, lag laut schnarchend auf dem Sofa. Um ihn und das Sofa herum lagen unzählige Flaschen. Vorsichtig wagte ich mich zu ihm hin "Dad?" Keine Antwort. Das bärenartige Schnarchen ging weiter. Bestimmt versuchte ich ihn an den Schultern wach zu rütteln. "Dad, wach auf." Mein Ton war zwar liebevoll, aber meine Stimme hatte trotzdem einen fordernden Nachdruck. Nach fünf Minuten gab ich es schließlich auf und lief in die Küche um mir ein Müsli zu machen. Als ich gerade dabei war die Milch in die Schüssel zu gießen, packte mich eine Hand von hinten an der Schulter. Erschrocken fuhr ich herum. Vor mir stand, bedächtig schwankend Papa. "Mary!" Er schrie mir den Namen meiner Mutter ins Gesicht. "Dad?" Verängstigt, denn mein Vater hatte mich nicht nie so laut an geschrien, sah ich ihn an. "Mary! Komm zurück!" Sein Griff wurde fester. "Dad, ich bin es!" Verzweifelt versuchte ich mich aus seinem Griff zu lösen. Da fiel mir auf, dass er ganz glasige Augen hatte, sein Blick war auch nicht auf mich fixiert war. Er war immernoch betrunken und hatte irgendeine Art von Gehirngespinnst und Einbildung. Er schüttelte mich heftig an den Schultern "Mary!" "Dad!", jetzt schrie ich zurück. "Dad, Mum wer nicht mehr wieder kommen!" Mir liefen Tränen über die Wange. "Mum ist tot!" Papa hielt inne und blinzelte, als würde er aus einem Schlaf erwachen. "Was?" Er schüttelte leicht den Kopf. "Was hast du gesagt?" "Mum ist tot.",schluchzte ich. Wie, als ob er es mir nicht glauben wollte, sah er mich verdutzt an. Dann veränderte sich seine Miene. "Du lügst!" Hinter der ganzen Wut, mit der er das brüllte, lag noch so was wie fassungslose Trauer. Dann, ohne Vorwarnung, traf mich seine Hand. Es tat nicht sonderlich weh.-Vorerst- Das Verletzende war der Schlag an sich. Das mein Vater mich schlagen würde, war eigentlich undenkbar für mich gewesen. Drohend hob er die Flasche, die er immernoch in der Hand hatte. Angsterfüllt drehte ich mich zur Seite. Doch mit lautem Klirren krachte das Glas gegen die Wand und zerbrach. Erschrocken zog ich den Kopf ein. Der Mann vor mir schrie immernoch. "Du lügst! Mary! Lügen! Sie kommt zurück! Zurück... Mary... zu mir..." Manche seiner Worte wurden von herzerweichenden Schluchzern untermalt, andere wurden wütend und oder flehend gebrüllt. Ich selbst hatte Tränen in den Augen, der erste Schock war verflogen, nur der Schmerz an Mama und die Qual meinen Vater so sehen zu müssen, wie er zerbrach, tat eigentlich noch mehr weh. Papa war unterdessen im Raum herum gelaufen und hatte wild weiter geschrien und vehement gestikuliert. Nach einer Weile versuchte ich meinen Vater zu beruhigen, doch als ich ihm sachte die Hand auf die Schulter legte, fuhr er so schnell herum, dass ich zurück wich, aber dann doch sachte sprach. "Dad?! Komm wir gehen erstmal ins Wohnzimmer..." Doch er unterbrach mich barsch. "Halt die Klappe!" Jetzt wich ich doch zurück. Papa baute sich vor mir auf. "Meine Frau ist tot!" Dann schlug er zu. Seine Faust traf auf meinen Bauch und ich klappte zusammen. Doch ich hatte keine Zeit Luft zuholen, denn sein Knie knallte mir gegen das Kinn und ich wurde gegen den Herd geworfen. Meine linke Wange wurde glühend heiß, als ihr seine flache Hand begegnete. Doch nach einiger Zeit war der Ausgleich auf meiner rechten Wange. Als endlich keine Schläge und Tritte mehr auf mich einprasselten, schleppte ich mich hoch in mein Zimmer. Lange lag ich auf den Teppich. So sehr wünschte ich mir jetzt Lucky und Mama her.
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