31 | Rückzug
Ich nehme Roger an die Hand und überquere die Straße, um zu dem Wald zu kommen, und mich kurz mit Roger zurückzuziehen. Etwas, dass andere Männer mit mir schon tausendmal gemacht haben. Umkleiden, Pferdeboxen und Abstellkammern sind mir nicht fremd. Sie nahmen mich an der Hand, sagten mir, was sie vorhatten, und ich war für eine Zeitlang ihr Spielgefährte. Danach wurden die Hosen wieder hochgezogen, man verabschiedete sich und das war's. Manchmal blieb einer noch für einen Kuss, aber Kuscheln oder ein zweites Treffen, waren irgendwie nie drin. Ich war ein guter Fick. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Für mich war das okay. Die Typen blieben meist nur kurz in der Stadt und ich hatte irgendwann den Ruf, bereit und gefügig zu sein und keine Fragen zu stellen.
Alles einvernehmlich.
„Ich will das nicht mehr!", sage ich plötzlich, als hätte mir jemand die Augen geöffnet. Roger läuft fast in mich rein, weil ich so abrupt stehen geblieben bin. „Okay, was ist los? Soll ich die Führung übernehmen?", fragt er sanft.
„Nein", meine ich und drehe mich zu ihm um. „Ich will keinen Sex mehr in dunklen Ecken und an öffentlichen Plätzen. Ich will auch nicht, dass du mir, oder ich dir Befehle gebe. Ich möchte mit dir schlafen, in einem Bett, und danach Arm in Arm einschlafen. Ist das verrückt?" Meine Stimme klingt zweifelnd. Habe ich mit meinem Wunsch grade die Tür zu Rogers Lust zugeschlagen? Hat er vielleicht gerade Bock auf außergewöhnliche Orte und Sex im Freien? Was ist, wenn ihm das nun doch zu viel Langeweile-Beziehungskram ist?
„Ach, Ian", sagt Roger und schlingt die Arme um mich. „Das ist nicht verrückt. Auch wenn ich gerne mal etwas Neues ausprobieren würde, finde ich das vollkommen in Ordnung, dass du das nicht mehr möchtest." Er gibt mir einen fast schon erlösenden Kuss auf die Stirn und nimmt dann wieder meine Hand. „Na komm, bis zum Hotel schaffen wir es noch, oder?"
Meine Gefühle stehen gerade Kopf. Was ist nur los mit mir? Warum ist etwas, das all die Jahre kein Problem dargestellt hat, plötzlich nicht mehr in Ordnung? Warum stößt es mir jetzt auf einmal sauer auf, wenn ich an all die namenlosen One Night Stands denke, die mir nichts bedeutet haben, die mir aber dennoch Spaß gemacht haben? Also meistens. Manchmal. Verdammt.
„Kann ich dir etwas erzählen, Roger?" Keine Ahnung, warum ich auf einmal das Bedürfnis habe, mich ihm anzuvertrauen, aber ich glaube, dass er mich und meinen Wunsch besser versteht, wenn ich ihm etwas über mich erzähle.
„Natürlich! Du kannst mir alles erzählen", antwortet Roger und zieht mich beim Gehen in eine enge Umarmung. Okay, Ian, trau dich! Er wird dir schon nicht den Kopf abreißen.
„Na schön", starte ich und atme tief ein. „Ich hatte schon viele Männer. Sehr viele, um genau zu sein. Einer so unbedeutend wie der andere. Und keiner so traumatisch wie der erste", gebe ich zu. Roger starrt mich kurz an.
„Ian, du musst es mir nicht erzählen, wenn du noch nicht bereit bist."
„Doch, muss ich. Ich will es. Es hat mich geprägt und ich möchte, dass du verstehst, warum ich vorhin so ausgetickt bin, als ich die Kommentare zu mir gelesen habe. Denn es stimmt, ich war aktiv. Und devot. Ich habe sie bestimmen lassen und es war okay für mich. Aber jetzt mit dir... ich merke jetzt, wie es ist, auf Augenhöhe mit jemandem zusammen zu sein. Und ich will nicht wieder als Spielball enden. Diesmal nicht."
Roger bleibt stehen und legt seine Arme um mich. „Du bist nicht mein Spielball. Oder mein Toyboy. Als ich das gesagt habe, war das ein Scherz. Ich wusste ja nicht, welche Erfahrungen du in der Vergangenheit gemacht hast."
„Ich werde dir nicht von allen erzählen. Nur von einem. Dem Ersten."
Roger nickt und wir gehen weiter den Berg hoch. Als ich erzähle, tauchen plötzlich wieder diese Bilder in meinem Kopf auf, die ich so lange verdrängt habe. Bilder von meinem ersten Mal, mit ihm.
Anmerkung:
Das nächste Kapitel enthält triggernde Inhalte und kann komplett übersprungen werden. Lest dann einfach bei Kapitel 33 weiter.
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