24 | Partner

Nervös gehe ich den unangenehm weißen Flur des Krankenhauses auf und ab. Roger ist vor ein paar Minuten in Zimmer 758 verschwunden und ich versuche hier draußen die Ungeduld auszuhalten. Ob Roger seinem Vater von uns erzählt? Das wäre das erste Mal, dass der Senior einen von Rogers Männern kennenlernt.

Die letzten 24 Stunden waren auch für mich voller erster Male. Noch nie in meinem Leben hatte mich jemand gefragt, ob ich sein fester Freund sein möchte. Und die Antwort darauf war natürlich ‚Ja' gewesen. Auch unsere zweite gemeinsame Nacht, in der ich Rogers unglaublich schönen Körper unter mir verwöhnen durfte und er mir schließlich zu verstehen gegeben hatte, dass er sich wünscht, dass ich ihn 'zähme' - seine Worte, nicht meine - war für mich etwas, dass ich noch nie zuvor habe tun dürfen.

Tatsächlich waren die Männer, mit denen ich in meinem Leben Sex gehabt hatte, immer dominant gewesen und immer One Shots geblieben. Jetzt einmal selbst zu tun, was ich sonst nur empfangen hatte, beflügelte mich noch immer. Besonders, weil Roger sich so sehr fallen gelassen hat, als ich mich, ihn liebevoll küssend, in ihn versenkt habe. In meinen Gedanken träume ich mich zur letzten Nacht und denke grinsend an Rogers weiche Haut über den straffen Brustmuskeln, die vom Schweiß unserer Bewegungen im Schein des Mondes verführerisch glänzt.

„Hey Cowboy..." Rogers Kopf schaut durch die Tür des Zimmers mit der Nummer 758. Aufgeregt gehe ich auf ihn zu. „Ja?", frage ich unsicher, doch Roger greift nach meiner schwitzigen Hand. „Er will dich sehen!", sagt er und wir gehen gemeinsam in den Raum, in dem Flynn Mackay in einem Bett liegt. Auch als wir vor dem Bett des Seniors stehen, lässt Roger meine Hand nicht los, was ich als Zeichen deute, dass er seinem Vater von uns erzählt hat. Oder ihm jetzt grade zeigt.

„Hallo Mr. Mackay", begrüße ich ihn. „Wie geht es Ihnen?"
Mit einer Handbewegung deutet er an, dass ich zu ihm kommen soll. Kurz blicke ich zu Roger, der bestätigend nickt. Dann gehe ich auf den Senior zu, der auf einmal meine Hand nimmt. Sie ist kalt und zittert ein wenig. Auch die Augen, die mich ansehen, sind trüb und es scheint ihm schwer zu fallen, sich zu fokussieren. Der Anblick stimmt mich traurig, doch ich zwinge mich zu einem freundlichen Lächeln.

„Ian", beginnt er zu sprechen und es ist so leise, dass ich mich ein wenig zu ihm hinunterbeugen muss, um ihn zu verstehen. „Danke!" Es ist alles, was er sagt, doch ich spüre, dass er etwas in meine Hand gelegt hat, als er sie in seine genommen hat. Gerade will ich nachsehen, was es ist, doch der alte Mann hält meine Faust geschlossen und lächelt mich dann an. „Wenn die Zeit reif ist", klingt es brüchig aus seinem Mund, bevor er anfängt zu husten. Roger steht auf einmal neben mir und hilft seinem Vater in eine aufrechtere Position, als auch schon eine Schwester hereinkommt und ich unaufgefordert platz in dem kleinen Zimmer mache. Bis Roger sich von seinem Vater verabschiedet hat, werde ich auf dem Flur warten.

Nach der Visite treffen wir uns mit Mary im Café des Krankenhauses. Roger hält an seinem Plan, in der Stadt zu bleiben, fest und hat sich ein Zimmer in einem Hotel in der Nähe des Hospitals genommen. Mary wird noch heute nach Mackay Hall zurückfahren und will mich mitnehmen. Doch ich habe andere Pläne.

Als Roger grade die Tasche für seinen Vater gepackt hat, war ich ihn meinem Zimmer und habe mir selbst ein paar Dinge in meinen Rucksack gestopft. Roger war so mit dem Packen beschäftigt, dass er gar nicht gemerkt hat, wie ich meine Tasche im Auto deponiert habe.

„Ich bleibe auch hier", eröffne ich ihnen zwischen Kaffee und Kirschkuchen. Mary lächelt. Roger verschluckt sich fast an seinem Donut. „Du bleibst? Und wer passt auf den Hof auf?"
„Ich", sagt Mary unterstützend. „Und ich frage mal bei Herold an, ob er mir für ein paar Tage seinen Sohn ausleiht. Er hilft sicher gerne", überlegt sie.

„Ist das okay für dich?", frage ich an Roger gewandt. Er sieht zwar etwas überrumpelt aus, doch auch irgendwie zufrieden. „Hast du denn was zum Anziehen und deine Zahnbürste dabei?", grinst er. „Natürlich" grinse ich zurück.
„Und wo wirst du schlafen?", feixt er.
„Ich dachte, ich schlafe bei dir", schmunzele ich und sehe amüsiertes Erstaunen auf Marys Gesicht. „War ja nur eine Frage der Zeit mit euch beiden", lacht sie plötzlich und ich muss ebenfalls lachen.

„Oh man", grinst Roger kopfschüttelnd und legt dann seinen Arm um meine Schulter. „Okay, aber da muss ich trotzdem im Hotel Bescheid sagen. Ist ja keines, dass man nur für ein paar Stunden bucht." Bei dem Gedanken, mit Roger eine Nacht im Hotel zu verbringen, wird mir ein wenig heiß. Hotelzimmer haben, wie ich finde, ihren ganz eigenen Charm, wenn man Zeit zu zweit verbringen will. Bisher war ich noch nie für eine ganze Nacht dort und ich freue mich darauf, mal für länger als den Akt dort sein zu dürfen und am nächsten Morgen mit meinem festen Freund im Arm aufwachen zu dürfen.

Überglücklich drücke ich dem Junior einen Kuss auf die Wange. „Danke", sage ich. Ich danke ihm für alles. Dafür, dass er uns eine Chance gibt. Dafür, dass er mich nicht wegschickt. Dafür, dass er wie ich eine Beziehung möchte. Niemals hätte ich mir letzte Woche vorstellen können, dass ich das einmal denke, doch Roger ist wirklich ein toller Mann. Jetzt, wo ich seine Geschichte kenne, nehme ich ihn ganz anders wahr und er ist wirklich gut zu mir.

Nachdem wir uns von der breit grinsenden Mary verabschiedet haben, schlendern wir, Hand in Hand, zum Juwelier, um die Steine schätzen zu lassen. Die paar schiefen Blicke stören mich nicht, denn ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, meine linke Hand mit Rogers zu verschränken und immer wieder zu drücken, um mich daran zu erinnern, dass dies gerade wirklich passiert. Die rechte steckt in meiner Hosentasche und spielt mit dem Ring, den Rogers Vater mir zugesteckt hat.
Ja, er hat mir seinen Ehering gegeben. Einen goldenen, der die Widmung „Auf Ewig Dein" enthält und der das Gegenstück zu dem von Rogers Mutter ist, den wir in dem Engel gefunden haben. Er ist aus 750 Gelbgold, doch ich denke nicht daran, ihn zu verkaufen. Irgendwann wird dieser Ring zurück zu Roger finden. So oder so, er gehört ihm.

Das hellklingende Glöckchen an der Tür des Juweliers lässt den älteren Mann hinter dem Tresen aufsehen. Als er uns erblickt, wie wir Hand in Hand den Laden betreten, fällt ihm erst einmal recht nonchalant die Kinnlade herunter. Doch er fängt sich schnell und blickt uns dann etwas zu freundlich an. „Schönen guten Tag, die Herren", begrüßt er uns. „Was kann ich für Sie tun?" Ich grinse und sehe Roger an. Der scheint das Gleiche zu denken und nickt.

„Wir sind wegen ein paar Ringen hier", lächele ich freundlich. „Gelbgold, wenn ich mich nicht irre, oder Schatz?", frage ich an Roger gewandt. Der nickt nur grinsend und ich mache weiter, in dem ich mich provokant an Rogers Arm klammere.

„Ah, Ringe also", wiederholt der Alte und schluckt. „Was haben Sie sich denn vorgestellt? Wir haben hier drüben eine interessante Auswahl an Freundschaftsringen", schlägt er vor und will mit uns zu einer unspektakulären Vitrine gehen. Ich winke ab. „Es geht um Eheringe", sage ich wahrheitsgemäß, denn davon haben wir gleich vier im Gepäck, drei davon kennt Roger.

„Also, das ist nicht so mein Spezialgebiet...", sagt der Alte und zieht unsicher an seinem Hemdkragen. Es ist ihm sichtlich unangenehm, uns zu beraten.

„Komm Schatz, dann gehen wir zu Stanfords, vielleicht ist da die Beratung besser", sage ich an Roger gewandt. „Nein, ich habe einen Kollegen, der... Mr. Bailey!", ruft der Alte schon etwas panisch in das Hinterzimmer. „Mein Kollege kennt sich mit sowas viel besser aus", lächelt der Alte übertrieben und ich muss fast lachen, als ich in sein verkniffenes Gesicht sehe, die Hände nervös vor dem Oberkörper knetend und angespannt darauf wartend, dass sein Kollege endlich aus dem Hinterzimmer auftaucht.

„Ja, Mr. Fuller, brauchen Sie etwas?" Mr. Bailey ist schon eher nach meinem Geschmack. Er muss so etwa Anfang dreißig sein, mit einem flotten Kurzhaarschnitt und einem dezenten Stecker im linken Ohrloch. Seine Augen sind wach und sein Gesicht freundlich. „Mr. Bailey, diese jungen Herren wünschen sich eine Trauringberatung und ich dachte, dafür sind Sie besser geeignet." Mr. Baileys Blick wandert zu uns und ein ehrlich erfreutes Lächeln schleicht sich auf seine Lippen, als er sich professionell bei seinem Kollegen fürs Bescheid sagen bedankt und ihm anbietet, doch jetzt in die Pause zu gehen.

„Eheringe also", lächelt er und sein Blick bleibt auffällig lange an meinem Freund kleben. „Sind Sie sich auch ganz sicher", grinst er verschmitzt und ich glaube meinen Ohren nicht zu trauen. Fängt der jetzt auch noch damit an? Ich hatte den jungen Mann für offener gehalten.

„Hören Sie mal", sage ich wütend. „Wir sind Kunden und wir möchten auch so behandelt werden! Und auch wenn wir gar nicht hier sind, um Eheringe zu kaufen, sondern nur um welche bewerten zu lassen, würde ich mir wünschen, dass sie uns ernst nehmen, sonst gehen wir gleich zu einem anderen Juwelier! Diese abschätzige Behandlung haben wir gar nicht nötig!", platzt es aus mir heraus.

Nun schenkt mir der Verkäufer auch endlich Beachtung. „Ich sehe schon Roger, dein Freund hat ordentlich Pfeffer. Ich glaube, der kann dich händeln", sagt er und ich stutze. „Roger?", frage ich verwirrt. Ungläubig sehe ich in das Gesicht meines Freundes. Er grinst.

„Schön, dich mal wiederzusehen, Stuart!"

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