Bösartig
Ich trat an die Brüstung und lehnte mich gegen das kalte Metall des Geländers, bevor ich antwortete. „Bist du hier um mich vom Turm zu schubsen?", fragte ich und legte den Kopf in den Nacken, um die Sterne zu beobachten, die mir einsam aus dem tiefen Schwarz des Himmels entgegenleuchteten. Black entkam ein humorlos Lachen „Nein.", antwortete er schlicht und trat neben mich. Er schien den Drang mir einen qualvollen Tod bereiten zu wollen wohl überwunden zu haben.
Ein unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen uns aus und ließ mich erstmals die Kälte und den beißenden Wind wahrnehmen. „Bald ist Vollmond", sagte ich in Ermangelung eines besseren Themas. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er den Kopf drehte um mich anzusehen. „Wirst du uns verraten?", fragte Black ohne jegliche Emotion in der Stimme, trotzdem merkte ich ihm seine Nervosität an. „Warum sollte ich?", gab ich zurück. „Ich weiß nicht genau, vielleicht weil du unsere Leben zerstören willst?", Sarkasmus in seiner reinsten Form. „Ich wollte, beachten die Zeitform, Potter wehtun, nicht euch.", erklärte ich. „Das hat sich irgendwie anders angefühlt, als du mich geküsst hast." „Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, du warst nur Mittel zum Zweck." „Wenn du das so sagt klingst du echt, wie eine eiskalte Killerin, Evans." Ich zuckte mit den Schultern „Was auch immer." „Für jemanden, der sein Lebensziel erreicht hat, klingst du nicht so glücklich.", bemerkte er. „Wieso bist du eigentlich hier?", fragte ich wütend, „Um mich zu belehren?" Black schwieg kurz „Eigentlich bin ich hergekommen, um nachzudenken." „Sowas kannst du?" Ein vernichtender Blick traf mich. „Worüber denn?", fragte ich etwas freundlicher. „Was denkst du, was das hier ist? Black–und–Evans–erzählen–sich–all–ihre–Probleme–und–werden–dann–beste–Freunde?"fuhr er mich an. „Hast du was besseres zu tun?", entgegnete ich. Black seufzte „Also gut, ich habe darüber nachgedacht was du gesagt hast. In King's Cross.", gab er zu. Ich überlegte kurz, doch ich wusste nicht, wovon er sprach „Was genau meinst du?" „Dass ich schon so vielen Mädchen wehgetan habe.", nuschelte er, „Irgendwie hast du ja Recht. Ich habe nie gedacht, dass es so schlimm ist, weißt du? Die Mädchen wussten worauf sie sich einlassen, dachte ich immer. Sie wussten, dass es passieren würde, egal wie oft sie versucht haben mich zu ändern. Aber dann hab ich James gesehen, nachdem du mit ihm fertig warst. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so verzweifelt war." Mein Herz zog sich bei seinen Worten schmerzhaft zusammen, „Dachte ich jedenfalls. Doch nachdem du gesagt hast, dass ich genauso schlimm bin ist mir eingefallen, dass jedes Mädchen, mit dem ich mal was hatte, genauso ausgesehen hat, wenn ich Schluss gemacht habe. Ich habe es nie gemerkt! Ich hab nie darauf geachtet, sie waren mir einfach egal! Und ich wusste nichtmal, was ich ihnen antue, weil ich immer nur auf mich geachtet habe." Black raufte sich so heftig durch die Haare, als wolle er sie ausreißen. Vorsichtig legte ich eine Hand an seine Schulter. „Ich weiß, was du jetzt fühlst. Es ist dieses zerfressende, nagende, schmerzhafte und gleichzeitig rechtmäßiges Schuldgefühl.", seufzte ich. Black nickte schwach „Du kennst dich anscheinend gut damit aus." Ich blickte zu Boden, unfähig ihn jetzt anzusehen. „Ich dachte die ganze Zeit, es hätte dich nicht berührt.", gestand er. „Schon als ich ihn am nächsten Tag beim Frühstück gesehen hab, fand ich es nicht schön.", murmelte ich. „Tja, der Morgen danach ist immer schlimm.", grinste er und ich konnte nicht verhindern das ich leicht lächelte. Trotzdem stieß ich ihm meinen Ellenbogen fest in die Seite. „Ah, Lily, du kleine Biest!", rief er und rieb sich die Stelle. „Stell dich nicht so an du Riesenbaby! Und Lily?", fragte ich skeptisch. „Jetzt wo wir uns gegenseitig unsere Seelen offenbart haben, können wir doch unsere Vornamen benutzen.", meinte er. „Meinetwegen.", lachte ich. Dann schwiegen wir wieder und betrachteten einfach nur die in Nacht getauchten Ländereien.
Auf einmal begann Sirius zu lachen und ich stimmte sofort mit ein. Diese Situation war einfach zu merkwürdig. „Was machen wir hier eigentlich?", wollte er wissen und schlug sich gegen die Stirn, „Fast wie so eine Therapierunde in diesen Muggelfilmen." „Die anonyme Sitzung der reuigen Herzensbrecher.", kicherte ich.
Als wir uns wieder beruhigt hatten, blickte ich auf meine Uhr. „Oh Merlin, es ist schon fast Mitternacht!", rief ich erschrocken aus. Sirius rollte mit den Augen „Alte Streberin.", murmelte er. „Eine Streberin, die dir Punkte abziehen kann, also komm jetzt."
Wir betraten das Schloss wieder und stiegen die lange Treppe herunter. Gemeinsam gingen wir bis zu einem Korridor, an dem sich unsere Wege trennten. Ich hielt kurz inne, atmete dann tief durch und fragte unsicher: „Wirst du James von diesem Gespräch erzählen?" „Nein, er würde es nicht verstehen. Wahrscheinlich wäre es für ihn Hochverrat.", meinte Sirius. „Tut mir leid.", flüsterte ich betreten. „Naja, wenn jemand kein Recht hat zu urteilen, dann ja wohl ich.", befand Sirius. Ich lächelte schwach „Danke."
Dann drehte ich mich um und machte mich auf den Weg zu den Schulsprecherräumen.
Ich hasste es zu wenig zu schlafen. Müde saß ich am Gryffindortisch in der großen halle und versuchte nicht einzuschlafen, während ich Butter auf mein Toast schmierte. Meine Freundinnen unterhielten sich über irgendetwas, doch ich war zu beschäftigt mich nicht mit meinem Buttermesser zu erstechen, um ihrem Gespräch zu folgen. Gerade biss ich etwas von meinem etwas zerstörten Frühstück ab, als plötzlich ein Raunen durch die Schüler ging. Neugierig hob ich den Kopf und verschluckte mich beinahe an meinem Toast. Dort war Potter. Mit einem Mädchen.
Die beiden schlenderten händchenhaltend zu unserem Tisch und setzten sich direkt gegenüber von mir hin. Ich merkte erst, dass mein Mund offen stand, als ein Stück meines Essens hinausfiel. Beschämt schloss ich ihn wieder, doch glücklicherweise schien niemand diese Peinlichkeit bemerkt zu haben. Ich verschwendete keinen weiteren Gedanken daran und richtete meine volle Aufmerksamkeit wieder auf Potter und seine... Freundin.
Wo hatte er die denn auf einmal her? Er war gestern nichtmal beim Essen gewesen! Hatte er sich etwa an diesem Morgen noch eine Freundin gesucht?
Ich besah mir das Mädchen genauer. Lange, braune Haare und ein leicht dümmliches Gesicht, ja sie war vollkommen sein Typ. Sie sah nach fünfter Klasse aus, doch die Tonne an Schminke machte genaueres schwierig. Ich versuchte mich zu erinnern, woher ich ihr Gesicht kannte. Dann viel es mir ein: von den Vertrauensschülertreffen! Jetzt erinnerte ich mich wieder an sie Misty Graham, Fünftklässlerin aus Gryffindor, ebenso dumm wie schön.
Gerade kicherte sie los und gab ihm dann einen sehr langen und sehr zungigen Kuss. Ich rümpfte nur die Nase. Potter war ja wirklich sehr schnell über mich hinweggekommen.
Nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte, es zeigte mir nur, dass ich doch Recht gehabt hatte. Ich wandte mich wieder meinem Toast zu, doch bei dem Gesülze konnte ich mich wirklich nicht auf mein Essen konzentrieren.
„Hey, Schönheit.", hörte ich plötzlich eine Stimme an meinem Ohr. Ich verschluckte mich an meinem Toast und hustete verzweifelt, während ich um mich herum einige Lacher hörte. Jemand schlug mir fest auf den Rücken und endlich bekam ich wieder Luft. „Danke.", röchelte ich und räusperte kurz. Entschuldigend lächelnd drehte ich mich zu Will um „Guten Morgen." „Gehts wieder?", fragte er leicht besorgt und lächelte sanft. „Ja", sagte ich, „Nochmal Danke" „Für dich doch immer. Bist du fertig?", fragte er und deutete auf meinen leeren Teller. Ich nickte, nahm meine Tasche und wir verließen gemeinsam die große Halle. Nachdem ich nicht mehr dazu gezwungen war Potter und seinem Spielzeug zuzusehen, fühlte ich mich gleich besser. Potter war doch so ein Idiot! Was wollte er damit bezwecken? Dass ich eifersüchtig wurde? Der hatte sie doch echt nicht mehr alle! Dachte er wirklich, dass...
„Lily?" „Was?", erschrocken sah ich zu Will auf, der mich fragend anblickte. „Tut mir leid, ich hab dir gerade nicht ganz zugehört.", gestand ich und lächelte schuldbewusst. Will seufzte „Hast du Potter und dieses Mädchen gesehen?", wiederholte er. „Waas, Potter und ein Mädchen? Überhaupt nichts gesehen.", log ich. Zweifelnd zog Will eine Augenbraue hoch „Sie saßen direkt gegenüber von dir." „Hab ich nicht bemerkt, weißt du ich ich bin ziemlich müde, war gestern länger auf.", behauptete ich. „Oh, wieso das denn?" „Konnte nicht schlafen.", die Lüge verließ meine Lippen, bevor ich nachdachte. Am liebsten hätte ich mir gegen die Stirn geschlagen, das war jetzt das zweite mal, dass ich Will heute ohne mit der Wimper zu zucken ins Gesicht gelogen hatte. Was war nur los mit mir?
Als Will mich dann zum Verwandlungsklassensaal gebracht hatte und sich verabschiedete um zu Kräuterkunde zu gehen, war ich einfach nur erleichtert. Ich sollte mich eigentlich schlecht deswegen fühlen, doch in diesem Moment war ich einfach nur froh ihn los zu sein.
Zwei Wochen waren nun vergangen, seit Potter und Mistystück Graham zusammen waren und sie waren immer noch nervig wie am ersten Tag. Um mich abzulenken und noch ein bisschen meiner Laune zu retten, suchte ich nach Ablenkung im Raum. Mein Blick fiel auf Will.
Er saß am Ravenclawtisch und schien mich glücklicherweise nicht zu beachten.
Warte, wiesoieso glücklicherweise? Was war nur in letzter Zeit los mit mir? Stumm schüttelte ich den Kopf und konzentriert mich wieder auf meinen Teller kalter Spagetti und auf Kate und Claire, die sich über die vielen Hausaufgaben beschwerten, die wir jetzt schon bekommen hatten. „Am schlimmsten finde ich ja Zauberkunst! Drei Seiten über so einen popeligen Zauber schreiben!", stimmte ich mit ein. Die beiden stimmten mir aufgebracht zu und ich hatte es fast geschafft mich abzulenken, als plötzlich ein schrilles Kichern erklang. Merlin, regte mich diese Göre auf! Ich verbat mir jeden Blick in diese Richtung, konnte ich mir doch denken, was dort so passierte. Warum interessierte es mich eigentlich so? Diese Frage schwebte mir schon seit zwei Wochen im Hinterkopf herum. Es war doch jetzt eigentlich alles gut. Ich war Potter los, mit Will zusammen, war vielleicht mit Sirius befreundet und hatte mich sogar bei Potter entschuldigt, damit die Schuldgefühle verschwanden. Trotzdem hatte ich immer noch dieses komische Gefühl in der Magengegend.
Vielleicht sollte ich nochmals mit Potter reden. Ich hatte mich zwar entschuldigt, doch seine Reaktion hatte ich nicht mitbekommen. Das musste es sein, ganz bestimmt! Umso mehr ich darüber nachdachte, umso mehr Sinn schien es zu ergeben. Anscheinend war ich von meinem Glück doch nicht soweit entfernt, wie ich dachte.
Nach dem Essen wollten meine Freunde und ich gerade zum Gemeinschaftsraum um Hausaufgaben zu machen, da kam Will auf mich zugelaufen. „Hallo Lil! Na, hast du Lust auf einen Spaziergang?", hoffnungsvoll blickte er mich an und ich zwang mich zu einem „Klar, gerne!" Er hatte es nicht verdient, dass ich ihm aus dem Weg ging. Ich rang mir ein Lächeln ab und wir traten durch das Schlossportal hinaus auf die verschneiten Ländereien. Hand in Hand liefen wir bis zum teilweise zugeeisten Seeufer. Der Wind war kalt und schneidend, sodass ich trotz meines dicken Winterumhangs bald begann vor Kälte zu zittern. Will bemerkte es sofort, zog sich seinen Umhang von den Schultern und legte ihn um meine. Er lächelte zaghaft und ich wartete auf das angenehme Kribbeln in meinem Bauch, doch es kam nicht. Ich spürte rein garnichts.
Mir fiel auf, dass wir seit unserem letzten Zusammenkommen kaum miteinander geredet hatten, noch schlimmer, dass es mich nicht mal interessierte, was er zu sagen hatte. Dazu kamen noch die Lügen, die ich ihm ohne schlechtes Gewissen erzählt hatte. Wenn ich ehrlich war...
Nein, sowas durfte ich garnicht denken! Das war nur durch die ganzen komischen Umstände. Wenn erstmal alles geklärt war, würde es schon wieder normal werden. Nun war Will stehengeblieben. Er drehte sich zu mir um und legte eine Hand an meine Wange. Vorsichtig beugte er sich vor und legte seine Lippen auf meine. Ich sollte, musste den Kuss erwidern, doch ich hatte genug davon Gefühle vorzutäuschen. Ich hatte es einmal getan und es hatte meine ganze kleine Welt verändert. So sehr, dass ich sie kaum wiedererkannte.
Also trat ich einen Schritt zurück. Verwirrt sah Will mich an und ich schluckte. Ich wollte ihm nicht wehtun. Doch ich musste ehrlich sein. „Es tut mir leid, Will, aber ich kann das nicht. Ich weiß nicht wieso, aber momentan habe ich eh das Gefühl, dass ich nichts weiß. Es liegt nicht an dir, es liegt an mir. Ich habe mich verändert. Dinge getan, für die ich mich nie fähig gehalten habe. Du hast es nicht verdient, dass ich an uns zweifle. Deswegen denke ich, wir sollten eine Pause machen. Nur solange, bis ich alles um mich herum wieder verstehe.", ersuchte ich zu erklären. „Du machst also Schluss?", fragte Will mit tonloser Stimme. „Nein, nur eine Pause, bis ich ganz ehrlich mit dir zusammensein kann.", verdeutlichte ich, was ich meinte. „Ist es wegen ihm?", fragte er gequält. „Wem?", irritiert sah ich ihn an.
„Potter.", Will spuckte seinen Namen mit so viel Verachtung aus, dass ich kurz zusammenzuckte. „Nein, ich habe es dir doch eben erklärt.", sagte ich. „Du musst mir nichts vormachen, ich versteh schon.", zischte er. „Ich will nichts von Potter, mach dich nicht lächerlich.", gab ich angesäuert zurück. „Er ist dir also nicht wichtig?", fragte Will etwas zu entspannt für meinen Geschmack. „Ja.", antwortete ich vorsichtig. „Gut, dann bis demnächst man sieht sich.", verabschiedete sich Will, pflückte mir seinen Umhang von den Schultern und ließ mich dann stehen. Misstrauisch blickte ich ihm nach. Als er einer großen Pfütze auswich, erhaschte ich einen Blick auf sein Gesicht. Er grinste.
Doch da war nichts freundliches oder warmes, nein, es war einfach bösartig. Und das konnte nichts gutes bedeuten.
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Und, wie fandet ihrs? Ich würde mich riesig über Kommentare freuen, bis zum nächsten mal–Lita.
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