33.

Nicos Sicht

Wo war ich? Ich war gerade in einem Zimmer aufgewacht, dass mir völlig fremd vorkam. Ich blickte mich um und musterte die weißen Wände und das Bett in dem ich lag.
Ich war ganz eindeutig in einem Krankenhaus.
Erinnerungen brachen über mich herein.
Wie Markus mich zusammen geschlagen hatte.
Gott ich hatte wirklich gedacht ich würde sterben.
Aber anscheinend war ich am Leben oder?
Wie war ich hierher gekommen? Hatte mich Mirinda hier hin gebracht? Markus ganz sicher nicht.

Eine Krankenschwester betrat den Raum. Sie warf einen Blick auf mich und rief dann in den Flur:"Er ist wach."
Ein Arzt in einem weißen Kittel kam herein.
"Hallo Nico, ich bin Dr. Schneider", begrüßte er mich.
"Hallo", murmelte ich leise.
"Wie geht es dir", fragte er, "du bist wahrscheinlich ziemlich verwirrt."
Allerdings.
"Jaah..., warum bin hier?", fragte ich.

"Naja du hast eine Gehirnerschütterung, ein paar gebrochene Rippen und..."
"Nein ich meine, wie bin ich hier hin gekommen?", fragte ich genervt.
"Die Polizei hat einen Krankenwagen gerufen, der hat dich dann hier hin gebracht", antwortete er ruhig.

Etwas in meinem Kopf machte Klick.
Die Polizei war da gewesen. Wo war Markus jetzt wohl?

"Ähm, wissen sie vielleicht zufällig, was die Polizei mit meinem, ähm, Stiefvater gemacht hat?", fragte ich den Arzt.
"Sie haben ihn festgenommen", er sah mich mitleidig an, "sie würden gerne eine Aussage von dir haben, fühlst du dich bereit dazu?"
Ich nickte, aber fühlte ich mich wirklich bereit? Ich wusste es nicht.

"Gut dann lass ich dich jetzt erst mal wieder alleine, versuch am besten ein wenig zu schlafen, wenn irgendwas ist, melde dich einfach, okay?"

Ich nickte wieder. Er verließ das Zimmer.
Eigentlich hatte ich noch ziemlich viele Fragen. Wo war eigentlich Mirinda? Und wie spät war es überhaupt ?
Ich fand eine Uhr an der Wand.
Halb elf.
Ich schloss meine Augen.
Das Schlafen konnte ich allerdings vergessen, ich war viel zu aufgewühlt dafür.
Ich lag ungefähr eine halbe Stunde einfach nur da, als es auf einmal an der Tür geklopft wurde.
"Herein", sagte ich und zwei Polizisten betraten das Zimmer.
Oh scheiße, was sollte ich denn jetzt sagen?
Lügen?
Warum sollte ich das eigentlich tun?
Warum nicht einfach die Wahrheit sagen?
Dann hätte das ganze doch ein Ende.

Es waren eine Frau und ein Mann. Die Beiden stellten sich vor und setzten auf zwei Stühle.

"Also wir hätten ein paar Fragen an dich", sagte der Mann und schaute mich erwartungsvoll an.
Ich nickte, "okay."
"Gut, dann erzähl uns erst einmal, was genau diesen Abend passiert ist."

Ich begann ihnen alles zu berichten, was ich vom heutigen Abend noch wusste und ließ dabei auch nichts aus.

Als ich geendet hatte sahen sich die Polizisten vielsagend und ein wenig geschockt an.
"Okay, das was du sagst stimmt auf jeden Fall mit deinen Verletzungen überein", sagte die Frau dann.
"Denken Sie ich hab mir das ausgedacht?", fragte ich wütend.
"Nein, das hab ich nicht gesagt."

"Ist so was schon mal passiert? Oder war das das erste Mal, dass dich dein Stiefvater geschlagen hat?", fragte der Polizist dann.

Nicht lügen! Sag die Wahrheit!
Ermahnte mir eine Stimme in meinem Kopf .
Ich atmete tief durch.

"Nein, war's nicht", antwortete ich dann und  schaute gequält  auf den Boden.

Der Polizist nickte.
"Wie oft kam das denn schon vor?", fragte er mich.

"Ähm... ziemlich oft", sagte ich unsicher.

"Aha, und seit wann ungefähr?", fragte die Polizistin.

"Seit er meine Mutter kennen gelernt hat und wir bei ihm eingezogen sind."

"Wie alt warst du da?"

"Fünf"

Es gab eine kurze Stille.
"Hat sei Stiefvater auch deine Mutter und deine Schwester geschlagen?", fragte die Frau schließlich.

"Nein", antwortete ich knapp, "nur mich."

"Hat deine Mutter deinen Stiefvater dabei unterstützt oder warum hat sie nichts gegen ihn unternommen?"

Ich überlege. Was sollte ich ihnen jetzt sagen? Das meine Mutter mich hasste und nicht im Traum daran gedacht hätte mir zu helfen und Markus zu stoppen?
Wenn ich das täte, würde sie wohlmöglich auch im Gefängnis landen, und ich und Leslie hätten keinen Erziehungsberechtigten mehr.
Was würde dann passieren? Ich entschied mich etwas zu versuchen...

"Also ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Mutter. Ich glaube sie hatte einfach zu große Angst vor Markus, um etwas gegen ihn zu tun. Er hat ihr gedroht und so. Sie ist mir aber trotzdem sehr wichtig und ich bin ihr dankbar, dass sie immer für mich da war, wenn ich Probleme hatte",log ich.

"Scheint mir aber trotzdem ein wenig egoistisch zu sein, zuzusehen wie das eigene Kind verprügelt wird, nur weil man zu große Angst um sich selbst hat", sagte die Polizistin abwertend.

"Sonja!", ermahnte sie ihr Kollege, woraufhin sie die Augen verdrehte.

"Warum hast du keinem davon erzählt? Bist nicht zur Polizei gegangen oder ähnliches",fragte er.

"Kein Ahnung, Sie würden es vielleicht verstehen, wenn Sie in meiner Situation wären. Ich dachte ich könnte es einfach durchstehen und, dass das das Einfachste wäre.

Jetzt habe ich aber mal ne Frage an Sie. Warum sind Sie überhaupt zu unserem Haus gekommen, woher wussten Sie davon?"

"Eine Frau ist zu uns in die Polizeistation gekommen. Sie hat sich uns als deine Großmutter vorgestellt und uns von ihrem Verdacht gegen deinen Stiefvater erzählt. Sie meinte, sie hätte davon von einem Mädchen namens Amelie gehört."

Von Amelie also,dachte ich. Jetzt wussten wir wo Amelie hingegangen war. Zu meiner Oma. Sie hatte ihr alles erzählt. Aber warum?

"Es gibt noch etwas, dass wir dir mitteilen müssen", fuhr er fort, "und zwar handelt es dich bei dieser Amelie ja um deine Halbschwester richtig?"
Ich nickte.

"Und euer gemeinsamer Vater, den du aber erst seit kurzem kennst, ist vor ein paar Tagen ermordet worden",sagte er ruhig.

Ich nickte wieder.
"In diesem Fall, haben wir jetzt einen Schuldigen. Deine Oma, hat sich kurz nachdem die ihre Aussage gemacht hatte gestellt und den Mord zugegeben."

Ich schluckte schwer. Nein, das durfte nicht wahr sein. Warum hatte sie das getan. Ich brauchte sie. Sie war die einzige Person in meiner Familie, der ich nicht völlig egal war. Warum hatte sie den Mord bloß zugegeben.

"Das ist bestimmt erstmal ein Schock für dich oder? Standest du deiner Oma sehr nah?", fragte die Polizistin.

"Ja", sagte ich mit belegter Stimme.

"Sie hat als Motiv eine Vergewaltigung deines Vater an deine Mutter angegeben. Weißt du von dieser?"

Ich lachte bitter.
"Ja, allerdings. Die ist der Grund dafür dafür, dass ich heute hier sitze. Und auch der Grund dafür, dass Markus nicht besonders gut auf mich zu sprechen ist."

Die Polizistin zog die Augenbrauen hoch.
"Oh Gott."

Sie stellten mir noch ein paar Fragen und gingen dann wieder.

Beim raus gehen knallte der Polizist die Tür zu.
Ich zuckte zusammen.
Ich hasste Laute Geräuschen oder schnelle Bewegungen.

Früher in der Grundschule fing ich bei sowas immer sofort an zu weinen. Auch wenn damals ein Lehrer in einem lauteren Ton mit mir gesprochen hatte, bekam ich sofort Panik und bin regelrecht ausgerastet.

Scheiße, wie ich mein Leben doch hasste.

"Gott, was für ein schlimmer Fall. In seiner Haut wollte ich wirklich nicht stecken",hörte ich die Polizistin leise hinter der Tür zu ihrem Kollegen sagen.

Nein, ich eigentlich auch nicht.

Die Tür ging auf und jemand, mit dem ich nicht gerechnet hatte betrat das Zimmer.

Meine Mutter.

Sie starte mich an.
Ihre Augen sahen extrem verheult aus.
Wahrscheinlich wegen Markus.

"Hallo?",sagte ich trocken, "was willst du den hier?"
"Wie geht es dir?",fragte sie.

Ich schaute sie ungläubig an.
"Es geht schon", antwortete ich, "aber seit wann interessiert dich das bitte?"

Sie antwortete nicht und fragte stattdessen, "hast du deiner Oma erzählt, dass Markus dich schlägt?"

Aus ihrem Mund klang das so, als ob es nicht die Wahrheit wäre.

"Nein das war Amelie", antwortete ich.

Sie nickte.
"Also du hast es Amelie erzählt?Warum? "
"Ja, sie ist meine Schwester, ich hab jemanden zum Reden gebraucht."

"Leslie ist deine Schwester, nicht diese Amelie mit ihrem scheiß Vater..."

"Hast du eigentlich schon davon gehört, dass "dieser scheiß Vater" von deiner Mutter ermordet wurde?", unterbrach ich sie.

Sie nickte nur.

"Muss ziemlich scheiße sein. Mutter und Ehemann gleichzeitig in Gefängnis", sagte ich schadenfroh.

Tränen liefen ihr Gedicht herunter.
Sie gab mir einen vernichtenen Blick.
"Wie kann man nur so ein schlechter Sohn sein?",sagte sie kopfschüttelnt.

"Wie kann man nur so heuchlerisch sein?", fragte ich wütend, "ist ja nicht so, das du die Mutter des Jahres bist. Ich meine, es ist wahrscheinlich sehr schwer möglich eine schlechtere Mutter zu sein als du."
Es entstand eine kurze Pause

" Es tut mir Leid", schniefte sie dann.

"Das du mich als einen schlechten Sohn bezeichnet hast? Ich glaub, du hast mich schon schlimmeres genannt", meinte ich.
"Nein, ich meine ich  möchte mich entschuldigen, für alles."

Ich antworte ich nicht. Das musste ich erst mal verdauen.

"Wenn das wirklich stimmt, will ich, dass du etwas für mich tust. Hast du schon mit der Polizei gesprochen?",fragte ich.

" Nein noch nicht wirklich. Sie wollten aber gleich mit mir sprechen. Was ist denn?", fragte sie.

"Du sagst, dass du unglaubliche Angst vor Markus und nie was gesagt  hast, weil er dir gedroht hat. Du und ich uns aber wunderbar verstehen und so."
"Warum soll ich das sagen?", fragte sie.
"Weil ich kein Bock, das du das Sorgerecht für mich und Leslie verlierst und ich in irgent so einem behinderten Heim lande",antwortete ich.

"Aber das könnte Markus schaden, vielleicht muss er dann länger in Gefängnis",gab sie zu bedenken.
"Das wäre ein positiver Nebeneffekt.
Stell dir doch einfach mal Leslie vor, wie sie bis sie 18 ist in einem Heim vesauert.
Oder glaubtst du, dass wer ein verzognes, eingebildetes, dummes Mädchen adoptieren will?"
Sie starrte mich an.

Es klopfte an die Tür.
Ein Polizist steckte seinen Kopf ins Zimmer.
"Frau Cooper, würden sie jetzt bitte mitkommen. Wir würden jetzt gerne mit ihnen zusammen zur Wache fahren.

Sie nickte und ging zur Tür.
Ich hoffte sie überzeugt zu haben.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top