31.
Amelies Sicht
Mir war nach schreien zumute. Ich wollte nur noch schreien. Ich fühlte mich so, als ob ich gleich explodieren würde.
Unglücklicherweise befand ich mich auf einer öffentlichen Straße und ich hatte keine Lust am Ende noch eingewiesen zu werden.
Was sollte ich bloß tun?
Die Lage war so dermaßen kompliziert , ich kam damit einfach nicht mehr klar.
Zu viel Wut und Trauer hatte sich in mir aufgestaut. Ich musste es raus lassen.
Nein, genauer gesagt musste ich es an jemandem auslassen.
Wie von allein war ich zu Nicos Haus gelaufen und stand nun vor dem ordentlich gepflegtem Vorgarten von Nicos Eltern.
Ich überlegte.
Würde Nicos Oma wohl da sein?
Ach was solls, dachte ich.
Ich hatte nichts zu verlieren.
Ich klingelte.
Lange passierte nichts und ich wollte schon wieder gehen, als die Tür geöffnet wurde.
Es war Markus.
Eine Welle von Hass kam über mich, als ich in sein hässliches Gesicht schaute.
Auch wenn Nico und ich uns gerade nicht besonders gut verstanden, hasste und verachtete ich Markus aus ganzem Herzen, für das was er meinem Halbbruder all die Jahre über angetan hatte.
"Was willst du?", fragte er bedacht unfreundlich.
Ich hatte mich gefragt ob er mich überhaupt wiedererkennen würde. Wir hatten uns schließlich erst einmal kurz gesehen, doch an der Art wie er mich abfällig musterte, erkannte ich das er ganz genau wusste wer ich war.
"Was ist? Krieg ich heute noch eine Antwort?", merkerte er noch unfreundlicher.
"Ähm... Ich würde gerne mit Nicos Oma sprechen", sagte ich schüchtern.
"Warum das denn?", fragte er unwirsch.
"Ähmm...."
"Ist schon okay", sagte jemand mit zögernder Stimme aus dem Hintergrund.
Es war Nicos Oma, die sich neben Markus stellte.
Eine erneute Welle von Hass überkam mich. Gott, wie ich diese ganze beschissene Familie hasste.
Das war die Frau die meinen Vater umgebracht hatte.
Und jetzt stand sie vor mir, so als wäre nichts.
"Du bist Amelie, nicht wahr?", fragte sie.
Ich nickte.
"Was möchtest du?", fragte sie mit einem nervösem Unterton in der Stimme.
"Ich möchte nur kurz mit ihnen sprechen", sagte ich möglichst ruhig.
"In Ordnung, wollen wir einen kleinen Spaziergang im Park machen und uns dabei unterhalten?", fragte sie.
"Meinetwegen", willigte ich ein.
Es sah so aus, als wollte Markus etwas dagegen einwenden, schien aber nicht so recht zu wissen was,also ließ er uns gehen.
"Amelie", schrie er mir noch hinterher, "du weißt nicht zufällig wo zum Teufel Nico schon wieder steckt?"
"Nein, keine Ahnung sagte ich wahrheitsgemäß.
Ich hatte wirklich keine Ahnung wo Nico und Till hingegangen waren, nachdem ich sie einfach so in meinem Zimmer stehengelassen hatte.
Und wenn würde ich es Markus auch unter keinen Umständen sagen.
Er knallte die Tür zu.
Jetzt waren es nur noch wir beide.
Ich ich und die Mörderin meines Vaters.
"Wollen wir uns auf die Bank setzen?", fragte sie nach einer Weile, in der ich noch nichts gesagt hatte.
"Warum nicht", sagte ich.
Es war die gleiche Bank, auf der ich mich Nico gesessen hatte, als er mir alles über Markus erzählt hatte.
Wie ironisch.
"Also was gibt's?", begann sie,"geht es um Nico? Er benimmt er sich in letzter Zeit sehr seltsam, weißt du..."
"Ich weiß, dass sie es waren", unterbrach ich sie.
"Was meinst du?", fragte sie überrascht mit leichter Panic in den Augen.
"Sie haben ihn getötet", sagte ich Stumpf, "meinen Vater."
Sie schwieg und wandte den Blick von mir ab.
"Nico hat es mir erzählt, dachten sie wirklich er würde das für sich behalten können?"
Sie schwieg weiterhin.
"Wann wirst du es der Polizei sagen?", fragte sie nach einer gefühlten Ewigkeit mit zittriger Stimme.
"Keine Ahnung, am liebsten sofort... aber Nico liegt was an ihnen und er hat ja sonst so gut wie niemanden", antwortete ich.
"Aber andererseits will ich, dass sie bestraft werden. Sie haben mir meinen Vater weggenommen", warf ich ihr vor, "und er war auch Nicos Vater.
"Markus ist Nicos Vater", sagte sie überzeugt.
Ich lachte abfällig.
"Ernsthaft? wie kann man nur so dumm sein wie sie."
"Was meinst du?", fragte sie empört.
Ich überlegte.
Sollte ich es ihr sagen?
Nico würde mich dafür töten, doch ich wollte das sie sich schuldig fühlte.
Ich wollte, dass sie wusste wie ihre Tochter und ihr Ehemann Nico behandelten, damit sie sich fragen konnte wie sie so ignorant sein könnte es nicht zu bemerken.
Ich wollte, dass leidete.
"Naja, vielleicht hätten sie mal lieber Markus umbringen sollen, wäre deutlich sinnvoller gewesen. Vielleicht denken sie, er wäre ein guter Mensch, ein guter Vater für Nico, aber das ist er nicht, überhaupt nicht."
"Du kennst ihn doch gar nicht wirklich, sagte sie verwirrt.
"Gut genug, um zu wissen, dass er ein absolutes Arschloch ist. Er hasst Nico über alles und schlägt und misshandelt ihn seitdem er ihn kennt und ihre Tochter tut nichts dagegen, da sie Nico ebenfalls verachtet!"
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
"Das hast du dir ausgedacht!", warf sie mir wütend vor, "das ist nicht wahr.
"Doch ist es! Sie haben doch bestimmt auch schön öfter blaue Flecken an Nico gesehen, was meinen sie wo die herkommen?"
Etwas in ihrem Kopf schien Klick zu machen.
"Nein", schluchzte sie nach einer Weile, "Nein, sag das das nicht wahr ist, bitte.
"Es ist die Wahrheit", sagte ich.
Tränen liefen ihr Gedicht herunter.
"Wie schlimm ist es?", fragte sie.
"Ziemlich schlimm. Markus ist extrem aggressiv und gewaltig und lässt das alles an Nico aus. Er hat ihn oft so heftig geschlagen, dass Nico wirklich gefährliche Verletzungen hatte und sie haben nie etwas gemerkt."
Gott, ich konnte ihr schlechtes Gewissen förmlich spüren. Es tat so gut, so unglaublich gut.
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