27.

Amelies Sicht

Nico, Till und ich saßen in Tills Zimmer und schwiegen. Schon seit einer viertel Stunde. Es war erdrückend, aber tat auch irgendwie gut. Ich weinte nicht mehr. Ich fühlte mich so leer, so als ob keine Tränen mehr da waren.

Mein Vater und ich waren im Streit auseinander gegangen. Und nicht nur das. In letzter Zeit hatten wir uns so gut wie gar nicht mehr verstanden. Das bereute ich nun zutiefst.

Mein Vater hatte viele Fehler gemacht. Ohne Frage. Doch den Tod hatte er nicht verdient. Das war für mich klar.

Ich starrte gegen die weiße Wand, als Nico sich traute etwas zu sagen.

"Wie ist es jetzt eigentlich mit deiner Mutter. Hast du noch mal mit ihr geredet", fragte er mich, "Till hat mir erzählt, sie ist ziemlich... ausgerastet."
"Ja hab ich", antwortete ich, "sie lässt sich aber nicht von der Geschichte abbringen, dass ich ihn umgebracht hab."
Nico schüttelte ungläubig den Kopf.

Ja, das mit meiner Mutter war schon so eine Sache. In dieser Zeit hätte ich wirklich Unterstützung von ihr gebracht. Anstattdessen fiel sie mir in den Rücken und bezeichnete mich als Mörderin.

Als ich von der Polizei wiederkam hatte ich mit ihr gesprochen. Doch es war so gewesen, als hätte ich gegen eine Wand geredet. Sie war zwar ruhig gewesen, hatte nicht mehr rumgeschrien, doch mir auch keinen Glauben geschenkt. Ich seufzte. Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir mein altes Leben zurück. Das in dem ich noch nicht in Blütenberg gelebt hatte. Es war so perfekt und unkompliziert gewesen. Das war etwas, was ich nun zu wertzuschätzen wusste.

Doch dann hätte ich auch Till niemals kennengelernt, genau wie meinen Bruder. Ich hätte nie die Wahrheit erfahren. Manchmal war das Leben halt nicht einfach, da musste ich jetzt einfach durch.

Und wie als ob  Nico meine Gedanken lesen könnte sagte er aufeinmal. "Leute, wir können hier doch nicht einfach so tatenlos rumsitzen, wenn Amelie gerade ein Mord angehängt wird. Wir wissen doch eigentlich, dass es nur einer gewesen sein kann, der das getan hat...Markus. Wir müssen damit zur Polizei gehen"

Das Markus es getan hatte war natürlich  das nahliegenste, doch Beweise dafür hatten wir nicht.
"Und wie willst du das beweisen," fragte auch Till.
"Wir sagen ihnen alles. Die Wahrheit ist immer am Beste", erklärte er.
"Die Wahrheit also. Und wie weit willst du damit gehen", fragte ich, "ich meine alles bedeutet auch, dass du ihnen erzählst, was Markus dir angetan hat."
Er schwieg.

"Hab ich's mir doch gedacht", sagte ich etwas zu abwertent,sodass Till mich böse ansah.
"Sorry", sagte ich leise.
"Ja mir tut's auch Leid", sagte Nico giftig, "sorry das ich versuche ne Lösung zu finden, während ihr hier nur dumm rumsitzt."

Tills Handy klingelte. Er schaute den Display.
"Es ist Franzi. Was will die denn jetzt von mir?", sagte er verwirrt.

Oh mein Gott. Francesca. Aufeinmal schoss mir eine Idee durch den Kopf. Sie war gar nicht so schlecht. Wir hatten gar nichts. Also war das schonmal ein Anfang.
Zu dem Plan gehörte aber auch, Nico und Till erst mal nichts zu erzählen. Was ich eigentlich nur ungern tat. Aber es musste sein.

Meine Gedanken wurden durch das Haustür klingeln unterbrochen. Wer konnte das wohl sein? Tills Eltern waren nicht da. Also lief er selbst nach unten, um die Tür zu öffnen. Nico und ich warteten oben.
"Hallo, ist Nico bei dir", hörte ich von unten eine mir fremde Stimme sagen.

Nico schaute verwirrt auf.
"Das ist meine Oma", sagte er überrascht.
"Ja ist er",hörte ich Till zögern sagen.

Nico stand auf und lief die Treppe runter. Ich folgte ihm.
"Ah, da bist du ja", sagte seine Oma erleichert, "kommst du bitte mit nach Hause."

"Ähmm, warum?", fragte Nico.
"Es ist wichtig", sagte sie nur gestresst.
Sie wirkte sehr mitgenommen. Ihr Gesicht war kreidebleich und sie hatte tiefe Augenringe.
Als sie mich erblickte guckte sie fragend.
"Wer bist du denn?", fragte sie mich.

"Ähm, Amelie", sagte ich.
"Die Amelie?", fragte sie.
"Jaaah..."
Mir fiel auf wie sich mich abwertend musterte.

"Wie auch immer. Komm jetzt, Nico!", sagte sie.
Was hatte sie bloß. Sie wirkte nicht ganz normal.
Zögernd folgte Nico ihr aus dem Haus.
"Tschüss, wir reden nochmal", verabschiedete er sich, bevor die Haustür zufiel.

"Ich muss auch los", sagte ich zu Till. Ich hatte immer noch den Plan, von dem er nichts wissen durfte.
"Was? Wohin?", fragte er.
"Ich brauch Zeit für mich. Vielleicht kann ich ja auch nochmal mit meiner Mutter sprechen", log ich.
"Wenn du meinst", sagte er, "meld dich später aber nochmal. Ich finde du solltest nicht zu viel alleine sein."
"Mach ich."

Er gab mir noch einen Abschiedskuss, dann verließ auch ich das Haus.

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